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SBK114: Kirche und Staat
Episode Transcript
Es gab natürlich diese Wand im Kopf, die nicht weiter gedacht hat als bis zur Grenze der DDR.
Als Jugendliche hätten wir uns sicher gewünscht, mal nach Taizé, nach Frankreich zu fahren und dort bei einem der Jugendtreffen dabei zu sein.
Aber im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir schon sehr viel unternehmen können.
Ich glaube, das war die wichtigste Funktion überhaupt.
Politisch kann man hin und her diskutieren, aber die wichtigste Funktion war, dass die Kirche auch sowohl kirchlichen als auch nicht kirchlichen Gruppen den Raum zur Verfügung gestellt hat, auch zum politischen Austausch.
Martin FischerStaatsbürgerkunde, Ein Podcast über das Leben in der DDR von Martin Fischer, Folge 114 – Kirche und Staat.
Hallo und herzlich willkommen zur 114.
Folge von Staatsbürgerkunde.
Das Thema Kirche in der DDR, das hatten wir schon öfter im Podcast.
Erst zum Beispiel in Folge 24, da habe ich mit Jens Goldhardt über seine Ausbildung als Kirchenmusiker gesprochen.
Oder in Folge 33, da habe ich mit meinen Eltern über die Jugendweihe gesprochen, die ja so ein Pendant war zur Firmung oder Konfirmation oder sein sollte.
Und in Folge 106 war Christian Michel zu Gast, der über seine Zeit als Bausoldat gesprochen hat.
Es gab aber noch nicht so richtig eine Folge zum Christsein in der DDR.
Das ist auch einer Hörerin aufgefallen, die gesagt hat, hey, mein Vater, der könnte darüber was erzählen.
Unsere Familie, in der hat Religion schon immer eine große Rolle gespielt.
Und ja, mein Vater, der könnte darüber berichten.
Das fand ich eine ganz tolle Idee.
Denn ja, die Kirche und die DDR, das war nicht so ein ganz einfaches Thema.
1949, da waren noch 90 Prozent der Bevölkerung in der DDR Mitglied in einer Kirche.
1988 waren das aber nur noch 40 Prozent.
Und das lag auch daran, dass die Kirchen unter der SED-Herrschaft in der DDR auch immer Ziel von politischer Überwachung und politischem Druck waren.
Und mein Gast, der ist Pfarrer geworden, hat in Leipzig studiert und hat also auch Leipzig zu Zeiten der Montagsdemonstration und der Friedlichen Revolution erlebt.
Und mit ihm spreche ich jetzt über das Christsein in der DDR und wie er seinen Weg zum Pfarrer gefunden hat.
Und ich freue mich sehr auf das Gespräch mit Gerald Heinke.
Schönen guten Morgen, Gerold Heinke.
Gerold HeinkeSchönen guten Morgen.
Martin FischerWo erreiche ich Sie denn?
Gerold HeinkeSie erreichen mich in Strigestal im Ortsteil Marbach.
Martin FischerWelches Bundesland sind wir da?
Gerold HeinkeIn Sachsen.
Martin FischerUnd genau, da leben Sie und Sie sind auch in der DDR geboren, deswegen sind Sie auch heute hier zu Gast bei Staatsbürgerkunde und wir wollen über ein Thema sprechen, das Ihr Leben sehr geprägt und bestimmt hat.
Wir wollen sprechen über die Kirche und das Christsein in der DDR.
Welche Rolle hat denn die Kirche in ihrer Kindheit und Jugend gespielt in der DDR?
Gerold HeinkeAlso die Kirche war für mich, beziehungsweise erstmal für unsere Familie, der Ort, wo gesellschaftliches Leben passiert ist.
Wir hatten weniger mit staatlichen Institutionen zu tun, sondern die Kirche war unsere geistige und geistliche Heimat.
Also auch von Kindheit an.
Ich bin mit vier, fünf Jahren zum ersten Mal zum Kindergottesdienst gegangen und habe also natürlich mich in der Gemeinde ausgekannt.
Martin FischerWar das was Normales für Kinder in Ihrem Alter oder hatten Sie das Gefühl, es war was Besonderes?
Gerold HeinkeVon Anfang an war ich als Kind einer christlichen Familie ein Außenseiter.
Also wir waren in der Klasse, in der Schulklasse von 30 Schülern vier, die irgendwie zu einer Kirche gehörten.
Oder religiös waren.
Also insofern habe ich von Anfang an lernen müssen, dass ich mich in einer Ausnahmesituation befinde.
Martin FischerHaben Ihre Eltern mit Ihnen darüber gesprochen, was das Besondere daran ist oder warum das eben nicht alle machen?
Gerold HeinkeDas war selbstverständlich.
Meine Eltern waren aktiv in der Kirchgemeinde.
Mein Vater hat für die Kirchgemeinde als Verwaltungsmitarbeiter gearbeitet.
Und meine Mutter hat von ihrer Kindheit her eine sehr religiöse Kindheit erlebt in Schlesien und da war das für die beiden selbstverständlich, dass wir in der Kirchgemeinde aktiv waren.
Martin FischerVon welchem Jahrzehnt sprechen wir denn jetzt?
Wann waren Sie denn Kind in der DDR?
Gerold HeinkeIch bin 1960 geboren und ab 1964 bin ich in den Kindergottesdienst gegangen.
Und 1966 wurde ich eingeschult in die Polytechnische Oberschule.
Und also mit 16 habe ich dann die Schule beendet.
Das ist erst mal die Zeit von Kindheit und Anfang der Jugend.
Martin FischerHaben denn Klassenkameradinnen und Klassenkameraden, haben die sich dafür interessiert, was sie da machen in der Kirche?
Gerold HeinkeNein, weil Kinder werden natürlich von ihren Eltern geprägt und erzählen erst mal das, was die Eltern sagen.
Und die Lehrer natürlich auch.
Und da wir in einer sozialistischen Gesellschaft gelebt haben, war es klar, dass die Kirche und Christen überhaupt als Klassenfeinde bezeichnet wurden.
Also schon als Kind habe ich das zu hören bekommen.
Martin FischerHaben Sie darauf reagiert oder haben Sie das erstmal so hingenommen?
Also ich denke mal im jüngeren Alter, wie reagiert man denn da?
Gerold HeinkeDas war erstmal sozusagen der Alltag, da konnte ich nichts dran ändern und habe auch nicht drüber nachgedacht, ob man da etwas ändern müsste.
Martin FischerHatten Sie das Gefühl, dadurch Nachteile in der Schule zu haben?
Wurde das irgendwie thematisiert?
Gerold HeinkeJa, ganz bestimmt.
Je älter ich wurde, desto deutlicher wurde auch, dass in der Schule einfach die Mitgliedschaft in der sozialistischen Pionierorganisation oder in der sozialistischen Jugendorganisation eine Voraussetzung für eine berufliche Entwicklung war.
Und von daher habe ich mir von Anfang an, sage ich mal, keine großen Hoffnungen auf eine steile Berufskarriere gemacht.
Martin FischerVielleicht können Sie nochmal erklären, warum denn das Verhältnis von der DDR-Regierung zur Kirche so ein schwieriges oder quasi nicht existent war?
Gerold HeinkeNa ja, die SED hat sich immer auch als eine kommunistische Partei verstanden und für Kommunisten sind religiöse Menschen.
Ja, ich sage mal, nicht mehr ernst zu nehmen, denn es gibt natürlich die moderne Wissenschaft und die kann ja beweisen, so die Argumentation, dass es keinen Gott gibt und von daher ist jemand, der an Gott glaubt, jemand, der in die Vergangenheit gehört und nicht in die Gegenwart und Zukunft.
Martin FischerUnd dennoch, und das ist vielleicht auch so, das woran man vielleicht auch zuerst denkt, gab es natürlich christliche Feiertage auch in der DDR.
Also diese großen Feste im Jahr, die wurden ja dann trotzdem begangen und die wurden jetzt auch nicht totgeschwiegen.
Gerold HeinkeJa, sie wurden umgedeutet immer wieder.
Also das Pfingstfest wurde eben zu dem Wochenende, wo sich die Jugend traf und gefeiert hat.
Daraus ist ja zum Beispiel auch dieser Jugendsender DT64 entstanden, Deutschlandtreffen 64, weil es eben große Jugendtreffen zu Pfingsten gab, ohne dass gesagt worden wäre, was Pfingsten war und was die Bedeutung war.
von Pfingsten ist.
Also es gab die Worte, sage ich mal, aber die Inhalte wurden natürlich nicht mittransportiert.
Bei Weihnachten genauso oder Ostern.
Martin FischerDass es einfach ein Familienfest war oder was war dann da die Erklärung?
Gerold HeinkeEs wurde umgedeutet in ein Fest der Familie oder in ein Liebesfest, wie auch immer.
Auf alle Fälle nicht, dass es mit der Geburt Jesu Christi zu tun hat, also dass man da die Geburt Jesu Christi feiert oder so.
Das spielte keine Rolle.
Also es wurde nicht transportiert.
Martin FischerJetzt sind Sie da durch die Schuljahre gekommen.
Wie gesagt, im Unterricht war Religion kein Thema.
Es gab keine Fachreligion.
Es wurde anerkannt, dass Kinder, Jugendliche anscheinend in der Kirche sind und vielleicht auch in der Christenlehre sind.
Also ich selber war auch in der Christenlehre, wurde aber in der Schule nie thematisiert.
Und auch von Mitschülern, habe ich jetzt gerade erfahren, war es eigentlich kein Thema.
Gerold HeinkeJa, also natürlich wussten die Lehrer, dass ich erstens nicht in den Pionieren bin und zweitens, dass wir eine Familie sind, die aktiv in der Kirchgemeinde sind.
Und wer mir wohlgesonnen war, der war mir eben wohlgesonnen von den Lehrern.
Und die, die was gegen Kirche und Christen hatten, die haben das auch in der Schule mich spüren lassen.
Also, wenn wir schon beim Thema Staatsbürgerkunde sind, ich hatte eine Staatsbürgerkundelehrerin, die rief dann mal, war dann eben schon in der neunten Klasse, die rief dann mal den FDJ-Sekretär zu sich und sagte, dass er es an Mitarbeit mangeln ließe.
Also das hat er dann den Leuten, die in der Kirche aktiv waren, erzählt, dass er es an Mitarbeit mangeln lasse, dass aber die Kirchenbampeln immer da wären und aktiv im Staatsbürgerkunde oder im Geschichtsunterricht, wir hatten auch Geschichte bei ihr, sein.
Also da war schon klar, von Wertschätzung keine Spur.
Martin FischerUnd also Sie selber, beziehungsweise Ihre Familie hat ja die Entscheidung getroffen, nicht in die großen Organisationen reinzugehen, also Pioniere FDJ.
Hätten Sie die Möglichkeit gehabt, da reinzukommen als jemand, der in der Kirche ist?
Gerold HeinkeNatürlich, wäre überhaupt kein Problem gewesen.
Also ich hatte auch einen Klassenkameraden, der war vorher nicht in den Pionieren gewesen.
Der trat dann aber auch gegen den Willen seiner Eltern in die FDJ ein.
Martin FischerHaben Sie denn die Feste anders begangen im Jahr?
Also ich weiß, bei mir im Heimatort gab es dann trotzdem natürlich zu Weihnachten auch einen Gottesdienst und da konnte man natürlich auch hingehen.
Sie haben dann aber in Ihrer Gemeinde die Feste trotzdem gefeiert.
Also das war dann schon möglich tatsächlich, ja.
Gerold HeinkeJa, natürlich.
Also von den Staaten des sozialistischen Blocks, also Osteuropa und Sowjetunion, ging es den Christen in der DDR am besten.
Die hatten die meisten Freiheiten.
Das hing damit zusammen, dass, also so ist das transportiert worden.
Ich habe jetzt keinen Beweis dafür, aber so ist das transportiert worden, dass Stalin die Vorstellung hatte, dass die evangelische Kirche im Widerstand gegen Hitler gestanden hatte und sozusagen eine Widerstandskraft gewesen wäre.
Aber da sollen sich die Historiker drüber streiten, denn die Zahlen sagen auch nochmal was anderes.
Martin FischerJetzt geht es natürlich dann, beziehungsweise noch eine Frage, bevor wir jetzt gleich zum Schulabschluss kommen.
Gab es denn auch Kontakt zu Kirchen in Westdeutschland?
Haben Sie da mal was mitbekommen als Kind, Jugendlicher?
War da mal ein Austausch da, weil ich natürlich auch mal erfahren habe, dass da schon ein reger Kontakt war, dass da Geschenke geschickt wurden oder Unterstützung geschickt wurde.
Haben Sie sowas mal erlebt?
Gerold HeinkeAlso es war so organisiert, dass jede Kirchgemeinde im Osten eine Partner- oder Patengemeinde in einer der Westkirchen hatte und dass da auch Austausch stattgefunden hat.
Also zum Beispiel gab es über Jahr für unsere Gemeinde einen Jugendaustausch mit Jugendlichen aus der Bundesrepublik Deutschland.
Da hat man sich in Berlin getroffen.
Die westdeutschen Jugendlichen haben immer in Westberlin übernachtet und sind dann mit Tagesvisum nach Ostberlin gekommen.
Martin FischerWas hat man da zusammen gemacht, wenn man sich dann getroffen hat in Ostberlin?
Gerold HeinkeDas, was man als Jugendlicher zusammen macht, man redet über alles.
Und natürlich wichtig war, wenn ich an die Treffen denke, in den gemeinsamen Andacht, dass man über den Bibelwort nachgedacht hat oder dass man überhaupt Bibelarbeiten gemacht hat, aber sonst, was Jugendliche eben zusammen tun, spielen oder sich über alles Mögliche austauschen.
Martin FischerKonnten Sie da schon einen Vergleich ziehen zwischen West und Ost?
War das für Sie attraktiv, was da im Westen passiert ist?
Gerold HeinkeAlso verschiedene Dinge waren schon attraktiv für mich.
Also die Möglichkeiten, um Zusammenkünfte zu organisieren oder Dinge gemeinsam zu tun, die waren besser auf alle Fälle oder vielfältiger.
Aber insgesamt habe ich mich doch in unserer Jugendgruppe, in unserer Gemeinde sehr wohl gefühlt.
Wir haben da eben unter anderen Bedingungen gelebt, aber es war nicht so, dass wir jetzt unbedingt auf andere neidisch gewesen wären.
Martin FischerAlso Ihnen hat auch nichts gefehlt, speziell jetzt im christlichen Leben, wo Sie gesagt haben, oh, das ist im Westen eher möglich und bei uns gar nicht oder schwierig.
Gerold HeinkeEs gab natürlich diese Wand im Kopf, die nicht weiter gedacht hat als bis zur Grenze der DDR.
Als Jugendliche hätten wir uns sicher gewünscht, mal nach Tessé, nach Frankreich zu fahren und dort bei einem der Jugendtreffen dabei zu sein.
Aber im Rahmen unserer Möglichkeiten und sozusagen der Rahmen war zumindest für mich immer im Kopf da, haben wir schon sehr viel unternehmen können.
Martin FischerEs war quasi für Sie die Normalität oder die Gegebenheit?
Gerold HeinkeJa, es war die Gegebenheit und die Erfahrung war auch, dass man dagegen nicht oder nur ganz schwer ankämpfen konnte, um da etwas zu bewegen.
Also hat man gesagt, ich akzeptiere den Rahmen und bewege mich innerhalb des Rahmens.
Martin FischerWir können mal vielleicht ein Stück weiter gehen, wenn es jetzt zum Ende Ihrer Schulzeit geht.
Wir haben gerade schon gehört von Ihnen, dass je nach Lehre der Blick auf Mitglieder der christlichen Gemeinde unterschiedlich war.
Und wir haben auch schon eine andere Folge vom Podcast von jemandem gehört, der dann seine schulische Laufbahn nicht so weitermachen konnte, wie er es vorhatte, weil er eben kirchlich geprägt war oder kirchlich engagiert war.
Wie war das bei Ihnen, wenn es dann so Richtung Ende der Schullaufbahn geht?
Gerold HeinkeAlso da muss man erst mal die Eckdaten sich bewusst machen.
Das war sicher auch lokal verschieden in den verschiedenen Bezirken der DDR unterschiedlich.
Aber zur erweiterten Oberschule EUS kam man nur durch Delegierung von der Schule und nicht mehr als 10 Prozent der Klassen überhaupt, also der Schüler aus einer Klasse überhaupt.
Martin FischerWeil das eben im Arbeiter- und Bauernstaat wollte man nicht so viele auf die Universität schicken und viele sollten Handwerk lernen.
Ist das so verkürzt richtig oder was war der Grund für die 10 Prozent?
Gerold HeinkeDas ist nicht richtig, sondern es war einfach, die DDR war eine Planwirtschaft und da wurde das alles geplant, genau geplant und dementsprechend hat man das dann auch umgesetzt.
Und zur damaligen Zeit, also Mitte der 70er Jahre, war vielleicht auch der Bedarf an hochqualifizierten intellektuellen Arbeitern nicht so da.
Offensichtlich war man mit den 10 Prozent ganz gut gefahren.
Ausnahmen bestätigen die Regeln, wo dann eben mehr oder auch mal weniger delegiert worden sind.
Und die Leistung spielte schon eine Rolle.
Also in meiner Klasse waren...
Zwei Mädchen, die delegiert wurden und dann war aber auch noch ein Junge, der delegiert wurde, obwohl er leistungsmäßig nicht so gut war, aber sein Vater war Parteimitglied.
Und damit ist auch die Richtung angedeutet, in die es gegangen ist.
Und als Nichtmitglied der FDJ hatte ich da überhaupt keine Chance.
Martin FischerDas heißt, für Sie war schon klar, Abitur ist nicht möglich?
Gerold HeinkeRichtig.
Martin FischerWas war dann Ihre Option?
Also was war dann Ihr Plan?
Gerold HeinkeAlso mein Plan war dann, oder das war eigentlich die logische Folge daraus, dass ich nach der 10.
Klasse einen Beruf lerne und dass ich dann, und das gab es ja, über einen zweiten oder dritten Weg zu einem Hochschulstudium komme.
Und das hat sich allerdings dann eben erst herauskristallisiert, als ich 18, 17, 18 Jahre alt war.
Für mich als Schüler der zehnten Klasse im Alter von 16 Jahren war klar, ich mache eine Berufsausbildung, eine Lehre.
Martin FischerWaren Sie da traurig drüber?
Also war das was, was Sie wollten oder war das einfach, dass Sie es akzeptiert haben, so ist es halt?
Gerold HeinkeJa, das war erstmal wieder sozusagen der Rahmen, der gesetzt war und ich konnte daran nichts ändern.
Ich wollte aber eben auch meinen Glauben nicht dafür aufgeben, um jetzt unbedingt die absolute Berufskarriere zu machen.
Und ich hatte dann die Idee, ich könnte ja Schlosser lernen und wollte aber in einen ganz bestimmten Betrieb, in dem habe ich keinen Lehrplatz bekommen.
Allerdings hat mir der Betrieb drei andere Berufe angeboten, die ich lernen könnte in dem Betrieb und dann habe ich mich entschieden für die Ausbildung eines Facharbeiters für Qualitätskontrolle.
Martin FischerWurde Ihnen denn irgendwann mal angeboten, dass man sagt, hey, wenn du deinen Glauben ablegst, dann kannst du natürlich Abitur machen?
Stand das irgendwann mal im Raum?
Gerold HeinkeAlso, ich habe die Lehre gemacht, dann habe ich ein Jahr gearbeitet, danach wurde ich zur NVA eingezogen und dann kam ich zurück in den Betrieb.
Und 14 Tage nach meiner Rückkehr in den Betrieb, kriegte ich die Aufforderung, in die Kaderabteilung des Betriebes zu kommen.
Also die, heute würden wir sagen, Personalchefin, hatte mich angerufen und gesagt, kommen Sie da mal rüber, das sind fünf Männer, die wollen mit Ihnen reden.
Und da bin ich dann dahin gegangen und da wurden mir die Herren vorgestellt, Doktor sowieso und Doktor sowieso und Doktor Ingenieur sowieso.
Und die Kaderleiterin sagte mir, es geht um Ihr Studium.
Und da habe ich mich gewundert, denn ich hatte mich von der NVA schon zum Theologiestudium, zu der Sonderreifeprüfung beworben.
Nun standen da aber fünf Ingenieure vor mir und einer begann und sagt, also wir haben uns mal ihre Unterlagen angeschaut und ein anderer sagte dann gleich, beschwichtigen, das dürfen wir.
Und dann redete der andere weiter und sagte, ja, der Plan Wissenschaft und Technik sieht vor und zeigt uns, dass Ende oder Anfang der 90er Jahre eine ganze Generation von Ingenieuren in den Ruhestand gehen wird.
Wir brauchen neue Ingenieure und wir sind von der Fachschule für Messtechnik und wir haben uns ihre Unterlagen angeschaut und sind überzeugt, dass sie ein guter Ingenieur werden könnten.
Und da habe ich gesagt, sie wissen erstens, dass ich nicht Mitglied der FDJ bin.
Ja, ja, das ist aber für uns kein Problem.
Und dann habe ich gesagt, sie wissen auch, dass ich.
Tiefer Christ bin.
Ja, das wissen wir auch, das hindert Sie ja nicht daran, ein guter Ingenieur zu werden.
Und dann habe ich gesagt, und außerdem habe ich mich schon für ein Theologiestudium, also für eine Sonderreifeprüfung an der Universität in Leipzig beworben.
Und das ist soweit ohne Hindernisse in Vorbereitung.
Und da sagte dann einer von denen, ja, aber wenn Sie mit der Theologie nicht zurechtkommen, können Sie immer noch wieder bei uns anfangen.
Das mag jetzt verwundern, ist aber leicht zu erklären, denn mit meiner Lehre habe ich die soziale Klasse gewechselt aus einem Sohn eines, Es stand dann immer im Klassenbuch drin, was die Eltern für einen sozialen Status haben.
Und da bei meinem Vater stand, glaube ich, drin anderes oder so.
Aber auf alle Fälle nicht Arbeiter.
Und durch die Lehre bin ich aber zum Arbeiter geworden.
Und die Arbeiter mussten natürlich qualifiziert werden.
Und deswegen ist mein Hochschulstudium dann auch statistisch nicht als Hochschulstudium, sondern als Arbeiterqualifizierung gelaufen.
Martin FischerHaben Sie darüber nachgedacht, das zu machen?
War das eine Option für Sie dann wieder?
Gerold HeinkeAls Ingenieur?
Martin FischerJa, da haben Sie ja kurz überlegt, zu sagen, ich mache das.
Nein, überhaupt nicht.
Was war denn diese Hochschule in Leipzig für eine Einrichtung?
Also wie war die denn positioniert im Bildungssystem der DDR?
Gerold HeinkeAlso die Uni in Leipzig überhaupt?
Martin FischerAlso die Uni war wahrscheinlich eine staatliche Institution?
Ja, natürlich.
Der Theologiestudiengang, war das auch ein staatlicher Studiengang?
Gerold HeinkeJa, das war ein staatlicher Studiengang.
Das hing damit zusammen, dass die Bezeichnung Universität, zumindest damals wurde uns das so gesagt, dass eine Universität nur eine Volluniversität sein kann, also bei technischen Universitäten natürlich nicht, aber nur dann eine Volluniversität sein kann, wenn es auch eine theologische Fakultät gibt.
Und so war an jeder Universität in der DDR auch eine kleine theologische Fakultät angehängt oder ein Teil des Unibetriebes, also in Jena, in der Humboldt-Uni, in Berlin, in Kreiswald, in Rostock und in Halle gab es überall die Möglichkeit, evangelische Theologie zu studieren.
Martin FischerUnd das konnte man dann auch nutzen, um da eben den Studiengang zu belegen?
Gerold HeinkeJa, natürlich.
Also es gab für die Theologie eine Einrichtung, die damals oft genutzt wurde, nämlich die sonderreife Prüfung.
Man ist direkt an die Uni gefahren und hat dort in fünf Prüfungen über zwei Tage nachgewiesen, dass man fähig ist, Theologie zu studieren.
Also da wurden Deutschkenntnisse abgefragt, ob man sich ausdrücken kann und dann wurde allgemeine theologische Fragen bearbeitet Und natürlich musste man eine Arbeit in Marxismus-Leninismus schreiben.
Also sowohl mündlich als auch schriftlich wurde das geprüft.
Und dann gab es aber nur Hoppe oder Toppe.
Also entweder man wird angenommen für das Studium.
Also dann musste man nicht nochmal irgendwie ein Abitur nachweisen, sondern das war die Zugangsprüfung zur Theologie.
Martin FischerDas heißt, das war tatsächlich dann auch logischerweise bei Ihnen dann ohne Abitur möglich, dieses Studium zu beginnen, durch diese Aufnahmeprüfung.
Gerold HeinkeDie Voraussetzung war, dass man eine abgeschlossene Berufsausbildung hat.
Also jetzt nur von der 10.
Klasse dahin zu gehen und das machen zu wollen, das wäre nicht gegangen.
Martin FischerDas heißt, Ihre Ausbildung, die war schon darauf ausgelegt, dass Sie irgendwann diese Prüfung ablegen.
Also Sie konnten sich jetzt auch nicht vorstellen, in diesem Beruf, den Sie erlernt haben, weiterzuarbeiten.
Das war quasi der Weg zum Studium.
Gerold HeinkeAlso, als ich mich dann im Alter von 17 Jahren fürs Theologiestudium entschieden habe, war das klar, dass das der Weg ist.
Aber meine Bedingung, die ich für mich selber gestellt hatte, war zunächst die Zeit der NVA hinter mich zu bringen, sodass das nicht mehr im Raum stehen würde und mich dann nach für so eine Reifeprüfung, also Sonderreifeprüfung zu bewerben.
Martin FischerDarf ich kurz fragen, die Zeit in der NVA, wie sie die, bewerkstelligt haben.
Also es gab ja dann tatsächlich auch die Möglichkeit, Bausoldat zu sein.
War das eine Option für Sie?
War die Zeit da irgendwie ausschlaggebend?
Wie sind Sie damit umgegangen als Christ und dem NVA-Dienst?
Gerold HeinkeAlso das könnte jetzt ein weiteres Podcast-Thema sein.
Könnte ich lange dazu reden.
Ich will das verkürzen.
Und in der Verkürzung liegt natürlich schon eine Problematik.
Für mich war wichtig, mir zu überlegen, gibt es einen Weg in der DDR im Verhältnis zum Wehrdienst, einen Weg, der schuldfreier ist.
Ich sage nicht schuldfrei, sondern schuldfreier.
Und da habe ich festgestellt, dass die drei Wege, die möglich waren, Totalverweigerung, Bausoldaten oder ganz normaler Dienst in der NVA, dass die alle drei nicht schuldfrei und auch nicht schuldfreier wären.
Und habe mich dann entschieden, auch aus einer Haltung heraus, die ich damals hatte, eine sehr missionarische Haltung, habe ich mir gesagt, ich kann dort in den Einheiten junge Leute treffen, die ich später als Pfarrer nie wieder treffen werde.
Also habe darin eine Missionsmöglichkeit gesehen und deswegen habe ich mich dafür entschieden, immer wissend, dass es eben keinen schuldfreien Weg gibt.
Und dann habe ich tatsächlich auch in der Kompanie eine kleine Gemeinde gegründet mit anderen Soldaten zusammen.
Wir haben uns sonntags getroffen, wenn es hieß, Kompanie einrücken im Mehrzweckraum Kino.
Dann war das für uns das Zeichen, uns auf meiner Bude zu treffen und dann haben wir zusammen in der Bibel gelesen.
Ich hatte meine Gitarre dabei und habe gespielt und wir haben uns ausgetauscht und das war eine Gemeinschaft, die bis heute trägt.
Also neulich war ich erst wieder bei einem, der damals zur Gemeinde gehörte und wir halten eben bis heute zusammen.
Es war eine Zeit und zwar eine Gruppe, die dann uns auch allen durch diese Zeit geholfen hat.
Martin FischerJa, also ich verweise jetzt hier an der Stelle mal auf eine Folge, die es auch schon gab, Folge 106.
Da spreche ich mit Christian Michel, der Bausoldat eben war und der für sich das so entschieden hat.
Ich finde es jetzt auch tatsächlich spannend, das auch nochmal zu hören von jemandem, der von einer ähnlichen Entscheidung stand, aber das dann auch für sich anders bewertet hat.
Das zeigt vielleicht auch, dass es gar nicht so leicht war, so eine Entscheidung zu treffen.
Sie haben gesagt, Sie haben auch sich alle drei Wege angeguckt und keiner war für Sie so richtig attraktiv.
Der Bausoldat, ich weiß nicht, war das dann auch der Grund, das ist ja dann trotzdem noch ein Soldat oder was sprach zum Beispiel dagegen, wenn man jetzt irgendwie sagt, ich gucke mir das jetzt alles an und komme dann zu dieser Entscheidung.
Gerold HeinkeEs geht eben nicht um den Friedensalltag, sondern es geht um den Ernstfall.
Was tut der Bausoldat im Ernstfall?
Was tut der Soldat im Ernstfall?
Was tut der Totalverweigerer im Ernstfall?
Und zwar klar, dass der Bausoldat auch im Ernstfall, wenn er nicht total verweigern will und dann unter Militärgerichtsbarkeit seinen Widerstand mit dem Leben bezahlt, dass er dann auch für den Krieg arbeitet.
Indem er militärische Einrichtungen baut.
Also von daher war das für mich eine Überlegung in diese Richtung.
Martin FischerOkay, wie viele Jahre waren das dann für Sie zu dem Zeitpunkt?
Wie lange musste man damals?
Gerold HeinkeAnderthalb Jahre, 18 Monate.
Martin FischerDas haben Sie dann quasi absolviert.
Sie hatten die Ausbildung absolviert und das war für Sie gedanklich so, das habe ich jetzt abgehakt und dann kann ich jetzt zum Studium gehen.
Gerold HeinkeJa, richtig, so war das.
Also im Sommer nach meiner Entlassung aus, ich bin im Herbst entlassen worden 1980 und im Sommer 81 war die Sonderreifeprüfung und im Herbst 81 begann dann das Studium.
Martin FischerWar das ein großer Schritt für Sie, plötzlich auf einmal nach Leipzig zu gehen, von da, wo Sie davor waren?
Gerold HeinkeAlso mein erstes Ziel war Berlin gewesen, aber dann, als es um die wirklichen Studienmaterialien ging, da hatte ein Dozent von Leipzig gesagt, also die Ressourcen und die deutsche Bücherei in Leipzig ist einfach viel besser ausgestattet als Bibliotheken in anderen Universitäten der DDR.
Und dann habe ich wirklich, das war für mich ein Grund und dann habe ich mich in Leipzig beworben.
Und ich muss sagen, dass die deutsche Bücherei dann für mich auch sozusagen das zweite Wohnzimmer in Leipzig wurde.
Da habe ich mich sehr oft.
Martin FischerUnd wie war denn Leipzig so Anfang der 80er Jahre?
Also es war dann schon auch eine größere Stadt, zumindest eine größere Stadt als ihre Geburts- und Heimatstadt, denke ich mal?
Gerold HeinkeJa, also um das mal auf eine Formel zu bringen.
Karl-Marx-Stadt war meine Heimatstadt, aber ich habe immer gesagt, das ist keine Stadt, sondern eine Ansammlung von Häusern.
Für mich war Leipzig das Modell, zur damaligen Zeit, das Modell von einer Stadt.
In Dresden war einfach das Zentrum viel zu zerstört, also musste einfach da auch neu aufgebaut werden.
Während in Leipzig doch das Zentrum in gewisser Weise noch existierte, auch wenn es da viele Lücken gab.
Und für mich ist wichtig bei einer Stadt, dass man innerhalb eines Zentrums die entsprechenden Dinge, auch Spezialgeschäfte findet, die das Leben gut und schön machen können.
Und in Dresden gab es solche Geschäfte auch, aber die waren alle in den anderen Stadtteilen, Also nicht im Zentrum und in Leipzig war es eben im Zentrum.
Also von meinem Gefühl und von meiner Auffassung war Leipzig die Stadt in der DDR, denn Berlin war durch die Teilung schon, sage ich mal, polarisiert.
Leipzig war für mich die Stadt und deswegen war das dann auch.
Martin FischerWie geht es denn einem dann als jungen Theologiestudenten in Leipzig?
Wie fängt man da an?
Was sind so die ersten Eindrücke?
Was macht man da als erstes?
Wen trifft man?
Gerold HeinkeAber zur damaligen Zeit, seitdem hat sich ja viel geändert, aber zur damaligen Zeit war ganz klar und auch an einer sozialistischen Universität gab es klare Lehrpläne.
Es gab, muss ich heute sagen, viel mehr Freiheit als beim Bachelor- oder Masterstudium.
Also man konnte dann wirklich, wenn man die Sprache, und das war die Voraussetzung, die Sprache hinter sich hatte, konnte man sich den Lehrplan schon sehr gut selbst zusammenstellen.
Aber das erste, die ersten zwei Jahre waren geprägt durch die klassischen Sprachen, Hebräisch, Griechisch, Latein.
Und da ging es richtig zur Sache.
Also wir hatten jede Woche zwölf Zeitstunden Sprachunterricht.
Und also auch mit den Aufgaben nach dem Unterricht, da hatten wir mal schnell von einer zur nächsten Unterrichtseinheit 250 Vokabeln aufgehabt.
Also das war richtig knackig.
Martin FischerUnd Studentenleben an sich, haben Sie das auch, also haben Sie dann auch erst mal Gleichgesinnte getroffen, die dann natürlich auch aus anderen Ecken der DDR kamen, um dieses Studium zu absolvieren.
Wie war das so untereinander?
Gerold HeinkeAlso ich erinnere mich sehr gerne an meine Studienzeit.
Wir waren in dem Studienjahrgang, waren wir zwei Seminargruppen.
Besonders gerne erinnere ich mich an.
Meine Seminargruppe und vor allen Dingen an den Sprachunterricht, weil es einfach ein toller Sprachlehrer war, den wir da hatten.
Und dann war der Tagesablauf so, ich hatte eine kleine Wohnung, meine Schwester hatte mir eine kleine Wohnung besorgt und am ersten Tag fragte mich ein Student, er wolle nicht ins Wohnheim, ob ich ihn mitnehmen würde.
Und das habe ich auch gemacht und dann sind wir früh ziemlich zeitig um sechs aufgestanden und haben Losungen und Lehrtext, also aus den Herrnhuter Losungen, haben wir uns im Original besorgt, also Hebräisch und Griechisch, die haben wir zusammen gelesen und darüber gesprochen, also eine kleine Morgenandacht mit den Original-Bibelzitaten.
Dann sind wir an die Uni gefahren, dann haben wir wirklich bis abends um sechs, die Sprachen waren am Nachmittag, am Vormittag waren Vorlesungen und Seminare, die Sprachen waren am Nachmittag und nach dem Sprachunterricht sind wir meistens zu irgendeiner Vete gegangen.
Also dann kamen wir so gegen zwölf nach Hause und haben wir unsere Hausaufgaben gemacht, die natürlich auch erledigt werden mussten und dann ging am nächsten Tag das gleiche Spiel von vorne los.
Also es war eine sehr intensive Zeit, die ersten zwei Jahre mit den Sprachen, dann wurde es etwas lockerer im dritten Studiengang.
Martin FischerUnd jetzt im Vergleich zu der Ausbildung, war das dann das, was Sie machen wollten?
Also hat sich das dann mehr richtig angefühlt als diese Ausbildung?
Also waren Sie dann glücklich mit dem, was Sie für das entschieden haben?
Gerold HeinkeJa, das war eine sehr schöne Zeit.
Also ich war, bevor ich Theologie studiert habe, engagiert in einer Bewegung, die es in den Kirchen der DDR gegeben hat, in der Bewegung für geistliche Gemeindeerneuerung.
Und das war eine sehr wichtige und interessante Zeit für mich.
Aber mit dem Studium habe ich dann angefangen, eben theologische Grundlagen kennenzulernen und die Dinge aus dem Blickwinkel eines Theologen her zu betrachten.
Und das war ganz wichtig.
Auf der einen Seite die geistliche Erfahrung und auf der anderen Seite die wissenschaftliche Beschäftigung.
Martin FischerUnd hat sich dann auch das Verhältnis zu den Lehrern und Ausbildungen und Dozenten, war das dann deutlich ein anderes als in der Schulzeit, wo man dann vielleicht als Christ ein bisschen komisch angeschaut wurde?
Hier war es dann, hoffe ich jetzt mal, anders?
Gerold HeinkeJa, bis auf die Professoren und Dozenten für Marxismus, Leninismus waren die Dozenten auch alle Christen.
Also ich meine, wenn man kein Christ wäre, wie auch immer, zu welchen Flügeln man gehört, dann hätte man nicht Theologie lehren können.
Also das ist schon meine Überzeugung.
Auch der kritischste Theologe, der kritischste Neutestamentler ist aus meiner Sicht, muss er Christ sein, um das überhaupt lernen zu können.
Martin FischerDas heißt, Sie hatten eine schöne Studienzeit jetzt eigentlich, höre ich so raus.
Gerold HeinkeJa, kann ich sagen, ohne Einschränkungen.
Martin FischerWie lange ging die denn?
Wie lange studierten wir das denn?
Gerold HeinkeFünf Jahre, also das war zu DDR-Zeit vorgeschrieben, Regelstudienzeit fünf Jahre.
Drei Jahre habe ich in Leipzig studiert, ein Jahr in Kreisfalz und zum Examen bin ich dann und zum Diplom bin ich zurückgegangen nach Leipzig.
Martin FischerDas heißt, wir sind jetzt irgendwo Mitte der 80er Jahre, als Sie dann fertig studiert haben?
Gerold Heinke1981 habe ich angefangen, Theologie zu studieren und 1986 habe ich dann Examen gemacht, also das erste theologische Examen.
Martin FischerDas liegt ja jetzt schon so ein bisschen in der Endzeit der DDR.
Vielleicht können Sie mal kurz beschreiben, welche Rolle die Kirchen vielleicht auch so Mitte der 80er dann schon hatten, wenn das schon eine Zeit war, wo die Kirchen auf einmal auch ein politischer Akteur wurden.
Gerold HeinkeAlso das muss man sehr differenzieren.
Wie war es in den Ortsgemeinden?
Wie haben die Kirchenleitungen dazu gestanden?
Was für Aktionen haben einzelne Kirchgemeinden vorgenommen?
Wie haben die landeskirchlichen Leitungen darauf reagiert?
Also 1984, 1985 habe ich in Greifswald studiert und war da sehr aktiv in der Studentengemeinde.
Und die Studentengemeinde hat damals eben unglaublich viele Aktionen gemacht, angeführt von dem damaligen Studentenfacher.
Viele auch kritische Künstler und Musiker und Sängerinnen und Sänger wurden eingeladen.
Also das waren schon so Punkte, wo man die Kirche als einen Raum genutzt hat, offen zu sprechen.
Ich glaube, das war die wichtigste Funktion überhaupt.
Politisch kann man hin und her diskutieren, aber die wichtigste Funktion war, dass die Kirche auch sowohl kirchlichen als auch nicht kirchlichen Gruppen den Raum zur Verfügung gestellt hat, auch zum Austausch, auch zum politischen Austausch.
Martin FischerWaren Sie überrascht über diese neue Sichtbarkeit der Kirche zu der Zeit?
Also dass die dann wirklich auch, wie sagen wir, mit Konzerten und Veranstaltungen, dass die auch nochmal so eine ganz andere Bevölkerungsgruppe vielleicht angesprochen hat?
Gerold HeinkeNein, war ich nicht, weil ich seit dem 16.
Lebensjahr habe ich mich mit Jugendsozialarbeit beschäftigt, war dann auch lange Zeit ehrenamtlicher Mitarbeiter und es gab eben viele Aktivitäten.
In Karl-Marx-Stadt hieß das erst der Kundentreff, später hieß das Treffpunkt Kirche.
Und da kamen Jugendliche, die aus ganz anderen Bezügen kamen in die Kirche, da gab es Konzerte.
Das war aus meiner Sicht ein Bestandteil und eine Funktion von Kirche, dass sie eben anderen Raum gibt.
Sich auszusprechen.
Martin FischerDas heißt, es war eigentlich eine logische Fortführung, was dann in den 80ern passiert ist?
Gerold HeinkeJa, meine ich.
Martin FischerWie ging es denn für Sie weiter dann nach dem Ende des Studiums?
Sie sind ja dann, glaube ich, in Leipzig geblieben, wenn ich es richtig weiß.
Gerold HeinkeJa, richtig.
Ich hatte inzwischen geheiratet und wir hatten eine Tochter.
Und ich bin erst mal zwei Jahre als, damals sagte noch Mann, noch Hausmann.
Heute wird man in Elternzeit zu Hause geblieben.
Meine Frau hatte die großartige Möglichkeit, eine Facharztausbildung an der Universität in Leipzig zu machen.
Und dann bin ich also von 86 bis 88 erstmal in Elternzeit zu Hause geblieben.
Martin FischerUnd sind dann 88, quasi kurz vor dem Ende der DDR, sind Sie dann in eine Vikariatsstelle gekommen, wenn ich es richtig im Kopf habe?
Gerold HeinkeNoch nicht.
Also ich hatte dem Landeskirchenamt damals geschrieben, dass ich jetzt zwei Jahre in Elternzeit gehe und da sagte mir der damalige Dezernent für Personalfragen, wir laden sie dann ein zum Personalgespräch, zum Übernahmegespräch.
Das wird Ende 87 sein.
Da habe ich aber auf eine Einladung gewartet und dann habe ich selber nochmal nachgefragt und da bekam ich die Antwort, ja, wir haben Sie vergessen, aber damit Sie jetzt noch in diesem Jahr anfangen können, kommen Sie bitte nach Dresden.
Dann war ich in Dresden zum Gespräch im Landeskirchenamt und das war aus meiner heutigen Sicht ein sehr angenehmes Gespräch.
Und dann bin ich, also ich wollte erreichen, dass ich meinen Vorbereitungsdienst in Leipzig mache.
Und das wurde mir auch zugesagt in dem Gespräch und dann kam ich zurück nach Leipzig und nach drei Tagen bekam ich ein Telegramm, bitte anrufen im Landeskirchenamt.
Und dann habe ich da angerufen und da wurde mir die Frage gestellt, Wären Sie bereit, für ein halbes Jahr die DDR zu verlassen und ein Zusatzstudium im Ökumenischen Institut zu machen?
Damals habe ich geantwortet, dass ich einen natürlichen Tag Bedenkzeit brauche, um das auch in der Familie durchzusprechen.
Ich habe schon mal von dem Ökumenischen Institut gehört.
Das befindet sich in der Nähe von Genf, 17 Kilometer außerhalb von Genf und ist die Hochschule des Weltkirchenrates.
Also in Genf sitzt der Weltkirchenrat und die haben seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts eine eigene Hochschule, wo im Wintersemester immer...
Immer Studenten aus den verschiedenen Mitgliedskirchen für ein Semester zusammenkommen, um die ökumenische Bewegung kennenzulernen und miteinander zu leben, zu studieren und Gottesdienst zu feiern.
Und nach einem Tag habe ich dann eben gesagt, ich würde die Chance gerne nutzen und bin so im Herbst 1988 zu diesem Zusatzstudium in der Nähe von Genf ausgereist.
Meine Familie musste ich natürlich zurücklassen, also die konnte nicht mitkommen.
Und dann bin ich im Frühjahr 1989 zurückgekommen.
Martin FischerIn was für eine DDR sind Sie denn dann zurückgekommen im Frühjahr 1989?
Was war denn da anders?
Gerold HeinkeAlso erstmal war ich schockiert.
Ich war ja nun ein halbes Jahr lang in der Schweiz gewesen.
Und dann kam ich zurück.
Im ersten Mal bin ich zurück zu mit dem Zug durch die Bundesrepublik gefahren.
Und da habe ich schon gedacht damals, was ist denn das für ein verlotertes Land im Vergleich zur Schweiz.
Und dann kam ich in die DDR zurück und das war ein Schock.
Das war wirklich für mich ein Schock, den Dreck zu sehen, der mir eben früher nie aufgefallen ist.
Ich habe schon von den Rahmenbedingungen gesprochen, die man einfach hingenommen hat.
Ich habe den Dreck nicht gesehen.
Und dann ploppte das so plötzlich auf und es war ein Schock.
Und dann kam natürlich dazu, ich habe dann mit dem Vikariat begonnen, mit dem Katechitikum.
Das habe ich in Leipzig gemacht und ich habe immer gesagt, wenn wieder etwas so passiert war, was auf Veränderung hindeutete, habe ich immer gesagt, das ist wie, wenn ein kochender Wassertropfen in den Topf fällt, wenn es genügend sind, dann kocht es und dann ist die Veränderung da.
Also so mit diesem Bild, Schritt für Schritt kommen Dinge zueinander, die dann zu einer großen Veränderung führen.
Das war der Eindruck von.
Vom Frühjahr 1989 und dann im Herbst 1989 waren wir als Prediger-Seminarsgruppe, also im WKJ hat man dann verschiedene Ausbildungsabschnitte und eins davon war eben das Prediger-Seminar und da waren wir im Prediger-Seminar in Leipzig.
Damals gab es in Sachsen noch zwei, eins in Lübendorf und eins in Leipzig.
Und wir haben dann mit den Studienleitern auch den Unterricht und die Lehreinheiten so verlegt, dass wir auf alle Fälle immer montags zum Montagsgebet dabei sein konnten und haben dann, als die Bewegung größer wurde, haben wir also auch Montagsgebete mitgestaltet.
Martin FischerWie bereitet man sich denn darauf vor?
Also was war denn so das Ziel, wenn Sie sagen, Sie haben ja diese Gebete mitgestaltet, worauf stellt man sich denn dann ein, wenn es immer größer wird und fühlt man dann irgendwie, ich muss hier folgendes tun?
Gerold HeinkeDer Wunsch war ja nach Veränderung.
So wie es war, so konnte es nicht weitergehen für die Bevölkerung, für die Wirtschaft, wie auch immer.
Es musste Veränderung kommen und in den ersten Monaten, in den ersten Wochen ging es auch gar nicht zuallererst um die Wiedervereinigung, sondern es ging um eine veränderte DDR, wenn man so will, eine verbesserte DDR.
Ja, und dann erst Ende November, Anfang Dezember, wurden die Rufe nach der Wiedervereinigung immer lauter.
Und dann kam ein schneller Vereinigungsprozess, dabei ist vieles gut gelaufen und vieles ist auch einfach schlecht und mies gelaufen.
Man hat die Chance, eine neue Verfassung zu machen, zum Beispiel nicht genutzt.
Aber ich möchte das nicht beurteilen, ob das wirklich anders hätte laufen können oder ob es möglich gewesen wäre, viele der Fehler, die gemacht wurden, sind anders zu bewältigen.
Es war ein zeitlich kurzes Fenster und ich bin froh darüber, wie die Vereinigung, dass es dann zur Vereinigung gekommen ist.
Martin FischerWie haben Sie denn so diese Energie erlebt von den Menschen, wenn Sie gesagt haben, da war es doch zu spüren, man will jetzt eine Veränderung.
Also haben Sie dann schon gemerkt, das geht jetzt gar nicht mehr anders, als dass sich irgendwas ändert?
Oder gab es dann auch Momente, wo Sie gedacht haben, oh, das kann jetzt aber auch noch in die andere Richtung wieder zurückkippen?
Also so vor 89, 90.
Gerold HeinkeDas Risiko war immer da, auf alle Fälle, dass es nochmal in eine andere Richtung losgeht.
Aber ich erinnere mich an eine Demonstration, wo ich mit Kollegen aus dem Prediger-Seminar, Um den Ring in Leipzig marschiert bin und am heutigen Willy-Brandt-Platz standen Bereitschaftspolizisten.
Und wir standen uns Auge in Auge gegenüber, also es war vielleicht ein Abstand von anderthalb bis zwei Metern.
Und wir hatten uns dann als die Demonstrierenden untergehakt und so drei Meter von mir entfernt war ein Arbeiter.
Und der sprach die Bereitschaftspolizisten an und sagte, hey, ihr habt doch eure Waffen auch aus der Hand des Volkes erhalten.
Hier ist das Volk, geht nach Hause, zieht euch um und reiht euch ein.
Also das war so eine Erfahrung.
Und dann, die Bereitschaftspolizisten haben natürlich nichts antworten können oder dürfen oder wie auch immer, aber sie sperrten eben den Weg ab.
Und dann waren wir nun sozusagen untergehakt und dann sind wir losgelaufen und haben diesen Gürtel von Bereitschaftspolizisten durchbrochen.
Martin FischerDas muss sich ja sehr euphorisch angefühlt haben, ohne dass man das so geschafft hat als große Gruppe.
Gerold HeinkeJa, vor allen Dingen die Stimmung war so, dass man wirklich mit jedem auf der Straße geredet hat.
Und erst als die Rufe aufkamen, Deutsche Einheit und so, also es ging speziell am 4.
Dezember 1989 war die Aufforderung gewesen, eine Schweigedemonstration zu machen in Stille, nur Kerzen zu entzünden.
Und da war eine Gruppe auf dem Ring unterwegs, die rief eben lautstark, wir wollen die D-Mark und so.
Und da merkte man schon, dass sich auch die Bewegung differenziert.
Manchen ging es eben um eine veränderte DDR und anderen einfach um die Wiedervereinigung und vielen einfach auch um eine verbesserte materielle Situation.
waren.
Martin FischerWaren Sie da zu einem Stück enttäuscht, dass diese Rufe dann kamen, wo man versucht hat, vielleicht tatsächlich einen anderen Weg zu finden?
Gerold HeinkeAlso es war ja für uns alles ganz neu.
Und dann enttäuscht sein, also wir waren einfach offen für die Veränderung und haben das vielleicht beobachtet, kritisch beobachtet, aber wir wussten ja nicht, was kommt.
Martin FischerDas heißt, man hat gemerkt, es verändert sich was, konnte aber noch nicht abschätzen, was es ist.
Gerold HeinkeGenau.
Martin FischerSie haben es gerade ja schon gesagt, man hat dieses kurze Zeitfenster nutzen müssen.
Man kann erst rückblickend natürlich sagen, was man hätte vielleicht auch anders machen können.
Sie haben die Verfassung angesprochen, vielleicht Einbeziehung von mehr Bevölkerungsgruppen in diese Erarbeitung von so einer Verfassung.
Ich habe aber auch rausgehört, dass sie froh sind, dass es zu dieser Wiedervereinigung gekommen ist.
Also für sich persönlich, als auch wahrscheinlich für die Kirche und ihre Familie und die Menschen in der DDR.
Gerold HeinkeJa, auf alle Fälle.
Es hat zum Beispiel unsere Familie ermöglicht, dass man die, die früher im Westen gewohnt hat, nun auch besuchen konnte und nicht nur immer darauf warten musste, dass sie in Osten kamen zu besuchen Oder eben man konnte gemeinsame Projekte anschieben, die vorher nicht möglich gewesen wären mit Freunden oder wie auch immer.
Martin FischerUnd Sie sind dann quasi als Pfarrer gestartet in einem wiedervereinigten Deutschland?
Gerold HeinkeJa, also ich bin hier 7.
Oder 8.
Juli 1990 mit der Wirtschafts- und Währungsunion hier in dem Dorf gestartet.
Und das, wo ich jetzt wohne, ist der Ort, wo meine erste Fahrstelle war.
Und auch das waren sehr viele neue Veränderungen und auch in der Kirche neue Veränderungen.
Auch Dinge, die ich vorher nicht gut heißen konnte und die ich auch jetzt noch nicht gut heißen kann.
Martin FischerBezieht sich das ein bisschen auf das, was wir im Vorgespräch besprochen haben, dass die Rolle der Kirche oder die Sicht auf die Kirche sich dann auch nochmal gewandelt hat, nachdem die Wiedervereinigung dann da war?
Gerold HeinkeJa, auf alle Fälle.
Also ich hatte den Eindruck, dass sich auch in den Kirchen im Osten die Haltung breit gemacht hat, jetzt sind wir wieder wehr, jetzt können wir wieder was darstellen.
Und das entsprach aber überhaupt nicht der Realität.
Martin FischerDass sobald die Wiedervereinigung da war, dann auch das Interesse an dem Raum Kirche auf einmal auch wieder geringer wurde, könnte ich mir jetzt vorstellen, ja.
Gerold HeinkeJa, auf alle Fälle, das hängt damit zusammen.
Martin FischerKönnen Sie was dazu sagen, wie Sie es heute bewerten?
Ja.
Es gibt viele Kirchenaustritte in allen Teilen Deutschlands.
Haben Sie einen speziellen Blick auf die Kirche im Osten Deutschlands, die Sie beschreiben?
Gerold HeinkeAlso ja, natürlich, der Blick auf die Kirche im Osten ist ein anderer als auf die im Westen.
Das mit den Austritten, das trifft besonders für die Westkirchen zu, denn die Austritte im Osten sind schon Ende der 50er Jahre in der DDR gewesen, wo der Kampf um die Jugendweihe und die Konfirmation stattgefunden.
Das, was jetzt passiert, ist, dass die Kirchgemeinden aussterben.
Also es werden ungefähr dreimal so viele kirchliche Bestattungen gehalten, wie es Taufen gibt in unserer Landeskirche.
Also das ist einfach eine milchmädischen Rechnung, kann man sich ausdenken, wie es weitergeht.
In den vergangenen Jahren nach der Wiedervereinigung hat die Kirche insgesamt, und das trifft, glaube ich, auf den Osten und auf den Westen in beiden Bereichen zu.
Verpasst das, was Kirche ausmacht, Gemeinschaft, Teilhabe, auch wirklich den Gemeindegliedern nahe zu bringen.
Nach wie vor sind die Kirchen in Deutschland, die evangelischen Kirchen, ich spreche nur von den evangelischen Kirchen, sind das, ich sage mal, Profikirchen.
Es gibt in einer Kirchgemeinde drei, vier Profis, der Pfarrer, der Kantor, die Gemeindepädagogin, die bezahlt werden und die Gemeinde ist gerne als ehrenamtlicher Helfer gesehen.
Aber das ist trotzdem eine Struktur, die seit Jahrhunderten von Jahren in unserer Kirche existiert.
Und wir brauchen aber eine völlig andere Struktur.
Wir brauchen das, was die Profis machen, dass sie nur das machen und nichts anderes.
Keine Verwaltung, keine Dokumentation hinterher.
Und dass alles andere, was in einer Kirchgemeinde passiert, von den Gemeindekliedern gemacht wird.
So habe ich das in China erlebt.
In China ist die Kirchensituation ja nochmal eine ganz andere.
Aber trotz einer schwierigen Situation in der Volksrepublik China für Christen sind die Kirchen da am Wachsen.
Und wir haben alle Möglichkeiten hier, aber kommen aus dieser Struktur des Profi auf der einen Seite und des Laien auf der anderen Seite nicht heraus.
Martin FischerSie haben es ja auch beschrieben, also in Ihrer Jugend haben Sie es ja auch so kennengelernt, dass in der Kirche halt sehr viel passieren kann, also sei es jetzt von Konzerten oder Informationsveranstaltungen zu ganz anderen Themen, dass das wirklich auch so ein Zugang sein kann zu anderen Ideen, anderen Gedanken, dass das natürlich auch eine Rolle von einer Kirche oder einer Gemeinschaft sein kann.
Gerold HeinkeNaja, das schon und das hat sich ja auch nicht geändert.
Auch heute kann man alle möglichen Angebote in der Kirchgemeinde machen, aber das ist letztendlich für das Leben und das Überleben der Kirchgemeinde nicht das Entscheidende, sondern entscheidend ist, wie ist die Gemeinschaft untereinander?
Oder wie kommen die, die eine bezahlte Arbeit in der Kirchgemeinde machen, wie leben die in der Gemeinschaft mit denen, die sogenannte Laien sind?
Ja, wie können die Gemeindeglieder Teilhabe erleben?
Wie können sie Wertschätzung erleben?
Das sind Fragen, die eine Kirchgemeinde für sich selbst und eben dann auch die größeren Einheiten für sich selbst, die größeren Struktureinheiten für sich selbst entscheiden müssen und entwickeln müssen.
Und wenn also keine Teilhabe möglich ist, dann werden die Kirchenaustritte oder das Aussterben weitergehen.
Martin FischerDann frage ich vielleicht zum Schluss noch, es ist natürlich schwierig bei Glaubensfragen das zu fragen, das ist kein typischer Beruf.
Sind Sie rückblickend zufrieden mit Ihrer Berufswahl und auch wie es gelaufen ist von dem Weg dahin, zu dem Punkt, wo Sie jetzt sind?
Gerold HeinkeJa, auf alle Fälle.
Also ich habe, dass ich gezwungen war, einen Beruf zu lernen, das habe ich im Nachhinein nicht als eine Beeinträchtigung betrachtet, sondern damit habe ich eben das alltägliche Leben von Millionen von Menschen, die jeden Tag zur Arbeit gehen und früh um fünf aufstehen.
Also meine Arbeit fing um halb sieben an, das heißt, ich musste wirklich um fünf aufstehen, um dann in den Betrieb zu kommen.
Und das habe ich eben über Jahre auch erlebt und von daher hatte ich schon einen ganz anderen Zugang zu Gemeindegliedern, weil ich das nachvollziehen konnte.
Ich habe eben mal die praktische Welt kennengelernt, sage ich mal, und habe dann aber die Studienzeit als sehr befriedigend erlebt und auch die Arbeit als Pfarrhaus in der Gemeinde als sehr befriedigend erlebt.
Martin FischerHaben Sie es mal nach Taisee geschafft dann noch?
Gerold HeinkeJa, also während dieses Studiums in der Schweiz, da haben andere Studenten, wir waren 62 Studenten aus 37 Ländern und aus 16 verschiedenen Konfessionen, die hatten den Plan gehabt.
Und sie wollten also einen kleinen Bus mieten, aber hatten niemanden, der den fahren konnte.
Und nun war ich derjenige, der eine entsprechende Fahrerlaubnis hatte.
Und dann habe ich den Bus gemietet und wir sind im Januar 1989 nach Taizé gefahren.
Allerdings war das nicht so eine tolle Erfahrung für mich, weil wir inzwischen ja schon vier Monate ökumenische Diskussionen hinter uns hatten und die ökumenischen Überlegungen, die uns da in Gruppenstunden sozusagen nahegebracht wurden, die hatten wir schon alle hinter uns gelassen.
Dazu war es eben im Januar und da ist es natürlich nicht so toll wie im Sommer.
Und es war schön, das zu sehen und das zu erleben und die Andachten und die Gottesdienste waren toll.
Aber es war dann eben so, ich habe es gesehen und jetzt ist gut.
Martin FischerWaren dann die spannenderen Sachen, die dann kamen, als sie zurück in der DDR waren, wo dann wirklich ein Stück Geschichte geschrieben wurde?
Herr Henke, ich bedanke mich sehr für das Gespräch und Ihre Erinnerung an Ihre Zeit in der DDR, Ihr Glauben in der DDR und wie Sie das bewältigt haben und hierher gekommen sind zu dem Zeitpunkt.
Vielen, vielen Dank.
Gerold HeinkeIch bedanke mich auch für die Einladung und es lohnt sich immer wieder über die Vergangenheit zu sprechen.
Martin FischerUnd das war sie, die 114.
Ausgabe von Staatsbürgerkunde.
Ich möchte mich recht herzlich bedanken bei meinem Gast Gerold Heinke, der über seine Zeit als Christ und Pfarrer in der DDR und dann auch im Wiedervereinigten Deutschland gesprochen hat.
Ich möchte mich auch bei euch allen bedanken, die ihr zugehört habt.
Vielen, vielen Dank.
Und ein großes Dankeschön auch an alle, die diesen Podcast unterstützen, sei es per Steady oder per Seefer-Überweisung.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme waren das Petra und Steffen, Matthias, Jens, Henrik, Manuel, Katharina, Claudia, Steffen, Sandy, Sandra, Stefan, Martin, Ralf, Paul, Simon, Giesbert, noch ein anderer Stefan, Jakob, Dirk und Jörn.
Vielen, vielen Dank.
Ein großes Dankeschön, wie immer auch, an das DDR-Museum, das diesen Podcast unterstützt.
Und da ist jetzt gerade der neue DDR-Führer erschienen.
Das ist einmal ein Begleiter durch die Ausstellung und das Museum.
Und zum anderen ist es aber auch ein Einblick in das Alltagsleben der DDR.
Und ja, den gibt es im Museum und natürlich im Online-Shop.
Also schaut euch das gerne mal an, wenn ihr euch ein bisschen auf den Besuch vielleicht vorbereiten wollt oder vielleicht auch einfach nur Interesse habt, wie das Leben der DDR so war.
Und das habt ihr ja vielleicht, wenn ihr diesen Podcast hört.
Ansonsten gilt natürlich auch immer ein großes Dankeschön an Wolfgang Wörle, der den Titeltrack produziert hat.
Der Titeltrack heißt Ambient One.
Das Coverfoto kommt diesmal von Silas, das habe ich gefunden auf Wikicommons.
Und das zeigt die Friedrich-Wertrische Kirche in Berlin mit dem Außenministerium der DDR daneben.
Ich würde mich sehr freuen, wenn euch der Podcast gefallen hat, ihr ihn teilen würdet und Leuten vielleicht auch empfehlt, mal in Staatsbürgerkunde reinzuhören.
Das würde mich sehr freuen.
Ihr könnt auf dem Blog zur Folge oder bei den Podcast-Plattformen kommentieren.
Ihr könnt euch beteiligen, indem ihr zum Beispiel sagt, was ihr gerne mal hören würdet oder vielleicht auch, wie meine Hörerin, einen Gast empfehlt oder eine Gästin.
Das würde mich sehr freuen.
Ihr könnt, wie gesagt, per Steady oder per SEPA den Podcast unterstützen.
Und wie das alles geht und die ganzen Kontaktinformationen, die findet ihr auf der Webseite.
Die Webseite ist www.staatsbürgerkunde-podcast.de und Staatsbürgerkunde wird hier mit UE geschrieben.
Ihr könnt auch auf Social Media mit mir in Kontakt treten, da bin ich aktiv auf Mastodon mit dem Podcast und da ist die Adresse staatsbürgerkunde.podcasts.social, Staatsbürgerkunde auch mit UE geschrieben.
Ja, wenn euch das Thema DDR und DDR-Geschichte im Allgemeinen auch interessiert, dann habe ich vielleicht noch einen Podcast-Tipp.
Ich habe einen Podcast produziert für die Hessische Landeszentrale für politische Bildung.
Da habe ich eine Folge gemacht zum Zeitzeugen-Memorial.
Das ist eine Online-Plattform, wo Erinnerungen von Menschen an die DDR und an das geteilte Deutschland archiviert, präsentiert und eingeordnet werden.
Schaut euch das gerne mal an.
Den Link habe ich in die Show Notes gepackt.
Wenn ihr auch ein Podcast-Projekt habt, das ihr gerne mit mir umsetzen würdet, dann meldet euch gerne.
Ich würde mich sehr freuen.
Jetzt sage ich aber erst nochmal vielen, vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge von Staatsbürgerkunde.
Macht's gut, euer Martin.