
·E15
#15: Vergesellschaftung: «Kapitalismus ist verfassungswidrig»
Episode Transcript
Eva Völpel: Ja, hallo, ich begrüße euch ganz herzlich zu unserer 15.
Eva Völpel: Podcast-Folge von Armutszeugnis, dem Wirtschaftspodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Hallo Sabine.
Sabine Nuss: Hallo Eva.
Eva Völpel: Und ich freue mich sehr auf unser heutiges Thema.
Wir haben ja in der letzten Eva Völpel: Folge unter anderem darüber gesprochen, wie die Superreichen den Planeten verwüsten, Eva Völpel: nämlich vor allem durch ihre Investitionen und ihre Eigentümerschaft an den Produktionsmitteln.
Eva Völpel: Und Leonie Peter sind von Oxfam, die wir in der Folge als Interviewgast hatten.
Eva Völpel: Die hat ja unter anderem gesagt, wir brauchen eine ganz andere Wirtschaftsweise Eva Völpel: jenseits von Wachstum und Profitorientierung.
Eva Völpel: Und wir wollen heute mal darüber reden, was könnte das bedeuten?
Eva Völpel: Wie sollte eine andere Wirtschaftsweise aussehen?
Und wir sind ja in der letzten Eva Völpel: Folge schon so ein bisschen eingestiegen, haben auch schon mal einen kurzen Eva Völpel: Blick auf den Artikel 15 aus dem Grundgesetz geworfen, Stichwort Vergesellschaftung.
Eva Völpel: Das ist ein sehr spannendes Thema, das wir unbedingt vertiefen müssen.
Eva Völpel: Und wir werden also heute von dir einiges dazu hören, was sich genau dahinter verbirgt.
Eva Völpel: Und es gibt einen kleinen Spoiler im Vorfeld, als wir gesprochen haben.
Eva Völpel: Da hast du, Sabine, zu mir gesagt, Kapitalismus ist verfassungsfeindlich.
Eva Völpel: Und da bin ich sehr gespannt, wie du uns das nochmal aufdröselst.
Sabine Nuss: Ja, steile These, das lösen wir am Ende auf.
Eva Völpel: Okay, also Artikel 15, ich habe es gerade erwähnt, War in der letzten Folge Eva Völpel: schon mal kurz angerissen und es ist ja so, Eva Völpel: der war lange Zeit und das Thema Vergesellschaftung überhaupt kein Thema in Eva Völpel: der Politik unserer Tage und der wurde auch noch nie umgesetzt, seit er existiert.
Eva Völpel: Aber wieso ist das jetzt gerade oder wieso ist das schon seit einiger Zeit wieder ein Thema geworden?
Eva Völpel: Wieso wird dazu viel diskutiert?
Gibt es Konferenzen, Initiativen und so weiter, Sabine?
Sabine Nuss: Ja, danke für die Einleitung.
Der Artikel 15, den hatten wir ja letztes Mal, Sabine Nuss: wie du jetzt auch gesagt hast, schon angedockt.
Sabine Nuss: Der ist 1949 ins Grundgesetz rein verhandelt worden von den wenigen Müttern Sabine Nuss: und Vätern des Grundgesetzes und im Grunde genommen stand dahinter das Anliegen Sabine Nuss: der damaligen Sozialdemokratie, Sabine Nuss: die bundesdeutsche Verfassung offen zu halten für die Wirtschaftsform.
Sabine Nuss: Also es sollte gerade nicht festgeschrieben werden mit der Verfassung, Sabine Nuss: dass wir eine kapitalistische Marktwirtschaft hätten oder Sozialismus, Sabine Nuss: sondern es sollte eben offen bleiben für die nachfolgenden Generationen.
Sabine Nuss: Und vielleicht, um nochmal hier alle mitzunehmen, die jetzt vielleicht die letzte Sabine Nuss: Folge nicht gehört haben, zitiere ich mal ganz kurz diesen Artikel 15 im Grundgesetz, Sabine Nuss: also den genauen Wortlaut.
Sabine Nuss: Achtung!
Sabine Nuss: Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel Sabine Nuss: können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, Sabine Nuss: das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Sabine Nuss: Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.
Sabine Nuss: Und dann steht da noch so eine kleine Klammer dahinter, die sich auf die Entschädigung Sabine Nuss: bezieht.
Also wenn man etwas, was auch immer es dann ist, ob jetzt Land oder Sabine Nuss: Naturschätze oder Produktionsmittel, wenn man die vergesellschaftet, Sabine Nuss: dann muss dafür eine Entschädigung geleistet werden.
Sabine Nuss: Also dieser Vergesellschaftungsartikel, du hast es schon gesagt, Sabine Nuss: ist noch nie umgesetzt worden historisch.
Sabine Nuss: Es gab auch ähnliche Artikel in Landesverfassungen damals, zum Beispiel in Hessen Sabine Nuss: oder in Bayern, aber auch da kam es nie zu einer Umsetzung.
Sabine Nuss: Manche Verfassungsrechtlerinnen sagen, es ist ein Anachronismus, Sabine Nuss: also ein Verfassungsfossil, was irgendwie im Geiste der Zeit da reingeschrieben Sabine Nuss: worden ist und sich eigentlich längst erledigt hat.
Eva Völpel: Die FDP wollte es doch auch mal aus dem Grundgesetz streichen lassen.
Sabine Nuss: Genau, die FDP, wann immer ihr langweilig ist, erinnert sie unnötigerweise aus Sabine Nuss: ihrer Perspektive an diesen Artikel und ruft ihn wieder ins Gedächtnis, Sabine Nuss: indem sie ihn einfach aus der Verfassung streichen lassen möchte, richtig.
Sabine Nuss: Und die Frage, die du jetzt gestellt hast, warum das im Moment gerade wieder Sabine Nuss: Thema ist, also wer hat eigentlich diesen Artikel 15 aus dem Dornröschenschlaf Sabine Nuss: geweckt?
Da kann man sagen, das war die Kampagne Deutsche Wohnen und Co.
Sabine Nuss: Enteignen.
Das ist diese aus einer Mieterinneninitiative herstammende Kampagne.
Sabine Nuss: Ich glaube, man kann die eigentlich weitgehend mittlerweile als bekannt voraussetzen, Sabine Nuss: die dafür kämpft, dass große Immobilienkonzerne, börsennotierte Immobilienkonzerne Sabine Nuss: vergesellschaftet werden.
Sabine Nuss: Und was man vielleicht noch als Hintergrund sagen muss, ist, Sabine Nuss: dass dieser Vergesellschaftungsartikel tatsächlich noch so ein bisschen den Sabine Nuss: Geist der Arbeiterbewegung des 19.
Sabine Nuss: Jahrhunderts atmet und dass damit damals gar nicht sowas Absurdes oder gar nicht Sabine Nuss: sowas Ungewöhnliches eigentlich gemeint war.
Das war damals noch ganz normal, Sabine Nuss: von Vergesellschaftung zu reden.
Sabine Nuss: Ich habe, als ich angefangen habe, mich in das Thema einzuarbeiten vor ein paar Jahren.
Sabine Nuss: Ich bin ja keine Historikerin.
Ich habe ja jetzt nicht so richtig viel Ahnung Sabine Nuss: von der Geschichte der Arbeiterinnenbewegung und habe damals dann auch wirklich Sabine Nuss: gedacht, was waren so die zentralen Kernforderungen der Arbeiterinnenbewegung, Sabine Nuss: was man immer so hört.
Das war das Kämpfen fürs Wahlrecht für alle.
Sabine Nuss: Das war der Acht-Stunden-Tag.
Das war ein Betriebsverfassungsgesetz.
Sabine Nuss: Aber was mir nicht so klar war, ist, dass eigentlich Vergesellschaftung die Kernforderung war.
Sabine Nuss: Also wenn du dir die Massendemonstrationen anguckst auf den transparenten Stand Sabine Nuss: Vergesellschaftung jetzt oder Sozialisierung jetzt, das war die Kernforderung Sabine Nuss: schlechthin und das ist komplett in Vergessenheit geraten.
Eva Völpel: Das ist ja damals dann auch als ein Artikel aufgenommen worden in die Weimarer Verfassung.
Eva Völpel: Also weil du jetzt gerade sagst, also vor dem Ersten Weltkrieg und nach dem Eva Völpel: Ersten Weltkrieg war das ein großes Thema in der Arbeiterbewegung, Eva Völpel: die sich ja dann auch so ein bisschen darüber gespalten hat, Eva Völpel: also welchen Weg man da eigentlich beschreiten soll und wie weit Vergesellschaftung Eva Völpel: eigentlich reichen soll.
Eva Völpel: Aber da war ja schon so ein bisschen der, es ist das erste Mal sozusagen aufgetaucht Eva Völpel: als Verfassungsgrundsatz.
Sabine Nuss: Ja, genau.
Interessanterweise war es zweimal in der Verfassung, Sabine Nuss: wie du sagst, einmal nach dem Ersten Weltkrieg und einmal nach dem Zweiten Weltkrieg.
Sabine Nuss: Jeweils nach zwei gesellschaftlichen Situationen, wo es so einen komplett Zusammenbruch gab.
Sabine Nuss: Das ist auch ganz interessant.
Und gespalten war die Arbeiterbewegung bezüglich Sabine Nuss: dieser Frage in extrem vielen Richtungen.
Sabine Nuss: Es war damals überhaupt nicht klar, was genau eigentlich Vergesellschaftung sein soll.
Sabine Nuss: Also da gab es unglaubliche Debatten.
Also im Internet gibt es so ein Wortzählungstool, Sabine Nuss: wo man irgendwie ein Wort eingeben kann und dann zeigt es dir an, Sabine Nuss: in welcher Epoche oder in welchem Jahrzehnt wurde dieses Wort am meisten zitiert.
Sabine Nuss: Also wann kam es am meisten vor in der Presse, in wissenschaftlichen Zeitschriften.
Sabine Nuss: Und wenn du da Vergesellschaftung eingibst oder Sozialisierung, Sabine Nuss: dann siehst du, dass 1918 bis 1920 der totale Peak ist.
Sabine Nuss: Da wurde also irrsinnig viel zu diesem Thema diskutiert.
Sabine Nuss: Klar, im Zuge der November-Revolution war das ja eben das Kernthema, Sabine Nuss: aber es gab keine einhellige Meinung dazu, was es jetzt eigentlich ist.
Sabine Nuss: Es wurde zum Beispiel gestritten, sollen alle Unternehmen vergesellschaftet Sabine Nuss: werden oder nur die Schlüsselindustrie?
Sabine Nuss: Also Stahl, Kohle, Eisen war das damals.
Soll das im Rahmen einer langsamen Sabine Nuss: Evolution passieren oder braucht es eine Revolution?
Sabine Nuss: So gab es also unglaublich verschiedene Meinungen dazu und diese Debatte ist Sabine Nuss: im Grunde genommen abgebrochen.
Sabine Nuss: Die wurde nicht mehr weitergeführt und die jetzige Bewegung, Sabine Nuss: also Deutsche Wohnen und Chor enteignen, die knüpft so ein bisschen daran an.
Eva Völpel: Du bist ja jemand, die oft sagt, ja, liebe Leute, wir müssen sozusagen back Eva Völpel: to the basics, also wir müssen über die grundlegenden Dinge reden.
Eva Völpel: Und zwar nicht nur sozusagen auf der nachgeordneten Verteilungsebene darüber Eva Völpel: sprechen, wie können wir das Leben für die vielen besser machen, Eva Völpel: indem wir jetzt irgendwie mit Steuern umsteuern und irgendwie von oben mehr Eva Völpel: holen und nach unten umverteilen.
Eva Völpel: Sondern dein wichtiger Punkt ist immer zu sagen, nur auf die Verteilungsebene Eva Völpel: zu gucken, das ist zu wenig.
Eva Völpel: Und von daher würdest du eigentlich sagen, dass die Kämpfe für Vergesellschaftung Eva Völpel: für dich oder insgesamt politisch wichtiger sind, als jetzt, Eva Völpel: sage ich mal, Kämpfe um Steuergerechtigkeit, Kämpfe um stärkeren Sozialstaat.
Sabine Nuss: Also vielleicht muss ich nochmal ganz kurz, um deine Frage nochmal besser beantworten Sabine Nuss: zu können, dazu erklären.
Ich hatte ja gesagt, die Kampagne Deutsche Wohnen und Co.
enteignen Sabine Nuss: hat eigentlich den Artikel 15 wieder in den öffentlichen Diskurs gebracht.
Sabine Nuss: Und wenn man sich jetzt damit noch nicht so richtig beschäftigt hat.
Sabine Nuss: Erstaunt es vielleicht, weil sie eigentlich von Enteignung sprechen und nicht Sabine Nuss: von Vergesellschaftung in dem Kampagnentitel.
Sabine Nuss: Und sie beziehen sich aber auch gar nicht tatsächlich auf Enteignung im streng Sabine Nuss: juristischen Sinne, weil Enteignung ist natürlich auch im Grundgesetz festgeschrieben.
Sabine Nuss: Artikel 14 Absatz 3 ist die Enteignung.
Sabine Nuss: Und das passiert auch ständig.
Also ständig wird irgendjemand um sein Land enteignet, Sabine Nuss: weil die Person vielleicht nicht das Land hergeben möchte, um Autobahnen zu Sabine Nuss: bauen oder um Kohleabbau zu machen.
Sabine Nuss: Also Enteignungsverfahren sind völlig gang und gäbe.
Es ist ja auch ganz lustig, Sabine Nuss: dass gegenüber der Kampagne immer gesagt wurde, ihr wollt den Gulag wieder bauen, Sabine Nuss: ihr wollt die DDR 2.0, aber die meisten Enteignungen fanden zumindest im Jahr Sabine Nuss: 2019, als ich das noch intensiv die Zahlen recherchiert hatte, Sabine Nuss: in CDU-geführten Bundesländern statt.
Das ist auch so ein bisschen so eine Doppelmoral.
Sabine Nuss: Und die Kampagne hat auch nicht von Anfang an gesagt, wir wollen nicht enteignen Sabine Nuss: nach Artikel 14, sondern wir wollen vergesellschaften nach Artikel 15, Sabine Nuss: sondern die haben das erst im Laufe der Zeit sind sie auf diesen Artikel gestoßen Sabine Nuss: und haben gemerkt, der ist politisch eigentlich viel interessanter als Enteignung.
Sabine Nuss: Weil bei der Enteignung kannst du dem einen was wegnehmen und dann kannst du Sabine Nuss: es wieder gewinnmaximierend einsetzen.
Sabine Nuss: Und bei der Vergesellschaftung geht das nicht.
Bei der Vergesellschaftung ist Sabine Nuss: festgeschrieben, dass das, was du vergesellschaftest, sei es jetzt Grund und Sabine Nuss: Boden oder Unternehmen, nicht mehr zum Zwecke der Gewinnmaximierung eingesetzt Sabine Nuss: werden darf, sondern gemeinnützig eingesetzt werden muss.
Sabine Nuss: Und deshalb ist es politisch sehr viel interessanter.
Und da sind wir auch an Sabine Nuss: dem Punkt, wie ich jetzt deine Frage beantworten würde.
Sabine Nuss: Ich würde sagen, diese Verteilungskämpfe, die sich stark beziehen auf Vermögensteuerforderungen, Sabine Nuss: Mietendeckel, die ich alle richtig finde, die setzen aber an einer Stelle an, Sabine Nuss: wo die Ungleichheit längst schon entstanden ist.
Sabine Nuss: Es tut so ein bisschen so, als wäre der Staat derjenige, der die Ungleichheit Sabine Nuss: hervorbringt durch entsprechende Sozialpolitik oder staatliche Politik.
Sabine Nuss: Er könnte das dadurch dann eben wieder korrigieren oder abmildern oder vielleicht sogar aufheben.
Sabine Nuss: Das verdeckt dann auch die Sicht, wo die Ungleichheit eigentlich tatsächlich Sabine Nuss: entsteht und die entsteht im Markt, also in der Ökonomie, in der kapitalistischen.
Sabine Nuss: Und das ist jetzt noch nicht mal unbedingt eine marxistische Ansicht, Sabine Nuss: sondern das würden auch VWLer sagen, weil die auch unterscheiden zwischen dem Primäreinkommen, Sabine Nuss: das der Markt liefert und dem Sekundäreinkommen, das dann nach den staatlichen Transfers existiert.
Sabine Nuss: Also ganz einfach stellen wir uns mal vor, es gäbe kein Staat und wir hätten Sabine Nuss: keine Möglichkeit, einen Mindestlohn einzuführen, keine Möglichkeit, Sabine Nuss: Leute, die keinen Job haben, irgendeine Ausgleichszahlung zu geben und, Sabine Nuss: und, und.
Das wäre der pure, reine, nackte Markt.
Sabine Nuss: Und da sieht man dann, das ist der Ort, an dem die Ungleichheit entsteht.
Sabine Nuss: Und danach erst kommt der Staat und macht sehr viele, viele, Sabine Nuss: viele Maßnahmen, um diese Primäreinkommen sozusagen abzumildern, Sabine Nuss: damit die Leute dann über das Sekundäreinkommen leben können.
Sabine Nuss: Weil wenn es nur Markt gäbe, könnten ganz viele Menschen gar nicht leben.
Sabine Nuss: Und da muss man sich natürlich jetzt genauer angucken, wo entsteht im Markt diese Ungleichheit.
Sabine Nuss: Und das kann man, glaube ich, ganz gut erklären mit der, Achtung, Sabine Nuss: jetzt kommt wieder so ein Begriff von mir, so ein Modell, Beziehungsweisen-Matrix.
Eva Völpel: Ah ja, da klingelt was, Beziehungsweisen.
Das ist, glaube ich, Eva Völpel: ein Konzept von Bini Adamczak, aber das musst du auf jeden Fall nochmal etwas Eva Völpel: genauer erklären und vielleicht auch nochmal was dazu sagen, wer ist Bini Adamczak?
Sabine Nuss: Also Bini Adamczak ist eine Berliner Autorin, die bekannt geworden ist durch Sabine Nuss: solche Bücher wie zum Beispiel Kommunismus für Kinder oder eben ihr wissenschaftliches Sabine Nuss: Werk beziehungsweise Revolution.
Sabine Nuss: Bini ist auch in letzter Zeit bekannt geworden mit Rechnungen, Sabine Nuss: die Armut und Reichtum plastisch machen sollen.
Sabine Nuss: Sie rechnet immer gerne aus, wie viel eine Supermarktverkäuferin verdient, Sabine Nuss: also macht da immer ganz schöne Zahlenbeispiele.
und ist im Grunde auch eine Künstlerin.
Sabine Nuss: Und Bini hat in ihrem Buch Beziehungsweise Revolution den Begriff Beziehungsweisen, Sabine Nuss: ich würde nicht sagen erfunden, Sabine Nuss: das schreibt sie auch selber, der ist jetzt gar nicht nagelneu, Sabine Nuss: aber der Begriff oder das Konzept der Beziehungsweisen ist nicht dominant in der Art und Weise, Sabine Nuss: wie öffentlich diskutiert wird, wie öffentlich auf Gesellschaft geguckt wird Sabine Nuss: und wie Gesellschaft verstanden wird.
Sabine Nuss: Im Grunde genommen hat eigentlich auch Marx schon eine Analyse oder ein Konzept Sabine Nuss: entwickelt, was man eigentlich mit dem Begriff Beziehungsweisen verstehen könnte oder benennen könnte.
Sabine Nuss: Und jetzt erkläre ich es ganz kurz, bevor ich jetzt noch weiter einen langen Vorlauf mache.
Sabine Nuss: Also in der Regel gehen wir in der Erklärung der Welt von Subjekten aus oder Sabine Nuss: von Individuen oder aber von Entitäten wie der Staat, das Kapital, Sabine Nuss: die Gewerkschaften, die Klasse aus.
Sabine Nuss: Oder eben das Individuum, gerade die bürgerliche Theorie, die bürgerliche VWL Sabine Nuss: geht oft vom isolierten Individuum aus, beobachtet, was macht das Individuum Sabine Nuss: und versucht so die Welt zu erklären.
Sabine Nuss: Und das verdeckt natürlich was ganz Wesentliches, nämlich dass erst die Art Sabine Nuss: und Weise, wie Menschen zueinander in Beziehung treten, zu bestimmten Effekten, Sabine Nuss: Ergebnissen, Herrschaftsverhältnissen und so weiter führt.
Vielleicht mache ich mal ein Beispiel.
Sabine Nuss: Also wenn ich zum Beispiel nur vom Staat ausgehe und sage, der Staat ist der Sabine Nuss: Akteur, der dies und dies macht, also der Sozialabbau macht oder Sozialleistungen liefert.
Sabine Nuss: Dann kriege ich mehr in den Blick, wenn ich sage, wie verhalten sich die Leute, Sabine Nuss: die im Staat arbeiten, zu den Menschen, die meinetwegen Transferempfänger sind, Sabine Nuss: in welchen jeweiligen Rollen beziehen die sich aufeinander?
Sabine Nuss: Oder wenn ich in die Wirtschaft gucke und ich gucke mir das Kapital an als Entität Sabine Nuss: und beschreibe dann irgendwie, das Kapital hat die und die Interessen.
Sabine Nuss: Ich kriege mehr in den Blick, wenn ich sage, die einzelnen Kapitalträger, Sabine Nuss: also die Kapitalistinnen oder die Kapitalisten stehen zueinander in einer bestimmten Sabine Nuss: Beziehung, nämlich in Konkurrenz.
Sabine Nuss: Und erst in dieser Beziehung kann ich verstehen, warum bestimmte Effekte, Sabine Nuss: wie zum Beispiel wozu Konkurrenz führt, entstehen.
Sabine Nuss: Und so, das ist jetzt wirklich nur eine sehr grobe, modellhafte Erklärung, Sabine Nuss: aber ich glaube, es ist einigermaßen deutlich.
Der beziehungsweisen Blick, Sabine Nuss: der beinhaltet natürlich bei Bini Adamschak noch sehr, sehr viel mehr als jetzt Sabine Nuss: das, was ich jetzt nur bezogen auf Ökonomie erklärt habe.
Sabine Nuss: Aber wenn wir jetzt mal das bleiben bei der Ökonomie, weil ich ja genau das Sabine Nuss: erklären wollte, dann können wir auch so eine Matrix aufmalen, Sabine Nuss: wo wir sehen, auf so einer vertikalen Ebene stehen oben die Kapitalisten, sehr grob gesprochen.
Sabine Nuss: Das gender ich jetzt auch nicht, weil es eher eine soziale Rolle ist, Sabine Nuss: in der sich Menschen unterschiedlicher Geschlechter, Alter, Herkunft befinden können.
Sabine Nuss: Also oben stehen die Kapitalisten und unten stehen die Lohnabhängigen.
Sabine Nuss: Zwischen den Kapitalisten oben ist eine horizontale Ebene, also die stehen in Sabine Nuss: Konkurrenz zueinander, aber diese Konkurrenz zwischen den Kapitalisten oben, Sabine Nuss: zwischen den Beziehungsweisen oben, deklinieren natürlich sich runter auf die Sabine Nuss: Beziehungsweisen unter den Lohnabhängigen unten.
Sabine Nuss: Also die Lohnabhängigen stehen auch in Konkurrenz zueinander, Sabine Nuss: verursacht durch die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten, die auch in Konkurrenz Sabine Nuss: zueinander sich in Beziehung setzen.
Sabine Nuss: Und das ist ja eine statische Beschreibung.
Oben hast du eben Kapitalisten, Sabine Nuss: die sich in Beziehungen setzen.
Sabine Nuss: Unten hast du die Lohnabhängen, die sich zueinander in Beziehungen setzen.
Sabine Nuss: Und die vertikale Ebene beschreibt das Herrschaftsverhältnis.
Sabine Nuss: Und die horizontale Ebene beschreibt das Konkurrenzverhältnis.
Sabine Nuss: Und wenn man das jetzt in Bewegung setzt, in Dynamik setzt, also was macht jetzt, Sabine Nuss: wie beziehen die sich aufeinander als Konkurrenten, was müssen die dann machen?
Sabine Nuss: Wie arbeiten die dann miteinander?
Wie gehen die miteinander um?
Sabine Nuss: Dann sehen wir eben als Ergebnis genau solche Sachen, wie wir sie gerade auf Sabine Nuss: dem Weltmarkt erleben, dass die deutschen VW-Arbeiter auf die chinesischen Auto, Sabine Nuss: weiß ich nicht was, chinesischer Firmenname, nicht ein, B-E-Y, genau.
Sabine Nuss: Nicht im Sinne einer kooperativen Weise, sondern sie beziehen sich eben auf Sabine Nuss: die lohnabhängigen China als ihre Konkurrenten und sagen, es ist uns jetzt eigentlich Sabine Nuss: total wurscht, wie es denen geht, wir wollen hier die Autos bauen.
Sabine Nuss: Das heißt auf eine nicht solidarische Art und Weise, was aber nicht daher rührt, Sabine Nuss: dass die VW-Arbeiter scheiße sind oder einen schlechten Charakter haben.
Sabine Nuss: Das ist nämlich genau die Gefahr dieser isolierten Sichtweise, Sabine Nuss: sondern was aus der Beziehungsweise her resultiert.
Sabine Nuss: Und so ungefähr kann man dann eben auch verstehen und auch sehen, Sabine Nuss: wie aus diesen Beziehungsweisen, die unsere Gesellschaft prägen, Sabine Nuss: bestimmte Subjekte erst hervorgehen, wobei da immer die Frage ist, Sabine Nuss: was ist jetzt zuerst da, die Henne oder das Ei?
Sabine Nuss: Weil natürlich ist es richtig, dass aus der Konkurrenz Charaktere entstehen Sabine Nuss: oder Subjekte entstehen mit bestimmten Interessen, die dann auch sehr negativ Sabine Nuss: sind und zu großem Schaden führen können.
Aber wer macht diese Konkurrenz?
Sabine Nuss: Das sind wiederum die Personen, die sich eben in Konkurrenz zueinander setzen.
Sabine Nuss: Aber wenn ich wissen möchte, wie verändern wir die Welt, dann müssen wir eben Sabine Nuss: genau da ansetzen, dass wir sagen, wir müssen uns in neue Beziehungen zueinander setzen.
Sabine Nuss: Wir müssen uns anders zueinander verhalten in der Produktion.
Sabine Nuss: Und das ist das, was Bini Adamczak auch nennt.
Sabine Nuss: Soziale Transformation ist die Verschiebung von Beziehungsweisen.
Eva Völpel: Das heißt, ich halte mal fest, die eine Frage ist ganz entscheidend, Eva Völpel: die Frage der beziehungsweise, also wie gemeinsam in einer anderen Gesellschaft Eva Völpel: eigentlich produziert werden müsste und für welche anderen Zwecke.
Eva Völpel: Und zugleich ist natürlich eine riesige Herausforderung die Frage des Eigentums Eva Völpel: an den Produktionsmitteln.
Eva Völpel: Also wer verfügt darüber und hat überhaupt Möglichkeiten beziehungsweise anders Eva Völpel: auszugestalten.
Und wenn man sich das jetzt anguckt, was du jetzt beschrieben Eva Völpel: hast, also die Ausbeutung und sozusagen auch natürlich den Wachstum und den Eva Völpel: Profitzwang durch die Konkurrenz.
Eva Völpel: Wenn es jetzt uns darum geht, hier mal zu skizzieren, wie könnte man das überwinden, Eva Völpel: dann kann man das ja, das hast du ja auch schon gesagt, theoretisch irgendwie Eva Völpel: schon recht klar fassen, aber wie soll das in der Praxis aussehen?
Eva Völpel: Also welche konkreten Ansatzpunkte siehst du da auch vielleicht in der aktuellen Eva Völpel: politischen Debatte gerade?
Sabine Nuss: Also genau, eine der wesentlichen Beziehungsweisen ist das Herrschaftsverhältnis, Sabine Nuss: was ich vorhin gesagt habe, auf dieser vertikalen Ebene.
Sabine Nuss: Also dass quasi die Mehrheit der Menschen keinen Zugang hat zu den Mitteln, Sabine Nuss: mit denen sie leben könnte, nämlich zu Produktionsmitteln.
Sabine Nuss: Das heißt, sie sind gezwungen, sich in eine untergeordnete Beziehung zu setzen gegenüber denen, Sabine Nuss: die die Verfügungsgewalt haben, über die Produktionsmittel und sind dann deren Sabine Nuss: Logik, nämlich selbst wiederum in Konkurrenz zu stehen, ohnmächtig ausgeliefert.
Sabine Nuss: Sie können da gar nicht mitsprechen.
Sie können gar nicht sagen, Sabine Nuss: ich will aber nicht zu meinen Kolleginnen in Konkurrenz stehen.
Sabine Nuss: Ich will aber nicht, dass wir für Profit produzieren und die Welt kaputt machen.
Sabine Nuss: Sie können schlechterdings nicht mitreden.
Deshalb wäre meines Erachtens auch Sabine Nuss: genau die Stärkung der Mitsprache in den Betrieben über den Produktionszweck Sabine Nuss: ein ganz wesentlicher Punkt, Sabine Nuss: weshalb ich denken würde, das Sabine Nuss: wäre auch die Stelle, an der man dann die Ungleichheit überwinden könnte.
Sabine Nuss: Weil wenn die Leute mitbestimmen, zu welchem Zweck arbeiten wir, Sabine Nuss: bestimmen sie natürlich, also so eine Art Produzentinnen-Demokratie, Sabine Nuss: bestimmen sie im Grunde genommen auch automatisch mit, was machen wir dann mit Sabine Nuss: den Gütern und den Dienstleistungen, die wir hergestellt haben.
Sabine Nuss: Und die werden bestimmt nicht freiwillig sagen, das allermeiste geben wir fünf Sabine Nuss: Personen auf der Welt, fünf Männern, sondern sie werden wahrscheinlich sagen, Sabine Nuss: alle müssen gleichermaßen davon profitieren und zwar auch genau die, Sabine Nuss: die wir momentan seit 150 Jahren vom Arbeitsmarkt ausschließen und in eine doppelte Sabine Nuss: Abhängigkeit bringen, nämlich die Care-Arbeiterinnen.
Sabine Nuss: Und insofern ist das auch nochmal der Grund, warum ich denke, Sabine Nuss: dass Mitbestimmung und Demokratie im Betrieb, Sabine Nuss: Die Zentrale, natürlich neben den Kämpfen für Umverteilung auf staatlicher Ebene, Sabine Nuss: aber ohne die Stärkung der Mitbestimmung im Betrieb, ist es, Sabine Nuss: glaube ich, sehr schwer zu erreichen.
Eva Völpel: Wobei ja der Begriff Mitbestimmung, ich glaube, den verbinden halt viele Menschen Eva Völpel: einfach nur mit dem derzeitigen Status quo.
Eva Völpel: Also es gibt sozusagen die ArbeitnehmervertreterInnen, Eva Völpel: die irgendwie auch mit in den Aufsichtsräten sitzen und GewerkschaftsvertreterInnen Eva Völpel: und da ja aber an vielen Stellen erstens überhaupt nicht wirklich mitbestimmen können darüber, Eva Völpel: was wie produziert wird und dann auch, weil sie sozusagen ja eingebunden sind Eva Völpel: in einer zum Teil extremen Art und Weise oder sich haben einbinden lassen.
Eva Völpel: Auch Entscheidungen mittragen, wo man nur den Kopf drüber schütteln kann.
Eva Völpel: Also zum Beispiel, wie viel Gelder dann irgendwie an Vorstandsvorsitzende fließen.
Eva Völpel: Von daher zucke ich immer so ein bisschen zusammen bei dem Wort Mitbestimmung, Eva Völpel: weil das für mich eigentlich überhaupt nicht das mehr transportiert, Eva Völpel: was du jetzt eigentlich viel weitergehend beschrieben hast, nämlich, Eva Völpel: dass wir über eine Produzentin in Demokratie sprechen müssten.
Eva Völpel: Wie sehen das denn die Gewerkschaften heutzutage?
Also ich meine, Eva Völpel: da ist ja auch immer die Rede davon, die Mitbestimmung zu stärken.
Eva Völpel: Aber an welchen Punkten siehst du da überhaupt Teile der Gewerkschaften, Eva Völpel: die tatsächlich in einen Schritt weiter gehen und tatsächlich sagen, Eva Völpel: wir müssen richtig Macht im Betrieb bekommen, um mitentscheiden zu können, Eva Völpel: was wie produziert wird?
Sabine Nuss: Das ist eine gute Frage, weil das ist nämlich genau, finde ich, Sabine Nuss: der Punkt, der auch wieder auf die historische Forderung nach Vergesellschaftung Sabine Nuss: zurückführt, weil jetzt einer der Gründe, Sabine Nuss: warum Vergesellschaftung historisch damals überhaupt nie zur Umsetzung kam, Sabine Nuss: Also ich spreche jetzt von 1949, als das ins Grundgesetz verhandelt wurde und Sabine Nuss: danach ist es nie umgesetzt worden.
Sabine Nuss: War, weil die Arbeiterinnen und die Arbeiter zum einen natürlich relativ schnell Sabine Nuss: nach dem Zweiten Weltkrieg durch verschiedene Umstände dann doch eine Lebensverbesserung hatten.
Sabine Nuss: Und es ist einfach mal so, dass die Lohnabhängigkeit das allererste Interesse Sabine Nuss: an Lohnarbeit und Lohn hervorbringt.
Sabine Nuss: Also dieses Abhängigkeitsverhältnis Lohnabhängigkeit bringt als allererstes Sabine Nuss: Interesse an Lohnarbeit hervor.
Sabine Nuss: Kann ich auch verstehen.
Aber ein anderer wichtiger Grund ist auch, Sabine Nuss: dass das Kapital, also die Arbeitgeberseite, Sabine Nuss: den Arbeiterinnen gesagt hat, hey, wenn ihr auf die Forderung nach Sozialisierung Sabine Nuss: verzichtet, wenn ihr aufhört, ständig zu fordern, dass ihr bei unseren Produktionsmitteln, Sabine Nuss: dass ihr die haben wollt und uns rausschmeißen wollt, dann würden wir im Gegenzug Sabine Nuss: euch auch mehr Mitspracherecht über eure Arbeitsbedingungen.
Sabine Nuss: Also darauf haben die sich dann eingelassen.
Das war ein harter Kampf und ich Sabine Nuss: stelle das jetzt bestimmt auch verkürzt dar, aber man kann das schon sagen, Sabine Nuss: dass eigentlich die Forderung nach Sozialisierung kassiert wurde durch das Angebot Sabine Nuss: der, was man heute so nennt, Sozialpartnerschaft, Sabine Nuss: also kooperative irgendwas, Sabine Nuss: weißt du, was ich meine, also das Kapital und Arbeit in eine Sozialpartnerschaft treten.
Sabine Nuss: Und seit damals wird auf dieser Ebene Mitbestimmung verstanden.
Sabine Nuss: Also man darf eigentlich, um es ein bisschen zugespitzt zu sagen, Sabine Nuss: Die Arbeiterinnen, die Beschäftigten dürfen über ihre eigene Ausbeutung mitbestimmen, Sabine Nuss: wenn sie darauf verzichten, die ganze Bäckerei zu wollen.
Sabine Nuss: Genau.
Und das ist der eine Punkt deiner Frage.
Der andere Punkt ist der, Sabine Nuss: dass es aber durchaus in Gewerkschaften progressive Leute gibt und teilweise Sabine Nuss: auch Bewegungen, die über das, Sabine Nuss: was historisch tatsächlich als Kompromiss erarbeitet wurde, weit hinausgehen.
Sabine Nuss: Also zum einen muss man wissen, dass in der Satzung der IG Metall immer noch Sabine Nuss: Sozialisierung verankert ist.
Sabine Nuss: Das finde ich ganz interessant und dass es durchaus auf der Ebene, Sabine Nuss: auf der Basis in Gewerkschaftsseminaren wieder Thema wird, also dass da wieder Sabine Nuss: darüber diskutiert wird und sich zurück drauf besonnen wird, Sabine Nuss: dass das meine Forderung war.
Sabine Nuss: Und dann möchte ich vielleicht auch mal nennen Hans-Jürgen Urban, Sabine Nuss: geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.
Sabine Nuss: Der unter anderem die Idee der Transformationsbeiräte in die Diskussion gebracht hat.
Sabine Nuss: Und Transformationsbeiräte, das sind im Grunde genommen, Sabine Nuss: so eine Rätestruktur hat er sich da vorgestellt, wo sowohl die Arbeiter und Sabine Nuss: Arbeiterinnen aus den Metallerbranchen mit der Zivilgesellschaft und mit der Sabine Nuss: Umweltbewegung und mit NGOs und, Sabine Nuss: und, und sich an einen Tisch setzen und über Konversion und Transformation in Sabine Nuss: Richtung einer sozial-ökologischen Ökonomie sich da in irgendeiner Form besprechen.
Sabine Nuss: Und es gibt so ein paar Beispiele.
Ich glaube, wir hatten im Podcast auch mal was erwähnt.
Sabine Nuss: Du hattest es mal erwähnt zwischen den Kämpfen der Fahrerinnen und Fahrer oder Sabine Nuss: überhaupt Verkehrsbetriebe mit der Umweltbewegung.
Wie war das immer?
Wie hieß das?
Eva Völpel: Wir fahren zusammen, die Kampagne.
Sabine Nuss: Richtig, wir fahren zusammen.
Und in die Richtung, das wird dann von Urban schon Sabine Nuss: auch verstanden als eine mögliche Transformation, Sabine Nuss: die eben über diesen Betriebs-Egoismus hinaus rausgehen soll, Sabine Nuss: der, wo die Leute quasi im Betrieb eigentlich hauptsächlich wollen, Sabine Nuss: dass es ihnen da gut geht, dass ihre Löhne stimmen und dass ihr Betrieb Erfolg Sabine Nuss: hat auf dem Weltmarkt und dass ihr Betrieb wächst, wächst, wächst und so weiter, Sabine Nuss: darüber hinaus zu gehen und einen gesellschaftlichen Gedanken da einzubringen, Sabine Nuss: also was ja nah dran ist an Vergesellschaftung.
Sabine Nuss: Und das würde eben bedeuten, es müsste dann mithilfe solcher Auseinandersetzungen, Sabine Nuss: Kämpfe und so weiter darum gehen, dass man Konkurrenz überwindet und in Kooperation tritt, Sabine Nuss: dass der Betriebszweck gemeinnützig wird und nicht mehr profitmaximierend und Sabine Nuss: dass dadurch dann quasi auch entfallen würde der Wachstumszwang.
Sabine Nuss: Also eigentlich kann man sagen, würde es in Richtung gebrauchswertorientierte Sabine Nuss: Produktionsentscheidungen gehen.
Sabine Nuss: Neue Beziehungsweisen, ganz im Sinne von Pini Adamczaks Begriff.
Eva Völpel: Jetzt muss man ja leider sagen, dass das total in den Kinderschuhen steckt und Eva Völpel: gerade wenn man jetzt mal auf Eva Völpel: die Automobilindustrie guckt oder auf die Mobilitätswende insgesamt, dann… Eva Völpel: sieht man da ja eher gerade einen beängstigenden Backlash oder man sieht, wie sich Räume, Eva Völpel: die vielleicht noch nicht mal großartig vorhanden waren, aber auch wieder schließen, Eva Völpel: weil wir ja gerade in eine ganz andere Richtung über Konversion reden, nämlich, Eva Völpel: dass die kriselnde Autoindustrie jetzt für Rüstungshersteller interessant wird Eva Völpel: und die auf Standorte aus sind und auch irgendwie Beschäftigte abwerben wollen.
Eva Völpel: Da habe ich halt so das Gefühl, da werden sich auch nochmal die wenigen kleinen Eva Völpel: Räume, die es vielleicht gibt, ganz schön schließen, wenn man da nicht ziemlich gegen hält.
Eva Völpel: Also da bin ich jetzt leider nicht ganz so optimistisch, wobei ich das total Eva Völpel: richtig finde und das wollen wir ja hier auch erstmal so ein bisschen insgesamt Eva Völpel: und allgemein aufdröseln, was bräuchten wir eigentlich.
Eva Völpel: Und du hast jetzt gerade gesagt, gebrauchswertorientierte Produktion und mir Eva Völpel: fällt da jetzt direkt ein, dass die konservativen Ökonominnen, Eva Völpel: die würden dann direkt sagen, okay, Eva Völpel: wenn man jetzt so produziert und es soll nicht mehr darum gehen, Eva Völpel: dass man durch Investitionen das Kapital vermehrt, als sozusagen der allererste Eva Völpel: Grundsatz, dem man nachhächelt, Eva Völpel: da würden die Liberalen ja sagen, Wirtschaftsliberalen, naja, Eva Völpel: aber das ist ja total ineffizient, das kann überhaupt nicht funktionieren.
Eva Völpel: Weil nur der Markt ist sozusagen, wie es ja immer so schön heißt, Eva Völpel: die unsichtbare und allwissende Hand, die das alles zum Besten regelt.
Sabine Nuss: Genau, so ist es.
Und Hans-Werner Sinn, dieser, ich will ihn gar nicht Ökonom Sabine Nuss: nennen, aber es ist auf jeden Fall ein Ökonom, der in jeder Talkshow nicht müde Sabine Nuss: wird zu sagen, ja, okay, die Marktwirtschaft sorgt zwar für Ungleichheit, Sabine Nuss: aber das ist der Preis der Effizienz.
Sabine Nuss: Sie ist eben auch sehr effizient und diese Effizienz ist eben darauf zurückzuführen, Sabine Nuss: wie du es jetzt auch schon angedeutet hast, dass eben das auf Privateigentum Sabine Nuss: basierende Wirtschaft die einzelnen Produzentinnen, Sabine Nuss: die Privateigentümerinnen anreizt, möglichst viel, möglichst effizient, Sabine Nuss: wie gesagt, zu produzieren und das führt zu Wachstum und das in dieser Theorie Sabine Nuss: führt zu Wohlstand für alle.
Sabine Nuss: Dieser hatten wir ja schon öfter auch in der Folge erwähnt, diesen Trickle-Down-Effekt.
Sabine Nuss: Wenn man sich aber jetzt näher anguckt, dass diese Art und Weise der Privateigentumsordnung, Sabine Nuss: die da so effizient ist, eigentlich auf ihrem Gegenteil beruht, Sabine Nuss: nämlich auf der Eigentumslosigkeit der Mehrheit der Menschen.
Sabine Nuss: Und damit wären wir bei dem Punkt, den du ganz am Anfang gespoilert hast.
Sabine Nuss: Warum verstößt Kapitalismus eigentlich gegen die Verfassung?
Ist genau das der Grund?
Sabine Nuss: Interessanterweise ist es ja so, dass nicht nur in der Verfassung, Sabine Nuss: also im Grundgesetz, das Grundrecht auf Eigentum festgeschrieben ist im Artikel 14.
Sabine Nuss: Da heißt es, Eigentum wird gewährleistet, sondern im bürgerlichen Gesetzbuch, Sabine Nuss: korrespondierend dazu, wird ja auch nochmal ganz eindeutig gesagt, Sabine Nuss: Eigentümer dürfen beliebig mit der Sache verfahren.
Das heißt, Sabine Nuss: sie dürfen sie auch zerstören.
Sabine Nuss: Und zwar ohne Rücksicht auf Auswirkungen auf andere.
Sie dürfen andere von jeder Sabine Nuss: Einwirkung ausschließen.
Sabine Nuss: Das ist diese berühmte Eigentumsfreiheit, die auch so wahnsinnig groß geschrieben Sabine Nuss: ist und womit auch begründet wird.
Sabine Nuss: Deshalb ist es so effizient, weil wir so frei sind, mit unserem Eigentum tun Sabine Nuss: und lassen zu können, was wir wollen.
Sabine Nuss: Muss er auch, muss ich das mal vorstellen, dass irgendein Chemiekonzern seine Sabine Nuss: Kloake beliebig in irgendein öffentliches Gewässer oder auch nicht öffentliches Sabine Nuss: Gewässer schütten darf.
Sabine Nuss: Natürlich braucht der Staat Eingriffsmöglichkeiten, wenn er die Eigentumsfreiheit Sabine Nuss: tatsächlich so free floaten lässt.
Sabine Nuss: Aber er darf das Institut dabei nicht in Frage stellen und die Eingriffe müssen Sabine Nuss: sozusagen verhältnismäßig sein.
Sabine Nuss: Und was verhältnismäßig ist und was nicht verhältnismäßig sich in der Abwägung Sabine Nuss: des Interesses des Privateigentümers mit dem Interesse der Öffentlichkeit ist Sabine Nuss: ein extrem breit diskutiertes, immerzu währendes Spannungsverhältnis, Sabine Nuss: was uns überall und ständig begegnet.
Sabine Nuss: Und also diese Schranken gibt es schon, aber den Schranken sind sehr enge Grenzen Sabine Nuss: gesetzt.
Die Eigentumsfreiheit ist sehr stark.
Sabine Nuss: Und jetzt muss man natürlich fragen, wie ist das eigentlich überhaupt legitimiert?
Sabine Nuss: Also wieso ist es überhaupt möglich, dass man in einer Verfassung festschreibt, Sabine Nuss: diese Eigentumsfreiheit?
Sabine Nuss: Und wenn man sich das anguckt, historisch in der Entstehung, Sabine Nuss: in der Rechtsgeschichte, in der Rechtsphilosophie ist es im Grunde genommen Sabine Nuss: eine Art, wie ich finde, völlig anachronistisches Naturrecht.
Sabine Nuss: Es gibt viele Urteile im Bundesverfassungsgericht, die selber sagen, Sabine Nuss: es ist überstaatlich oder vorstaatlich.
Der Staat bestätigt nur, Sabine Nuss: was schon eh in der Natur verankert ist.
Sabine Nuss: Also der Mensch hat irgendwie, also anders kann man es gar nicht erklären, Sabine Nuss: aber diese Zitate gibt es tatsächlich und es ist im Grunde genommen wirklich eine sehr...
Sabine Nuss: Ausdruck der tatsächlichen realen Verhältnisse der historischen Durchsetzung Sabine Nuss: von Privateigentum, wo ich denke, das hat man da einfach aufgepfropft.
Sabine Nuss: Weil die Legitimation noch im Mittelalter oder in Jahrhunderten davor war lange, lange, lange, Sabine Nuss: Gott hat die Erde den Menschen gemeinsam gegeben und es ist schwer rechtfertigungsbedürftig, Sabine Nuss: wenn sich da ein Einzelner ein Stück weit rausnimmt und für sich benutzt.
Sabine Nuss: Also insofern ist die Legitimation von der Eigentumsfreiheit natürlich Ergebnis Sabine Nuss: von einer bestimmten gesellschaftlichen, historischen, konkreten, Sabine Nuss: wie soll ich jetzt sagen, Vergesellschaftung, sag ich jetzt mal.
Sabine Nuss: Und das nächste ist, also wie wird Eigentum legitimiert?
Da gibt es meines Erachtens Sabine Nuss: keine wirkliche Möglichkeit, das zu legitimieren.
Das ist ein Ergebnis von Kräfteverhältnis.
Sabine Nuss: Aber die Frage ist, wie wird es denn begründet?
Wie entsteht Eigentum?
Sabine Nuss: Da sagt die Verfassung gar nichts drüber aus.
Und das ist auch wie selbstverständlich, Sabine Nuss: auch in vielen Bundesverfassungsgerichtsurteilen wird das so gesagt, Sabine Nuss: durch Arbeit, also Leistung.
Sabine Nuss: Arbeit begründet Eigentum.
Das, was jemand erarbeitet hat, das soll auch ihm Sabine Nuss: gehören, das ist geschützt und das erfährt einen sehr hohen Schutz, Sabine Nuss: also das Leistungseigentum.
Sabine Nuss: Jetzt stößt auch diese, also man nennt es in der Literatur, Sabine Nuss: die Arbeitstheorie des Eigentums, übrigens auch historisch nicht immer schon Sabine Nuss: so begründet gewesen, aber jetzt stößt es natürlich auch auf elementare Widersprüche, Sabine Nuss: weil es gibt unendlich viele leistungslose Einkommen.
Sabine Nuss: Also jetzt mal gesagt, zum Beispiel Zinsen oder Spekulationsgewinne.
Eva Völpel: Große Erbschaften.
Sabine Nuss: Große Erbschaften.
Oder nehmen wir mal Boden.
Im Boden steckt keine Arbeit drin.
Sabine Nuss: Warum soll das jemandem gehören?
Sabine Nuss: Und, und, und.
Deshalb wird auch gesagt, dass Boden nicht so den maximal höchsten Sabine Nuss: Schutz erfährt, weil er eben nicht Ergebnis von Arbeit ist.
Sabine Nuss: Aber es ist auf jeden Fall, Arbeitstheorie des Eigentums zieht sich quasi durch Sabine Nuss: als Begründung für, wie Eigentum entsteht.
Sabine Nuss: So, und wenn wir uns jetzt angucken...
Sabine Nuss: Was passiert mit den Dingen, die die Menschen produzieren, wenn sie in der Abhängigkeit stehen?
Sabine Nuss: Also quasi die Mehrheit der Menschen hat keinen Zugriff auf Produktionsmittel, Sabine Nuss: keine Verfügungsgewalt.
Sabine Nuss: Sie ist im Grunde eigentumslos, kriegen gar nicht, was wir gearbeitet haben.
Sabine Nuss: Wenn jetzt du irgendwie, ich nehme immer das Beispiel Tischlerin, Sabine Nuss: ich weiß auch nicht warum, da muss ich mal in mich gehen, aber wenn jetzt eine Sabine Nuss: Tischlerin in einem Möbelkonzern Tische produziert, sagen wir mal sieben Stück, Sabine Nuss: dann kriegt sie einen Lohn, der entspricht nicht diesen sieben Tischen, Sabine Nuss: sondern der entspricht fünf Tischen.
Sabine Nuss: Also sie kriegt immer weniger Lohn, als sie tatsächlich an Wert geschaffen hat.
Sabine Nuss: Das ist natürlich, die Differenz ist der Mehrwert, das ist der Gewinn, Sabine Nuss: das ist der einzige Grund, warum überhaupt Kapitalisten Interesse haben an Arbeitskraft, Sabine Nuss: weil die Arbeitskraft in der Lage ist, ihnen diesen Gewinn zu produzieren.
Sabine Nuss: Das heißt, Kapitalismus in dem Sinne verstößt gegen die Verfassung, Sabine Nuss: weil es gerade nicht so ist, dass die Mehrheit der Menschen das, Sabine Nuss: was sie gearbeitet hat, bekommt, sondern weil sie im Produktionsprozess, Sabine Nuss: im Kapitalistischen immer wieder enteignet wird, um ihre Arbeitsergebnisse.
Eva Völpel: Permanente Enteignung.
Sabine Nuss: Genau, permanente Enteignung.
Deshalb ist auch übrigens, um ein kleines Zitat Sabine Nuss: von Marx mal einzubringen, dieser Spruch, den Marx gesagt hat, Sabine Nuss: enteignet die Enteigner, ist genau so gemein.
Sabine Nuss: Also dass quasi diese Enteignung wiederum selbst ein Ende haben muss, Sabine Nuss: indem man die, die enteignen, selbst enteignet.
Sabine Nuss: Und das ist jetzt gar nicht so sehr auf die Person bezogen, sondern da geht Sabine Nuss: es darum, dass die Mehrheit der Menschen sich die Produktionsmittel, Sabine Nuss: die Macht darüber, die Bestimmung darüber, die Verfügung darüber wieder aneignen muss.
Sabine Nuss: So ist das eigentlich gemeint.
Und das ist jetzt so ein bisschen die zugespitzte Sabine Nuss: Erklärung, warum der Kapitalismus gegen die Verfassung verstößt und das mag Sabine Nuss: jetzt hier so ein bisschen witzig anklingen, aber tatsächlich gibt es in der Sabine Nuss: Rechtsphilosophie die Debatte darum.
Sabine Nuss: Tatsächlich, also ernsthaft.
Das ist jetzt nicht einfach nur ein Spaß.
Sabine Nuss: Es gibt einen Text von der französischen Philosophin, Catherine Colliot-Telaine Sabine Nuss: heißt die, die genau diesen Punkt gemacht hat und gesagt hat, Sabine Nuss: der Liberalismus verstößt eigentlich gegen seine eigenen Grundsätze.
Sabine Nuss: Das ist ganz interessant.
Eva Völpel: Das Das ist sehr interessant.
Sabine Nuss: Genau, und wenn ich vielleicht genau an dem Punkt noch was ergänzen darf, Sabine Nuss: das ist nämlich genau im Moment in der Diskussion.
Sabine Nuss: Man merkt also, dass da gerade was aufbricht in der Vergesellschaftungsdebatte Sabine Nuss: und dass da plötzlich auch verfassungsrechtliche Diskussionen hochkommen, Sabine Nuss: die du vor ein paar Jahren so noch gar nicht gehabt hättest.
Sabine Nuss: Das ist wirklich super spannend gerade.
Eva Völpel: Okay, jetzt ist aber natürlich das Problem, alles, was du jetzt hier so schön Eva Völpel: auseinander gedröselt hast, klingt fantastisch.
sehr interessant.
Eva Völpel: Blick der Menschen auf die Welt guckt, dann stellt man halt einfach fest, Eva Völpel: die meisten Menschen sehen das ja irgendwie nicht so und die fühlen sich ja Eva Völpel: auch nicht unbedingt als eigentumslos, ja.
Also die können irgendwie...
Eva Völpel: Manche auch wenig oder fast gar nicht, aber die können irgendwie sich Dinge Eva Völpel: kaufen für ihren Lohn, den sie bekommen.
Eva Völpel: Und von daher ist es irgendwie doch die große Problematik, wie kommt man überhaupt Eva Völpel: zu einer allgemeinen Debatte darüber, dass das, was an Leben gelebt werden kann, Eva Völpel: längst nicht das ist, wie es eigentlich sein könnte, also besser sein könnte.
Sabine Nuss: Also das ist eine gute Frage.
Ich habe im Vorfeld auch, Sabine Nuss: also jetzt nicht nur im Vorfeld zu dieser Folge, sondern generell auch oft in Sabine Nuss: Diskussionen mit Freundinnen, Familie und anderen überhaupt so immer mal wieder Sabine Nuss: festgestellt, wenn ich von Ausbeutung spreche, gucken die mich immer an und sagen, hey, Sabine Nuss: Ausbeutung gibt es doch hier nicht mehr oder gibt es nur bei Tönnies in der Sabine Nuss: Schlachterhalle oder im Spargelstädchen, da haben wir das vielleicht noch.
Sabine Nuss: Also viele Leute fühlen sich gar nicht ausgebeutet, sondern knüpfen tatsächlich Sabine Nuss: an an diese Möglichkeit, Wir stehen eigentlich als Lohnabhängige der Minderheit, Sabine Nuss: die eben über Produktionsmittel verfügt, zwar in einem ungleichen Verhältnis, okay, Sabine Nuss: aber dafür gibt es ja irgendwie die Gewerkschaften oder der Staat, Sabine Nuss: der dann da wieder irgendwie eine Gleichheit oder das abmildern muss.
Sabine Nuss: Aber sie fühlen sich de facto so nicht ausgebeutet, weil sie Ausbeutung als Sabine Nuss: schlecht behandelt werden empfinden.
Eva Völpel: Ja, und weil der Lohn doch auch irgendwie als was wahrgenommen wird, Eva Völpel: was sozusagen, ich sage es jetzt mal ganz platt, irgendwie ja schon das richtige Eva Völpel: Mittel der Bezahlung ist.
Sabine Nuss: Ja, natürlich, richtig.
Eva Völpel: Und da gar nicht mehr drin aufscheint, dass da aber sehr viel fehlt.
Sabine Nuss: Genau, total richtig.
Also das ist das, was, Sabine Nuss: ich glaube, das hatten wir auch schon mal in der Folge, weiß ich jetzt gar nicht Sabine Nuss: mehr, aber was ich vorhin erklärt habe, dass sie gar nicht tatsächlich das bezahlt Sabine Nuss: kriegen, was sie herstellen, Sabine Nuss: sondern nur das bezahlt kriegen, was da drunter liegt, was ihre Arbeitskraft Sabine Nuss: wieder herstellen soll am nächsten Tag.
Sabine Nuss: Wobei diese Löhne natürlich historisch sehr unterschiedlich sein können, Sabine Nuss: aber sie bekommen eben im Lohn weniger bezahlt als das, was sie tatsächlich Sabine Nuss: an Wert produziert haben.
Sabine Nuss: Das sieht man nicht, das nimmt man nicht wahr, sondern man denkt, Sabine Nuss: ich kriege doch meinen Lohn und damit ist doch meine ganze Arbeit schon bezahlt.
Sabine Nuss: Das ist auf jeden Fall ein wesentlicher Grund, warum die Ausbeutung nicht wahrgenommen Sabine Nuss: wird als ein soziales Abhängigkeitsverhältnis.
Sabine Nuss: Und dieses soziale Abhängigkeitsverhältnis, was nicht wahrgenommen wird, Sabine Nuss: hat aber dennoch Effekte und Auswirkungen, die man dann aber nicht darauf führt, Sabine Nuss: also darauf zurückführt auf dieses Abhängigkeitsverhältnis.
Sabine Nuss: Diese Auswirkungen sind unter anderem, was ich vorhin angesprochen hatte, Sabine Nuss: diese Ohnmacht, diese Verwaltung, Sabine Nuss: Diese mangelnde Gestaltungsmöglichkeit, dieses Ausgeliefertsein, Sabine Nuss: den wirtschaftlichen Eigendynamiken, von denen man denkt, sie sind irgendwie Sabine Nuss: naturbehaftet, also Krisen, die Unsicherheit und so weiter und so fort.
Sabine Nuss: Und all das, wenn man die Partizipationsmöglichkeiten in den Betrieben stärkt Sabine Nuss: und die Menschen einbindet und sagt hier, ihr seid hier nicht nur Sklaven, Sabine Nuss: sondern ihr seid hier mitgestaltend, wie auch immer, in welchen engen Grenzen Sabine Nuss: das auch immer möglich nur ist und gemacht wird.
Sabine Nuss: Auf jeden Fall hat man herausgefunden, dass das tatsächlich zu einer größeren Sabine Nuss: Zufriedenheit mit Demokratie oder zu einer größeren Zustimmung zu Demokratie Sabine Nuss: führt und die Leute davon abhält, zu rechtsextremen oder menschenfeindlichen Ideologien zu gehen.
Sabine Nuss: Also das ist, finde ich, ein total interessanter Zusammenhang.
Sabine Nuss: Und der zweite interessante Zusammenhang ist, dass man festgestellt hat, Sabine Nuss: dass dieses ganz Macht- und gestaltungslose Ausgeliefertsein, Sabine Nuss: ganz zurückgeworfen zu sein, als du bist hier nur jemand, der hier arbeitet Sabine Nuss: und der Rest interessiert mich nicht, der hier quasi für Gewinn sorgen muss, Sabine Nuss: der sorgt auch für psychische Krankheiten.
Sabine Nuss: Also da gibt es auch Untersuchungen, die sagen, das führt zu Stressoren, Sabine Nuss: die wiederum zu Krankheiten führen.
Sabine Nuss: Das wird aber, also diese Auswirkungen, die ich jetzt hier nur ganz kurz beschrieben Sabine Nuss: habe, die werden aber gar nicht zurückgeführt auf dieses soziale Abhängigkeitsverhältnis Sabine Nuss: selbst, weil das als völlig normal wahrgenommen wird.
Es ist gar nichts anderes denkbar.
Sabine Nuss: Und deshalb denke ich, ist auch das ein ganz wichtiger Grund, Sabine Nuss: warum man über die Demokratisierung der Wirtschaft nachdenken muss.
Eva Völpel: Okay, wenn wir jetzt nochmal auf den Punkt der Vergesellschaftung zurückblicken Eva Völpel: und damit ja gemeint ist, dass die Menschen einerseits demokratisch mitbestimmen Eva Völpel: oder gemeinsam bestimmen, was und wie zu welchem Zwecke produziert werden soll, Eva Völpel: dann ist ja irgendwie klar, das kann man ja letztlich nur in einem globalen Maßstab denken.
Eva Völpel: Weil man muss ja dafür sorgen, dass dann auch die ganzen Konkurrenzverhältnisse Eva Völpel: der Unternehmen untereinander ausgeschaltet werden, dass das aufhört, Eva Völpel: also quasi die kapitalistische Wirtschaftsweise unter diesem ständigen Konkurrenzdruck zu produzieren.
Eva Völpel: Und das kann man sich ja eigentlich auch bei der Verflochtenheit der Wirtschaft Eva Völpel: nur vorstellen als letztlichen globalen Prozess.
Eva Völpel: Und da würden wahrscheinlich jetzt viele sofort irgendwie...
Eva Völpel: Ohnmächtig aussteigen und sagen, ey Leute, ja, okay, come on, Eva Völpel: it's nice to talk about, aber wie soll das denn bitteschön funktionieren?
Das ist so weit weg.
Sabine Nuss: Ja, das ist allerdings so weit weg.
Eva Völpel: Genau, was sagst du, wenn Leute dich das fragen?
Sabine Nuss: Ja, also da finde ich wiederum auch dieses Konzept von Beni Adamczak mit den Sabine Nuss: Beziehungsweisen total hilfreich, weil wenn wir uns angucken, Sabine Nuss: wie die Beziehungsweisen global jetzt sind, die gibt es ja schon.
Sabine Nuss: Also es gibt ja schon globale Kooperationen, globale Verflechtungen, globale Abstimmungen.
Sabine Nuss: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll mit aufzählen.
Allein schon, Sabine Nuss: wenn wir uns angucken, wie irgendwie so, hatten wir ja bei der letzten oder Sabine Nuss: vorletzten Folge, wie ein Emissionshandel organisiert wird, wie die WTO funktioniert, Sabine Nuss: wie jetzt zum Beispiel innerhalb von wenigen Tagen weltweit so ein Zollregime Sabine Nuss: auf- und wieder abgebaut werden kann.
Sabine Nuss: Wie große, riesige Konzerne, das muss man sich auch mal vor Augen führen.
Sabine Nuss: Untereinander, global, miteinander, also innerhalb des Konzerns kooperieren.
Sabine Nuss: Also vielleicht mal eine Zahl, die mir mal vor ein paar Jahren über den Weg Sabine Nuss: gelaufen ist.
Die Hälfte der Verschiffung von Gütern über die Weltmeere, Sabine Nuss: Zweckshandel, findet innerhalb von Konzernen statt.
Sabine Nuss: Also von Konzern, Mutterkonzern zu Tochterkonzern und gar nicht marktvermittelt.
Sabine Nuss: Also innerhalb von Konzernen hast du sogenannte fiktive Marktpreise, Sabine Nuss: sind aber keine echten, aber sie müssen sie aus Steuergründen trotzdem irgendwie haben.
Sabine Nuss: Aber eigentlich ist es alles mit Planung und Abstimmung innerhalb von großen Konzernen.
Sabine Nuss: Wir haben Klimakonferenzen globale, wir haben tausende G7-Treffen, Sabine Nuss: wir haben also schon Beziehungsweisen global, die quasi fest etabliert sind.
Sabine Nuss: Jetzt muss man da, glaube ich, gar nicht so wahnsinnig sehr daran denken, Sabine Nuss: wie kriegen wir das dann alles hin, das Pferd von vorne aufzäumen, Sabine Nuss: sondern eben ganz im Sinne von Verschieben von Beziehungsweisen.
Sabine Nuss: Wir müssen innerhalb dieser existierenden Strukturen, innerhalb der existierenden Sabine Nuss: Beziehungsweisen andere und neue Interessen formulieren.
Sabine Nuss: Also das mal ganz platt.
Wenn ich jetzt in einem Unternehmen arbeite, Sabine Nuss: in Deutschland, sagen wir mal, Ich habe ja mal eine Lehre gemacht als junger Sabine Nuss: Mensch, habe ich mal eine Lehre gemacht als Bürokauffrau in einem Betrieb.
Sabine Nuss: Das war auch ein relativ großes Unternehmen.
Sabine Nuss: Für Umwelttechnik und Sanitäranlagen.
Da war ich als Lehrling, Sabine Nuss: musste ich natürlich die einzelnen Abteilungen durchlaufen und da war ich in Sabine Nuss: der Einkaufsabteilung.
Sabine Nuss: Und diese Einkaufsabteilung hat im Grunde genommen alle Materialien zusammengestellt Sabine Nuss: und die Preise, die du für ein Projekt brauchst, wie zum Beispiel den Einbau Sabine Nuss: einer Sanitäranlage in einem Krankenhaus, kann ich mich noch erinnern, musste ich mal machen.
Sabine Nuss: Da musste ich also für jede Rohrschelle und jede Schraube den Preis rausfinden.
Sabine Nuss: Und dann habe ich natürlich auch vergleichen müssen, welcher Vorlieferant, Sabine Nuss: also welcher Vorproduzent liefert die billigsten Schrauben.
Sabine Nuss: Natürlich immer ein bisschen Preis-Leistungs-Verhältnis verglichen.
Sabine Nuss: Und dann am Ende hast du dann halt irgendwie so einen Gesamtpreis.
Sabine Nuss: Und dann habe ich natürlich auch mit denen telefonieren müssen, Sabine Nuss: könnt ihr das liefern und so weiter und so fort.
Sabine Nuss: Das heißt, es steht eigentlich schon alles mit allem in Beziehung, Sabine Nuss: nur statt zu sagen, ich nehme jetzt das Billigste in der Funktion, die ich hatte, Sabine Nuss: könnte ich auch sagen, ich nehme gar nicht das Billigste, sondern ich frage Sabine Nuss: mal ab, wer hat gerade welche vorrätig, wer hat unter den ökologischsten Bedingungen Sabine Nuss: produzieren können oder wird das künftig tun, Sabine Nuss: welches Unternehmen ist irgendwie, was weiß ich, im sozialen Bereich.
Sabine Nuss: Bringt es der Gesellschaft was und so weiter.
Sabine Nuss: Das heißt, man müsste eigentlich die Art und Weise, wie ich mich zu den Vorproduzenten Sabine Nuss: in Beziehung setze, verändern, andere Interessen artikulieren, Sabine Nuss: andere Kriterien anwenden.
Sabine Nuss: Das ist das, was sich verändern muss.
Ich sage jetzt nicht, dass das einfach Sabine Nuss: ist, aber es klingt, finde ich, meines Erachtens immer ein bisschen einfacher, Sabine Nuss: wenn man sagt, Leute, es liegt alles vor.
Sabine Nuss: Wir sind alle schon miteinander in Beziehung.
Wir müssen nur, Sabine Nuss: es ist ein bisschen wie, klingt jetzt blöd, wie eine Therapie machen, Sabine Nuss: unsere Verhaltensmuster ändern, so ganz platt.
Also das ist natürlich jetzt, ja.
Eva Völpel: Ja, ich verstehe den Move und gleichzeitig regt sich bei mir Widerstand, Eva Völpel: weil einerseits finde ich es richtig zu sagen, Eva Völpel: Es gibt ja schon ganz viel.
Es gibt auch ganz viel an Beziehungsweisen, Eva Völpel: an Kooperationen, die ja aber eben zum größten Teil Konkurrenz vermittelt sind.
Eva Völpel: Und wenn ich mir das jetzt vorstelle, was du sagst, dann könnte man ja jetzt Eva Völpel: auch zugespitzt einwenden, naja gut, aber das sind irgendwie so kleine, Eva Völpel: einsame Inseln in einem Meer von kapitalistischem Profitzwang, Eva Völpel: die einfach plattgewalzt werden.
Oder jetzt so Genossenschaftsbewegungen zum Beispiel.
Eva Völpel: Eine total wichtige Bewegung, war ja auch historisch 1900 oder ein bisschen Eva Völpel: später wahnsinnig stark.
Eva Völpel: Aber letztendlich ist es ja nie so richtig gelungen, dass sich das immer weiter Eva Völpel: in die Gesellschaft ausgebreitet hat und dem Kapitalismus sozusagen tatsächlich Eva Völpel: die Stirn bieten könnte, um das jetzt mal ein bisschen platt zu sagen.
Eva Völpel: Und da bleibe ich dann halt immer stecken.
Dann sage ich immer, Eva Völpel: ja, das ist super gut, dass es das gibt, aber mir fehlen da die Impulse, Eva Völpel: wie das tatsächlich sich vergrößert.
Sabine Nuss: Da hast du total recht, gerade mit diesen Genossenschaftsbewegungen oder selbstverwaltete Sabine Nuss: Betriebe, was es ja alles irgendwie schon mal gab.
Sabine Nuss: Es gibt irgendwie eine Autorin, Gisela Notz, die schreibt sehr viel zu diesen Sabine Nuss: ganzen Genossenschaftsbewegungen in den 70er Jahren und die hat dich auch mal gefragt, sag mal, Sabine Nuss: gibt es irgendein Werk, was du mir mal empfehlen kannst, wo mal systematisch Sabine Nuss: zusammengefasst wird, woran das eigentlich gescheitert ist?
Sabine Nuss: Also warum das sich nicht durchgesetzt hat.
Sabine Nuss: Dann hat sie gesagt, gibt es nicht.
Also kennt sie nicht zumindest.
Sabine Nuss: Und das ist, finde ich, ein klassisches Kennzeichen von Linken.
Sabine Nuss: Es werden immer gerne die Erfolge gefeiert, aber es wird dann, Sabine Nuss: wenn es Niederlagen gibt, nicht wirklich gründlich analysiert, woran das liegt.
Sabine Nuss: Auch bei Syriza ist es eigentlich oft so.
Ich würde trotzdem denken, Sabine Nuss: weil einmal etwas nicht funktioniert hat, heißt es noch nicht, Sabine Nuss: dass es dann beim zweiten Mal auch nicht funktioniert, sondern dass man sich genau angucken muss.
Sabine Nuss: Woran ist es gescheitert?
Und es gibt natürlich trotzdem ein paar einzelne Aussagen Sabine Nuss: dazu und ein paar einzelne Möglichkeiten, warum man das machen kann.
Sabine Nuss: Und ein Grund, und das hat Gisela mir auch geschrieben in unserem Mailwechsel, Sabine Nuss: war, sehr viele Genossenschaften sind einfach erfolgreiche kapitalistische Unternehmen geworden.
Sabine Nuss: Ja, und das liegt irgendwie nah, weil das die Beziehungsweisen sind, Sabine Nuss: die hier herrschen und in denen man tatsächlich auf Kosten anderer gucken kann, Sabine Nuss: dass es einem persönlich dann gut geht.
Sabine Nuss: Ja, und das ist einer der Gründe, warum die Genossenschaften sich nicht verbreitet Sabine Nuss: haben in die entgegengesetzte Richtung, also in die Überwindung.
Sabine Nuss: Und der andere Grund ist, dass auch selbstverwaltete Betriebe auf dem Markt Sabine Nuss: agieren und ihre Produkte verkaufen müssen zu Bedingungen, die sie dann möglicherweise Sabine Nuss: nicht mehr können, weil sie sich selbst nicht entlassen können wollen, Sabine Nuss: weil sie sich selbst nicht noch mehr die Gehälter kürzen wollen.
Sabine Nuss: Das heißt, die Tatsache, warum sich das nicht durchsetzen konnte, Sabine Nuss: hat sehr viel zu tun mit der kapitalistischen Welt.
Sabine Nuss: Aus Erfahrung lernen bedeutet ja meines Erachtens auch genau aus diesem Scheitern Sabine Nuss: lernen.
Und ich möchte einen Literaturhinweis geben.
Sabine Nuss: Gerade jetzt ist erschienen von einem Arbeitsrechtsanwalt Rupay Dahm ein sehr Sabine Nuss: dickes Buch, das heißt Selbstbestimmt Arbeiten, Betriebe Demokratisieren.
Sabine Nuss: Und das ist im Grunde genommen ein Praxisleitfaden für selbstorganisierte Unternehmen, Sabine Nuss: der diese Beratung, die er da bei Unternehmen durchführt, aber gesamtgesellschaftlich denkt.
Sabine Nuss: Das ist, finde ich, hervorzuheben, weil das oft sonst wirklich nur so Hauptsache Sabine Nuss: das Unternehmen, das irgendwie fühlt sich gut und ist genossenschaftlich organisiert Sabine Nuss: und denkt, jetzt bin ich auf der richtigen Seite.
De facto ist, Sabine Nuss: ist es aber tatsächlich ein Move, Sabine Nuss: den man politisieren muss und den man gesamtgesellschaftlich denken muss.
Sabine Nuss: Und das passiert nicht so häufig, finde ich, in dieser alternativen Szene.
Sabine Nuss: Deshalb möchte ich dieses Buch ganz besonders ans Herz legen und erwähnen, Sabine Nuss: weil das wirklich auch tatsächlich für Leute, die sich den Betrieb selbst verwaltet, Sabine Nuss: aufbauen wollen, ein Praxisleitfaden ist ein ganz hervorragender.
Eva Völpel: Wenn ich das nochmal aufnehme, was du jetzt zu den Genossenschaften gesagt hast Eva Völpel: Und dann nochmal Überblicke zu unserem Ausgangspunkt.
Eva Völpel: Am Anfang, deutsche Wohnen und Co.
enteignen, hattest du da ja auch erwähnt.
Eva Völpel: Da würde ich ja sagen, das hat eine ganz andere Qualität.
Eva Völpel: Also da wird sozusagen in transformativen Schritten auf einen deutlich größeren Eva Völpel: Bruch zugearbeitet, was natürlich an der Menge der zu vergesellschaftenden Wohnungen Eva Völpel: liegt und auch an der Größe der Bewegung und sozusagen an dem viel größeren Ausmaß, Eva Völpel: die das für Berlin und die gesamte Mietenentwicklung auch hätte, Eva Völpel: wenn sowas hier durchzusetzen wäre.
Eva Völpel: Und das führt mich zu der Frage, wir haben da sozusagen einen hartnäckigen, Eva Völpel: gut geführten Kampf im Bereich des Wohnens und historisch betrachtet sind ja Eva Völpel: aber die Sozialisierungsforderungen vor allen Dingen in der Produktion entstanden.
Eva Völpel: Also da ging es oft um die Schwerindustrie, um die Rohstofferzeugung und so weiter.
Eva Völpel: Wie ist das, wie siehst du das, wo siehst du vom heutigen Blickpunkt aus eher Eva Völpel: Chancen, da irgendwie, ja, einen Fuß in die Tür zu bekommen?
Eva Völpel: Was glaubst du, müssten wir eigentlich nicht darüber sprechen, Eva Völpel: jetzt auch gerade angesichts der Umbrüche in der Automobilindustrie und sozusagen Eva Völpel: dieser unglaublichen Aufrüstungswelle, Eva Völpel: die da auf uns zurollt, müssten wir nicht eigentlich viel stärker gerade jetzt Eva Völpel: auch an solchen Punkten wieder auf zum Beispiel die Automobilindustrie gucken Eva Völpel: und die ganze Mobilitätswende, Eva Völpel: die da so wahnsinnig jetzt auch unter Druck geraten wird?
Eva Völpel: Oder sagst du, also wenn ich auf unsere Beziehungsweisen gucke und wie man Leute Eva Völpel: auch bekommt in ihrem Alltagsverständnis und wo sie viele gemeinsame Erfahrungen Eva Völpel: und auch Leidenswege teilen, erhöhte Mieten, Eva Völpel: dann ist es erfolgsversprechender in so einem Sektor was zu machen, Eva Völpel: in der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Sabine Nuss: Also würde ich dir jetzt erstmal zustimmen.
Also die Daseinsvorsorge ist ja Sabine Nuss: stark zurückgebaut worden in den letzten Jahren, Sabine Nuss: dank der neoliberalen Ideologie, des Glaubens, dass der Staat sich zurückziehen Sabine Nuss: könnte oder zurückziehen ist es ja nicht wirklich, aber eben andere Aufgaben Sabine Nuss: als sich irgendwie für die Daseinsvorsorge zu kümmern.
Sabine Nuss: Und die Folgen, die sind ja auch zu spüren für alle.
Sabine Nuss: Und ich glaube, da ist auch leichter jetzt zumindest kurzfristig was zu machen Sabine Nuss: als jetzt bei der Schwerindustrie.
Sabine Nuss: Da müsste dann tatsächlich, ich bin ja immer ein großer Fan von von unten, Sabine Nuss: also von unten etwas machen statt von oben, aber beides müsste irgendwie Hand in Hand gehen.
Sabine Nuss: Also wie gesagt, ich würde schon denken, dass mit dem Wohnen auch deshalb so Sabine Nuss: erfolgreich ist, weil da unmittelbar viele, viele Menschen direkt davon betroffen Sabine Nuss: sind.
Also sehr viele Menschen.
Sabine Nuss: Und weil es so sichtbar ist, woran es liegt, da sieht man einfach, Sabine Nuss: dass ihr Lebenseinkommen nur dafür benutzt wird, dass andere damit reicher gemacht Sabine Nuss: werden.
Das ist sehr deutlich sichtbar da.
Eva Völpel: Mhm.
Noch eine andere Frage.
Du hast ja den Artikel Grundgesetz erwähnt und Eva Völpel: da kam mir dann doch nochmal die Frage durch den Kopf geschossen.
Eva Völpel: Ist es denn in anderen Ländern, die so einen Artikel nicht haben?
Eva Völpel: Ist das irgendwie bedeutsam, dass sie den nicht haben oder ist das eigentlich Eva Völpel: völlig wurscht, weil auch da ähnliche Bewegungen vielleicht wieder begonnen haben?
Eva Völpel: Versuche der Wiederaneignung, einer kleinen Wiederaneignung zumindest.
Sabine Nuss: Ja, das werde ich öfter gefragt.
In Österreich zum Beispiel.
Sabine Nuss: Die haben Artikel 15 nicht.
Sabine Nuss: Aber die haben natürlich alle, also ich würde mal sagen, alle Industriegesellschaften, Sabine Nuss: alle bürgerlichen, rechtlichen, auf Kapitalismus basierenden Gesellschaften Sabine Nuss: haben eine Privateigentumsgarantie und wiederum die Eingriffsmöglichkeit des Staates.
Sabine Nuss: Also eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums hast du überall.
Sabine Nuss: Weil natürlich ist es schön, den Artikel 15 zu haben.
Sabine Nuss: Das macht es irgendwie sehr elegant und es ist praktisch, aber man braucht ihn nicht unbedingt.
Sabine Nuss: Also man sollte ihn auch nutzen.
Also es könnte vielleicht auch so ein bisschen Sabine Nuss: so eine modellhafte Vorbildfunktion einnehmen, weil man an diesem Artikel 15 Sabine Nuss: unglaublich schön sehr viel zeigen kann.
Sabine Nuss: Aber es braucht ihn nicht unbedingt.
Man kann sich auf die Sozialpflichtigkeit Sabine Nuss: des Eigentums berufen und kann eben auch sagen, wie ihr wollt, Sabine Nuss: dass hier jeder Eigentümer ist, dann realisiert das erstmal in der Ökonomie, Sabine Nuss: Um der Verfassung gerecht zu werden.
Sabine Nuss: Außerdem kommt natürlich dazu, das darf man auch nicht wegreden, Sabine Nuss: dass der Artikel 15 im Grundgesetz auch eine deutsche Verfassung ist und im Sabine Nuss: Spannungsverhältnis zum EU-Recht steht.
Sabine Nuss: Also dazu hat die Professorin für öffentliches Recht, Isabel Feichtner, Sabine Nuss: die ich auch hier mal erwähnen möchte, einen Text geschrieben, Sabine Nuss: wo sie eben aufgezeigt hat, Sabine Nuss: das EU-Recht sagt zwar, dass jedes europäische Land die Eigentumsordnung für Sabine Nuss: sich selbst gestalten darf, also ist da unabhängig vom EU-Recht, Sabine Nuss: aber die einzelnen jeweiligen Urteile bei irgendwelchen Fällen, Sabine Nuss: Grundrechtsurteile sprechen doch dem Markt ein sehr großes Gewicht bei, Sabine Nuss: sodass man das sozusagen auch unter...
Sabine Nuss: Unter Vorbehalt betrachten muss, diese Freiheit.
Isabel Feichtner war übrigens Sabine Nuss: auch Mitglied der Kommission in Berlin, die eingerichtet wurde, Sabine Nuss: um Verfassungsrechtlichkeit zu prüfen, dieser Vergesellschaftungsforderung.
Sabine Nuss: Und sie bringt jetzt ein neues Buch raus.
Sabine Nuss: Es erscheint jetzt im Moment, ist gerade im Erscheinen.
Das heißt Bodenschätze.
Sabine Nuss: Und das finde ich ein absolutes Muss, um nochmal sich zu vergegenwärtigen, Sabine Nuss: was dieser Artikel 15 eigentlich tatsächlich an transformativen Potenzial hat.
Sabine Nuss: Wenn man jetzt das auf der Ebene des Rechts sich angucken möchte.
Sabine Nuss: Und es ist ein sehr, sehr, finde ich, interessantes und eindrückliches Buch, Sabine Nuss: gerade von ihr, die eben selbst in dieser Kommission war.
Sabine Nuss: Also auch noch ein Literaturtipp hier.
Eva Völpel: Vielen Dank, das nehmen wir alles in die Shownotes.
Ich glaube, Eva Völpel: dann wäre meine allerletzte Frage, wenn du zurück in die Geschichte guckst.
Eva Völpel: Ich meine, wir haben ja schon darüber geredet, über die Kämpfe, Eva Völpel: die es gab und dass ja jetzt in Deutschland Eva Völpel: zum Beispiel dann die Sozialisierungsbestrebungen nie umgesetzt wurden.
Eva Völpel: Aber wenn du in andere Erdteile guckst, gibt es da irgendwelche Beispiele, Eva Völpel: wo du sagst, das ist für dich total inspirierend?
Sabine Nuss: Also Vergesellschaftung tatsächlich so, wie es jetzt diskutiert wird.
Sabine Nuss: Es ist ja keine Wiederholung der Geschichte, sondern es ist ja bewusst auch Sabine Nuss: von der Kampagne Deutsche Wohnen und Co.
Sabine Nuss: Enteignen als uneingelöstes Versprechen tituliert oder als unvollendete Geschichte.
Sabine Nuss: Mit dem Bewusstsein, dass wir natürlich heute in ganz anderen Verhältnissen leben.
Sabine Nuss: Insofern gab es eigentlich noch nie so etwas wie Vergesellschaftung.
Sabine Nuss: Wir müssen, also Vergesellschaftung ist kein Zustand, Vergesellschaftung ist Sabine Nuss: ein Prozess, ein Weg, den wir in ständiger Selbstkorrektur und Selbstkritik gehen sollten.
Sabine Nuss: Und eine der inspirierendsten Beispiele, die meines Erachtens stark in diese Sabine Nuss: Richtung geht, ist Verwaltung.
Sabine Nuss: Interessanterweise aus der Spitze der Produktivkraftentwicklung, Sabine Nuss: nämlich der Softwaretechnologie und zwar die Entstehung von freier Software und Open Source.
Sabine Nuss: Da will ich jetzt gar nicht so lange drüber was erzählen, aber ich habe selber Sabine Nuss: über freie Software promoviert, also über die Eigentumsimplikationen bei freier Sabine Nuss: Software und was mich damals so irre fasziniert hat, war, Sabine Nuss: als ich selber an der Uni studentische Hilfskraft war, war ich mal eine Weile lang, Sabine Nuss: ich frage mich nicht, wie ich dazu gekommen bin, zuständig dafür, Sabine Nuss: für alle Professorinnen, am Institut die Passworte einzurichten und mich irgendwie Sabine Nuss: um die Webseite zu kümmern.
Sabine Nuss: Das ist wirklich ewig her, ja.
Das war noch ganz am Anfang.
Sabine Nuss: Und da hat mir mein Vorgänger einfach die Computer hingestellt, Sabine Nuss: so ein paar Windows-Kisten, DOS-Kisten und hat gesagt, läuft auf Linux, Sabine Nuss: ist kein Problem, ist ein offenes System, auf Wiedersehen.
Sabine Nuss: Und ich stand da und dachte, danke.
Sabine Nuss: Und in der Tat war es aber so, dass ich mich dann eingeloggt habe in solche Sabine Nuss: Linux-Foren und habe von allen Seiten wirklich so schnell so unglaubliche Hilfe Sabine Nuss: bekommen, dass ich es geschafft habe, binnen kürzester Zeit dieses System auf Sabine Nuss: Linux am Laufen zu lassen und zu kriegen und habe dann angefangen, Sabine Nuss: mich da rein zu begeben und zu dachten, ich muss ja gar nichts bezahlen, Sabine Nuss: das ist gar keine Hotline im eigentlichen Sinne und was ist denn das eigentlich Sabine Nuss: für eine Software, die kostet ja auch gar nichts.
Sabine Nuss: Und irgendwann habe ich festgestellt, okay, das ist jetzt mal tatsächlich ein Produkt, Sabine Nuss: wo nicht im Klein-Klein irgendwie solidarische Ökonomie, obwohl ich das jetzt Sabine Nuss: überhaupt nicht irgendwie kleinreden möchte, aber es ist tatsächlich ein globales Sabine Nuss: produktfreie Software, Sabine Nuss: was global weltweit vernetzt, jenseits des Ware-Geld-Tauschs, Sabine Nuss: jenseits von Profit oder Gewinn oder Geld als Motivator entstanden ist und was Sabine Nuss: tatsächlich zumindest dem Betriebskörnel von Windows ernsthaft Konkurrenz gemacht hat.
Sabine Nuss: Also es ist auf einer extrem hohen Motivation ein extrem gutes Produkt entstanden, Sabine Nuss: auf eine Art und Weise, die ich wirklich beachtlich finde und die alle...
Sabine Nuss: Theorien zu, man macht nur dann was, wenn es Eigentum gibt, es ist nur dann Sabine Nuss: irgendwie effizient und bla bla bla widerlegt.
Eva Völpel: Und das widerlegt auch, dass wir nicht alle irgendwie als homo ökonomicus funktionieren Eva Völpel: und nur nach unserem eigenen Nutzen arbeiten.
Sabine Nuss: Und das finde ich eine der inspirierendsten Erfahrungen, die so in Richtung Sabine Nuss: Vergesellschaftung gehen.
Sabine Nuss: Bei allen Einschränkungen, es gibt nichts Richtiges im Falschen, Sabine Nuss: aber es gibt immer noch Richtigeres im Falschen.
Eva Völpel: Sehr schön, Sabine.
Vielen Dank.
Ich habe wieder viel gelernt.
Eva Völpel: Hast du uns noch ein Mitbringsel mitgebracht?
Sabine Nuss: Ja, heute muss ich passen.
Eva Völpel: Okay, Sabine, also du hast diesmal kein Mitbringsel, aber das macht gar nichts, Eva Völpel: weil ich glaube, Andreas, unser Tontechniker hier im Studio, Eva Völpel: der hat nämlich heute ein Mitbringsel.
Andreas: Hallo, ja, genau.
Ich bin Genosse geworden, nämlich bei meinem Fußballverein.
Andreas: Genauer gesagt, haben dort mehr als 20.000 Menschen das Stadion gekauft und Andreas: haben damit 27 Millionen Euro in die Kassen des Vereins gespielt für so viele Sachen.
Andreas: Und das ist ja eigentlich auch eine großartige Sache und passend gut zum Thema hier.
Sabine Nuss: Und welcher Verein?
Andreas: Das ist der FC St.
Pauli.
Und genau, das Motto war dann, ein anderer Fußball ist möglich.
Andreas: Und das Absurde ist, ich bin jetzt Genosse zusammen mit Uli Hoeneß.
Eva Völpel: Also das fand ich auch ziemlich verrückt.
Die Zahlen, die du genannt hast, Eva Völpel: die da direkt zusammengekommen sind.
Eva Völpel: Und ja, man sieht, es hat wirklich auch Potenzial, dass Leute irgendwie was Eva Völpel: anderes wollen und sich dafür dann auch engagieren.
Andreas: Ja, auf jeden Fall.
Und auch da zeigt sich, in allen Branchen ist der Wandel Andreas: durchaus möglich, wenn man das will.
Sabine Nuss: Sehr gut.
Eva Völpel: Okay.
Sabine Nuss: Gutes Schlusswort.
Eva Völpel: Ja, und damit sind wir wieder am Ende.
Wir hoffen, es hat euch wieder viel Spaß gemacht.
Eva Völpel: Wir freuen uns über Kritikanregungen und Rückmeldungen unter armutszeugnis at Eva Völpel: rosalux.org und damit macht es gut.
Bis zum nächsten Mal.
Sabine Nuss: Bis zum nächsten Mal.
Tschüss.