Episode Transcript
Dem Tod auf der Spur.
Spannende Fälle aus der Hamburger Rechtsmedizin.
Der Crime-Podcast vom Hamburger Abendblatt.
Moin und herzlich willkommen zu unserem Abendblatt-Crime-Podcast.
Ich bin Bettina Mittelacher, Gerichtsreporterin.
Und natürlich ist in unserer Sendung wieder Rechtsmediziner Klaus Püschel dabei.
Ohne ihn geht es hier nicht.
Er ist der Mann, der in den Toten liest, wie in einem Buch.
Moin Klaus.
Moin Bettina, moin auch von mir an alle unsere Hörer.
Ja, ich denke, das ist durchaus richtig, dass ich versuche, die Toten zu verstehen.
Oder besser gesagt, ich kann durch unsere speziellen Untersuchungen in der Rechtsmedizin wirklich sehr vieles über die Toten herausfinden.
Denn beispielsweise kann ich natürlich erkennen, woran sie gestorben sind, welche Krankheiten sie vielleicht schon vorher hatten, in welchem Zustand die inneren Organe waren, insbesondere die Blutgefäße, das Herz.
Und ich kann natürlich etwas über Verletzungen sagen und über Vergiftungen.
Dann lass uns bitte heute vertiefen, wie eine solche Untersuchung von Toten funktioniert.
Okay, ich glaube, das werden wir nicht erschöpfend heute erledigen können, aber wir wollen doch ein bisschen hinter die Kulissen schauen.
Besser gesagt, ja, in unserem Hauptarbeitsraum, das ist der Sektionssaal.
Auf jeden Fall und sehr, sehr gerne.
Im Fernsehkrimi sieht man häufiger die Szene, wenn der Rechtsmediziner eine solche Untersuchung beginnt.
Die oder der Tote liegt dann üblicherweise auf dem Obduktionstisch, der Rechtsmediziner setzt das Skalpell an.
Ja und in der nächsten Szene ist die Obduktion dann bereits beendet, dann liegt der Leichnam immer noch auf dem Sektionstisch und im Bereich der Brust und im Bereich des Bauches ist eine auffällige Narbe zu sehen, aber was dazwischen passiert ist, wird nicht gezeigt und das sicher aus gutem Grund.
Naja, also die Schauspieler sagen dann auch immer noch, das Protokoll gibt es dann irgendwann in den nächsten Tagen, das Protokoll folgt und da steht dann alles entscheidende drin.
Ja, ich denke Tatort ist eben für die Fernsehzuschauer gemacht, das ist wirklich fernab der Realität.
Vor allem die Opfer, die in dieser Sendung oder auch in anderen Krimiformaten, also im Fernsehen oder auch im Roman.
Wenn dann der Obduktionstisch eine Rolle spielt, dann geht es ja um Beschreibungen oder Schauspielerei.
Und im Fernsehen verbietet es sich natürlich, dass wirklich mit dem Skalpell Schnitte zugefügt werden.
Es ist schon ein gewisses technisches Problem, den Schnittanfang tatsächlich plastisch darzustellen.
Im Buch kann man das vielleicht ein bisschen beschreiben, aber die Details sind dann ja ehrlich gesagt für viele auch schon wieder langweilig oder sie verstehen das nicht.
Ein weiterer Grund, warum im Fernsehkrimi heute keine Details einer Obduktion gezeigt werden.
Man muss natürlich berücksichtigen, dass es wirklich nicht jedermanns Sache ist, da zuzusehen, wie ein Toter geöffnet wird, wie er seziert wird und wie die Organe entnommen werden.
Zum Beispiel das Gehirn untersucht werden oder der Schädel geöffnet wird.
Solche Einblicke sind eher etwas für Fachpersonal oder ein medizinisches Seminar und nicht für einen Fernsehkrimi.
Zu bedenken sind unbedingt natürlich auch Persönlichkeitsrechte.
Das gilt für die Darstellung von realen Fällen und ethischer Aspekte.
Naja, so eine Sendung soll ja bei aller Spannung und auch bei der Authentizität der Rechtsmedizin, die eine gewisse Rolle spielt, so eine Sendung soll vermitteln, wie wir am besten unterhalten werden.
Man hört ja immer wieder, dass es auch Medizinstudenten geben soll.
Die ist nicht so gut verkraftbar, eine Obduktion zuzusehen.
Das stimmt.
Manchmal gilt das auch für Ärzte sogar.
Ich habe da als Dozent schon alles Mögliche erlebt, dass jemand beispielsweise schummrig wurde.
Wir versuchen dem auch immer eindeutig vorzubeugen und treffen entsprechende Vorbereitungen.
Also beispielsweise ist bei mir nie jemand direkt in den Sektionssaal gekommen.
Wir zeigen erstmal die Räumlichkeiten.
Ja, wir machen da so gewisse Gewöhnungsübungen.
Wir zeigen auch zuerst immer einen Toten ohne Sektion.
Also wir versuchen uns da schon an diese Situation anzupassen.
Und letztlich darf man aber nicht vergessen, wer Medizin studiert und als Arzt arbeitet, der braucht unbedingt ein sehr detailliertes anatomisches Wissen.
Das ist nun dringend erforderlich, um Verletzungen richtig einzuordnen, um auch Fehlfunktionen von Organen zu verstehen.
Und dieses Verständnis vom menschlichen Körper kann man sich nicht nur aus Videos und aus Büchern aneignen.
Das echte authentische Bild, der Blick in den menschlichen Körper schult doch auf viel intensivere Weise.
Lass mich noch einmal sagen, wir sprechen ja immer vom Begreifen.
Begreifen, wenn wir etwas begreifen wollen, dann ist es am besten, wir fassen das auch an.
Das gehört also dann auch dazu, dass man bei einer Obduktion nicht nur zuschaut, sondern auch zuhört und anfasst.
Mein primäres Ziel einer Obduktion ist doch herauszufinden, woran der jeweilige Mensch gestorben ist.
Nehmen wir mal an, auf das Opfer wurde geschossen und das Einschussloch ist in der Nähe des Herzens.
Könnte man da nicht einfach sagen, das ist doch offensichtlich, was es passiert ist.
Der Mann ist durch die Schussverletzung gestorben, da müssen wir nicht mehr sezieren?
Also Bettina, das ist nun wirklich viel zu kurz gegriffen.
Ich glaube, da würde uns die Polizei auch so ein bisschen den Vogel zeigen.
Wir wollen ja viele weitere Details herausarbeiten.
Nicht nur, dass es sich um eine Schussverletzung handelt, sondern es geht natürlich auch um die Fragen, aus welcher Entfernung wurde geschossen, aus welcher Richtung, wie ist der Verlauf des Schusskanals im Körper.
Ja, was wurde noch verletzt?
Befindet sich das Projektil noch am Körper?
Handelt es sich also um einen Steckschuss, nicht um einen Durchschuss?
Dann wollen wir dieses Projektil unbedingt sichern.
Für spezielle ballistische Untersuchungen in der Kriminaltechnik.
Natürlich wollen wir auch wissen, ob es ein einzelner Schuss war und so weiter und so weiter.
Und nebenher wollen wir von dem Toten auch noch wissen, ob er unter dem Einfluss von Medikamenten, Drogen, Alkohol stand.
Also es gibt sehr, sehr zahlreiche Fragen und alleine der Hinweis-Schuss-Verletzung ist sicher nicht ausreichend.
Erzähl doch mal bitte, wie eine Obduktion vonstatten geht.
Ja, auch das ist ein langes Kapitel, vielleicht einmal ganz kurz.
Der Ort des Geschehens ist das Institut für Rechtsmedizin.
Erstmal die Leichenhalle, später bei der vollständigen Sektion der Sektionssaal.
Also ganz bestimmte Räumlichkeiten müssen gegeben sein.
Es müssen natürlich auch sehr spezielle Instrumente zur Verfügung stehen, um den menschlichen Körper zu untersuchen.
In neuster Zeit auch viele technische Geräte.
Und dann ganz banal die Kleidung, also das, was der Rechtsmediziner selber trägt.
Das ist vorgeschrieben.
Wir haben also Schutzkittel an, unter anderem dann auch eine Haube über unseren Haaren.
Wir haben einen Mundschutz, natürlich Gummihandschuhe an den Händen.
Zu bedenken ist, dass wir uns schützen müssen vor Infektionen zum Beispiel oder auch vor Blutspritzern.
Ja, wir müssen aber auch verhindern, dass von uns Spuren übertragen werden auf den Leichnam.
Das ist extrem wichtig, dass also nicht falsche Spuren zustande kommen.
Also darum geht es jetzt, dass beispielsweise keine DNA des Obduzenten an den Leichnam gerät, also keine Hautschuppen, keine Haare, um nicht falsche Spuren zu legen.
Ja, das ist extrem wichtig.
Sinn einer Obduktion ist es ja nicht nur die Todesursache herauszufinden, sondern auch sehr exakt Spuren zu sichern.
Also beispielsweise die DNA eines möglichen Täters.
Und da suchen wir die Körperoberfläche und die Kleidung des Leichnams sehr, sehr sorgfältig ab.
Ob wir da nicht vielleicht Haare finden oder Hautschuppen oder Blut.
Und das Ganze würden wir dann aufnehmen, entweder mit Tupfern oder mit Klebefolien.
Oder einfach in Behältnisse abfüllen.
Und wir müssen unbedingt verhindern, dass von uns selber Spuren übertragen werden.
Das geht übrigens so weit, dass die DNA der Personen, die im Sektionssaal tätig werden, bei der Polizei bekannt sein sollte.
Also die Kriminalpolizei hier in Hamburg hatte immer auch meine DNA für Vergleichszwecke und Bettina.
Ich muss gestehen, bei einzelnen Fällen hat man dann auch meine DNA gefunden und ich war sicher nicht der Täter, sondern ich war nur zuständig für die Untersuchung und habe dann, aus welchen Gründen auch immer, dafür gibt es schon verschiedene Spuren von mir selbst hinterlassen.
Ja, also dass du dann nicht als Verdächtiger in Frage kommst, sondern natürlich als Experte da an dem Leichmärm dran warst, das denke ich versteht sich von selbst.
Aber ich finde das interessant, dass dann DNA vorliegen sollte, um das jeweils dann auszuschließen, damit die Polizei gleich weiß, nee, nee, der Püschel, also wenn wir von dem DNA finden, dann hat das schon alles seine Richtigkeit.
Ich bin ein berechtigter Spurenleger.
Ja.
So heißt das.
Okay, ein berechtigter Spurenleger.
Also das ist jetzt wahrscheinlich der offiziell und technische Ausdruck dafür.
Nun der nächste Schritt bei der Obduktion, fast hätte ich gesagt der nächste Schnitt, das wäre dann eine freudsche Fehlleistung gewesen.
Das wichtigste Werkzeug bei einer Obduktion ist doch das Skalpell und mit dem Schneiden Rechtsmediziner in den Körper des Toten.
Genau.
Also wenn man sich ein Werkzeug vorstellt bei einem Rechtsmediziner, dann denkt man zuerst immer an das Skalpell.
Häufiger benutzen wir, ehrlich gesagt, allerdings regelrechte Messer, die dann sehr unterschiedliche Größen haben.
Also wir haben Messer, mit denen man tatsächlich sehr lange und glatte Schnitte machen kann.
Die heißen dann bei uns Parenchymmesser.
Wir haben aber auch kleinere Messer, Präpariermesser oder dann eben auch Skalpelle, wenn es darum geht, Feinstarbeit zu leisten, etwa wie die Chirurgen.
Die Reihenfolge, in der der Körper des Toten bei einer Obduktion geöffnet wird, die ist doch festgelegt.
Also da sagt niemand, heute fangen wir mal bei den Füßen an, das ist ein bisschen kreativer.
Also die Routine besteht in der Tat darin, dass wir zunächst einmal den Brustkorb öffnen und die Bauchhöhle und später dann die Schädelhöhle.
Also wir öffnen nacheinander die verschiedenen Körperhöhlen und untersuchen die darin liegenden Organe, die wir für die Untersuchung dann auch herausholen.
Aber man muss ganz klar sagen, je nach Sachlage des Falles gibt es schon besondere Herangehensweisen.
Ich will mal einige Beispiele sagen.
Also wenn es Schussverletzungen gibt, auch in der Peripherie des Körpers, also an den Armen oder Beinen oder im Bereich des Rückens, dann würde man zunächst einmal tatsächlich diese Schussverletzungen auch präparieren.
Wenn es sich um einen Verkehrsunfall handelt, dann spielt bei einem Fußgänger zum Beispiel eine sehr wichtige Rolle, dass man die Beine obduziert und die Anfahrverletzung genau charakterisiert.
Ja und es gibt dann eine Reihe weiterer Fälle, wo wir eine besondere Strategie einsetzen und sehr unterschiedlich ausgedehnt obduzieren.
Beispielsweise kann es mal darum gehen, dass man auch den Wirbelkanal eröffnet.
Man kann eventuell die gesamte Schädelbasis präparieren, auch aus dem Schädelinneren heraus.
Beim Schütteltrauma der Säuglinge muss man die Augen ganz genau untersuchen.
Also es gibt wirklich nicht nur unser Standardvorgehen, sondern je nach Sachlage eben die angemessene und dem Fall gerecht werdende Obduktionstechnik.
Was genau passiert denn bei einer Obduktion?
Am besten erklären wir das mal an einem Beispiel.
Ich konstruiere jetzt einfach mal einen Fall.
Auf der Reeperbahn in Hamburg gab es eine Schießerei.
Ein Mann wurde schwer verletzt und liegt jetzt im Krankenhaus.
Ein anderer wurde tödlich getroffen und dann ins Institut für Rechtsmedizin gebracht, wo eine Obduktion stattfinden soll.
Ja, was passiert jetzt?
Bei der eigentlichen Obduktion?
Ja, liebe Bettina, erst einmal.
Also wir untersuchen nicht nur den tödlich Getroffenen, sondern wir untersuchen auch die schwer verletzte Person und gehen also ins Krankenhaus.
Das wird leider oder leicht immer wieder vergessen, wenn man die Tätigkeit der Rechtsmediziner charakterisiert.
Ja und bei dem Erschossenen geht es zunächst einmal darum, die entsprechenden Entscheidungen zu treffen, die ja beigeführt werden müssen.
Also die Polizei stellt den Fall der Staatsanwaltschaft vor.
Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Obduktion, das Amtsgericht beschließt die Obduktion und das Institut für Rechtsmedizin wird beauftragt.
Der Leichnam liegt dann schon lange bei uns im Kühlraum und wir versuchen dann zeitnah zu obduzieren.
Zeitnah bedeutet bei uns in Hamburg also immer am selben Tag oder am nächsten Tag, gegebenenfalls am Wochenende, gegebenenfalls auch in der Nacht.
Und dann müssen wir das Obduktionsteam zusammenstellen.
Dazu gehören ja mindestens zwei Ärzte bzw.
Ärztinnen und ein Sektionsgehilfe.
Und die Räumlichkeiten müssen entsprechend vorbereitet sein.
Bei einer Schussverletzung würden wir immer auch eine Computertomographie durchführen.
Naja, und wenn wir dann am Körper stehen und alle Vorbereitungen sachkundig getroffen worden sind.
Dann führen wir eben in der Regel diesen sogenannten Y-Schnitt oder T-Schnitt aus.
Darf ich kurz reingrätschen, dieser Y-Schnitt, was bedeutet dann das konkret?
Ja, wir müssen ja Brusthöhle und Bauchhöhle eröffnen.
Zum Beispiel auch, um den Schusskanal durch das Herz im Detail zu verfolgen.
Und dazu legen wir einen Schnitt mit unserem Messer von Schulter zu Schulter über die untere Halsregion.
Und von der unteren Halsregion aus legen wir einen weiteren Schnitt bis in die Schamregion.
Und das Ganze sieht eben aus wie ein großes T.
Daher kommt dieser Ausdruck T-Schnitt.
Wenn die Schnitte zu den Schultern etwas schräg verlaufen, dann spricht man manchmal auch vom Y-förmigen Schnitt.
Naja, und dann präparieren wir mit dem Messer das Unterhaut-Fettgewebe, die Muskulatur.
Wir eröffnen die Bauchhöhle und tatsächlich orientieren wir uns zunächst einmal im Bereich der Bauchorgane und dann legen wir die Rippen insgesamt frei und das Brustbein.
Das wäre meine nächste Frage gewesen, auch wenn meine anatomischen Kenntnisse einigermaßen begrenzt sind, aber so weit kenne ich mich natürlich aus, wenn man die Haut am Brustkorb wegschneidet oder eröffnet und auch das Muskelgewebe, da kommt man ja nicht so ohne weiteres an das Herz, das ist ja der Brustkorb mit den Rippen davor, die müssen ja auch irgendwie entfernt werden.
Naja, du hast das Wort eben schon gebraucht.
Wir sprechen vom Brustkorb und dieser Brustkorb wird im vorderen Anteil dann in seinem festen Anteil gebildet durch die hier verlaufenden Rippen und durch das Brustbein.
Und diese Region müssen wir tatsächlich entfernen, damit wir auf Herz und Lunge schauen können.
Das geschieht dadurch, dass wir die Rippen durchtrennen.
Das geschieht mit einer speziellen Schere, die erinnert entfernt an eine Geflügelschere.
Wir sprechen von der sogenannten Rippenschere.
und wenn wir die Rippen von der ersten bis zur zwölften Rippe oder bis zum Rippenbogen hindurchtrennt haben, dann müssen wir auch noch die Schlüsselbeine abtrennen und können dann das sogenannte Brustschild nach vorne entfernen und blicken auf Herz und Lunge.
Ich durfte ja selber zweimal dabei sein und zuschauen, als du jemanden obduziert hast.
Ich erinnere mich daran, dass dann dem Brustkorb und dem Bauchraum des Toten Organe entnommen wurden.
Wozu dient das?
Sindersache ist ja, dass wir alle Organe nacheinander untersuchen und auch die sie verbindenden Blutgefäße und die Weichteile.
Dazu schauen wir uns die Organe zunächst einmal orientierend an, wenn sie noch im Körper liegen und dann nehmen wir sie aber heraus.
Und da gibt es dann auch unterschiedliche Techniken, entweder als Organpakete oder als Einzelorgane.
Und wenn wir die Organe tatsächlich aus dem Körper herausgenommen haben, dann vermessen wir sie erstmal.
Dafür brauchen wir tatsächlich Waage und Zentimetermaß.
Also wir vermessen beispielsweise die Dicke der Herzwand, den Umfang der Herzklappen.
Natürlich werden alle Organgewichte gemessen.
Es wird aber auch die Weite der Brustschlagader gemessen.
Also da wird sehr exakt alles dokumentiert, es wird übrigens auch alles fotografiert und wir behalten dann von allen lebenswichtigen Organen tatsächlich auch eine kleine Probe zurück für weitergehende spezielle Untersuchungen im Labor.
Wir behalten auch immer Körperflüssigkeiten zurück, wie zum Beispiel Herzblut oder Urin- oder Mageninhalt für chemisch-toxikologische Untersuchungen.
Also es gibt eine große Anzahl weiterführender Untersuchungen, die wir nicht direkt bei der Organsektion oder bei der Sektion insgesamt erledigen können, sondern wofür wir dann unsere Labors brauchen und die vielen technischen Assistentinnen in den Labors, die uns das Gewebe aufbereiten.
Nochmal zurück zum Fernsehkrimi.
Im Tatort aus Münster, dieser Tatort ist ja doch sehr beliebt, hört der Rechtsmediziner Karl Friedrich Börne gerne Opernmusik.
Ist das authentisch?
Kann man sich das auch in einem richtigen Sektionssaal vorstellen, dass da jemand die Musik hört, die er gerne nimmt oder dass andere Dinge nebenbei eine Rolle spielen?
Also ganz klar, in Hamburg sicher nicht.
Ich kenne aber nicht jeden Sektionssaal dieser Erde und vielleicht gibt es ja auch den einen oder anderen Rechtsmediziner, der im Hintergrund Musik hört.
Also ich kenne keinen und auch mit einigen anderen Vorurteilen muss man unbedingt aufräumen.
Also es wird natürlich im Sektionssaal nie was gegessen.
Wir trinken auch keinen Rotwein, wie das manchmal dieser Tatortkommissar tut.
Es geht im Sektionssaal tatsächlich extrem sauber, penibel, steril zu.
Ich habe das ja schon erwähnt, wir dürfen einfach keine Fremdspuren hier in den Fall hineinbringen und das bedeutet schon, die Personen müssen alle Schutzkleidung tragen und extrem sorgfältig arbeiten und wir müssen uns natürlich auch selber schützen, um Infektionen zu vermeiden.
Also im Fernsehen ist das für mich eindeutig Beiwerk, dass es künstlerische Freiheit hat, mit der Realität nichts zu tun.
Was auch im Fernsehkrimi gezeigt wird und auch im richtigen Leben, also bei echten Abduktionen so stattfindet, manchmal ist ein Ermittler der Polizei dabei, nicht wahr?
Klar, die Polizei will ja in vielen Fällen von Anfang an tatsächlich über möglichst viele Details Bescheid wissen.
Da erfolgen manchmal dann auch schon Telefonate aus dem Sektionssaal sozusagen, wo der Ermittler, der vor Ort ist, dann dem Leiter der Mordkommission etwas Wichtiges mitteilt, sodass dann tatsächlich aus dem Sektionssaal schon Anregungen kommen, beispielsweise auch zu der verwendeten Schusswaffe oder zu einem Tatmesser.
Ja, manchmal geht es auch um sehr spezielle Fragen, zum Beispiel ob eine sexuelle Motivation dahinter steckt, ob wir Hinweise haben auf Alkohol- oder Drogenkonsum.
Also wir brauchen die Polizeibeamten, manchmal auch für sehr einfache Dinge wie Identifikation, sicher für die Spurensicherung.
Das machen teilweise die Rechtsmediziner, vor allen Dingen aber auch die Kriminalbeamten.
Und das Fotografieren teilen wir uns auch, aber für die Akte fotografiert normalerweise der Kripo-Beamte.
Und der Kripo-Beamte übernimmt dann auch von der Sektion Asservate, die in der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle weiter untersucht werden.
Wir hatten ja schon das Beispiel Schussverletzung.
Wenn wir dann also ein Projektil sicherstellen, dann übergeben wir das der Kriminalpolizei.
Wir übergeben der Kriminalpolizei in der Regel auch Blutproben für die Feststellung von DNA-Eigenschaften.
Also Polizei vor Ort macht viel Sinn.
Dass sie Sinn vor Ort macht, ist klar.
Das hast du jetzt einleuchtend erklärt.
Bei welchen Tötungsdelikten oder verangenommenen Geschehnisabläufen sind denn Polizei und Staatsanwaltschaft dabei?
Mord und Totschlag?
Ich denke, das drängt sich geradezu auf.
Wie wäre das beispielsweise beim Verkehrsunfall?
Also prinzipiell ist die Ausgangssituation folgendermaßen.
Im Zusammenhang mit der ersten Leichenschau vor Ort muss ein Arzt entscheiden, ob es sich um einen natürlichen Tod, einen nicht natürlichen Tod oder eine ungeklärte Todesart handelt.
Und die Polizei wird immer tätig bei ungeklärter Todesart und nicht natürlicher Todesursache.
Und jetzt geht es dann um die Frage des Fremdverschuldens.
Wenn Fremdverschulden in Betracht kommt, dann muss die Staatsanwaltschaft kurzfristig entscheiden, ob eine Leichenöffnung, also eine Sektion erforderlich ist, um den Sachverhalt aufzuklären.
Und der entsprechende Auftrag wird dann an die Rechtsmedizin gegeben.
Der Leichnam wird in Hamburg bei nicht natürlicher Todesart und ungeklärter Todesart übrigens automatisch sofort immer in die Rechtsmedizin gebracht.
Das ist hier eine ständige Verfahrensweise.
Manchmal hört man den Begriff Obduktion, manchmal heißt es Sektion, manchmal wird auch das Wort Autopsie gebraucht.
Wenn ich richtig informiert bin, bedeutet das alles im Prinzip das Gleiche.
Genau so ist das Bettina.
Diese Begriffe sind aus dem Lateinischen und aus dem Griechischen hergeleitet.
Also ob Duzere heißt öffnen und Sekare heißt schneiden, daher also Sektion und Obduktion.
Autopsie kommt aus dem Griechischen und heißt genau hinschauen.
Also das sind besondere Aspekte, die mit der Sektion immer verbunden sind.
Im Deutschen spricht man übrigens von einer Leichenöffnung oder auch einer inneren Leichenschau.
Ich finde innere Leichenschau klingt schon ein bisschen komisch, das ist nicht mehr gebräuchlich, aber wir Rechtsmediziner sprechen schon in diesem deutschen Jargon, weil wir ja unsere Befunde für jeden Laien verständlich darstellen müssen.
Also deswegen äußere Leichenschau, innere Leichenschau, auch wenn im Fernsehen eher von Sektionen geredet wird.
Du hast in den fast fünf Jahrzehnten, die du mittlerweile als Rechtsmediziner tätig bist, tausende Obduktionen vorgenommen.
Wahrscheinlich sind es noch deutlich mehr.
Gab es besondere Fälle, an die du dich erinnerst, bei denen dich etwas überrascht hat?
Naja, erstmal um dir eine ungefähre Vorstellung zu geben von der Anzahl der Obduktionen.
In der Hamburger Rechtsmedizin, in der ich ja fast 50 Jahre tätig war, werden jedes Jahr etwa 1500 Leichenöffnungen durchgeführt.
Die meiste Zeit war ich Institutsdirektor und als Institutsdirektor bin ich immer dabei gewesen, habe versucht mir einen Eindruck zu verschaffen.
Also von daher ist das wirklich ein auch zahlenmäßig sehr weiter Erfahrungshorizont.
Nach den besonderen Fällen werde ich immer wieder einmal gefragt und eigentlich kennst speziell du ja meine Antwort, indem ich sage, da gibt es sehr, sehr viele, sehr, sehr besondere Fälle.
Ja, viele sprechen über unsere Nachsektion beim Tod des Politikers Barschel.
Ja, es werden auch mit den Obduktionen der Toten in den Säurefässern, also den Opfern des Säurefassmörders, besondere Vorstellungen verbunden.
Und dann gibt es natürlich Fälle zum Beispiel mit extrem vielen Messerstichen.
Das können auch mal über 100 oder sogar über 200 Messerstiche sein.
Moment mal, über 200 Messerstiche?
Ja, in der Tat.
An einer Person?
Da ist zugestochen worden, wie mit einer Nähmaschine.
Es gibt Fälle von Leichenzerstückelung, bei denen der Körper tatsächlich in kleinste Teile zerlegt wurde.
Es gibt Moorleichen und es gibt ganz besondere Fallkonstellationen, autoerotische Unfälle.
Also letztlich dem Rechtsmediziner ist in dieser Hinsicht nichts fremd.
Ich durfte ja, wie gesagt, zweimal selber bei einer Obduktion zusehen.
Ich fand das sehr interessant und es hat dazu beigetragen, dass ich meinen Beruf als Gerichtsreporterin noch fachkundiger ausüben kann.
Denn in Prozessen werden ja auch öfter mal rechtsmedizinische Sachverständige gehört, die ihre Gutachten zu den Todesursachen erstatten.
Aber eins war für mich bei den beiden Obduktionen, bei denen ich zusehen durfte, vor allem schwierig, nämlich der Geruch im Obduktionssaal.
Vorsichtig gesagt, es riecht nicht gerade nach Rosen und Lavendel.
Nein, das hast du richtig wahrgenommen.
Aber das ist auf jeden Fall das, womit ein Rechtsmediziner problemlos umzugehen lernt.
Das bringt mich zu einem weiteren Detail im Fernsehkrimi.
Manchmal ist dort zu sehen, dass der Rechtsmediziner sich eine Art, ich nenne es mal Paste, unter die Nase schmiert.
Und auch der Kommissar, der dabei ist, benutzt diese Paste.
Ich habe mir früher immer vorgestellt, dass sie so eine Art Mentholgeruch verströmen.
Was ist da wahres dran?
Also ich weiß inzwischen, dass es im wahren Leben in Sektionssälen nicht passiert mit dieser Paste.
Wieso nicht?
Was ist da los?
Naja, den Gedanken dahinter hast du ja schon selber dargestellt.
Man möchte also diese unangenehmen Gerüche vermeiden.
Ich erlebe das übrigens schon immer mal wieder bei Studenten, dass die sich tatsächlich im Rahmen des Unterrichts so eine Geruchspaste unter die Nase reiben.
Aber davon abgesehen muss ich klar eindeutig sagen, also wir Rechtsmediziner benutzen so eine Paste nie.
Das wäre für unsere Arbeit tatsächlich auch außerordentlich kontraproduktiv.
Inwiefern?
Naja, der Rechtsmediziner muss bei einer Obduktion nicht nur genau hinschauen.
Er muss nicht nur sauber und sehr feinfühlig tasten.
Es ist auch sehr wichtig, dass er Gerüche natürlich und sehr aufmerksam wahrnimmt.
Also er muss sie nicht vermeiden, sondern er muss geradezu diese Gerüche erschnüffeln, denn die können ihm wichtige Erkenntnisse liefern.
Nenn doch bitte mal ein Beispiel.
Nun, es gibt ganz einfache Beispiele, auch Fallkonstellationen, die häufig sind.
Also zum Beispiel der Geruch nach Alkohol, auch der Geruch nach Ketonkörpern bei einem Diabetiker.
Und dann gibt es spezielle Gerüche von Gasen, die im Körper entweder natürlich entstehen oder die eingeatmet wurden.
Eine sehr spezielle Situation ist der Geruch nach Bittermandeln.
Das ist manchmal die einzige Chance überhaupt, eine Zyankali-Intoxikation zu diagnostizieren.
Also Zyankali, das findet man tatsächlich in geringen Konzentrationen in Bittermandeln und es ist hochtoxisch.
Übrigens können nur etwa zwei Drittel der Menschen diesen Geruch wahrnehmen.
Schlecht für das letzte Drittel, wenn die selber mit Zyankali vergiftet werden, dann können sie das auch nicht riechen.
Also es gibt viele Gründe, weswegen wir regelrecht schnüffeln bei einer Obduktion und die Gerüche sehr exakt registrieren.
Bei einer Obduktion wird ja auch das Gehirn des Toten durchsucht.
Kommen wir jetzt mal dazu.
Die Gesetzeslage ist da eindeutig.
Zu einer vollständigen Sektion gehört immer auch die Eröffnung des Schädels.
Das geschieht mit einer speziellen Technik, die übrigens dann als Ergebnis eine Situation hat, dass man das nach einer Obduktion nicht mehr wahrnehmen kann.
Es wird also ein Schnitt gelegt von Ohr zu Ohr und dann wird die Kopfhaut frei präpariert und man landet auf dem knöchelnden Schädel und dieser Schädel, das Schädeldach, wird mit einer speziellen Säge dann kreisrund, also einmal rundherum aufgesägt.
Das ist eine oszillierende Säge, die sehr feine Schnitte macht und für die man keinen Krafteinsatz benötigt.
Die erinnert entfernt an eine Kreissäge.
Es riecht dann auch etwas und es gibt Geräusche und dann wird das Gehirn entnommen.
Es wird sehr genau untersucht und es werden dann viele Proben entnommen.
Gar nicht so selten heben wir das Gehirn auch insgesamt auf und fixieren es zunächst einmal in Formalin.
Damit danach dann Spezialuntersuchungen durch die Neuropathologen vorgenommen werden können.
Die arbeiten mit uns sehr eng zusammen.
Es ist ein spezielles Fachgebiet für sich mit Experten, die gerade hier bei uns in Hamburg am UKE wirklich die Besten weit und breit sind.
Wir haben jetzt gehört, dass bei einer Obduktion die Organe des Leichnams entnommen werden und das Gehirn, also alles kommt aber nach den Untersuchungen wieder zurück in den Körper.
Genau das ist der Fall.
Alles, was wir vorübergehend aus dem Körper herausgenommen hatten, wird dann wieder in den Körper hineingelegt.
Der Körper wird verschlossen.
Ich hatte das gesagt, der Schädel wird zum Beispiel verschlossen mit einer Naht von Ohr zu Ohr.
Am Rumpf wird dieser sogenannte T-Schnitt zugenäht und wenn wir an anderen Stellen des Körpers Obduktionsschnitte gelegt haben, also Arme, Beine, Rücken, dann wird auch das alles sehr sorgfältig wieder vernäht und diese Naht sieht dann auch tatsächlich so aus wie die im Fernsehen, im Krimi.
Und die Zielvorstellung ist, dass der Leichnam nach der Obduktion einerseits hygienisch einwandfrei zu handhaben ist und dass er, wenn er bekleidet ist, tatsächlich aussieht wie ein Leichnam ohne Sektion.
Also wir versuchen jegliche Schnittlegung am Hals und im Gesicht und an den Händen zu vermeiden, sodass dann auch noch eine Abschiednahme möglich ist.
Also ich verstehe das so, dass der Leichnam nach der Obduktion so ästhetisch wie nur möglich aussehen soll.
Genau, das ist tatsächlich eine besondere Kunst der Sektionsassistenten, die den Leichnam tatsächlich sehr gut wiederherstellen und das Ganze kann dann im Weiteren natürlich durch die Mitarbeiter der Bestattungsinstitute noch perfektioniert werden.
Also auch nach einer Sektion kann man ja im Prinzip problemlos Abschied nehmen.
Wenn jetzt trotzdem noch jemand meint, nun lass doch bloß die Toten in Ruhe, das ist doch gruselig, was mit denen im Obduktionssaal angestellt wird.
Was antwortest du?
Ja, wenn ich es sehr oberflächlich sage, sage ich, ihr wisst einfach nicht Bescheid, ihr wisst nicht, worüber ihr redet.
Ja, man muss doch ganz klar sagen, dass man nur durch die sehr exakte, weitgehende medizinische Untersuchung eines Menschen feststellen kann, an welchen Krankheiten er gelitten hat und woran er gestorben ist.
Das ist eine sehr wichtige, qualitätssichernde Maßnahme auch für die klinische Medizin.
Dafür sind in erster Linie die Pathologen zuständig.
Andererseits muss man natürlich auch bedenken, dass der Tote möglicherweise Opfer einer Straftat geworden ist und dass in unserem Rechtssystem natürlich die Ermittlungsorgane, Staatsanwaltschaft, Polizei und dann das Gericht exakt über den Ablauf Bescheid wissen wollen.
Wir müssen also genau rekonstruieren, was mit dem Toten geschehen ist, welche Gewalt ausgeübt wurde und wir müssen alle Fragen des Gerichts beantworten können und das geht nicht ohne die genaue Untersuchung des Toten.
Rechtssicherheit und ist unverzichtbar.
Es wird aber nicht jeder Tote obduziert und selbst wenn, werden vorher schon Untersuchungen vorgenommen.
Ja, das ist völlig richtig.
Also was immer stattfindet ist eine sogenannte äußere Leichenschau.
Im Rahmen der äußeren Leichenschau erfolgt auch eine Entkleidung.
Dabei finden Spurensicherungsmaßnahmen statt.
Also die Körperoberfläche wird sehr exakt dokumentiert, sodass man auch von daher schon Erkenntnisse hat.
Und dann finden natürlich andere technische Untersuchungen statt, um auch schon weitergehende Aussagen zu treffen.
Und da sind wir in Hamburg auch besonders gut ausgestattet.
Wir können durch bildgebende Verfahren viele Details ohne Sektion feststellen.
Wir können übrigens auch schon orientierende Untersuchungen durchführen im Hinblick auf toxikologische Fragen, indem wir zum Beispiel eine Blutprobe entnehmen und die chemisch-toxikologische Untersuchung oder eine Urinprobe untersuchen.
Und spurenkundliche Untersuchungen zum Beispiel im Hinblick auf DNA, Spermien, Haare werden natürlich auch möglicherweise schon vor Beginn der Sektion eingeleitet.
Gut, im Institut für Rechtsmedizin und in Hamburg und sicherlich auch in anderen Städten gibt es doch auch ein CT-Gerät, also für Computertomogramme, wo der Tote dann durchleuchtet wird.
Wozu dient das?
Das ist heutzutage, ehrlich gesagt, in jedem Institut für Rechtsmedizin eine weitgehende Routine.
In Hamburg ist die Computertomographie direkt neben dem Sektionssaal möglich.
Wir können auch andere bildgebende Verfahren einsetzen, zum Beispiel Ultraschalluntersuchungen, Magnetresonanztomographie.
und insgesamt hat die Technik sehr weitgehend Einzug gehalten.
Das wird sich auch noch weiter so entwickeln und ich habe schon so ein bisschen die Vorstellung entwickelt, dass wir in 10 oder 20 Jahren deutlich weniger Obduktion benötigen, weil wir durch die sehr komplexen und sehr exakten bildgebenden Verfahren sehr viele Fragen der Staatsanwaltschaft auch ohne Sektion beantworten können.
Manches an Toten ist doch sicher offensichtlich, auch ohne eine Obduktion.
Wenn beispielsweise jemand durch einen Schuss getroffen wird, sieht man am nackten Leichnam eine entsprechende Verletzung.
Also ein Einschuss, das reicht nicht?
Also der Rechtsmediziner will es genauer wissen.
Naja klar, also das Thema Schussverletzungen hatten wir ja auch schon und wenn es einen Einschuss gibt, wollen wir auch wissen, ist das wirklich ein Einschuss?
Man muss ja Einschuss und Ausschuss genau unterscheiden können und dann ist auch die Frage, gibt es nur einen Einschuss oder gibt es mehrere Schussverletzungen?
Und abgesehen von der Schussverletzung möchte man natürlich auch wissen, gibt es sonstige Merkmale von Gewalteinwirkungen, gibt es einen Einfluss von Alkohol und oder Drogen und Medikamenten.
Also viele weitere Fragen schließen sich an.
Spurenkundliche Untersuchungen sind erforderlich zur Schussentfernungsbestimmung, aber auch zur Frage der Identifizierung eines Täters, der anderweitig eingewirkt hat.
Also, nett gesagt, aber auch ein Schuss im Bereich des Herzens reicht zur Erklärung im Sinne einer Rekonstruktion dessen, was da abgelaufen ist, keineswegs aus.
Die Erkenntnisse, die ihr bei der Untersuchung eines Leichnams gewonnen habt, die werden ja üblicherweise auch in einem Prozess erörtert.
Dann tritt der Rechtsmediziner auf als Sachverständige und dann geht es darum, genaueres zu erfahren, was dann vor Ort bei der Tat passiert ist.
Diese Erkenntnisse werden dann alle erörtert.
Es ist wichtig für ein Urteil und das Ergebnis des Prozesses, unter Umständen auch dafür, wie lang jemand später für eine Tat ins Gefängnis muss.
Also eine hochwichtige Aufgabe, um der Wahrheit nahe zu kommen.
Ja, Bettina, lass mich noch ergänzen, dass es natürlich eine ganze Reihe weiterer wichtiger Fragen gibt, die durch unsere Untersuchungen erfolgen.
Exakt beantwortet werden können.
Manchmal geht es zum Beispiel um die eindeutige Identifikation.
Denk mal an eine Wasserleiche.
Das will ich jetzt auch nicht näher ausführen.
Natürlich geht es auch stets um sehr exakte spurenkundliche Untersuchungen.
Es geht um die Bestimmung der Todeszeit.
Extrem wichtig für Alibi-Fragen und im Zusammenhang mit der Todeszeiteinschätzung spielen dann auch biologische Untersuchungen eine Rolle.
Nur um das mal auch hier erwähnt zu haben, da geht es also um Insekten auf dem Leichnam.
Das ist das spezielle Gebiet der forensischen Entomologie.
Es geht um eine biologische Magenanhaltsanalyse.
Also Rechtsmedizin ist da wirklich ein außerordentlich vielseitiges Fach und es ist sehr, sehr stark vereinfacht, wenn man das Ganze zurückführt auf die großen Schnitte bei der Obduktion.
Also die Rechtsmedizin ist eine komplexe Wissenschaft.
Für die man eben auch nicht nur ein Medizinstudium, sondern auch eine fünfjährige Facharztausbildung benötigt und letztlich werden alle diese Erkenntnismöglichkeiten dann zusammengeordnet in einem hochtechnisch ausgerüsteten Institut für Rechtsmedizin, Rechtsmedizin, in dem viele, viele Menschen in einem Team zusammenarbeiten.
Das ist auch ganz anders als im Krimi mit unserem Professor Börner, der ja alle Erkenntnisse immer ganz alleine erhebt.
Also Rechtsmedizin ist dann auch immer Teamarbeit.
Auch im Sektionssaal sind natürlich ganz unterschiedliche Berufsgruppen tätig, vor allen Dingen auch bei den nachfolgenden Untersuchungen.
Du merkst, ich komme ein bisschen in Schwärmen.
Rechtsmedizin ist einfach ein tolles Fach.
Ich finde das interessanteste Fach in der Medizin.
Und um dir dann nochmal die Dimensionen hier an dieser Stelle zu erläutern.
Also Herzchirurgen findet man alleine in Hamburg an vier verschiedenen Stellen und die haben dann in ihren großen Operationssälen ihre Patienten zu versorgen.
Da reden wir dann von Operationssälen.
Ja, Rechtsmedizin gibt es nur einmal und die Rechtsmedizin ist zuständig für Hamburg und Umgebung und will tatsächlich etwa vier Millionen potenzielle Patienten, Klienten, Opfer zu jeder Tages- und Nachtzeit, 365 Tage im Jahr untersuchen, gegebenenfalls auch durch eine Anwendung.
Klassische Obduktion und darüber haben wir ja heute im Detail, denke ich, jetzt viel gehört.
Ein Credo oder besser gesagt wohl das Credo der Rechtsmedizin ist ja, von den Toten lernen wir auch für die Lebenden.
Ich hoffe und denke, dass auch mit dem, was wir heute gehört haben über das Thema Obduktion, vielleicht auch mit dem einen oder anderen Vorurteil aufgeräumt wurde.
Und ich hoffe gleichzeitig, dass alle Zuschauer, die den Fernsehkrimi schätzen, vielleicht ein bisschen klarer sehen, aber dass ihnen nicht die Freude an einem spannenden Fall genommen wurde.
Das wäre schön, wenn wir dazu beigetragen hätten oder beitragen würden.
Und Klaus, ansonsten wie immer bedanke ich mich für die Mitarbeit hier, dass du so kundig Auskunft gegeben hast und freue mich natürlich schon auf den nächsten Fall, wenn es wieder heißt, dem Tod auf der Spur.
Tja, das waren wir heute in der Tat sehr detailliert.
Und tschüss.
Tschüss.
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