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HRF 224 | Die FLN, Algerienkrieg und Fußball

Episode Transcript

Nick Kaßner

Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe des Hörfehler-Podcasts.

Der Algerienkrieg markiert eine Zäsur in der französischen Geschichte und Politik des 20.

Jahrhunderts.

Er begann im Jahr 1954 und endete am 19.

März 1962 durch das Abkommen von Elian mit einem Waffenstillstand und der Unabhängigkeit Algeriens.

63 Jahre ist das jetzt her.

Doch der Aufarbeitungsprozess des Algerienkriegs ist bis heute unvollendet.

Während eines offiziellen Treffens mit Nachkommen von Betroffenen des Algerienkriegs erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Oktober 2021, also fünf Jahre her, dass die algerische Nation seit ihrer Unabhängigkeit auf der Grundlage eines verfälschten Vergangenheit-Narrativs, das der algerische Staat gefördert habe, errichtet worden sei.

Den Kern dieses Narrativs bildet Macron zufolge die Schuldzuweisung an Frankreich für alle Missstände und Schwierigkeiten Algeriens.

Zudem warf der Präsident die Frage auf, ob die algerischen Nationen vor der französischen Kolonialisierung 1830 überhaupt existiert haben.

Als Reaktion auf die Äußerungen des Präsidenten rief Algea vorübergehend seinen Botschafter aus Paris zurück.

Diese jüngste und wohl schwerste diplomatische Krise der letzten Jahre zwischen Frankreich und Algerien belegt das nach wie vor schwierige Verhältnis, das beide Länder zu ihrer gemeinsamen, leidvollen Vergangenheit haben.

Nach einer langen Phase der Verdrängung verläuft der Aufarbeitungsprozess in Frankreich bis heute stockend.

Der Algerienkrieg, der bis zu einer gesetzlichen Anerkennung des Begriffs im Jahr 1999 offiziell lediglich als die Ereignisse von Algerien bezeichnet wurde, regt das kollektive Gedächtnis unbeeinflusst bis heute die französische Politik.

Das gilt auch für den Fußball, der in diesem Krieg eine bedeutende Rolle spielte.

Und damit einmal mehr belegt, Fußball ist nie unpolitisch.

Fast 50 Jahre hat es gedauert, bis dieser Teil der Geschichte eine erste Aufarbeitung in Frankreich erlebt.

Im deutschsprachigen Raum ist es der Verdienst von Olaf Wuttke.

Er hat vor Jahren auf Wikipedia zahlreiche Einträge dazu verfasst und damit das Thema überhaupt erst publik gemacht.

Olaf Wuttke schloss 1976 sein Studium an der Uni Hamburg in Geschichte und Geografie ab.

Zusätzlich studierte er unter anderem mehrere Semester Anglistik und Soziologie und lauschte Psychologievorlesungen.

Er schrieb Ausarbeitungen über den Spanischen Bürgerkrieg, den mittelamerikanischen Gemeinsamen Markt MCCA und seine Examsarbeit Übergründungsprobleme der Zweiten Venezolanischen Republik 1812-13.

Anschließend arbeitet er als Oberstudienrat in Hamburg.

Nebenbei spricht er neben Deutsch noch fünf weitere Sprachen.

Seit Ende der 60er Jahre ist Frankreich, oder besser gesagt die Britannie, seine zweite Heimat.

Herzlich Willkommen in diesem Podcast, Olaf Rutger.

Bis zum nächsten Mal.

Olaf Wuttke

Guten Tag, liebe Hörer, guten Tag, Nick.

Nick Kaßner

Weißt du noch, wie oft du hier warst?

Olaf Wuttke

Ich glaube auch dreimal.

Also Frankreich, dann über das Jahr vor Gründung der Bundesliga, das letzte Oberliga-Jahr.

Und dann natürlich zwei Folgen mit einem kongeniären Gesprächspartner zusammen noch über Fußball in Frankreich.

Nick Kaßner

Genau, das war mit Philipp Didion.

Die findet ihr im Archiv.

Olaf, Algerienkrieg, jetzt Frage an dich, wie weit hast du dich, also du bist ja der Frankreich-Experte, du hasst mit Frankreich sehr, vielleicht kannst du mal für die HörerInnen, die vielleicht noch gar keine, die uns noch nicht zugehört haben oder dir noch nicht zugehört haben, vielleicht mal so ein bisschen kurz deinen Hintergrund zum Thema Frankreich erklären.

Olaf Wuttke

Mein Hintergrund zum Thema Frankreich ist erstens ein biografischer.

Ich bin schon ziemlich alt, so alt, dass ich in der französischen Besatzungszone eine Zeit lang eigentlich aufgewachsen bin als kleines Kind.

Und ich habe mich, meine erste Fußball-Weltmeisterschaft war 1958, da habe ich mich am Radio, Fernsehen hatten wir noch nicht, sehr für die Weltmeisterschaft in Schweden begeistert und insbesondere das Spiel unter dritten Platz, Frankreich, Deutschland, hat mich dann wirklich zum französischen Fußball gebracht.

Außerdem war in der Zeit Stade Reims hinter Real Madrid, Europas zweitbester Verein, hat in den 50er Jahren zweimal im Europapokal-Endspiel gestanden und verloren gegen Madrid, aber immerhin.

Und dann ich bin halt irgendwann Franzose geworden der andere Hintergrund ist, dass ich studierter Historiker war und auch gearbeitet habe und seit, gut 20 Jahren ich mich mit Fußballgeschichte hauptsächlich in Frankreich aber keineswegs nur beschäftigt habe.

Nick Kaßner

Kommen wir mal zum Inhaltlichen, also zu unserem Thema.

Ich würde gerne bei der Stunde Null anfangen, wie das immer so ist.

Man muss ja erstmal wissen, wie waren die Bedingungen, bevor überhaupt irgendwas losging.

Von daher vielleicht als erste Frage, was war Algerien eigentlich vor dem Krieg?

Also vor diesem Algerienkrieg, über den wir jetzt gleich sprechen werden.

War das da schon ein Land?

War das eine Kolonie?

Was war Algerien da?

Olaf Wuttke

Algerien liegt ja der südfranzösischen Mittelmeerküste sozusagen gegenüber.

Und bereits 1830 begann Frankreich sein Interesse in einer konkreten militärischen Eroberung Algeriens, sein Interesse an dem Land, dessen Rohstoffen insbesondere später auch dessen Arbeitskräften in einer militärischen Eroberung regelrecht auszudrücken, gegen die sich Algerien natürlich sehr früh schon auch gewehrt haben.

Es ging allerdings, Algerien ist ja ein riesiges Land nach Süden hin, es ging aber eigentlich nur um einen schmalen Küstenstreifen, wo die größten Städte des Landes, Algier, Oran, Konstantin liegen.

Und das hat Frankreich dann militärisch erobert.

1847 wurde Algerien offiziell zur französischen Kolonie ernannt und es war natürlich auch ein Einwanderungsland für viele Franzosen, aber auch Spanier wurde es dann, Italiener, Malteser.

Aber mit anderen Worten, es gab dort jede Menge auch europäischer Neusiedler dann nach Mitte des 19.

Jahrhunderts.

Algerien wurde sehr schnell dann auch sogenannter integraler Bestandteil Frankreichs.

Das heißt, es wurde wirklich zu einem Teil Frankreichs, Algerie-Français, Französisch-Algerien.

Er bildete drei Departements, hatte dann eigene regionale politische Vertretungen, die aber nichts zu sagen hatten.

Es gab dann immer Abgeordnete aus Algerien in der französischen Nationalversammlung, wählte Abgeordnete.

Trotz und gut, die Entwicklung wurde eigentlich immer enger, was nicht bedeutete immer herzlicher.

Nick Kaßner

Was war denn der Grund dafür, dass man sich so für Algerien interessiert hat?

Gibt es da Wutenschätze oder was war da der Grund, warum man sich das unbedingt als Kolonie halten wollte?

Olaf Wuttke

Herr Gehring hatte große Vorräte, also noch unausgebeutete Vorräte, zum Beispiel an Eisenerz, an Phosphat für die chemische Industrie, was alles dann auch langsam nach und nach bis zum Ersten Weltkrieg ausgebeutet wurde.

Von französischen Konzernen kontrolliert, selbstverständlich.

Und auch natürlich unter dem Schutz der sehr, sehr stark aufs Militär gerichteten französischen Verwaltung in Algerien.

Eben weil es natürlich auch immer wieder Widerstände gab aus Algerien gegen diese Rolle.

Nick Kaßner

Das wäre die nächste Frage.

Wie lebten denn die Algerier eigentlich vor dem Krieg, die Algerier und die Franzosen dort zusammen?

Wenn es denn überhaupt ein Zusammen gab.

Olaf Wuttke

Zusammen, Schrägstrich, nebeneinander würde ich das mal nennen.

Es ist ganz klar, dass die europäischen Einwanderer, bis 1954 gab es in Algerien, etwa 1954, also bei Beginn des eigentlichen Algerienkriegs, gab es etwa eine Million europäische Einwanderer, die in Algerien lebten.

Die auch von denen die meisten als Kleinbauern.

Algerien selbst war ja immer noch nicht industrialisiert, sondern ein Agrarstaat plus seine Bodenschätze.

Nick Kaßner

Welche Ungleichheiten gab es konkret?

Also gerade zur Bildung Arbeit-Rechte, ich gehe mal davon aus, also ich stelle mir das so vor, der weiße Franzose, der irgendwie in seinem Herrnhaus sitzt und seine Angestellten hat.

Olaf Wuttke

Nein, das ist eher schief.

Die meisten eingewanderten Europäer, also es sind eben nicht nur Franzosen gewesen, waren in Italien hauptsächlich außerdem, waren Kleinbauer.

Also auch Leute, die durchaus hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten.

Es gab natürlich dann auch, ich sag mal, in der militärischen oder zivilen französischen Verwaltung in Algerien, da gab es natürlich auch Leute, denen es sehr viel besser ging.

Und die Algerier selber, also die arabischen, muslimischen Algerier, waren eben Arbeitskräfte oder auch selbst selbstständig in der Landwirtschaft tätig, aber denen wurde immer mehr Land weggenommen zugunsten europäischer Einwanderer.

Nick Kaßner

Wenn du sagst, das waren auch stellenweise, die waren der Landwirtschaft, die Einwanderer, das heißt, das war dann für einige Franzosen so wie, keine Ahnung, wie man damals ausgewandert ist nach Übersee, also nach Amerika, um da irgendwie seinen Neustart zu starten, so war das in dem Falle dann in Algerien auch.

Olaf Wuttke

Ja, genau so.

Es gab auch Handwerker natürlich, es waren ja nicht alles Bauern, Handwerk gab es schon, auch muslimisches Handwerk.

Das ist aber so in den spätestens den 30er Jahren, Algerien hatte damals so etwa 6,5 Millionen Einwohner.

Die Zahl der muslimischen Handwerker ist rund um den Zweiten Weltkrieg von ursprünglich mal über 100.000 auf 4.000 zurückgegangen.

Die wurden halt von der französischen billigeren Industrieproduktion zu einem großen Teil verdrängt.

Nick Kaßner

Gab es da irgendwie schon Proteste vor dem Krieg?

Also irgendwie Aufruhr?

Olaf Wuttke

Ja, immer wieder.

In Algerien, im Süden Algeriens, dieser riesige, ich würde sagen 90-92% Algeriens, Wir stehen ja aus Sahara und Atlasgebirge, also Hochgebirge und da lebten auch andere, zum Beispiel Berber und die Kabilen, also andere Völker, etwas andere, ja nicht etwas, andere Völker.

Und da gab es auch wiederholte Aufstände, zum Beispiel 1870, 1871, dann nochmal ein Touareg-Aufstand 1900 gegen die französische Besatzungspolitik letztlich, 1900 bis 1916.

Der Süden wurde allerdings, dieser riesige Süden Südteil Algeriens wurde für Frankreich insbesondere erst nach dem Zweiten Weltkrieg interessant als Atomwaffentestgebiet.

Lange bevor das im Pazifik, also nicht lange, aber bevor das im Pazifik ja auch Moroa-Atoll losging mit diesen Atombombentests und außerdem natürlich dann mit dem bereits im frühen 20.

Jahrhundert beginnenden Erdöl-Boom, Algerien hat auch Erdölvorräte, die am Anfang noch keine Rolle spielten Mitte des 19.

Jahrhunderts, aber dann natürlich auch immer spannend.

erwohnt.

Nick Kaßner

Kommen wir zum Krieg selbst.

Also wie kam es denn 1954 zum offenen Krieg und wer kämpfte dann im Grunde eigentlich gegen wen, wenn du sagst, dass das so viele verschiedene Völker waren?

Olaf Wuttke

Ja, es waren verschiedene Völker, aber im Prinzip, es ist ja wirklich ein Aberglaube, wenn jemand behauptet, das gilt für alle letztlich Bürgerkriege, Kolonialkriege, dass es nur einheimische Gegner der Kolonialherrschaft gegeben hätte.

Es gab auch arabische Befürworter und es gab innerhalb der politischen Klasse der Algerier zwei Organisationen, die sich selber untereinander auch bekämpften, die mit diesem Kolonialkrieg unterschiedlich umgehen wollten.

Und da konnte Frankreich manchmal die Arme auf die Fensterbank legen und zugucken, wie die beiden sich hauten.

Und die militantere der beiden, also die radikalere der beiden Organisationen war der, entschuldigt, auf Deutsch sagt man natürlich die FLN, auf Französisch ist es der FLN, die nach dem 1947, glaube ich, 1947 gegründet worden war und sich radikalisierte.

Aber auch innerhalb der FLN gab es durchaus wieder unterschiedliche Strömungen.

Es ist ein sehr, sehr differenziertes Konfliktbild.

Nick Kaßner

Okay.

Wenn du jetzt schon sagst, die FLN und der FLN, mal erstens, was heißt FLN eigentlich?

Olaf Wuttke

Ja, Entschuldigung.

Front de la Liberation Nationale, also Nationale Befreiungsfront.

Nick Kaßner

Und was, also das ging Ihnen nur um die Unabhängigkeit bei Ihrem Kampf?

Olaf Wuttke

Ja.

Was sagst du?

Nick Kaßner

Weißt du nicht, ob man noch andere Ziele hat?

Also keine Ahnung.

Gut, meistens starten sowas ja wirklich nur im Kampf um die Unerhängigkeit.

Und nachher fragt man sich, wer will jetzt dann in Zukunft das Land regieren?

Das ist dann meistens dann nochmal der zweite Schritt, der meistens ja nicht geklärt ist beim ersten.

Olaf Wuttke

Ja, also der FLN hat sich durchgesetzt in diesen inneralgerischen Konflikten gegen andere algerische politische oppositionelle Organisationen.

Eindeutig stellte dann nach der Unabhängigkeit Algerien selbstverständlich, wo die Staatspartei de facto.

Nick Kaßner

Wenn du sagst, es gab verschiedene Organisationen, haben sich die anderen dann, als die FLN sich durchgesetzt hat, dann untergeordnet?

Also sind die FLN beigetreten, haben wir dieselben Ziele gekämpft?

Olaf Wuttke

Die FLN hatte einfach die meisten Unterstützer, womit wir dann irgendwann auch auf die Fußballer kommen.

Nick Kaßner

Wie muss man sich den Krieg vorstellen?

Also wie brutal war der?

Auch für die Zivilbevölkerung setzt.

Olaf Wuttke

Ultrabrutal.

Es gab der Höhepunkt, eigentlich war 1957 die sogenannte Schlacht um Algier, bei der das französische Militär von Massenexekutionen, die auch die Zivilbevölkerung wohlgemerkt betrafen, es gab ja keine richtige, keine Armee auf algerischer Seite.

Das war ein Guerillakrieg, würden wir heute sagen.

Es gab massenhaft Folter.

Das wurde in Frankreich auch um 1957 durch ein Buch veröffentlicht, das der französische Staat dann sofort verboten hat.

Der französische Staat war sehr repressiv in Frankreich bei diesem Thema und in Algerien mit höllischen Auswirkungen.

Für die Betroffenen, viele eben aus der Zivilbevölkerung.

Nick Kaßner

Okay.

Welche Rolle spielt da Frankreichs Politik dabei?

Olaf Wuttke

Ja, sie unterstützt erst.

Es war Frankreichs Krieg, um seine nicht mehr Kolonie genannte abhängigen Teil Nordafrikas.

Wobei man wissen muss, auch die benachbarten Algerien, benachbarten Staaten Marokko und Tunesien waren ja auch französische abhängige Gebiete.

Die allerdings haben schon mit Beginn der zweiten Hälfte der 1950er Jahre ihre Unabhängigkeit mit sehr viel weniger heftigen Begleiterscheinungen erreicht.

Was auch daran lag, Frankreich war neben England im 19.

Jahrhundert, im 20.

Jahrhundert noch die größte Kolonialnacht der Welt.

Überall.

In der Karibik, Pazifik, Südostasien, Afrika.

Frankreich hatte schon in Vietnam 1954 eine dicke Schlacht verloren in Dien Bien Phu und musste sich auch konzentrieren.

Auch die waren ja durch Frankreich selber, das sogenannte Mutterland, war ja durch den Krieg sehr stark auch betroffen gewesen.

Und es brauchte wirtschaftlichen Aufschwung und Militär kostet überall auf der Welt, kostet an Schweine Geld.

Nick Kaßner

Hat Frankreich dann entsprechend Militär nochmal nach Algerien geschickt für den Krieg?

Also wie muss man sich das vorstellen?

Olaf Wuttke

Ja, also Frankreich war militärisch schon seit 100 Jahren in Algerien präsent.

Und das wurde nicht weniger.

Natürlich erst recht nicht, wenn es zu einem solchen Konflikt kommt.

Da wurden Fallschirmjäger-Divisionen unter General Massue, der dann da auch französischer Oberbefehlshaber wurde, der ganz bekannt ist, weil er später in den frühen 60er Jahren noch, die gab es da immer noch, die französischen nicht mehr Besatzungstruppen in Deutschland, genau in Siegmaringen, befehligt.

Nick Kaßner

Wie hat man in Frankreich darüber gesprochen?

Also jetzt mal abgesehen in der Politik, sondern eher so in der Gesellschaft?

Olaf Wuttke

Es gab unterschiedliche Positionen auch in Frankreich bei, ich sag mal, europäischen Franzosen zu dem gesamten Konflikt.

Es gab natürlich auch Kräfte in Frankreich, die den französischen Kolonialismus, Imperialismus ablehnten.

Aber es gab halt auch viele, ich sag mal, Schweigende, die de facto dann Zustimmende waren.

Aber es war nicht völlig unstrittig.

Also es gab, so viel muss man sagen, ein Land, das einen Jean-Paul Sartre hervorgebracht hat, wird nicht alles geschluckt haben, was Frankreich gemacht hat.

Nick Kaßner

Jetzt hat sie an der Baustelle angefangen nebendran, läuft heute.

Wie sah der Fußball in Algerien aus?

Fußball wird es schon gegeben haben in Algerien, aber wie organisiert oder wie strukturiert war der noch vor dem Krieg?

Olaf Wuttke

Der war sehr streng strukturiert.

1919 ist ja der französische Fußballverband FFF gegründet worden.

Und der algerische Fußball war sozusagen eine der zahlreichen regionalen Untergliederungen.

Eine Art Landesverband, das ist in Frankreich ja ein bisschen anders, aber eine Art Landesverband.

Und die hatten eine Division d'Honneur, also eine Ehrendivision als höchste Amateurliga.

Professionalismus gab es in Algerien selber nicht.

Auch nicht in der Zeit des eigentlichen, also Mitte der 50er Jahre.

Aber Amateurismus gab es.

Und wie gesagt, das war halt ein Landesverband.

Nick Kaßner

Das heißt, die haben das immer nur untereinander ausgespielt.

Es gab da nicht irgendwie so ein Ding, dass man dann gesagt hat, hier, da spielt jetzt noch die beste Mannschaft Algeriens gegen die beste Mannschaft Frankreichs?

Olaf Wuttke

Nein.

In Frankreich gab es ja seit den frühen 30er Jahren schon professionelle Ligen.

Und insofern, da war der koloniale oder algerische Fußball natürlich nicht bald.

Das war damals die dritte, dritthöchste Spielklasse, die auch in Frankreich selber, im europäischen Teil, dritthöchste Spielklasse unterhalb der beiden Profiligen.

Und in Algerien selber war dann die höchste Liga.

Und es gab keinen Aufstieg für Algerien.

Algerische Vereine.

Nick Kaßner

Und für algerische Spieler?

Also hatten die die Möglichkeit, nach Frankreich zu gehen?

Olaf Wuttke

Die Spieler, ja, massenhaft.

Und das schon seit den 30er Jahren.

Da gingen gute Spieler in den französischen Profifußball.

Nick Kaßner

War das problemlos möglich?

Also war das genauso einfacher Wechsel sozusagen wie ein französischer Spieler, der innerhalb Frankreich sozusagen den Verein einfach wechselt oder gab es da schon mehr drumherum?

Olaf Wuttke

Vertragstechnisch ja, die Algerier galten ja eben als Franzosen, das war ganz praktisch, weil die dann irgendwann existierenden, im französischen Profifußball existierende Begrenzung der Zahl ausländischer Fußballer.

Von den Algerien nicht verfrühstückt wurde, das waren ja Franzosen, das waren keine Ausländer.

Das war insofern relativ unproblematisch.

Sie haben, wie gesagt, ab den 30er Jahren eine Reihe von, übrigens auch Marokkaner und wenige Tunesier, aber eben auch Algerier im französischen Profifußball gekickt.

Nick Kaßner

Okay.

Olaf Wuttke

Französisch war außerdem auch deren Haupt- oder Zweitsprache, neben Arabisch.

Auch da gab es nicht so viele Probleme wie mit den zahlreichen Brasilianern oder Argentiniern oder aus anderen Teilen der Welt, die im französischen Profi-Österreichern sehr große Zahl, die im französischen Profi-Fußball der 30er Jahre gespielt haben.

Denn die konnten kein Französisch in der Regel, die Algerier schon.

Erleichtert die sportliche Integration eindeutig.

Nick Kaßner

Aber um ein Bild jetzt so ein bisschen abzurunden von diesem Algerien-Thema als solches, war das für junge Algerier dann irgendwie eine Chance, also eine Möglichkeit irgendwie aufzusteigen in der Gesellschaft?

Also wenn sie nach Frankreich gewechselt sind, waren dann irgendwie die Lebensumstände für sie deutlich bessere wie zu Hause oder hat es am Ende, als wärst du irgendwie, keine Ahnung, von Lyon nach Paris gewechselt?

Olaf Wuttke

Also sie haben sich finanziell in der Regel natürlich verbessert, weil in Algerien haben sie kein oder fast kein Geld für ihr Spielen bekommen, in Frankreich schon.

Aber frag mal Immigranten, wann und wo immer auf der Welt, die in ein neues Land kommen.

Und das europäische Frankreich war für Algerier ja eine völlig neue Erfahrung, ob sie sich da wohlfühlen, menschlich.

Ob sie wirklich sofort fast wie zu Hause integriert sind.

Nein, du verlässt dein Land und hast erst mal keine Freunde mehr.

Nick Kaßner

Aber kannst du anhand der Fußballliteratur, kann man da irgendwie absehen, welchen Status sie so in der Fußballgesellschaft Frankreichs genossen haben?

Also ob sie da auch populäre Stars haben sein können, wenn sie eben richtig gute Fußballer waren oder war es eben der Algerier, der jetzt noch nicht den Stellenwert genießt?

Olaf Wuttke

Die Algerier wurden in der Regel etwas schlechter bezahlt, was für sie subjektiv immer noch ein finanzieller Vorteil war.

Aber man kriegte gute Spieler für etwas weniger Geld, wenn sie aus Algerien kam, als wenn du sie irgendwo anders her hattest.

Nick Kaßner

Okay.

Olaf Wuttke

Es gab auch dann Spieler, die sich in Frankreich zu wirklichen Stars entwickelt haben.

Und zwar denke ich jetzt nicht an Sinedine Zidane, das war viel, viel später, ein halbes Jahrhundert fast später.

Aber es gab zwei, die waren auch beide selbstverständlich französische Nationalspieler Mitte der 1950er geworden, noch bevor die ganze Algerien-Krieg-Geschichte dazwischen gehauen hat.

Das war Mustafa Sitouni, ein Mittelläufer, also ein Abwehrchef letztlich, der hatte 1958 sogar ein Angebot, ein noch weitaus besseres, als er das Geld in Monaco verdienen konnte, von Real Madrid bekommen.

Und es gab einen zweiten, deutlich jüngeren, Rachid McCloufi, der später vielfacher französischer Meister, auch Nationalspieler französischer wurde, danach dann irgendwann auch algerischer Nationalspieler, selbstverständlich.

Vielfach als Spieler der Saison oder des Jahres, Fußballer des Jahres in Frankreich auch bei Saint-Étienne ausgezeichnet wurde.

Über den de Gaulle, der Staatspräsident ab 1958, der Französische, einen sehr berühmt gewordenen Satz gesagt hat, sie sind Frankreich.

Das war nach diesem kriegerischen Konflikt eigentlich sensationeller Satz zu einem Algerier.

Also es ist eben so, es gibt, haben wir ja immer, es gibt immer Leute, die schimpfen auf alles.

Es gibt Leute, die erklären alles nur durch die rosa-rote Brille und die Wirklichkeit ist meistens etwas differenziert.

Nick Kaßner

Kommen wir zu einem Stichwort, was wahrscheinlich jeder schon mal gehört hat, aber ich bin mir gar nicht so sicher, ob sich jeder was darunter vorstellen kann.

Die FLN11.

Wäre jetzt zuallererst die Frage, wie ist die Idee aufgekommen, solch eine Mannschaft an den Start zu bringen und vielleicht kannst du ein bisschen was zu der Mannschaft erzählen?

Olaf Wuttke

Ja, die FLN hat selber Meinung für die eigene Unabhängigkeit, um die Algerien ja kämpfte und die FLN und mit ihnen Verbündete und ihre Unterstützer.

Aber die brauchen eine, ich sag mal, auch internationale Unterstützung für ihr Anliegen.

Das Thema hat unter anderem ja später, jetzt ohne Fußballbezug, und hat ja auch die UNO beschäftigt.

Es gab mehrere Abstimmungen der Vollversammlung zur Frage, ob man Algerien sozusagen aktiv unterstützen solle oder eben Frankreich in diesem Konflikt.

Und die FLN war der Meinung, sie bräuchten auf allen Ebenen auch Unterstützung und das wollten sie erreichen durch den Nachweis, dass Algerien auch alleine, ohne Frankreich in der Lage ist, auf allen Gebieten des Lebens, und das sind nicht nur Wirtschaft und Politik, das sind auch Dinge wie Kultur, Bildung, Sport, auf allen Ebenen in der Lage wäre, sich selbst Frankreich frei zu organisieren.

Und dazu wurde dann eben von der FLN beschlossen, nach internen Auseinandersetzungen übrigens, die sogenannte Unabhängigkeits-Elf.

Es waren mehr als elf Fußballer aber das war damals eine übliche Umschreibung für Mannschaft die elf Fußballer, Und daraufhin hat die FLN das gemacht.

Es gab Widerstand innerhalb der FLN, weil Fußball bei einem Teil der Algerier als typisches Beispiel kolonialer Einflussnahme galt.

Aber das war die Minderheit und die Mehrheit hat sich durchgesetzt und diese Elf wurde dann sehr heimlich zunächst mal vorbereitet und dann eben auch aufgebaut.

Und das bedeutete, man wollte die besten, also die FLN wollte die besten Spieler, die Profispieler aus Frankreich haben, um wunderschönen Fußball zu demonstrieren, denn mit schlechten Fußball kriegst du keine Unterstützung.

Nick Kaßner

Nachvollziehbar.

Frage wäre, wie anfällig waren die Spieler dafür?

Also hatte jeder die Sympathien dafür und hat gesagt, ja, das Algerien ist mein Heimatland, ich möchte das tun?

Oder gab es auch da innerhalb der Fußballerdiskussion?

Olaf Wuttke

Es war durchaus durchwachsene.

Es gab Algerier im französischen Fußball, die das nicht unterstützt haben, jedenfalls nicht durch aktive Teilnahme.

Denn aktive Teilnahme bedeutete selbstverständlich auch, die französischen Profi, also die algerischen Profifußballer lebten ja alle in Frankreich.

Aber für die FLN11 mussten sie nach Nordafrika zurück und zwar nach Tunesien, weil nach Algerien da wäre ja sofort die französische Polizei und so weiter da gewesen die haben also dann in Tunesien gelebt, quasi rechts neben Algerien und.

Aber das wollten nicht alle.

Aber es gab doch dann am Schluss eine große Zahl von Profifußballern, darunter die beiden, die ich schon genannt habe, die beiden Stars, Setuni und Meglufi, die sich dieser Elf angeschlossen haben.

Eine kleine Zusatzinfo noch.

Die FLN kassierte von in Frankreich lebenden Algerien Spenden zur Unterstützung des Kampfes.

Und das haben ganz, ganz, ganz viele bezahlt.

Das war gar nicht so einfach.

So heute denkt man, okay, ich mache eine Banküberweisung.

Das ging natürlich alles nicht.

Das musste dann schon auf Umwegen laufen, aber es lief.

Und auch viele französische Profifußballer, ich sage immer, ja, Franco-Algerier, die im Profifußballer tätig waren, haben selbstverständlich diese Unterstützung an die FLN bezahlt.

Nick Kaßner

Gibt es da auch Fälle, von denen du weißt, die da sich geweigert haben?

Die einfach gesagt haben, das ist überhaupt nicht mein Thema, ich will mich damit gar nicht beschäftigen, haltet mich da raus?

Olaf Wuttke

Ja, es sind eine Reihe, naja, es wurden 1957 ging es los, dass die Spieler für diese FLN11 rekrutiert wurden.

Das ging ganz geheim, wie gesagt, weil da wäre sonst sofort die Polizei und was nicht noch alles da gewesen, in Frankreich selber auch.

Und da ist jemand wirklich von Verein zu Verein gereist, hatte da dann oft Menschen, Fußballer, von denen man wusste, die unterstützen uns jetzt schon.

Und da will ich aber noch einen anderen ansprechen, da mache ich das erstmal über diese Kontaktperson im Verein.

Und es gab da einen Spezialisten, ein Monsieur Boumezraque, ein Algerier, der diese aufwendige Organisation auf sich genommen hat.

Und er hat eben auch von mehreren Spielern oder bekannteren Spielern aus der ersten französischen Liga auch Absagen bekommen.

Das hatte für die Spieler, die wurden dann nicht gleich als Verräter bezeichnet, sondern da gab es ein gewisses Verständnis.

Zumal er bei vielen, der Boumezraak, bei seinen Rekrutierungen genügend viele gute Spieler gefunden hat.

Nick Kaßner

Okay.

Olaf Wuttke

Diese Auswahlmannschaft, die dann gebildet wurde, die sich selber als algerische Nationalmannschaft empfand, obwohl es natürlich noch gar keine algerische Nationalmannschaft für die FIFA geben durfte und den afrikanischen Unterverband.

Die muss einen traumhaften Fußball gespielt haben, wenn man sich so die Quellen durchliest.

Das heißt, die hatten wirklich genügend gute Spieler.

Und andere Spieler wie Mahi Kenan oder Kader Firut oder einige, die Namen sagen niemandem was, ich möchte hier nicht zu viel Name-Dropping machen, aber einige von denen haben später auch für die algerische Nationalmannschaft, für die echte, nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962, für diese Mannschaft gespielt.

Sowohl Ex-FN-Spieler als auch welche, die sich dem nicht angeschlossen hatten.

Nick Kaßner

Wie muss man sich das dann vorstellen?

Also ich gehe davon aus, ich meine heutzutage sieht man ja immer wieder, gerade bei Freundschaftsspielen wird es schwierig, dass die Spieler zur Nationalmannschaft reisen dürfen, wollen, können.

Wie war das damals?

Also ich könnte mir vorstellen, dass die Klubs damals ja wahrscheinlich dann erst recht gesagt haben, Kollege, das ist nicht mal eine offizielle Nationalmannschaft, wir hätten dich schon gerne hier im Verein und dass du schön gesund bleibst.

Und mehr oder weniger unter unserer Kontrolle.

Also wie haben die Vereine, wie hat der Ligaverband, die Medien, wie haben die darauf reagiert, wenn Spieler sich entschieden haben, ich möchte für die FLN spielen?

Olaf Wuttke

Ganz einfach.

Ja, den Spielern wurden sofort, als bekannt wurde, wenn immer bekannt wurde, dass einer dabei war, der lebte dann ja nicht mehr in Frankreich, der war ja nach Tunesien gegangen.

Nick Kaßner

Also die mussten dann richtig dauerhaft da leben.

Olaf Wuttke

Also bis zur algerischen Unabhängigkeit, ja.

Und das war auch gar nicht so einfach.

Wir haben auch heute unsere Vorstellung, setz dich mal eben in Flieger und fließ von Paris nach Algier.

Das lief ganz anders.

Und in der Tat, die mussten sich heimlich, die haben sich heimlich weggemacht.

In ihrem Verein, das war im April 1958, wurden sie dann zusammengerufen.

Das ist die Endphase der Saison gewesen, sowohl im Pokal als auch in der Meisterschaft.

Und die haben ihre Vereine verlassen.

Der spätere französische Nationaltrainer Michel Hidalgo spielte damals bei AS Monaco und in seiner Autobiografie zum Beispiel schreibt der, der hatte eine bestimmte Meinung, schreibt der zum Beispiel, die haben uns, diese drei glaube ich, die von AS Monaco abgehauen sind, drei Algerier, die haben uns im Stich gelassen.

Andere Kollegen haben das anders gesehen.

Man darf, vielleicht darf ich das noch sagen, Die beiden, die ich jetzt schon dreimal genannt habe, Settouni und Meglufi, gehörten zum vorläufigen französischen Weltmeisterschaftskader für die WM 58 in Schweden.

Das war natürlich auch sofort zu Ende.

Wie gesagt, die kriegten kein Geld mehr, die Spieler von ihren Vereinen, die hatten keine Lizenz mehr.

Die waren erst mal raus aus dem Business.

Aber Sitouni zum Beispiel hat von mehreren französischen Nationalspielern, als die schon im Quartier in Schweden zur Vorbereitung auf diese WM waren, eine Postkarte gekriegt.

Nick Kaßner

Okay.

Olaf Wuttke

Eine freundliche.

Und das war auch schon, das war nicht ohne.

Angesichts der Konfrontation der militärischen, kriegerischen, die es zwischen Frankreich und Algerien zu dem Zeitpunkt gab.

Natürlich, wie gesagt, Madrid hatte sich für Situni erledigt, auch gleich seine noch etwas weitere Verbesserung sozial, finanziell, sportlich, hatte sich für ihn erledigt, für McCloughy hatte sich die WM teilgenommen und McCloughy war 1957 mit der französischen Militärauswahl, sowas gibt es, gab es und gibt es, Militärweltmeister geworden übrigens.

Der hat also für Frankreich schon einen Titel gewonnen, aber er ist trotzdem nach Tunesien, Schrägstrich, Agerin gegangen.

Nick Kaßner

Wie muss ich mir denn vorstellen, wie ist denn diese Mannschaft finanziert worden?

Ich meine, wenn die Spieler ja keine Gelder mehr hatten, mussten sie ja irgendwelche neue Gelder bekommen.

Das Ganze musste ja auch irgendwie finanziert werden, die Reisen etc.

pp.

Olaf Wuttke

Und wie?

Gut, die Reisen teilweise, nachdem sich sehr schnell erwiesen hatte, wie schön Fußball die spielt, diese Auswahl, haben dann auch einladende Vereine oder Verbände, haben natürlich auch die Kosten häufig übernommen.

Aber für die Unterkunft, also alle Spieler, die dieser FLN angehörten, und das waren ja deutlich mehr als elf, bekamen von der FLN aus deren insgesamt finanziellen Töpfen eine Wohnung, eine eingerichtete Wohnung, Sportklamotten, Lebensunterhalt und so weiter, bekamen sie gestellt.

Das heißt, die sind nicht verhungert, ganz und gar nicht.

Nick Kaßner

Naja, aber sozialer Abstieg war es ja wahrscheinlich am Ende des Tages trotzdem.

Olaf Wuttke

Sie haben unter Umständen weniger verdient, aber das war es vielen Spielern, wie sie währenddessen oder nachher bekundet haben, das war es ihnen wert.

Es gibt einen berühmten Satz, es gibt mehrere berühmte Sätze.

Eines dieser Spieler, der sagte, natürlich wäre ich gern in Frankreich geblieben, Klammer auf, oder zu einem inneren Verein gewechselt.

Ich habe auch inzwischen eine Reihe Freunde hier in Frankreich.

Aber was würdest du machen, wenn dein Land dich ruft, weil es dich braucht?

Nick Kaßner

Frage, wo hat die Mannschaft eigentlich gespielt?

Also du hast eben gesagt Einladungsgeschichten.

Jetzt gehe ich davon aus, ich kann dir mal vorstellen, der Deutsche Fußballbund wird sie jetzt eher nicht eingeladen haben, weil dann wahrscheinlich die deutsch-französischen Beziehungen ein bisschen Schaden erlitten hätten.

Also sprich, wer hat denn die Mannschaft einladen können und wollen?

Olaf Wuttke

Wir reden über die Zeit des Kalten Krieges, die Teilung der Welt in zwei große Blöcke plus die blockunabhängigen Staaten.

Also drei Blöcke, neutrale, wie kann man das auch nennen.

In dieser Zeit ist es klar, dass die westliche, die NATO-Welt, nicht zu den Einladenden gehörte.

Selbstverständlich nicht.

Aber sie haben gespielt in Asien, in Afrika und sehr viel eben auch in Osteuropa.

Also in den Warschauer Paktstaaten in Gänsefüßchen plus Jugoslawien.

Nick Kaßner

Und warum, also vielleicht kannst du das noch so ein bisschen rausarbeiten für mich, ich habe es noch nicht ganz, also mir ist schon Fußball und Politik immer nicht so getrennt, aber warum war das politisch dann so wichtig, dass es diese Spiele gab, was hat das für einen Einfluss gehabt politisch, hat das dann dafür gesorgt, dass im Rahmen dieser Spiele, die stattgefunden haben, dann irgendwie, keine Ahnung, der polnische Präsident in den Medien erzählt hat, Algerien muss autark, also selbstständig sein oder was, wie muss man sich das vorstellen, was diese Spiele für einen Einfluss hatten politisch.

Olaf Wuttke

Witzig, dass du spontan gerade auf das polnische Beispiel kommst.

Polen war neben der DDR im Ostblock derjenige Staat, die, bei Polen war es aufgrund seiner historischen Beziehung zu Frankreich, die sich am wenigsten oder die sich am bedecktesten gehalten haben, was das anbetrifft.

Man kann natürlich den Effekt solcher Fußballspiele auf politische Entscheidungen von Regierungen, egal ob in Asien, Afrika oder Europa, kann man nicht ernsthaft messen.

Niemand kann dir sagen, hat das 15 Prozent der Unabhängigkeit ausgemacht oder wie viel sonst.

Aber das wird auch die FN nicht gewusst haben, aber sie fand es nützlich, weil es eben, wie gesagt, auf einem sportlich-kulturellen Gebiet zeigte, wozu Algerien in der Lage ist.

Also hier war es nur guter Fußball, Angriffsfußball.

Die hatten fast nur Stürmer übrigens geholt.

Die mussten einige Stürmer für ihre FLN11 dann zu verteidigen und endlich umfunktionieren.

Tochter haben sie.

Nick Kaßner

Wie muss ich mit, also ich gehe davon aus, im Rahmen solcher Fußballspiele wird es da wahrscheinlich auch diplomatische Geschichten gegeben haben, also dass da keine Ahnung, irgendwelche wichtigen Politiker dann entsprechend im Rahmen dieser Fußballspiele Austausch hatten mit den Politikern des jeweiligen Landes, oder?

Olaf Wuttke

Eher wenig.

Also die Reisegruppe bestand hauptsächlich aus Fußballspieler, Trainer, Betreuer, Schutzpersonal, Medizin, weiß ich gar nicht, war glaube ich damals überhaupt noch nicht, auch bei uns noch nicht so üblich, dass da überall gleich so ein Sechser-Tross im Staff mit drin ist an medizinisch geschultem Personal.

Also ich sag mal so, Frankreich hat sich politisch bemüht, alle Länder davon abzuhalten.

Und diese FN11 auch nur einzuladen, geschweige denn spielen zu lassen.

Polen zum Beispiel hat sich bei einem der wenigen Spiele, die die FN11 dort ausgetragen hat, geweigert, die algerische Flagge zu hissen.

Das war eine Bedingung der FLN und die meisten haben es gemacht im Ostblock, in Asien, also China zum Beispiel, Vietnam.

In Afrika war es etwas schwieriger.

Aber Marokko wurde, es gab auch nicht nur politische Einflüsse, über die FIFA hat die FFF sofort erreicht, dass auch die FIFA Gegnern anbrote, sie zu sanktionieren, wenn sie diese Mannschaft bei sich spielen lassen.

Marokko zum Beispiel wurde von der FIFA, das war das erste, glaube ich, erste oder zweite offizielle Spiel, offiziell, dieser algerischen Elf in Marokko, Marokko wurde von der FIFA gesperrt.

Nick Kaßner

Okay.

Olaf Wuttke

Selbstverständlich.

Man muss wissen, in der Zeit war ja ein großer Teil Afrikas ohnehin noch kolonialer Besitz.

Es gab nicht sehr viele unabhängige Staaten in ganz Afrika.

Das ging ja in den 50ern, hauptsächlich 60er Jahren erst los mit der dortigen Unabhängigkeit.

Und wie gesagt, auf allen Kanälen hat eben Frankreich sowohl der Fußballverband als die Regierung Militär mit seinen eigenen Mitteln sowieso versucht, das zu unterbinden.

Nick Kaßner

Wie haben die, also ich könnte mir vorstellen, gut die Medien waren damals vielleicht auch noch nicht so nah so groß wie heute, aber die französischen Nationalspieler, die mussten doch wahrscheinlich auch entsprechende Fragen dann beantworten, also wie haben die sich da verhalten?

Olaf Wuttke

Und ich meinst du das Algerische?

Nick Kaßner

Nein, nein.

Olaf Wuttke

Oder die anderen?

Nick Kaßner

Genau, in dem Fall meine ich wirklich die FFF, also die französischen Nationalspieler.

Olaf Wuttke

Ja, die sind in der Regel ihrem Verband gefolgt, wenn sie sich überhaupt dafür interessierten.

Wenn ich die Nummer 13 in meinem Mannschaftskader wäre und da geht jetzt ein Algerischer, der zur Startelf normalerweise gehört, weg, rechne ich mir sogar Chancen aus, dass ich vielleicht dann auch mal zur Startelf gehöre.

Also das ist so, so durchwachsen und unterschiedlich gewesen.

Was es allerdings gab Mitte April 1958 war ein Riesenaufschrei in allen Medien, nicht nur den berühmten französischen Sportmedien wie L'Equipe und France Football.

Einmal wirklich in allen Medien, als plötzlich bekannt wurde, da sind 14, 15, 16 Algerier auf unterschiedlichen Wegen, geheimen Wegen.

Die haben sich alle erstmal in Italien übrigens, mussten sich alle erstmal in Italien treffen, um von dort aus nach Tunesien fliegen zu können.

Und die Medien, da gab es einen Riesenaufschrank.

Nick Kaßner

Das kann man sich aber auch nur schwer vorstellen.

Olaf Wuttke

Und der hat bei allen Menschen oder bei vielen Menschen in Frankreich, und das können auch Fußballer gewesen sein, andere Fußballer, wurde natürlich ganz unterschiedlich bewertet, diese Fahnenflucht in Algerien.

Nick Kaßner

Aber ich könnte mir vorstellen, wenn sowas passiert, dass einfach die größten, also nur richtig gute Fußballstars so in der gezielten Aktion gehen, dass man dann ja vielleicht in Frankreich auch noch mal kritischer auf seine eigene Geschichte geschaut hat und das irgendwie noch mal anders diskutiert hat.

Also jetzt vielleicht nicht die Präsidenten und nicht die Kammer, aber zumindest vielleicht irgendwelche Journalisten, Medien, Intellektuelle.

Olaf Wuttke

Das gab es natürlich auch.

Frankreich hat ja damals auch noch schon eine sehr breitgestreute, auch politisch breitgestreute Presse gehabt, zum Beispiel die kommunistische Presse, L'Humanité, die große kommunistische Tageszeitung.

Die hatten eine eigene Sportzeitung auch zum Beispiel und sowas, die Kommunistische Partei.

Und selbstverständlich wurden da solche Fragen diskutiert und die wurden aber, Stichwort Zeit des Kalten Krieges, häufig auch bei Konservativen anders als bei Sozialdemokraten, bei Liberalen anders als bei Kommunisten unterschiedlich beantwortet, diese Fragen.

Aber natürlich wurde diskutiert.

Das gab sich aber dann doch vergleichsweise schnell nach diesem Termin Mitte April 1958, an dem es bekannt wurde.

Da haben die Zeitung zum Teil zwei und vier Seiten.

Die Sportzeitung speziell, jetzt zwei beziehungsweise vier Seiten publiziert über diesen Vorgang.

Da verlassen uns Algerier und wollen gegen Frankreich kämpfen, indem sie für Algerien Fußball spielen.

Nick Kaßner

Jetzt würde mich interessieren, was wurde aus der FLN-Mannschaft nach 1962, als Algerien-unabhängig wurde?

Olaf Wuttke

Daraus wurde sehr schnell die algerische Nationalmannschaft, Lefenegg, die Wüstenfüchse genannt, heute noch, mit einer ganzen Reihe ehemaliger Spieler der FLN11, von denen ja auch viele nach dem Spiel, es gingen nur wenige, übrigens nachts 1902 von den einzelnen Spielern, gingen nur ganz wenige nach Frankreich zurück hinterher.

McLufi tat das, wie gesagt, wurde dann x-fach mit Saint-Étienne französischer Meister, aber nicht mehr französischer Nationalspieler logischerweise, sondern dann algerischer.

Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat am Neujahrstag 1964 eines der letzten Spiele unter Sepp Herberger.

Sie haben in Algerien gespielt gegen diese, das war eines der allerersten Spiele, die sie gemacht haben.

Und Algerien hat Deutschland damals zwei zu neu geschlagen.

Das heißt...

Da waren auch weiterhin gute bis sehr gute Fußballer.

Und ansonsten hat sich die algerische Nationalmannschaft entwickelt.

Das ist aber ein Thema, es hat ja sehr lange gedauert.

Das nächste Mal sind sich Deutschland und Algerien ja bekanntlicherweise erst wieder 1982 bei einer Weltmeisterschaft.

Für Algerien war es die erste begegnet mit einer eher unhübschen Geschichte, die wir alle kennen.

glaube ich, nämlich dieses Ballgeschiebe, gegen Österreich, damit das 1-0 für Deutschland reichte, auch Österreich und dadurch war Algerien ausgeschieden.

Nick Kaßner

Aus der Vorrundengruppe.

Welche Rolle hat in der Fußball letztens beim Aufbau des neuen Staates gespielt?

Ich meine, wenn er für die Propaganda in Anführungsstrichen nützlich war.

Wie war es dann beim Aufbau des Staates?

Olaf Wuttke

Also natürlich nicht wirklich.

Ab dem Tag der Unabhängigkeit 1962 hatte Algerien natürlich riesige Probleme, die der Kolonialismus hinterlassen hatte.

Zum Beispiel diese einseitige Ausrichtung auf Gutlandwirtschaft sowieso und den Raubbau an Rohstoffen, die Frankreich zugute gekommen waren, das selber zu machen, den Menschen ein würdiges Leben durch Arbeit zu ermöglichen, das forderte im Grunde die Hauptkräfte.

Aber propagandistisch spielte das durchaus noch eine Rolle.

Der damalige, der erste algerische Staatspräsident hat sich dann mal geäußert, Sie haben eines der schönsten, Sie, also die Spieler der FLN, eines der schönsten Kapitel der algerischen Unabhängigkeitsgeschichte geschrieben.

Das ist Propaganda, logisch, aber es ist ein schöner Satz.

Und es gab natürlich dann auch zu Jubiläen, etwa diesem Apriltermin 58 war einer dieser Jubiläumstermine, auch Jahrzehnte später, Da ist die Mannschaft zum Teil, soweit die Menschen dann noch irgendwann lebten oder noch spielfähig waren, ist die Mannschaft dann durchaus nochmal wieder zusammengekommen und hat so ein Demonstrationsspiel in Algier ausgetragen.

Aber eine wirkliche entscheidende Rolle beim Aufbau eines unabhängigen Algeriens hat diese Elfter nicht gespielt.

Sie war ein Mittel zum Zweck, von dem wir nicht genau wissen, wie viel Prozentanteil an der Unabhängigkeit man ihnen da zuschreiben kann.

Aber es ist ein so tolles Beispiel, wie Engpolitik und Sport in diesem Fall sogar ganz extrem zusammenhängen können.

Nick Kaßner

Wohl wahr.

Frage, du hast vorhin erwähnt, dass die Spieler ja alle gehen mussten, wenn sie für die FLN-Mannschaft spielen wollten.

Dann hast du eben erzählt, der eine oder andere ist dann ja auch wieder zurück, hat in Frankreich seine Karriere fortgesetzt.

Wie ging das für die Spieler?

Also musste die dann irgendwie so ein halbes Jahr Strafe, durften da nicht mitspielen oder waren gesperrt für ein halbes Jahr und durften dann erst wieder mitspielen oder war das problemlos möglich und wie war dann der Umgang mit diesen Spielern, jetzt allein auf Frankreich bezogen an der Stelle?

Olaf Wuttke

Also überraschend freundlich, als McLufi nach Saint-Étienne zurückkehrte.

Gab es große Befürchtungen, dass es ein riesiges gegen Frankreich ein riesiges Pfeifkonzert geben würde.

Aber der wurde einfach ein toller Spieler, ein torgefährlicher Mittelfeldspieler und auch erfolgreich, was Tore schießen anbetrifft.

Der spielte wie ein junger Gott und es gab keinen einzigen Pfiff.

Weder als die Mannschaftsaufstellungen vorher durchgesagt worden, ganz im Gegenteil.

Und ein zweites Beispiel, um das zu verdeutlichen, als Einspieler, Cetati, der auch zurückgegangen war nach Frankreich, glaube ich, ich glaube, Cetati war bei Bordeaux, oder Angers, ich weiß es im Moment nicht genau, als der zurückkam, hat der als erst, die waren ja Mitte April 58 abgehauen und kriegten nachträglich ihr Geld.

Also er hätte Ende April zumindest für die erste Hälfte des April 1958 noch sein solch gegen müssen.

Und tatsächlich war das eine der ersten Sachen, die die Geschäftsstelle des Vereins gemacht hat, ihm für einen halben Monat sein Gehalt von 1958 nachzuzahlen.

Das zeigt viel mehr als tausend wunderschöne Wörter, finde ich, solche Geschichten, dass der Fußball auch durchaus sowas wie ein bisschen eine versöhnende Kraft sein kann.

Nick Kaßner

Jetzt auf die Gegenwart bezogen, die Spieler der FLN-Elf waren die dann letzten Endes in Algerien irgendwie Nationalhelden, also besonders verehrte Spieler, Persönlichkeiten, wo heutige Nationalspieler vielleicht nicht drankommen, weil sie diesen Stellenwert aus der Geschichte heraus nicht bekommen?

Olaf Wuttke

Also, ich habe ja vorhin schon das Zitat des algerischen Staatspräsidenten Ben Beller genannt.

Natürlich wurden sie eben propagandistisch auch hochgehalten, sie waren angesehen.

Mehrere der Spieler der FN11 waren zum Beispiel später irgendwann mal und sei es kurz agerische Nationaltrainer.

Und insofern, sie haben ihren Stellenwert im Land eindeutig gehabt, ja.

Ich würde es nicht übertreiben, also Nationalhelden, was immer das ist, aber Nationalhelden vielleicht nicht, aber ja, einen hohen Stellenwert, bei Fußballfreunden sowieso.

Nick Kaßner

Hat sich die Geschichtserzählung eigentlich im Laufe der Jahrzehnte geändert?

Also es ist ja oft so, mit der Draufsicht nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten später, stellt sich eine Geschichte anders dar, als sie vielleicht in dem Moment in der Gegenwart erzählt wurde?

Also ist das heute auch eine andere Geschichte, als die, die man sich eben Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre erzählt hat?

Hat sich da ein bisschen der Ton geändert?

Olaf Wuttke

Als ich mich intensiv mit dieser Geschichte, dieser Elf befasst und dazu geforscht habe, hat sich eigentlich überhaupt niemand mit diesem Kapitel in Frankreich beschäftigt.

Es sind 2011 zwei Bücher in Frankreich zufälligerweise erschienen zu diesem Thema.

Das waren die ersten.

Es gab über McLufi ein literarisches Buch eines durchaus bekannten französischen Sachbuchautors, der aber kein Fußballautor war wohl gemerkt, sondern eher sowas wie ein Romancier.

Ich habe den Namen im Moment nicht im Kopf, aber ist ganz bekannter.

Aber ich glaube, das will keiner wissen.

Könnte ich sonst für die Shownotes nachliefern.

Bitte?

Nick Kaßner

Aber es gibt immer diese Leute.

Was?

Ich habe gesagt, bitte empfehle ich schon Nutz nachliefern, weil es gibt immer diese Leute, die das wissen wollen.

Olaf Wuttke

Gut, liefere ich nach.

Also ja, es gab in der, es gibt in Frankreich zwei bekannte Sportwissenschaftler.

Also Universitätslehrer, Professoren.

Einer hat, also es wurde dann in dieser Zeit auch publiziert über allgemein fußballerische Immigration nach Frankreich.

Da passen ja auch algerische Fußballer mit rein.

Und es gibt durchaus also einen Titel, mehr in dem eben auch speziell Meglufi als Einzelbeispiel, obwohl es insgesamt eben doch eine deutlich größere Zahl von Fußballern war, die bei dieser Elf gespielt haben.

Der einiges an McLufis Karriere und Problemen, die seine Einwanderung, Auswanderung, Wiedereinwanderung mit sich brachte, untersucht haben und beschrieben haben.

Aber geändert hat sich seit 2011, das ist Murmelbrummel, knapp 50 Jahre nachdem es diese 11 gegeben hat, erschienen die ersten Bücher darüber.

Und etwas später hat dann auch Dieci, Paul, heißt ja Paul, Dieci, dieser Autor, der sehr viel für die FIFA schreibt, hat sich dann auch mal in einem Buch, das die UEFA herausgegeben hat, mit dieser Elf beschäftigt.

Das war aber alles erst im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrtausends.

Verändert hat sich die Blickweise insofern als stärker verallgemeinert wird.

Die Situation algerischer Einwanderer heutzutage, bis heutzutage in Frankreich ist ja eine, die auch einen eigenen Podcast schon auch ohne Fußball füllen würde, das wollen wir nicht, aber da werden auch gelegentlich Parallelen oder kurze Anspielungen auf diese damalige Geschichte der FN11 gezogen.

Aber die Sichtweise direkt auf diese 11, die spielt im Prinzip in der heutigen Diskussion praktisch keine Rolle mehr.

Sie hat einmal noch eine große Rolle gespielt.

Dann war das doch gleich.

Jahreszahl liefere ich gleich noch nach.

Es hat ja ewig gedauert, bis es zu einem ersten Fußball-Länderspiel Frankreich gegen Algerien gekommen ist.

Dieses Spiel schon im Start de France, das muss ja nach 1998 gewesen sein, als das Stadion eröffnet wurde, bei diesem Spiel ist es zu einem Spielabbruch gekommen.

Nick Kaßner

Nein.

Olaf Wuttke

Das ist ein, ich glaube schon auf den ersten Blick, deutliches Symptom dafür, wie kompliziert die französisch-algerische Geschichte, selbst für Leute, die 1958, 1962 noch gar nicht gelebt haben, wie konfliktreich diese Beziehung geblieben ist.

Und da gab es dann auch noch mal in der Tat, die Zeitung als dieses Spiel abgebrochen wurde ich sag dir gleich wie gesagt die Jahreszahl noch mal 2001 war das genau, 39 Jahre nach Ende der Kolonialabhängigkeit 43 Jahre nach Bildung der FLN Mannschaft, erstes offizielles Das Männerländerspiel der beiden, in diesem Zusammenhang wurde dann in den Medien übrigens vor dem Spiel auch an diese FLN11 nochmal erinnert, viele hatten sich da ein Fest der Völkerverständigung erhofft von diesem Spiel, es war ganz anders.

Wie gesagt, das Spiel wurde abgebrochen.

Die Zeitung, die linksliberale Liberation, eine Tageszeitung, titelte Frankreich gegen Algerien 40 Jahre Spielabbruch, um damit deutlich zu machen, dass sich eigentlich über fast ein halbes Jahrhundert in den Beziehungen nicht wirklich etwas zum Besseren gewendet hat.

Und ich sage mal so, dass es einzelne algerisch-stämmige, aber oft schon in Frankreich geborene Fußballer gibt, wie Zedan, wie Benzema, wie Samia Nasri, um nur einige der Besten jetzt in der jüngeren Zeit zu nennen, Den wird auch von Franzosen, die mit Algerien nichts am Hut haben, natürlich zugejubelt, wenn sie gut spielen, wenn sie erfolgreich sind.

Aber das sind dann Einzelmomente von einzelnen Menschen, die an der Gesamtbeziehung und an der Gesamtaufarbeitung dieser Konfliktgeschichte eigentlich überhaupt nichts ändern.

Nick Kaßner

Okay, aber von Sinedine Zidane weiß man da, also hat man da schon mal irgendwas gehört zu der Mannschaft, dass er irgendwie mal was darüber erzählt hat oder irgendwie was dazu erzählen.

Olaf Wuttke

Konnte er nichts, er war sehr viel jünger, aber nein, ist mir nicht bekannt, dass er sich dazu geäußert hat.

Nick Kaßner

Genau, das wäre halt die Frage gewesen, ob für Algerier oder für junge Algerier von heute, ob diese Mannschaft da noch irgendwie eine Rolle spielt oder ob das eigentlich im Grunde eine vergessene Anekdote der Geschichte ist.

Olaf Wuttke

Ja, es ist eigentlich eine ziemlich vergessene Anekdote der Geschichte und dieser wunderbare Podcast von dir, lieber Nick, trägt dazu bei, dass sie nicht völlig in Vergessenheit gerät.

Ich erinnere noch, wenn ich das sagen darf, du kannst es ja sonst nur, wenn du möchtest, rausschneiden.

Ich habe das ja selber veröffentlicht, ich glaube 2011.

Auf Deutsch, als erster überhaupt, dieses Thema.

Das haben dann etwas später die elf Freunde mal abgekupfert.

Wie gesagt, kannst ja schneiden.

Nick Kaßner

Ja, ich habe da kein Problem mit.

Olaf Wuttke

Ja, übrigens, diese beiden Bücher zu dem Konflikt sind nicht 2011, die sind 2008 erschienen, auf Französisch, zu dieser algerischen FLN-Auswahl.

Also ein paar Jahre früher, aber das ändert im Prinzip überhaupt nichts an der Feststellung, dass weder, wo fußballerisch eine wirkliche Aufarbeitung stattgefunden hat, geschweige denn gesamtgesellschaftlich.

Die Rolle von Einwanderern in Frankreich, die ja insbesondere dann in den französischen Vorstädten leben.

Wo es häufig nicht sehr schön ist zu leben, wo es häufig ruppig zugeht.

Auch diese Aufarbeitung ist nicht erfolgt.

Es gab in Frankreich einen Moment, das war, nachdem Frankreich 1998 Fußballweltmeister geworden war, mit einer bunt zusammengesetzten Mannschaft, an der Algerier Schwarze aus den verschiedenen, über die immer noch existierenden, über die Welt verstreuten französischen sogenannten Überkolonien, sagt keiner mehr, Überseegebieten, stammten und eben auch ganz normale in Frankreich geborene und seit 500 Jahren mit ihrer Familiengeschichte in Frankreich verwurzelte hellhäutige Menschen.

Diese Elf wurde ja als Black, Blanc, Beur bezeichnet im Erfolg.

Im Erfolg des Weltmeistertitels 98.

Black ist klar, heißt schwarz.

Blanc ist klar, vielleicht nicht mehr so, heißt Weiß und Beur ist eine französische Bezeichnung für Arabe.

Und statt Bleu, Blanc, Rouge, Blau, Weiß, Rot, wie die französische Fahne, wurde diese Wortschöpfung Black, Blanc, Beur da erschaffen.

Die erwies sich aber, wenn man das im Rückblick bis 1998, bis zurück bis 1998 betrachtet, was seither passiert ist, das muss eher...

Eine übertriebene Hoffnung gewesen sein, denn die französische Gesellschaft ist sehr, sehr zerrissen.

Nick Kaßner

Da du den Einblick hier hast, wir haben ja auch immer wieder, also gerade bei Mesut Özil war ja immer dieser türkische Hintergrund, war irgendwie für deutsche Sportjournalisten und vielleicht auch für den normalen Fernsehzuschauer, da haben wir mal den durchschnittlichen, irgendwie immer schwierig zu begreifen, dass das irgendwie anders ist.

Ist das im französischen Fußball, also wenn es um die Nationalmannschaft geht und eben um Spieler mit agerischen Wurzeln oder mit agerischem Migrationshintergrund, sind das dann ähnliche Diskussionen, die da stattfinden oder sind die da schon einen Schritt weiter wie wir Deutschen?

Olaf Wuttke

Also ich habe nicht den Eindruck, dass Frankreich und Deutschland sich in dieser Frage so sehr unterscheiden.

Es ist ja immer so, egal ob du bist Vereinsfan, du hast Spieler aus aller Herren Länder heutzutage, solange die gut sind solange die erfolgreich sind, solange sie dir Spaß machen, hast du überhaupt kein Problem mit denen wenn sie Scheiße bauen, vergurken absteigen dann ist schon, hörst du ja manchmal schon auch auf den Tribünen oder vor allem auf den Tribünen hörst du ja auch schon mal ganz andere Beäußerung über Dida.

Und da meine ich, wäre der Unterschied zwischen Frankreich, ich sage dich mit aller Vorsicht, ich bin nicht ununterbrochen auf sämtlichen französischen Tribünen zu Hause.

Ab und zu mal ja, aber das würde ich jetzt nicht verallgemeinern können.

Es ist mein Eindruck.

Das ist recht ähnlich bei uns und in Frankreich.

Nick Kaßner

Okay.

So, lieber Olaf, jetzt hast du uns mal wieder eine Geschichtsstunde gegeben zum französisch-algerischen Fußball.

Wie langt.

Alles gut, das war mir gewünscht.

Und es war schön so.

Aber bevor ich jetzt zur Verabschiedung komme, die wichtigste Frage immer am Schluss.

Haben wir noch irgendwas bei der Thematik vergessen, worüber wir unbedingt sprechen sollten?

Irgendeinen Aspekt, irgendeine kleine Geschichte, irgendwas, was dir noch einfällt, was du unbedingt hättest erwähnen wollen?

Olaf Wuttke

Ja, eine kleine Geschichte.

Aber das macht jetzt.

Das würde das nur noch etwas sozusagen veranschaulichen, worüber wir etwas abstrakter schon gesprochen haben.

Die Ausreise der Spieler, die 1958 zunächst nach Rom und dann nach Nordafrika sollten, damit sie dann für die FLN spielen, die sind ja auf unterschiedlichen Wegen.

Die mussten Frankreich ja heimlich verlassen.

Vielleicht darf ich dann noch an zwei Beispielen das nochmal klar machen.

Manche hatten gar keine Probleme.

Die haben sich in Marseille in Zug gesetzt und sind hinter Monaco bei Ventimiglia oder so über die Grenze gefahren.

Die italienisch-französische Grenze und kamen in Rom an, pünktlich.

Andere hatten es schwieriger.

Einer wurde verhaftet an der Grenze, weil er den dortigen Beamten, französischen Beamten, nicht erklären konnte.

Weshalb er so viel Bargeld bei sich hat.

Und Algerier galt 1958, es war während des Algerienkrieges, grundsätzlich immer als verdächtig, die FLN zu unterstützen.

Und das mochte Frankreich bekanntermaßen gar nicht.

Der ist verhaftet worden.

Der ist dann wegen Hochverrat und ähnlicher Geschichten sogar eingebuchtet worden, weil er nicht genau erklären konnte, wo er hin wollte.

Er hat ja nichts gepetzt.

und weshalb er auch etwas mehr Geld, als man einem Algerier zutraut, in der Tasche hatte.

Eine andere Geschichte, das ist dann die letzte.

Mohamed Marouche zum Beispiel, der wollte mit zwei, drei anderen Leuten zusammen über die Schweiz nach Italien.

Also die haben auch noch verschiedene Wege gewählt.

Wenn die alle in einem Zugabteil gesessen hätten, alle, was weiß ich, 1520 Leute, wären ja auf einmal vielleicht mit Pech alle Hopp genommen worden.

und aus die Maus.

Aber die haben auch noch verschiedene Wege gewählt, die ihnen dann auch empfohlen worden waren von demjenigen, der sie in Frankreich rekrutiert hatte, dem Boumès Rack.

Und die Trafen, die sich in der Schweiz, in Genf oder irgendwo treffen wollten, gleich hinter der Grenze, die haben sich irgendwie verpasst.

Und Mahouche war damals noch bei der französischen, es waren ja alle Algierer, unterlagen ja auch in Frankreich der Wehrpflicht, selbstverständlich.

Und der war noch bei der Armee und der hatte Muffe nach 24 Stunden wegen Fahnenflucht.

Da also ist er nach Frankreich zurückgegangen und bei dem hat es dann noch zurückgegangen, wurde trotzdem hinter der Grenze irgendwo hopp genommen.

Er hat wahrscheinlich auch nicht alles erklären können und der konnte erst zwei Jahre später dann nachreisen.

Und hat dann noch von 60 bis 62 für diese FLN11 gespielt.

Über deren wunderbares Spiel wir überhaupt nicht gesprochen haben.

Es gibt übrigens auch eine sehr hübsche Geschichte noch im Zusammenhang mit Eintracht Frankfurt.

Weil Eintracht Frankfurt, das war ja DFB-Gebiet.

Hat die Mannschaft, die zu einer Zwischenlandung offensichtlich in Frankfurt angekommen war, zu einem Oberligaspiel damals noch als Zuschauer eingeladen.

Das gab auch schon Ärger.

Ich habe mit einem Menschen vom Frankfurter Fußballmuseum darüber gesprochen.

Da findet sich in seinen Aufzeichnungen auch praktisch gar nichts drüber.

Aber ist auch verständlich.

den Antrag Frankfurt wollte es sich gerade in der Zeit, als Frankfurt dann mal etwas später im Europapokal-Endspiel stand, wollten die es sich natürlich nicht mit dem DFB verteidigen.

Es gibt auch hunderttausend hübsche kleine Geschichten und die schenke ich mir jetzt alle.

Nick Kaßner

Ah, schade, schade.

Da müssen wir irgendwann nochmal drüber reden, wahrscheinlich dann, um diese Geschichten aufzupahren.

Olaf Wuttke

Die sind schön, ne?

Für mich auch.

Die zeigen so im Einzelnen, die sind ja auch mit ihren Familien zum Teil.

Lebten die in Frankreich, die Fußballer?

Und die mussten natürlich auch mit.

Die konnten ja nicht in Gänsefüßchen als Geiseln in Frankreich bleiben oder so ähnlich.

Das waren schon wunderbar, naja, nein, wunderbar würde ich das nicht nennen.

Das waren schon bemerkenswerte Wege und Biografien.

Nick Kaßner

Und jetzt habe ich.

Aber da muss man schon sagen, die haben ja dann letzten Endes, das ist ja in der Sendung, haben wir das jetzt gar nicht so rausgearbeitet, aber das Die haben dann schon einen sehr hohen Preis dafür bezahlen müssen, dass sie sich so entschieden haben.

Olaf Wuttke

Ja, wie dies eine Zitat, was ich tatsächlich untergebracht hatte.

Ich habe inzwischen auch viele Freunde, man hätte auch sagen können, ich habe inzwischen meinen Lebensmittelpunkt in Frankreich.

Aber was würdest du tun, wenn dein Land dich ruft?

Nick Kaßner

Mhm.

Olaf Wuttke

Das zerreißt Menschen.

Nick Kaßner

Ja, definitiv.

So, lieber Olaf, jetzt danke ich dir ganz, ganz, ganz, ganz, ganz herzlich dafür, dass du hier warst und dass du dieses Thema mitgebracht hast und wir darüber reden durften.

Ganz lieben Dank dir.

Olaf Wuttke

Das war mir eine große Freude.

Ich bin zwar kein Missionar, aber was ich weiß, teile ich gerne mal mit der Welt.

Nick Kaßner

Und das war sie, die 224.

Ausgabe des Hörfehler-Podcasts.

Wir danken euch ganz, ganz herzlich für eure Aufmerksamkeit.

Dieser Podcast ist ein communityfinanziertes Projekt.

Wenn ihr auch mithelfen möchtet, schaut in die Shownotes oder auf die Webseite hörfehler.org.

Die Musik ist produziert von Julius Stucke.

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