Episode Transcript
Herzlich Willkommen zur Lage der Nation, Ausgabe Nr.
442.
Ihr hört ein weiteres Sommerinterview, genau genommen den zweiten Teil unseres Interviews mit Aladin El-Mafaalani und an den Mikrofonen begrüßen euch, wie eigentlich fast in jeder Woche, Ulf Buermeyer, das bin ich, Jurist aus Berlin und...
Philip BansePhilip Banse.
Auch von mir ganz herzlich willkommen.
Hier also nun der zweite Teil unseres Gesprächs mit dem Soziologen Aladin El-Mafaalani.
Heute geht es um einen Kulturwandel, den das deutsche Bildungswesen endlich angehen muss, damit es in einer nahezu unaufhaltsam alternden Gesellschaft das liefern kann, was diese Gesellschaft braucht.
Und das Interessante, man kann jetzt schon sehr viel machen, sagt Aladin El-Mafaalani und das koste noch nicht mal viel Geld.
Wir wünschen euch also viel Spaß und erhellende Momente in diesem zweiten Teil.
Zudessen beginnen wir aber noch mal den Faden vom Ende des ersten Teils aufzunehmen.
Da hatte Aladin El-Mafaalani ja gesagt, wenn alte Menschen in Deutschland ein Rentnerleben leben wollen, wie in den letzten Jahrzehnten, dann wird hier in Deutschland sehr viel nicht mehr funktionieren.
Aladin El-MafaalaniDas muss man sich klar machen, dann wird hier ganz vieles nicht mehr funktionieren, dann kriegen wir die Kinderversorgung nicht hin.
Ulf BuermeyerMedizinische Versorgung, pflegerische Versorgung.
Aladin El-MafaalaniUnsere gesamte Infrastruktur wird dann nicht mehr wirklich funktionieren können.
Das muss man einfach sich klar machen.
Und das Interessante ist, das, was mir wichtig ist, kann man nicht über KI lösen.
Das kann man digitalisieren.
Ich rede also wirklich von auf Menschen bezogene Arbeit.
Also wir haben ganz viele Alte, die gepflegt werden müssen.
Wir haben ganz viele junge Leute, um die man sich kümmern muss.
Die Eltern, von denen erwarten wir, dass sie den Laden am Laufen halten, das Wirtschaftswachstum steigern.
Wir müssen ja eigentlich eine Erhöhung der Müttererwerbstätigkeit schaffen.
Wir haben jetzt schon die Situation, dass das mit den Familien kaum klappt.
Ulf BuermeyerJa, und Sie sagen aber zugleich, die Eltern sind jetzt schon am Limit.
Die Kinder sagen jetzt schon, die Eltern sind immer gestresst.
Philip BanseAls mein zweiter Sohn geboren wurde, da auf der Geburtsstation hat uns auch eine Krankenschwester versorgt, die schon ein bisschen älter war und turns out, die war früher Krankenschwester, ist in Rente und ist jetzt wiedergekommen.
Ulf BuermeyerDas wollte ich nämlich gerade sagen.
Wenn Sie das so sagen, dann scheint mir doch vielleicht auch diese Dichotomie, also diese schwarz-weiß Unterscheidung zwischen ich bin am Arbeiten oder ich bin in Rente nicht mehr so ganz zeitgemäß.
Vielleicht muss man eben bis Ende 60 normal arbeiten und dann kommt vielleicht Anfang der 70er so ein, ich sag mal so etwas bildhaft, so eine Art Abklingbecken, wo ich noch so ein bisschen aktiv bin.
Das könnte vielleicht für die Gesellschaft Vorteile bieten, aber auch für die Menschen selbst.
Ich meine, wie viele Menschen fallen drei Wochen nach Rentenanfang tot um.
Wie sehen Sie das?
Also ist so eine Art Halbrente oder so eine halb aktive Phase am Ende des Berufslebens der Weg?
Aladin El-MafaalaniAlso ich mag es ungern, mir irgendwas zu backen.
Also ich fände es sinnvoll...
Ulf BuermeyerAber ich versuche einfach mal, so ein Zukunftsbild zu entwickeln, weil wir sind ja, wir haben ja so den Anspruch, möglichst konstruktiv zu sein.
Und wir wollen halt einfach so ungern die Hörerinnen und Hörer mit so einem Doomsday-Szenario zurücklassen, so nach dem Motto, nimm dir einen Strick.
Deswegen legen wir sehr viel Wert darauf, kreativ zu werden, wie könnte es aussehen, sodass es besser funktioniert?
Aladin El-MafaalaniLassen wir uns konstruktiv sein und konstruktiv ist man ja besonders dann, wenn man nicht irgendwie so rosarotes Luftschloss baut, sondern realistisch.
Und realistisch würde ich sagen, ist das Beste, was man machen kann, ich finde es richtig cool, dass es auch in homöopathischen Dosen gerade in die Richtung geht, das man sagt, wir erhöhen ein bisschen das Renteneintrittsalter, aber nicht dramatisch, also nicht der Rede wert, wir haben jetzt 67 bald, aber realer Renteneintritt ist ja noch nicht einmal 65, der reale, und bei übrigens Beamten, die muss man ja schon mit berücksichtigen, die tauchen ja in der Statistik nicht auf, ist es noch niedriger, es ist 62, 63, so was um den Dreh, der reale Renteneintritt, aber lassen wir das mal.
Das muss man etwas erhöhen, sehe ich so, sofern man körperlich noch kann und so, das sind jetzt nochmal andere Baustellen, aber das Entscheidende ist, dass man Anreize schafft, dann weiterzuarbeiten.
Also, wir haben halt den Deal irgendwann gemacht, das war vielleicht nicht optimal zu sagen, ab einem bestimmten Alter hast du Anspruch darauf, Rente zu bekommen.
Das wäre wahrscheinlich immer schon schlauer gewesen, das etwas flexibler zur Hand haben.
Für die einen ist das zu lang, für andere ist das zu kurz und so.
Das haben wir jetzt so, aber Anreize schaffen, dass man weiterarbeitet, am besten da arbeitet, wo man auch wirklich gut ist und dass jetzt nicht Leute anfangen sich mit Kindern zu beschäftigen, die dafür gar nicht geeignet sind, sondern im Prinzip gibt es gerade keine Branche, die nicht noch die Leute weiter brauchen würde und der beste Anreiz ist einfach steuerfrei dazu zu verdienen.
Philip BanseAlso das, was tatsächlich die Union jetzt verlangt, diese 2000 oder plant, oder nicht nur die Union, aber der Vorschlag kommt von der Union und wird wahrscheinlich von der SPD mitgetragen werden, also eben 2000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen zu können.
Ulf BuermeyerIn der Rente.
Aladin El-MafaalaniAlso ich würde es so meinen, ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Union das genau so meint, dass man seine Rente bekommt und dann steuerfrei einen nennenswerten Betrag dazu verdienen kann.
Also 2000 Euro, ich weiß nicht, ob das irgendwie berechnet wurde, ob das sinnvoll wäre.
Was natürlich unfair wäre.
Wir müssen Steuern zahlen und die, die Rentnerinnen und Rentner sind, müssen es nicht.
Es ist auch nicht ganz fair, muss einem klar sein, aber eine faire Lösung, in der Schieflage habe ich gerade schon gesagt, kriegt man nicht hin.
Eine Lösung aus einem Guss, die perfekt ist, krieg man nicht.
Philip BanseIrgendjemand muss bluten.
Aladin El-MafaalaniSo ist es.
Irgendwer muss jetzt, und weil man sie nicht mehr zwingen kann, man kann es nicht mehr jetzt ändern und man kann auch die Rente nicht kürzen.
Man kann jetzt für diejenigen, die sich darauf verlassen haben ihr Leben lang, nicht jetzt sagen, so wir senken sie nochmal um fünf Prozent.
Das geht jetzt nicht mehr, das wäre überhaupt nicht fair.
Also muss man so einen Weg gehen, den man als Gesellschaft mit Ach und Krach vielleicht hinbekommt.
Und das wäre so einer.
Aber ich fänd's jetzt nicht so toll, wenn man jetzt einfach so 2000 sagt, sondern das, was man braucht.
Also, wenn wir eine Lücke haben in der Erwerbstätigkeit, die durchschnittlich mit 2000 dann abzudecken ist, wenn das wirklich berechnet wurde, finde ich es gut.
Ich befürchte, dass das keiner berechnet hat, sondern dass das einfach nur so eine Zahl ist, die sich gut angehört hat.
Aber das ist jetzt nicht schlimm.
Ich finde, das ist eine richtig gute Sache, weil, ganz kurz, woher kommen wir?
Früher wurde die Rente gekürzt, wenn man gearbeitet hat.
Dann hat man gesagt, da sind wir jetzt.
Gerade wenn man arbeitet, wird die Rente nicht gekürzt, aber man zahlt Steuern und so weiter.
Und das, was jetzt in Zukunft kommen soll, ist, dass man sogar komplett steuerfrei das behalten kann, was man zusätzlich zur Rente arbeitet.
Das hat sich also in den letzten zehn Jahren dramatisch verändert, wie wir mit Rentnerinnen und Rentnern umgehen.
Das geht in die richtige Richtung.
Das muss aber schnell in die Richtung gehen, weil, ich sage das nochmal, wenn die Babyboomer, die ja jetzt langsam in Rente gehen, quasi ein Drittel ist schon in Rente und zwei Drittel kommen noch.
Wenn die im Rentenalter sich so verhalten, wie das in der Vergangenheit war, dann haben wir echt ein Problem.
Und man muss es jetzt auch wieder geschlechtermäßig sortieren.
Rentnerinnen haben in der Vergangenheit sich schon gut engagiert, sogar ehrenamtlich, gar nicht für Honorar oder so.
Männliche Rentner, da ist die größte Baustelle bisher gewesen, also auch hier.
Wobei ich sagen würde, Rentnerinnen waren schon auf einem richtig guten Track, aber das muss noch mal gesteigert werden.
Rentner, da sind wir noch weit entfernt von dem, was man bräuchte.
Ulf BuermeyerWir würden gerne noch auf ein anderes Thema zu sprechen kommen, das ja in Ihrem wissenschaftlichen Werk auch eine große Rolle spielt, nämlich das Thema Bildung.
Und ich glaube, das kann man auch ganz gut anbinden an das, was Sie vorher gesagt haben.
Sie sprechen von den großen demografischen Herausforderungen, vor denen wir stehen als Land.
Ein Mittel natürlich, um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist Qualifikation.
Also wir wollen natürlich, dass die Menschen in Deutschland möglichst gut ausgebildet sind, damit sie eben möglichst gut auf dem Arbeitsmarkt ihre Rolle einnehmen können.
Und eine zentrale Voraussetzung für Qualifikation ist eben Bildung.
Und die muss natürlich früh anfangen und die soll die Menschen möglichst weit führen.
Zugleich schreiben Sie aber in einem Ihrer Bücher, dass Kitas und Schulen ihre Aufgabe heute nicht mehr so gut wie früher erfüllen.
Und Sie fordern deswegen einen Kulturwandel in Kitas und Schulen.
Was meinen Sie?
Aladin El-MafaalaniJa, Kulturwandel.
Also ich muss dazu sagen, das hat natürlich damit zu tun, dass die Ergebnisse so schrecklich sind.
Es ist nicht so, dass wenn man einfach nur sich anschaut, wie es gerade aussieht in Grundschulen oder Kitas, dass man da sofort auf die Idee kommt, dass sich da alles ändern muss.
Aber wir sehen einen Abfall und der hat nichts mit der Pandemie zu tun.
Den kann man seit zehn Jahren erkennen.
Den sehen wir in jedem Bundesland.
Ulf BuermeyerEin Niedergang quasi der schulischen Leistung.
Aladin El-MafaalaniDer Kompetenzwerte in allen Bereichen außer Englisch, und jetzt jetzt kommt's, das ist wichtig, das zu erwähnen, also die heutigen Schülerinnen und Schüler können besser Englisch als wir es heute können wahrscheinlich und erst recht als wir es früher in der Schulzeit konnten und das hat gar nichts mit dem Unterricht zu tun.
Gar nicht.
Ulf BuermeyerSocial Media und YouTube.
Aladin El-MafaalaniDas ist der positive Effekt.
Philip BanseSo bitter.
Das einzige, wo es nach oben geht, hat nichts mit der Schule zu tun.
Aladin El-MafaalaniJa genau.
Ulf BuermeyerJa , aber ich meine, ganz ehrlich...
Aladin El-MafaalaniAber es ist wichtig zu erwähnen, dass man sich klarmacht, das Einzige was an schulischer Kompetenz, wir messen das ja nach schulischer Logik und selbst das, was sie bei Netflix lernen, zahlt sich aus in der schulischen Logik, in der Kompetenzmessung von PISA, IGLU, egal wo wir es machen und übrigens ist es auch schon bei Jüngeren, dass die besser Englisch können als gedacht und diese Steigerung, die hat im Übrigen auch wirklich mit Netflix zu tun, das ist...
Ulf BuermeyerDas ist gar nicht YouTube oder TikTok.
Aladin El-MafaalaniAuch, aber das ist richtig eine Mode, dass man die Serien im Original guckt.
Die besten Serien sind englischsprachig und man guckt sie sich im Original an.
Ulf BuermeyerVielleicht mit Untertiteln.
Aladin El-MafaalaniVielleicht damit, genau.
Und die besten und witzigsten Videos bei TikTok sind auch englischsprachlich und so weiter und so fort.
Und dementsprechend haben die einfach unheimlich viel mehr Englisch gehört und nicht unbedingt gesprochen, aber gehört.
Also es ist schon enorm.
Und alles andere geht runter.
Seit zehn Jahren in jedem Bundesland, in jeder Alterstufe, in der Grundschule, in der weiterführenden Schule, überall.
Und das ist etwas, was schon ein Problem ist.
Wir sind fast in einem freien Fall.
Also es geht auch so deutlich abwärts.
Der Unterschied zur ersten PISA-Stufe zum Beispiel ist nicht so dramatisch.
Wir sind schlechter, aber nicht so drammtisch.
Aber es ging ja vorher hoch.
Ulf BuermeyerMhm.
Aladin El-MafaalaniEs gab nämlich Reaktionen auf die vielen Eltern, die wahlberechtigt sind.
Auf die ist man eingegangen, man hat das Schulsystem schon aufgebaut.
Ulf BuermeyerAlso nach PISA 1.
Aladin El-MafaalaniNach PISA 1.
Also PISA ist im Jahr 2000 gemacht, dann ging es zehn Jahre lang hoch und jetzt geht es seit zehn Jahren deutlich runter, außer in Englisch in allen Bereichen.
Und zeitgleich sind halt viele andere Sachen, haben sich schwierig entwickelt.
Über Kinderarmut habe ich jetzt schon gesprochen, Gesundheit stagniert und in manchen Bereichen verschlechtert sich sogar.
Das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen, verschlechtert sich.
Ulf BuermeyerDann wollen wir es doch einmal noch auf den Begriff bringen, was aus ihrer Sicht die ganz zentralen Faktoren dafür sind.
Also ist es tatsächlich YouTube, Netflix, TikTok, die eben an der einen Stelle Englischkompetenz Vorteile bringen, aber ansonsten bei allen anderen Kompetenzen Nachteile bringen oder welche Faktore sind zental für diesen Abfall?
Aladin El-MafaalaniAlso, der aus meiner Sicht der wichtigste Faktor, wir haben aber leider nicht geahnt, dass wir diese Fragen stellen, deswegen haben wir bei den Langzeituntersuchungen die falschen Fragen gestellt.
Also niemand kann Ihnen sagen, welcher der folgenden Punkte, wie stark der Impakt jeweils ist.
Ich kann nur sagen, jeder hat einen Impakt.
Wie stark die sind, weiß ich nicht.
Ich würde jetzt erfahrungsmäßig sagen, der größte Impakt ist, dass das Verhältnis von Familie und Bildungsinstitutionen sich verändert hat.
Und das hat sich so verändert, dass wir sagen können, die Bildungsinstitutionen, jetzt auch schon Kita, ich berate ja ganz viele Führungszirkel für Kita, Weiterentwicklung und so weiter und so fort, es ist immer noch so, dass selbst in der Kita die Erwartungen an die Eltern ziemlich hoch sind.
Die Eltern müssen mitmachen, müssen sich beteiligen und so.
In der Grundschule ist es noch höher.
Und in der weiterführenden Schule war es schon immer ziemlich hoch.
Das heißt, man erwartet von den Eltern was.
Aber jetzt hat sich was verändert in den letzten Jahren.
Das wurde noch nicht von Lehrkräften, Erziehern und so wirklich begriffen, dass Eltern von den Institutionen was erwarten, dass die nämlich verlässlich ganztags sind, dass man arbeitet, dass sie sich um das kümmern müssen und so weiter.
Philip BanseDass sie Dienstleister sind.
Aladin El-MafaalaniJa, sie müssen das machen und das ist auch leider genau so richtig.
Ich rede jetzt nur über die alternde Gesellschaft.
Also man kann sich eine andere Gesellschaft vorstellen, wo Eltern eine größere Verantwortung haben.
Aber in der alternden Gesellschaft müssen relativ wenige Menschen im erwerbsfähigen Alter, und das sind alle Eltern, sind immer im erwerbsfähigen Alter, die müssen den Laden am Laufen halten.
Das Wirtschaftswachstum, die Rentenbeiträge, alles müssen die am Laufen halten.
Und leider müssen sie auch ihre eigenen Eltern irgendwann pflegen.
Vom Timing her ist es in der Regel, nachdem die Kinder schon aus dem Haus sind.
Aber das alles erwarten wir von den Menschen im mittleren Alter.
Dann kann man jetzt nicht sagen, Schule läuft weiter wie bisher.
Wir haben keine Verantwortung als Institution.
Ihr und besonders früher waren es in der Regel die Mütter, ihr müsst alle Lücken füllen.
Das geht so nicht mehr.
Und was sind die Lücken?
Das ist der Kulturwandel.
Die Lücken sind, dass sich Kita und Schule und bis jetzt Grundschule, weiterführende Schule lassen wir mal außen vor, da geht alles schief.
Aber Kita und Grundschule, das sind Institutionen, die haben sich etabliert vor 100 Jahren, im letzten Jahrhundert auf jeden Fall und da hatten wir eine andere Familienkonstellation.
Das heißt, das Berufsbild von Lehrkräften und von Erzieherinnen und Erziehern basiert darauf, entstand überhaupt unter der Voraussetzung, Eltern haben die ganze Verantwortung.
Wir machen nur ganz monofunktional ein paar Sachen und alle Lücken, die bleiben, müssen die Eltern regeln.
Wenn Kinder eingeschult werden, ein sehr hoher Anteil erlebt das als Kulturschock, weil das so ein Unterschied ist zur Kita.
Und jetzt darf man nie auf die Idee kommen, den beiden Institutionen zu folgen, weil die Grundschule sagt, die Kita bereitet die Kinder zu schlecht vor und die Kita-Leute sagen, die Grundschule übernimmt nicht das Positive, was wir machen, und wir sind keine Vorschule.
Und ich würde sagen, beides ist falsch und gleichzeitig auch richtig.
Wir haben einfach zwei Institution, die die wichtigsten sind für Kindheit heute.
Eltern haben ihr Kind lieb und so, das ist ja klar.
Aber für das, was Kindheit heute strukturell in einer alternden Gesellschaft besonders verändert, sind diese beiden Institutionen zentral.
Und die beiden folgen immer noch der Logik, dass sie eigentlich nur ihrem Auftrag, der vor 100 Jahren irgendwann sich etabliert hat, folgen.
Und die Kita folgt immer noch, ich sag das jetzt mal so hart, den Kurs, dass sie die Kinder vor der Schule schützen wollen.
Also ein typisches Argument, wenn man Interviews mit Kita-Leitungen führt, ist, die gehen noch lang genug in die Schule.
Hier müssen sie Freiraum haben.
Und das ist auch übrigens ganz gut.
Also viele Sachen laufen in der Kita gut.
Das Problem ist nur, die Schulvorbereitung läuft nicht gut.
Das heißt, die Schulen müssen sich anpassen, aber die Kitas auch.
Es muss einfach so sein, dass das für die Kinder ist.
Beide Institutionen müssen eigentlich alles so organisieren, dass es für Kinder gemacht ist und die Kinder dort gut durchflutschen.
Und nicht, dass die Erzieher und Erziehrinnen mit ihrem Berufsethos, das ist ja übrigens die Herausforderung.
Hier rede ich so entspannt.
Wenn man auf einem Kongress von denen ist, dann ist es echt anstrengend, weil ich sage eigentlich zu Leuten, die stolz auf ihren Beruf sind, seid ruhig stolz, aber seid bitte nur stolz auf 50 Prozent davon, weil die anderen 50 Prozent, die sich vor 100 Jahren etabliert haben, die werden sich radikal ändern müssen.
Philip BanseOkay aber Ulf's Frage war ja, also das eine ist der Kulturwandel.
Den haben Sie jetzt angesprochen, also, dass dieses Selbstverständnis sich ändern muss, wir sind für die Kinder da, wir sind für die Eltern da, wir sind eine Servicedienstleistung, die sich dem Kindeswohl verschrieben hat und dass das nicht irgendwie darum geht, äh Schule äh Kita, sondern das muss irgendwie Hand in Hand gehen im Sinne des Kindes.
Das ist der Kulturwandel.
Die andere Frage war ja, warum sind die Leistungen so schlecht, diese fünf Faktoren, die Sie nennen?
Und das ist der, so verstehe ich das, der eine Faktor, wenn ich schlecht Deutsch spreche in der Kita und das funktioniert nicht, dann spreche ich halt schlecht Deutsch in der Grundschule, dann spreche ich schlecht Deutsch.
Ulf BuermeyerDas zieht sich dann so durch.
Philip BanseDas zieht sich einfach durch, wenn da nicht von Tag eins drauf geachtet wird.
So würde ich das jetzt interpretieren, ist ein Punkt, warum Kinder, wenn sie einmal ein Problem haben, diese Problemen in der Grundschule zumindest nicht loswerden.
Nummer eins.
Was sind die anderen Faktoren?
Aladin El-MafaalaniAber diesen ersten Faktor will ich noch mal kurz verstärken.
Das Verhältnis von Familie und Institutionen, man könnte es jetzt hart sagen, von Familie und Staat, verschiebt sich gerade, ohne dass wir eine Strategie haben und ohne dass wir das von Kindern her denken.
Die Familie ist total unter Stress, unter Druck und sie ist nicht mehr in der Lage, die Lücken zu füllen, die man füllen muss.
Und die Lücke sind nicht nur, man kann kein Deutsch, die Lücken sind auch, das Kind ist krank.
Die Lücken sind auch, das Kind wird gemobbt.
Das sind alles Dinge, die heute viel unmittelbarer an der Schule ankommen, weil es nicht mehr die Eltern alles lösen können, weil die Eltern sind nicht mehr immer präsent.
Der spannende paradoxe Effekt ist ja, dass Eltern mit ihren Kindern so viel Quality-Zeit verbringen wie noch nie zuvor und gleichzeitig so wenig zeitlich präsent sind wie noch nicht zuvor.
Ulf BuermeyerDas ist wirklich ein interessantes Paradox.
Aladin El-MafaalaniDas ist sehr interessant.
Und das Ding ist halt, Quality Time ist gut.
Der Effekt davon ist auch, dass Kinder mit ihren Eltern ziemlich zufrieden sind, also mehr als wir mit unseren Eltern zufrieden waren.
Aber wenn man nicht präsent ist, ist man halt auch nicht gerade da, wenn gerade ein Problem ist.
Und man ist auch nicht andauernd da und kann sich Zeit nehmen, wenn irgendeine Krise gerade zu bewältigen ist.
Das sind alles Sachen, die haben sich verschoben.
Und diese jetzige Kinder- und Schülergeneration, die sind sozusagen in einem nicht durchdachten Verschiebeprozess, der durch die alternde Gesellschaft überhaupt angetrieben wurde.
Also warum haben wir einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz?
Warum machen wir Ganztagsschulen?
Also Bayern und Baden-Württemberg haben zugestimmt, das ist ja Bund und Länder mussten ja alle zusammen zustimmen, die haben zugestimmt, nachdem sie durchgerechnet haben, ja, Mist, wir können sonst gar nicht die Renten finanzieren.
Also das hat keiner für die Kinder gemacht, sondern das ist eigentlich eine Mischung aus Renten- und Arbeitsmarktpolitik gewesen.
Der Kita-Anspruch, der Rechtsanspruch darauf.
Philip BanseDamit Frauen mehr arbeiten können, damit wir mehr einzahlen, damit die Renten gezahlt werden.
Aladin El-MafaalaniUnd das Spannende ist, das funktioniert aber nicht so einfach.
Die Erwerbsquote ist schon gestiegen, aber die Erwerbstätigkeit aber nicht so doll, wie sie hätte steigen können.
Weil gerade Mütter machen das nur, wenn die Qualität auch gut ist.
Ulf BuermeyerOkay, aber wollen wir dann, ich würde jetzt trotzdem einfach gerne noch einmal diese Antwort fest klopfen.
Was sind denn jetzt diese fünf Faktoren?
Vielleicht wirklich in Stichworten, weil wir ein bisschen auf die Zeit achten müssen.
Aladin El-MafaalaniVerschiebung von Familie und Institutionen hatte ich schon gesagt.
Der Anteil an nicht in Deutschland geborenen Kindern und Jugendlichen im Schulsystem hat sich vervielfacht in diesen 25 Jahren.
Ulf BuermeyerDie wir nicht vernünftig auffangen?
Aladin El-MafaalaniDie wir nicht vernünftig auffangen.
Und man muss sich auch im Klaren darüber sein, wir haben auch ganz schlecht reagiert bei der Veränderung, auf junge Menschen einzugehen, die mit zwölf Jahren zum Beispiel kommen.
Also die praktisch einreisen nach Deutschland und sind schon nicht mehr im Grundschulalter.
Ulf BuermeyerJa, die Sprachkita hilft denen nicht mehr.
Aladin El-MafaalaniGenau, die Sprachkita hilft da nicht mehr.
Die Grundschulprogramme, die ja voll gut sind, helfen da nicht mehr und dann geht man direkt auf eine weiterführende Schule.
Dann ist das in der Regel eine Sonderschule oder eine Hauptschule.
Ulf BuermeyerHm.
Aladin El-MafaalaniUnsere Gymnasien sind darauf überhaupt nicht eingerichtet.
Wir haben immer noch die Situation, dass Deutschlehrer nicht Deutsch beibringen wollen.
Das ist auch etwas, was man in anderen Ländern witzig findet.
In jedem Fall ist das eine Herausforderung.
Also wenn wir sagen, unser System ist ziemlich darauf fixiert, dass die Eltern alles mögliche lösen, dann ist es bei Migranten natürlich so, dass die gar nicht helfen können.
Das ist besonders schwerwiegend und die Versorgung, besonders von jungen Menschen, die nicht mehr in der Grundschule oder in der Kita waren, ist richtig schlecht.
Also haben wir kaum Fortschritt.
Ulf BuermeyerAlso Sprachkompetenz, Verschiebung des Verhältnisses zwischen Eltern und Staat, das sind zwei, bleiben noch drei.
Aladin El-MafaalaniUnd ich würde nicht Sprache sagen, sondern wirklich Migration.
Es hat nicht nur mit Sprache zu tun.
Aber fassen wir es so, die Armut ist nicht nur leicht gestiegen, sondern hat sich verändert.
Ich muss das kurz erläutern, weil die Armut ist nur leicht gestiegen, aber die Kompetenzen sind ja deutlich gesunken.
Die Art und Weise, wie sich Armut verändert hat in den letzten Jahrzehnten.
Ich kann es kurz machen, wenn man Hape Kerkeling liest, der ist ja auch nicht weit von hier aufgewachsen, auch in Recklinghausen.
Ich bin ja auch im Kreis Recklinghausen aufgewachsen.
Wenn man sein Buch zum Beispiel liest oder den Film von mir ausguckt, dann sieht man, dass er wirklich in armen Verhältnissen aufgewachsen ist.
Nach heutigen Standards wird man sagen, der ist richtig arm aufgewachsen.
Und wahrscheinlich die Kaufkraft der Familie geringer als bei heutigen Bürgergeldbeziehern.
Aber man sieht auch, dass alle Erwachsenen um ihn rum daran geglaubt haben, dass morgen besser sein wird als heute.
Das heißt, die prekäre Lebenslage damals, also das, was wir damals Armut genannt haben oder Prekarität oder sonst was, basierte darauf, dass nahezu alle im Milieu daran geglaubt haben, dass die Zukunft besser werden wird, als die Gegenwart ist.
Und das hat sich ja heute für alle verändert.
Also auch wir, wenn wir drei ehrlich sind, glauben wir alle drei hier nicht, dass die nächsten zehn Jahre besser werden als die letzten zehn Jahre.
Also man muss schon sehr krass optimistisch gerade sein oder außergewöhnlich anders als die Mehrheit der Bevölkerung, weil 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung geht davon aus und wenn man Großeltern fragt, fast alle glauben, ihren Enkelkindern wird es nicht so gut gehen, wie es ihnen selber ging.
Ulf BuermeyerNicht so gut, muss man sich mal überlegen, nicht etwa besser, sondern im Gegenteil.
Aladin El-MafaalaniNicht so gut, genau.
Mir geht es gar nicht darum, ob das stimmt, ob das so kommen wird, sondern nur die Tatsache, dass man daran glaubt, dass es schlimmer wird, führt dazu, dass Armut unerträglich wird.
Weil, wenn ich arm bin und glaube daran, schon in zwei Jahren wird es besser sein, ist es voll einfach, Armut auszuhalten.
Wenn ich aber arm bin und glaube, das wird nicht besser und vielleicht wird sogar schlimmer.
Philip BanseUnd ich seh keinen Weg, wie sich das ändern soll.
Aladin El-MafaalaniSo ist es.
Und jetzt ganz kurz gefasst, da wachsen jetzt Kinder auf.
Und das, was ich jetzt gerade beschrieben habe, war sogar der Schwerpunkt meines Buchs davor, Mythos Bildung, weil das ist ja was anderes, weil gerade haben wir über Prozentzahlen gesprochen.
Wie viel Prozent der Kinder sind arm?
Das ist leicht gestiegen.
Das sind Prozentzahlen.
Aber was heißt diese Armut?
Die hat ganz doll ihren Charakter verändert.
Ulf BuermeyerAber können wir das noch ein bisschen konkreter machen?
Sie haben ja im Grunde gerade so was wie Perspektivlosigkeit beschrieben.
Man glaubt nicht mehr daran, dass es aufhört.
Der Erwachsenen.
Genau.
Wie übersetzt sich das jetzt quasi in schlechtere Bildungschancen für die Kinder oder Schulleistungen?
Wir sind ja jetzt bei dem Stichwort, die PISA Leistungen gehen radikal runter.
Woran liegt das?
Also wie übersetzt sie sich diese andere Armut, von der Sie gesprochen haben, in Schulleistungen?
Aladin El-MafaalaniAlso, jetzt ganz vereinfacht gesagt, hat das was mit Motivation zu tun.
Wenn in meinem Umfeld alle Erwachsenen daran glauben, die Zukunft wird besser, dann sind die auch alle motiviert.
Also ich spreche ja auch von resignativen Milieus, dass Armutsmilieus resignative Milieus sind.
Resignative Milieus heißt, die meisten Erwachsene sind nicht mehr so motiviert, weil sie, und das ist auch nicht negativ gemeint, sie haben die Erfahrung gemacht, dass jahrzehntelang es wirklich für sie nicht besser wurde.
Und jetzt glauben alle, es wird schlechter.
Dann glauben die natürlich auch, dass es auch für sie schlechter wird.
Und resignative Milieus bedeutet erst mal zumindest, dass die jungen Leute nicht durch ihr Milieu angetrieben werden.
Dieses angetrieben werden, wir müssen was machen.
Ulf BuermeyerDieses ich beiß mich durch und so.
Aladin El-MafaalaniUnd das ist übrigens etwas, was bei denen ohne Migrationshintergrund kein bisschen weniger stark ausgeprägt ist, als mit Migrationshintergrund.
Das ist also wirklich nichts Migrationsspezifisches mehr.
Philip BanseEin Klassending.
Aladin El-MafaalaniGenau, das ist ein Klassending in diesen verfestigten Armutsstrukturen.
Ulf BuermeyerAlso, wenn man so will, gibt es da so eine Art Habitus der Perspektivlosigkeit.
Diesen Habitus des Sich-Hinein-Fügens ins Prekariat und einfach mal so weiter und...
Aladin El-MafaalaniIch hab's selber so genannt, dass die Kinder sich nach und nach verhalten, habituell so verhalten wie Insolvenzverwalter des Alltags, Insolvenzverwalter ihres eigenen Alltages.
Und das ist jetzt, um das nochmal kurz aufzufangen, wenn das eigene Milieu Dynamik reinbringt.
Und das ist das, womit unsere Schulen bisher Erfahrungen hatten, wenn sie mit Armut zu tun hatten, dass die von sich aus in Dynamik reinbringen, dass Eltern hoch motiviert waren und die Kinder entsprechend auch motiviert sein sollten und so weiter.
Und dann heißt das natürlich, dass der Auftrag heute, auch wenn die Prozentzahl der Armut gleich wäre, komplett ein anderes, eine komplett andere Herausforderung, weil die Qualität der Armut hat sich verändert.
Philip BanseSchule müsste da Perspektiven aufzeigen, Chancen aufzeige, Wege aufzeigen, Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigten.
Aladin El-MafaalaniMan muss sich richtig intensiv um Motivation kümmern, Motivation und Selbstwirksamkeit.
Philip BanseDas waren jetzt drei, wenn ich gesehen habe, Kulturwandel, Sprachen/Migration und Motivation.
Aladin El-MafaalaniUnd Digitalisierung wäre dann auf jeden Fall das Vierte.
Ulf BuermeyerAlso Ablenkung?
Aladin El-MafaalaniHaben wir gerade nicht drüber gesprochen, nicht nur Ablenkungen, sondern auch Risiken.
Wir haben dazu keine richtig vernünftig gemachten guten Studien, aber die, die wir haben, zeigen, dass so beim Übergang von Grundschule zu weiterführenden Schule so ungefähr 10 Jahre alt, 11 Jahre alt ist, das Durchschnittsalter, wann Kinder das erste Mal mit pornografischen Inhalten in Berührung kommen, so früh wie noch nie im Durchschnitt.
Wann sie das erste Mal Gewaltdarstellungen, und zwar krasse Gewaltdarstellungen sehen, Verschwörungstheorien und so weiter und so fort, also auch solche Sachen, neben, dass es motorische Entwicklung und so weiter, Hand-Auge-Koordination und so, das sind alles Dinge, die dadurch geschwächt sein können.
Aber bis hin dazu, dass man so ein Smartphone hat, selbst wenn man es nicht benutzt, scheint die Aufmerksamkeit zu binden.
Selbst dann, wenn es so liegt, aber es ist an, es könnte da jetzt was sein und so.
Selbst da kann man was messen, das heißt total viele Risiken, die wir vollständig abbekommen, ohne dass wir die Vorteile von digitalen Möglichkeiten in der Schule nutzen.
Die Kids nutzen sich schon, Englischkenntnisse, aber das ist auf jeden Fall wirklich eine große Baustelle.
Das ist übrigens deshalb auch so überzeugend, dass das ein Grund sein kann, weil zum Beispiel selbst Länder, es gibt Länder, die haben keine so stark verfestigten Armutstrukturen, die hatten kaum Migration und hatten auch einen Rückgang.
Und das, was ja eben alle hatten, ist Digitalisierung.
Spannend ist halt, dass es ein paar Länder gibt, die trotz all dem besser wurden in der letzten Zeit, zum Beispiel Großbritannien.
Also in der Zeit, wo wir abgefallen sind, wo all diese Sachen passiert sind, gab es bei denen Verbesserungen, schon im Grundschulalter und so weiter.
Philip BanseGibt es da Studien, woran das liegt?
Aladin El-MafaalaniSo richtig gute halt nicht, weil wir überall nicht daran gedacht haben, was uns heute interessieren könnte, dass man es vergleichen könnte.
Wir haben jetzt darauf reagiert, bestimmte Dinge zu fragen, aber wir haben diese Infos nicht von früher.
Wir können nicht sehen, was sich da verändert hat.
Philip BanseDigitalisierung war vier.
Nummer fünf?
Aladin El-MafaalaniUnd das fünfte, würde ich sagen, hat zu tun mit der Ausstattung der Schulen, der Art und Weise, wie die Institutionen reagiert haben.
Dass die Professionen unheimliche Beharrungskräfte haben.
Dass sich so wenig wie möglich ändert.
Dass Lehrkräfte so wenig, wie möglich anders machen und so.
Und im Übrigen auch die Ausbildung.
Also es ist jetzt nicht so, dass man Lehrkräften für alles verurteilen kann oder Erzieherinnen und Erziehern.
Die Ausbildung, die sie genossen haben und die Fortbildung, sie sie genießen könnten, sind überhaupt nicht auf dem Stand der Zeit.
Also wir sind noch aus diesem letzten Jahrhundert.
Und da kommen wir übrigens auch zu einem wichtigen Problem, wie ich finde.
Man denkt immer, die Ausbildung mal eben ändern.
Jetzt bin ich ja Uni-Prof und kann sagen, dass an der Uni die Lehramtsausbildung ändern, das ist ja noch schwerer, als das Schulsystem zu ändern.
Weil sie müssten ja irgendwelchen Professoren sagen, dass die jetzt was anders machen.
Und Freiheit von Forschung und Lehre, das ist sehr schwer, dass die Unis sich ändern.
Das heißt, das Erste, was ich machen würde, wäre Fortbildung.
Die Fortbildung der Lehrkräfte.
Philip BanseExistierenden Lehrkräfte.
Aladin El-MafaalaniDa hat man sofort Effekte.
Die Nachfrage nach Fortbildung ist total hoch, weil die Lehrkräfte ja merken, dass die Dinge nicht mehr funktionieren.
Die Resonanz auf das Buch war ja enorm und die Resonanz war fast ausschließlich: geile Analyse.
Jetzt haben wir eine Ahnung davon, warum wir vorher das Gefühl hatten.
Also sozusagen eine reflexive Ebene auf das Gefühl zu bringen.
Also Fortbildung wäre das Erste und das Zweite, was man einführen könnte, und beides kostet gar nicht so viel Geld erstmal, ist Partizipation von Kindern und Jugendlichen.
Weil das Spannende ist, diese wenigen Untersuchungen, die man hat, gute Untersuchung, wo man die Grundschulkinder fragt.
Das ist supergut.
Also die Beurteilung des Schulklimas, die Beuerteilung der Motivation, die Beutrteilung der Unterrichtsqualität der Kinder.
Das ist voll gut.
Und im Übrigen erfährt man dann auch, dass es Mobbing gibt.
Was sie in der digitalen Welt erleben.
Kids checken anscheinend schon recht schnell, dass die Befragung anonymisiert ist.
Und dann sagen sie Dinge, die sie den Lehrkräften nicht gesagt haben und ihren Eltern nicht gesagt haben.
Zum Beispiel auch Ängste auf dem Weg zur Schule.
Dass sie jeden Morgen Angst haben an einer bestimmten Stelle auf dem Weg zur Schule oder auf dem Pausenhof oder im Klassenzimmer.
Ängste sind ein großes Thema bei solchen Grundschulbefragungen.
Und ob sie es glauben oder nicht, solche Befragerung gibt sind in Kanada zum Beispiel Standard.
Standard, dass genauso wie Kompetenzen abgefragt werden.
Wird das Wellbeing der Kinder abgefragt.
Philip BanseWie fühlst du dich?
Deine psychosoziale Gesundheit.
Aladin El-MafaalaniGenau, genau.
Und das, worüber Peter Strummer ein ganzes Kapitel geschrieben hat, ist diese Uwe-Untersuchung, finde ich wirklich krass.
Ulf BuermeyerUwe?
Das ist eine Studie wahrscheinlich.
Aladin El-MafaalaniGenau.
Umwelt, Wohlbefinden, Entwicklung.
Das ist die Abkürzung dafür.
Und bei dieser Befragung werden dann Grundschulkinder gefragt, O-Ton, gibt es an deiner Schule einen Erwachsenen, dem du wirklich wichtig bist.
Dem du wirklich, wirklich wichtig bist.
Und das ist natürlich krass.
Was da auch für Ergebnisse kommen.
Und wenn man das dann Lehrkräften vorstellt, dann ist das schon krass!
Viel zu viele sagen nein.
Und eine durchschnittliche Grundschullehrerin, das entspricht nicht dem, wie sie das sieht.
Deswegen bin ich ja dafür, das sofort einzuführen, weil die Reaktion der Lehrkräfte kommt unmittelbar dann, ohne dass es Geld kostet.
Philip BanseNur weil man die Kinder befragt und die Lehrkräfte diese Ergebnisse wahrnehmen und sehen, ändern sie ihr Verhalten.
Aladin El-MafaalaniNatürlich, weil das Ding ist ja...
Ulf BuermeyerDas entspricht ja nicht dem Selbstbild, ne?
Aladin El-MafaalaniJa, genau.
Aber das entspricht auch nicht der eigenen Realität.
Also stellen Sie sich nur vor, eine Lehrerin reißt sich den Arsch auf, geht in der Woche immer ganz spät ins Bett, weil sie sich vorbereitet für die Kinder, ist dann aber im Unterricht gestresst, müde usw.
Und die Kinder haben das Gefühl dann bei der Befragung, ich bin niemandem wichtig hier.
Und übrigens ist es ja ein Indikator dafür, dass es egal ist, dass ich da bin.
Ich werde nur als Schüler gesehen und nicht als Aladin, als Mensch.
Und das spiegelt man Lehrkräften zurück.
Ich würde sagen, die meisten reagieren darauf sofort und fühlen sich in ihrem Berufsethos völlig angegriffen.
Philip BanseMachen aber nicht dicht, sondern ändern was?
Aladin El-MafaalaniÄndern was.
Es ist ja ganz einfach.
Also es bringt ja nichts, wenn...
Ulf BuermeyerIch glaube, es ist in der Realität manchmal nicht so ganz einfach, aber...
Aladin El-MafaalaniAber wenn man weiß, wenn wir jetzt wissen, dass unsere Partner, unsere Freunde, wer auch immer, dass die das Gefühl haben, ich bin euch egal.
Solange wir das nicht wissen, verhalten wir uns weiter so und denken, es ist ja alles gut.
Wenn wir das wissen und es ist aber nicht richtig, können wir sofort unser Verhalten ändern.
Und bei professionellen, wir haben jetzt gerade über Privatleben gesprochen, wenn ich Profi bin, Lehrkraftprofi mit einem Berufsethos, dann kann das sogar eine dauerhafte Änderung herbeiführen, Weil dann merke ich mir, es kommt nicht darauf an, ob die mir wichtig sind, sondern es kommt darauf an, dass die merken, dass die mir wichtig sind.
Darauf kommt es ja an.
Und das kann man organisieren.
Also das jetzt mal so als Beispiel.
Wenn man jetzt dann auch noch solche Umfragen macht und die Probleme, die dann rauskommen.
Und da kommen immer Probleme raus.
Es gibt pro Großstadt nur eine Schule, wo es kaum Probleme gibt.
Eine Grundschule, alle anderen haben Probleme, aus Sicht der Kinder.
Und wenn man dann überlegt, wie kriegen wir die Probleme gelöst?
Aus Sicht der Kinder?
Und ich wäre sogar dafür viel radikaler.
Also die Kinder können alles mitentscheiden.
Nicht alleine, aber alles mit entscheiden.
Bis hin zu, wann gibt es Pausen, wie lange sind Pausen?
Dass man gemeinsam überlegen muss, nur weil seit 200 Jahren das so ist, wie es jetzt ist, heißt es nicht, dass das so bleiben muss.
Rechtlich geht das in jedem Bundesland.
Jetzt schon.
Dass alle gemeinsam überlegen, wann die Pause machen.
Philip BanseAber das ist natürlich enorm hoch, auch der Anspruch an die Organisation in der Schule.
Ich hab das ja auch in der eigenen Schulbiografie von meinen Kindern mitgemacht.
Da waren YouTube-Stars in den Schulen und ich hab gefragt, sag mal, habt ihr die mal zeigen lassen, was sie da machen?
Habt ihr deren Know-how über Social Media, YouTube-Filme machen, Ton machen, Dramaturgie, blablabla?
Hat das mal irgendjemand abgefragt?
Nein.
Warum?
Ja, da müssten wir ja hier und wir haben ja den Lehrplan und wir haben auch keinen Raum dafür und wir müssen ja auch irgendwie durchkommen und so weiter und so fort.
Neben diesen ganzen Selbstverständnisgeschichten, wer bin ich denn, der sich was von den Schülern erzählen lässt und so.
Das kommt dann auch noch dazu.
Aber das stellt natürlich enorm hohe Anforderungen an die Organisation, an den Lehrplan, an die Räume, an wie viel Zeit verbringen wir hiermit?
Wie prüfen wir das denn eigentlich?
Aladin El-MafaalaniUnd das ist der Kulturwandel.
Wenn man als Grundschule die Haltung vertritt, auch die Organisationskultur entwickelt, dass wir in Teilen familiärer werden, dann reicht es schon.
Dann reicht es.
Also in jeder Familie, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter YouTube-Star wird, können Sie daran nicht mehr vorbei.
Also selbst wenn sie meinen, ich bin cooler als Vater, als was ihr macht, da kann man nicht mehr dran vorbei.
Also man würde alle Probleme lösen.
Wenn Kinder das Gefühl haben, ich bin nicht wichtig, dann wird das sofort auch in der Familie artikuliert werden müssen.
Und das ist mein Argument.
Mit Niklas Luhmann gesprochen.
Familie als System in einer modernen Gesellschaft, ist ein ganz komisches System, weil es ist nicht funktional differenziert.
Es ist multifunktional, sobald Kinder da sind, weil Kinder eben strukturelle Außenseiter sind.
Die Eltern müssen für die Kinder in allen Systemen vermitteln.
Kind ist krank, medizinische Systeme, Sportsystem, Bildungssystem, Rechtssystem.
Also die Eltern sind praktisch die Brücke, weil die Kinder selber keine Akteure sein dürfen.
So, und wenn man jetzt sagt, und das ist eigentlich die Logik, die man verstehen muss, wenn die Familien nicht mehr das so ausfüllen können, weil sie ja andere Aufgaben jetzt bekommen, den Laden am Laufen zu halten mit weniger Man- und Womanpower, muss die Schule multifunktional werden.
Die Familie bleibt multifunktional, auch, aber die Schule und die Kita muss multifunktional werden.
Und das ist einfach systemtheoretisch die Übersetzung von familiärer.
Ein paar Funktionen der Familie mit übernehmen, nicht vollständig ersetzen, aber teilweise ersetzen.
Und wenn man das versteht, dann gehen alle Ausreden nicht mehr.
Also alle Ausreden, die Sie gerade genannt haben, warum das überfordernd wäre, das funktioniert nur, wenn man meint, das ist ja nicht unsere Aufgabe.
Und das wäre die dritte Sache, die ich sofort machen würde, alle Schulgesetze ändern.
Erstens muss rein, dass jährliche Befragung der Schülerinnen und Schüler verpflichtend sind.
Und zweitens muss da rein, dass der Auftrag, der Kernauftrag der Institution um zwei, drei Punkte erweitert wird.
Weil in Deutschland funktioniert es nur, wenn es im Gesetz steht.
Und da hätten wir jetzt drei Sachen, die man einführen kann, noch bevor Geld da ist.
Später brauchen wir auch noch Geld.
Ulf BuermeyerDas führt natürlich schon dazu, dass man in der Schule auch mehr Geld ausgeben muss.
Da braucht man nämlich neue Stellen, das können vielleicht nicht alles Lehrkräfte und müssen vielleicht angesichts des Lehrer:innenmangels auch nicht alles Lehrkräften, da braucht man dann vielleicht mal Sozialarbeiter:innen oder so was.
Aladin El-MafaalaniSenioren, nebenbei Geld verdienen.
Unbedingt.
Ehemalige Lehrkräfte und so weiter und so fort.
Also genau so, aber es gibt Sachen, die kann man machen, die erst mal am Anfang noch kein Geld für kosten und später Geld kosten und manche Sachen kosten sofort Geld, die Umbaumaßnahmen und so fort, aber ich wüsste Sachen die man dieses Jahr entscheiden kann und man braucht erst in zwei Jahren Geld, das kann man dann langsam angehen, aber zu dem Kulturwandel ist der andere Lösungsansatz auch ein krasser Investitionsschub.
Und der ist auch ordentlich.
Also das Startchancenprogramm, das sind zwei Milliarden im Jahr, da muss man mindestens eine Null noch dran machen.
Philip BanseAlso das ist dieses Programm, wo Bund und Länder gemeinsam Geld gezielt in Schulen geben, wo es halt viele dieser Probleme gibt, um diesen Schulen mehr Möglichkeiten zu geben.
Ulf BuermeyerWo einfach ein besonders hoher Anteil ist von Kindern mit wenig Ressourcen von zu Hause und das haben Sie ja jetzt gerade aus verschiedenen Perspektiven dargestellt, warum einfach in den Elternhäusern wenig Ressourcen da sind und zwar selbst in Elternhäusern, die materiell noch ganz gut aufgestellt sind, einfach wegen der Überforderung der Eltern als System Familie, wie Sie das gerade geschildert haben.
Und das schlägt natürlich ganz schön die Brücke vielleicht zu dem letzten Punkt, den man noch ansprechen sollte aus meiner Sicht, denn Sie machen sich ja auch große Sorgen, dass unser Bildungssystem heute bereits bestehende soziale Unterschiede, also quasi Ressourcenunterschiede in den Familien eher verstärke, so Ihre These, anstatt diese Unterschiede auszugleichen.
Aladin El-MafaalaniJa, also wenn man zu viel von den Eltern erwartet, dann verstärkt man die Differenzen, weil manche können das erfüllen, andere sogar über erfüllen, andere können es gar nicht erfüllen.
Und das ist jetzt so wichtig, genau so zu fragen, wie Sie fragen, weil ich würde sagen, wir sind jetzt in eine Zeit gekommen, wo wir weniger Eltern und weniger Kinder haben und der Anteil der Eltern, die diese Erwartungen, selbst wenn sie wollten, nicht erfüller können, ist aus meiner Sicht schon deutlich über 50 Prozent.
Ulf BuermeyerDas heißt, die Schule muss sich ändern, es geht einfach nicht abders.
Aladin El-MafaalaniNicht mehr anders darstellbar, außer irgendwer kommt jetzt auf die Idee, dass wir die ganze Gesellschaft ändern, den Kapitalismus abschaffen.
Also es gibt schon Szenarien, die möglich sind, aber die sind nicht realistisch.
Also das, was wir jetzt gerade haben und wohin sich die Gesellschaft entwickelt, das bedeutet, die Institutionen müssen einen enormen Kulturwandel vollziehen, weil Eltern arm sind, weil Eltern neu zugewandert sind, weil Eltern psychisch krank sind, weil Eltern suchtkrank sind, weil Eltern beide arbeiten müssen, um über der Armutsgrenze zu sein.
Das ist der häufigste Grund, warum Mutter und Vater mit hoher Stundenzahl arbeitet.
Das sind nicht Dual-Career-Familien.
Der häufigste ist im Niedriglohnsektor, weil das Gehalt von einem gar nicht reicht und selbst von anderthalb nicht besonders viel ist und so weiter.
Und wenn man das alles zusammenrechnet, kommt man vielleicht sogar auf 60 Prozent oder vielleicht sogar noch mehr, auf noch mehr Prozent.
Und wenn man dann noch die Menschen hinzuzählt, die zwar die Erwartungen erfüllen könnten, aber aus anderen guten Gründen sagen, nein, wir wollen Karriere machen, wir wollen reisen und so weiter und so fort, wir wollen uns selbst verwirklichen.
Wenn man die dann auch noch dazu nimmt, dann sind wir ganz schnell bei 80, 85, vielleicht sogar 90 Prozent.
Aber mir ist wichtig, die, die selbst, wenn sie wollten, keine Chance haben.
Und das ist die absolute Mehrheit.
Und das war früher anders, nur dass es klar ist, das war in den 90er Jahren noch ganz anders.
In den 90ern war das System ungerecht, weil 20 bis 30 Prozent der Familien die Erwartungen nicht erfüllen konnten.
Das ist unfair, aber die Mehrheit war dadurch nicht negativ belastet.
Im Augenblick ist unser System für die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen so nicht in Ordnung.
Ulf BuermeyerAlso das ist ganz interessant, weil das in gewisser Hinsicht auch spiegelt, was wiederum Menschen, die im Bildungssystem tätig sind, uns erzählen.
Also ich habe da im Freundes- und Familienkreis verschiedene Menschen, die als Lehrerinnen oder Lehrer tätig sind und deren Wahrnehmung ist, Eltern werden immer aggressiver.
Eltern stellen sich wie die Löwen vor ihre Kinder.
Die Kinder werden idealisiert.
Mein Kind ist toll.
Und an der Schule wird immer mehr verlangt.
Und das ist natürlich spiegelbildlich ziemlich genau das, was Sie sagen.
Die Schule verlangt von den Elternhäusern zu viel, was die Elternhäuser nicht mehr leisten können.
Und dann entstehen diese wechselseitigen Wahrnehmungen.
Jeder denkt, die andere Seite will zu viel von mir.
Ist das, würden Sie das unterschreiben?
Ist mein Eindruck gerade, den ich bekomme aus dem, was Sie sagen und dem, was ich so höre aus den Schulen.
Das ist natürlich anekdotisch, nicht empirisch valide.
Aber ist das tatsächlich dieser Clash der wechselseitigen Erwartungen?
Aladin El-MafaalaniJa, aber ich würde sagen, das ist jetzt nicht ein so krasses Massenphänomen, dass Eltern sich vor ihre Kinder stellen und nur der Schule Vorwürfe machen oder so.
Ulf BuermeyerIch meine gar nicht Vorwürfe, aber dass sie sich vor die Kinder stellen und Anforderungen der Schule an die Kinder quasi reflexhaft abgewehrt werden von vielen Eltern, nicht von allen.
Aladin El-MafaalaniMeine Deutung von solchem Verhalten, was es garantiert heute häufiger gibt als in der Vergangenheit, ist, dass Eltern merken, dass irgendwie alles nicht mehr funktioniert und dann überreagieren und versuchen, das, was nicht funktioniert, selbst zu kompensieren.
Aber meine These ist, das können die gar nicht.
Also das, das unsere Gesellschaft nicht mehr im Stande ist, zu leisten für eine kindergerechte Umwelt, das versuchen manche selbst in die Hand zu nehmen und reagieren dabei über, da kommen so Auswüchse, da gibt's auch so Helikoptereltern, dieses Phänomen und so weiter.
Das würde ich schon entschuldigen, also das würde ich entschuldigen in der Hinsicht, Elternschaft ist in der aktuellen Zeit, so wie wir die Gesellschaft beschreiben, muss das ein krisenhaftes Phänomen sein.
Familie ist ein krisenhaftes Phänomen, mehr als es wahrscheinlich jemals war im Augenblick.
Und das ist jetzt nichts Schlimmes, man muss das dann managen.
Das ist halt nur so, dass man nicht in einem entspannten Gleichgewichtszustand so dauerhaft ist.
Und wenn man dann merkt, den Kindern geht es nicht gut und es ist auch so anders vielleicht als in der eigenen Kindheit alles und es geht ihnen nicht gut, dann reagiert man vielleicht über.
Philip BanseFür mich klingt es wirklich wie so ein System, was auf beiden Seiten nicht leistungsfähig ist und dann alle merken die Ansprüche, alle sehen sich mit ihren eigenen Defiziten konfrontiert, die sich auch an ihren Selbstansprüchen und an den Fremderwartungen reiben.
Das passt alles nicht mehr und das erzeugt Stress und irgendwo muss man damit hin, also geht man halt zur Schule, die halt nicht mehr das leistet, was sie eigentlich leisten sollte und die Lehrer drehen hohl, weil die Eltern auf einmal ankommen und irgendwas wollen und sie wissen vielleicht schon, dass sie irgendwie Dienstleister sein müssen, aber können das nicht, weil ihnen alles Mögliche fehlt.
Was mich noch mal zum Schluss interessieren würde, wäre, also wir sind uns wahrscheinlich einig, dass der Großteil der Schulen in Deutschland diesen Kulturwandel noch nicht mal angefangen hat, geschweige denn durchlebt hat, aber kennen Sie denn Schulen, die sich geändert haben, wo das funktioniert oder gibt's die nicht?
Aladin El-MafaalaniDoch, es gibt schon Schulen, die sich da auf dem Weg gemacht haben.
Die meisten, die ich besucht habe, die wir auch in Forschungsprojekten zum Beispiel integriert haben, aber die ich auch so, ich besuche oft Schulen aus verschiedenen Gründen, auch zum Beispiel, um die Veränderung der Schülerschaft zu analysieren.
Meist ist es der Handlungsdruck.
Also, es ist nicht so, dass man sich denkt, komm, wir machen jetzt hier ganz hippe, sexy, pädagogische, neue Sachen.
Sondern, die Dinge funktionieren nicht.
Und wenn die Dinge nicht funktionieren, gibt es halt zwei extreme Szenarien.
Das eine ist, die Schule funktioniert dann irgendwann auch nicht und dann ist die Bildzeitung schnell da.
Oder die andere Variante ist, man hat eine kritische Masse an mutigen, kreativen Leuten im Kollegium und die machen dann einfach Sachen.
Und das ist ziemlich spannend.
Ich frage dann ja immer und will wissen, warum die so coole Sachen machen.
Und die haben das alle nicht gelernt.
Dann fangen Leute, die es gut meinen, die nachdenken, die sich selber ein bisschen weiterbilden, fangen dann Sachen an, zu entwickeln.
Also als Beispiel, mittlerweile machen, nicht weit weg von hier, ich werde jetzt keinen Namen nennen, aber nicht weit von dem Standpunkt, wo wir jetzt gerade in Dortmund sind, in der Dortmunder Nordstadt, haben Pädagogeninnen und Pädagogen Sachen entwickelt und jetzt spricht man von pädagogischem Tourismus, dass hier aus ganz Deutschland Leute hier hinkommen, um sich das anzugucken.
Das heißt also, die innovativsten Sachen, ist sowieso mal eine Überzeugung, entstehen nicht an Unis, sondern entstehen in der Praxis, weil Leute dann mutig sind, aber es, immer dann, wenn ich es gesehen habe, wenn ich es jetzt persönlich gesehen habe, war es Handlungsdruck.
Dinge haben schon nicht mehr funktioniert und dann hat man reagiert.
Und was dann immer passiert ist, in meiner Sprache jetzt übersetzt, sie haben ihren Auftrag erweitert und gesehen, dass die Eltern bestimmte Dinge gar nicht erfüllen können und haben dann versucht, durch andere Expertise, durch Kooperationen, durch Synergieeffekte, das zu kompensieren, was sonst nicht funktioniert hätte.
Philip BanseEine Nachfrage dazu.
Man könnte das ja brandmarken als Progression, Fortschritt entsteht durch Zufall, weil halt irgendwie eine Gruppe von Leuten zufällig in so einer krisenhaften Schule zusammengekommen ist, die lassen sich was einfallen, dann geht es voran.
Das kann so nicht sein in einem organisierten Staat, wir können es nicht dem Zufall, dem personellen Zufall überlassen.
Man könnte aber, wenn ich Sie richtig verstehe, sagen, das ist der einzige Weg, wie es vorangeht.
Aladin El-MafaalaniMeiner Meinung nach sehe ich keinen anderen.
Und da müssen wir Schulgesetz ändern, dass nicht mehr nur die Leute mehr tun, als im Schulgesetz steht, weil sie merken, es geht sonst nicht, sondern dass klar wird, alle müssen das jetzt tun.
Und dann hätte das, glaube ich, einen ganz guten Effekt.
Und im Übrigen, ich glaube sowieso, dass in spätestens fünf Jahren wird sich total viel ändern.
Weil im Augenblick kriegt ja keiner das mit, worüber wir ein Buch geschrieben haben.
Weil es ist nicht, es geht nicht um Gen Z.
Gen Z, worüber sich die Arbeitgeber gerade ändern, das sind die mit den besten Ergebnissen im Bildungssystem.
Besser als wir drei hier.
Wir drei, wie wir hier sitzen, waren schlechter, unsere Generation war garantiert schlechter gemessen, als die Gen Z über die sich jetzt gerade alle aufregen.
Ich rede über die, die noch gar nicht auf dem Arbeitsmarkt sind.
Sobald die auf dem Arbeitsmarkt sind, dann werden Anpassungen vorgenommen, bin ich sehr sicher.
Aber das ist erst in fünf, sechs Jahren und wenn wir in fünf, sechs Jahren erst anfangen, dauert das 15 Jahre, bis wir wieder die Kurve kriegen.
Und ich finde es ganz gut, wenn wir jetzt anfangen, dann könnten wir vielleicht schon Anfang der 2030er...
Philip BanseWir geben unser Bestes!
Ulf BuermeyerWir geben unser Bestes, dafür machen wir konstruktiven Journalismus.
Aladin El-MafaalaniSehr gut, danke.
Ganz herzlichen Dank.
Das war Aladin El-Mafaalani.
Er ist Soziologe, wie man, glaube ich, ganz deutlich gehört hat in diesem Gespräch.
Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit, ganz herzlichen Dank für Ihre Einsichten in Bildung und Gesellschaft.
Ich danke Ihnen.
Vielen Dank.
Philip BanseDas war die Lage für diese Woche.
Wir danken euch für euer Interesse an diesem Thema, für eure Geduld.
Wir freuen uns auf weitere Folgen, wenn ich das richtig sehe?
Ulf BuermeyerSo sieht's aus.
Schön, dass ihr dabei wart.
Wir wünschen euch weiterhin einen schönen Sommer und wir hören uns in Bälde wieder.
Bis dann.
Philip BanseTschau.