Episode Transcript
Susanne: Nicht einmal Gott könnte Cost Averaging schlagen, behauptet Nick Maggiulli, Chief Operating Officer von Ritholtz Wealth Management und Autor der Blogs “Of Dollars and Data”.
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Samuelson hat Werbung mit dem Cost-Average-Effekt hingegen als “Fehlleistung, wenn nicht gar ein Verbrechen” bezeichnet.
Wer hat nun Recht?
Und was heißt das Ganze für dich?
Das schauen wir uns heute an.
Ich bin Susanne und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge justETF-Wissen!
Cost-Average-Effekt: Was ist das?
Wenn du per Sparplan in ETFs investierst, ist er dir bestimmt schon begegnet: Der Cost-Average-Effekt oder auf Deutsch “Durchschnittskosten-Effekt”.
Was ist damit überhaupt gemeint?
Stell dir vor, du sparst 20 Jahre lang regelmäßig 300 Euro im Monat über einen ETF-Sparplan.
Wenn du dir die Abrechnung deines Brokers anschaust, wirst du feststellen, dass du nicht immer die gleiche Anzahl an Anteilen für dein Geld bekommst, sondern sie variiert – je nachdem, wie der Kurs gerade steht: Wenn es gerade an den Börsen “nicht gut läuft”, sind die Kurse niedrig – du bekommst also mehr fürs gleiche Geld.
Man könnte auch sagen: Du kaufst günstig ein.
Wenn die Kurse steigen, wird der einzelne Anteil hingegen teurer, du bekommst also weniger für deine 300 Euro.
Auf diese Weise entsteht über die Jahre hinweg ein durchschnittlicher Kurs.
Man könnte auch sagen: Der Cost-Average-Effekt glättet deine Einkaufskosten.
Ist der Cost-Average-Effekt ein Mythos?
Die große Frage ist: Womit schneidest du besser ab – mit einer Einmalzahlung oder indem du das Investment streust und den Cost-Average-Effekt nutzt?
Dummerweise lässt sich das immer erst im Nachhinein feststellen.
Bei einer Einmalzahlung kannst du natürlich Pech haben und kurz vor einem Crash einsteigen.
Dann hast du teuer eingekauft und es dauert eine Weile, bis die Kurse sich so weit erholt haben, dass du wieder im Plus bist.
Aber andersherum kann es ja sehr gut laufen an der Börse.
Wenn du in der Zeit nicht investiert bist, sondern das Geld auf deinem Girokonto herumliegt, bekommst du weniger Rendite raus als möglich wäre.
Diese verlorene Rendite bezeichnet man übrigens als “Opportunitätskosten”.
Wir haben uns das mal an einem Beispiel angeschaut und gehen dafür drei Jahrzehnte in die Vergangenheit zurück, bis in die 90er Jahre.
In der Zeit gab’s an der Börse einige Krisen: die Dotcom-Blase, die Finanzkrise 2008/2009, gefolgt von der Eurokrise und 2020 der Einbruch infolge der Corona-Pandemie.
Wir investieren in einen fiktiven MSCI World ETF, der 0,2 Prozent TER im Jahr kostet.
Was wäre nun herausgekommen, wenn wir 300 Euro jeden Monat über einen Sparplan angelegt hätten?
Eingezahlt hätten wir dann insgesamt 108.000 Euro.
Bis Sommer 2023 hätte sich dieser Einsatz ungefähr vervierfacht!
Das Depot wäre zu diesem Zeitpunkt knapp 410.000 Euro wert gewesen.
Und was hättest du erreichen können, wenn du die 108.000 Euro zu Beginn auf einen Schlag investiert hättest?
Tja, der Einstiegszeitpunkt 1993 war relativ günstig, trotz der folgenden Dotcom-Krise.
Deshalb hättest du tatsächlich einen sehr viel besseren Schnitt gemacht: Im Sommer 2023 wäre dein Depot über 1,2 Millionen Euro wert gewesen.
Also: Die Krisen zwischendrin haben zwar deine Kosten im Schnitt gedämpft.
Aber das konnte die Opportunitätskosten, die durch die guten Phasen entstehen, einfach nicht wettmachen.
Rein mathematisch betrachtet, gibt es durch den Cost-Average-Effekt keinen Vorteil für einen ETF-Sparplan gegenüber einer Einmalanlage.
Oder funktioniert er doch?
Aber wenn man mal ehrlich ist: Wie viele Menschen haben mal eben 100.000 Euro oder mehr rumliegen?
In der Regel ist die Rechnung “Einmalanlage versus Sparplan” realitätsfern.
Deshalb schauen wir uns jetzt mal Nick Maggiullis Analyse genauer an.
Er vergleicht die Anlage per Sparplan mit einer Strategie des Market Timings, nämlich “Buy the Dip”.
Dabei versucht man, möglichst günstig zu kaufen, also immer dann, wenn die Kurse unten sind.
Für seine Analyse verwendet Maggiulli den S&P 500 als Basis und betrachtet Anlageperioden von 40 Jahren Länge zwischen 1920 und 2019.
Der Sparplan-Anleger investiert dabei monatlich 100 Dollar, den “Buy the Dip” Investor versieht Maggiulli mit hellseherischen Fähigkeiten: Er kennt den Tiefpunkt zwischen zwei Allzeithochs genau und investiert immer nur dann – in der Zeit dazwischen spart er.
Die investierte Summe ist in beiden Fällen die gleiche und die Assets werden gehalten.
Eigentlich ein klarer Fall: Wenn man immer weiß, wann der Tiefpunkt kommt, muss Buy the Dip das Rennen gewinnen!
Tatsächlich sagt Maggiulli: Nein, Buy the Dip liefert in 70 Prozent der Zeit eine Underperformance.
Wie kann das sein?
Es hängt damit zusammen, dass es gar nicht so oft solche Dips gibt.
Tatsächlich gibt es an der Börse tendenziell häufiger gute Phasen als schlechte – allerdings bringen die Verlustphasen meist relativ heftige Einschnitte und es dauert eine Weile, bis sie wieder ausgeglichen sind.
Dazu kann ich euch übrigens ein Youtube-Video von “DorFuchs” empfehlen; der hat dieses Phänomen in verschiedenen Grafiken sehr schön aufgedröselt und erklärt.
Den Link packe ich euch in die Beschreibung.
Wenn es gerade am Anfang mehrere, starke Dips gibt, ist man mit der Strategie “Buy the Dip” im Vorteil, weil man häufig investiert und das Vermögen in der folgenden Erholungsphase stark wächst.
Die besten Perioden dafür waren nach Magguillis Analyse die Zeiträume von 1928 bis 1957 und von 1995 bis 2018.
Doch was, wenn du keinen so guten Einstiegszeitpunkt hast?
Dann dauert es möglicherweise lange, bis du investierst – während der Sparplan-Anleger kontinuierlich dabei ist.
Die Opportunitätskosten der entgangenen Rendite-Chancen wirken sich so stark aus, dass Buy the Dip in der Regel schlechter abschneidet als das Sparplan-Investment.
Besonders schlecht war die Phase von 1975 bis 2014, schreibt Maggiulli.
Denn hier verpasste man mit dieser Strategie knapp den Tiefpunkt von 1974.
Den nächsten gab es erst elf Jahre später – so lange hätte das Geld also mehr oder weniger nutzlos auf dem Konto gelegen.
Und noch was: Wir gehen hier ja davon aus, dass wirklich immer zum Tiefpunkt gekauft wird.
In der Realität weiß ja aber niemand, wann dieser Tiefpunkt wirklich erreicht ist.
Maggiulli hat deshalb auch analysiert, wie sich “Buy the Dip” schlägt, wenn man den Tiefpunkt um zwei Monate verpasst, und kommt zu dem Schluss: Unter dieser Bedingung ist Buy the Dip nur in drei Prozent der Fälle besser als das Sparplan-Investment.
Das zeigt sehr gut, dass Market Timing nicht funktioniert.
Was der Effekt noch bringt Es gibt noch einen anderen Vorteil des Cost-Average-Effekts – nur lässt sich der nicht wirklich beziffern, denn dabei geht’s um die psychologische Wirkung.
Er hilft dir, dranzubleiben.
Du investierst automatisch – ohne großes Nachdenken, ohne Timing, ohne Emotionen.
Gerade in schwierigen Börsenphasen ist das Gold wert, denn viele steigen genau dann aus Angst aus.
Mit einem Sparplan bleibst du investiert und profitierst, wenn sich die Kurse wieder erholen.
Langfristig bist du zum Durchschnittskurs investierst und läufst nicht Gefahr, unglücklicherweise den schlechtestmöglichen Einstiegszeitpunkt zu erwischen.
Also: Der Cost-Average-Effekt ist – leider!
– kein magischer Rendite-Booster, aber ein echter Helfer beim Vermögensaufbau.
Besonders dann, wenn du keine große Summe auf einmal investieren kannst oder willst.
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Vielen Dank an Kia für die Redaktion und Johannes für die Post.
Du hörst justETF, den Podcast, mit mir, Susanne - dir viel Erfolg beim Anlegen und bis zum nächsten Mal!