
·E111
Arglos
Episode Transcript
Schauerstoff, der Grusel-Podcast für schlaflose Nächte.
Arklos, neunter Juni, zwei Tausend vierundzwanzig.
Das Fahrwerk des Flugzeugs setzte unsanft auf der Landebahn auf und riss ihn aus dem Tiefschlaf.
Er rieb sich die Augen und gähnte.
Seine Kiele war wie ausgetrocknet.
Er hatte Durst.
Waren sie etwa schon gelandet?
Er schob die Jalousie seines Bullauges nach oben und blinzelte müde nach draußen.
Tatsächlich erkannte den Tower vom Washington Darls Airport in einiger Entfernung.
Es war bereits zwanzig Uhr dreißig Ortszeit, doch um diese Jahreszeit war es draußen noch hell.
Hoffentlich würde das seinen Biorhythmus nicht allzu sehr durcheinander bringen.
Eigentlich liebte er seinen Job als Außendienstler für eine große Sicherheitsfirma.
Er hatte keine Frau und keine Kinder, und das regelmäßige um die Welt jetten machte ihm Spaß.
Denn so kam er herum, und es wurde nie langweilig.
Gleichzeitig, und das spürte er nun in seinen müden Knochen und Gelenken, war er auch nicht mehr der Jüngste.
Er war vor einigen Wochen bereits forty-fünf Jahre alt geworden.
Ewig würde er diesen Job nicht mehr machen können.
Als das Anschnellzeichen erloscht, Er hob er sich noch etwas steif von seinem Business Class Sitz und holte seinen kleinen Rollkoffer aus der Gepäckablage.
Immerhin würde er als einer der Ersten aussteigen können und käme hoffentlich schneller aus dem Flughafengebäude, um ins nächste Taxi nach Hause zu springen.
Er müsste sich unterwegs nur noch schnell eine Flasche Wasser gegen dieses ausgetrocknete Gefühl besorgen.
Aber die konnte er sich ebenso gut aus einem der Automaten in der Ankunftszahle ziehen.
Die Schlange am Zoll war um diese Zeit glücklicherweise auch überschaubar, und er selbst hatte wie üblich keine Waren importiert.
Als er an der Reihe war und brav hinter der Glasscheibe wartete, studierte der Zollbeamte gewissenhaft seinen Pass und fragte, ohne den Blick zu heben, ob er irgendetwas anzumelden hätte.
Nein, gab er zurück.
Der Beamte richtete nun seine Aufmerksamkeit auf seinen Monitor und klickte ein paar Mal desinteressiert herum.
Dann klappte er den Pass zu, gab ihn zurück und sagte, Sir, folgen Sie mir bitte.
Ist das ein Scherz?
Ich bin amerikanischer Staatsbürger.
Außerdem habe ich nichts anzumelden, das habe ich Ihnen noch gerade gesagt.
Keine Sorge, Sir, das ist reine Routine.
Wir sind verpflichtet, ab und zu Stichproben zu machen.
Gab der Zollbeamte gelassen zurück.
Sie waren nur ein paar Schritte gelaufen.
Dann schloss er eine stehlerne Tür zu einem kleinen Nebenraum auf.
Er ließ den Fluggast eintreten.
Dieser mummelte ein kaum hörbares Shit und ließ sich in dem Kagenraum auf einen der Plastikstühle plumpsen.
«Bitte warten Sie hier einen Moment», sagte der Beamte und schloss die Tür.
Nun war er allein.
Auf dem weiß beschichteten Büro-Tisch vor ihm hatte jemand ein paar Wasserflaschen zu je einem halben Liter aufgebaut.
Ein bisschen Mitgefühl hatten sie mit Leuten wie ihn, die gerade einen Interkontinentalflug hinter sich hatten, also doch, zumal seine Kehle noch immer Quellen trocken war.
Ergriff sich eine der Flaschen, trank sie in einem Zug leer und stellte sie zurück auf den Tisch.
Schon besser.
Unmittelbar darauf öffnete sich die Tür erneut.
Der Zollbeamt trat mit einem Kollegen ein.
Beide lächelten und waren betonfreundlich.
Also dann, wir wollen sie nicht länger als nötig aufhalten.
Dürfen wir einmal kurz in ihr Gepäck schauen?
Tja, durften sie?
Er hatte nun wahrlich keine Lust, diesen Heinis vom Zoll, seine schwitzigen Hemden und getragenen Unterhosen zu zeigen.
Gleichzeitig wusste er, dass diese Frage rein rhetorisch war, und er gar keine Wahl hatte, sie abzulehnen.
Also öffnete er wortlos den Reißverschluss seines Rollkoffers und klappte den Deckel um.
Die beiden Beamten wühlten mit ihren hautengen Latexhandschuhen eine Weile darin herum und schien schlussendlich zufrieden, nichts Ungewöhnliches gefunden zu haben.
Prima, sagte der Ältere schließlich.
Das war es schon.
Sie können gehen.
Er leichtert, zog er den Reißverschluss wieder zu, nahm den Koffer vom Tisch und rollte ihn mit rausgefahrenem Griff aus dem Raum.
Danke, dass das so schnell ging.
Einen schönen Abend noch.
Die Beamten nickten aber malzfreundlich, und sahen dem Fluggast nach, der mit seinem Koffer zügig in Richtung Ankunftshalle davon ratterte.
Einen Augenblick lang geschah gar nichts.
Dann öffnete sich in dem kleinen Kontrollzimmer eine weitere Tür zu einem offenbar angrenzenden Raum.
Zwei seriös gekleidete Frauen, circa Mitte dreißig, traten zu den Beamten.
Sie trocken ebenfalls Latexhandschuhe.
Die eine öffnete geschickt einen Sipplockbeutel.
Die andere nahm vorsichtig die leer getrunkene Wasserflasche vom Tisch und beförderte sie hinein, bevor sie die Tüte luftig verschloss.
Die vier Leute im Raum sahen sich zufrieden an.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –.
Hallo Sandy, hier ist Bob.
Sag mal, wo ist deine Frau?
fragte jemand am anderen Ende.
Er runzelte irritiert die Stirn.
Das war nun wirklich kein Anruf, mit dem er gerechnet hatte.
Als Chef seiner eigenen Marketingagentur hatte Sandy Priya vielmehr den ganzen Vormittag darauf gelauert, dass ein wichtiger Kunde sich endlich zurückmelden wollte.
Doch der Anruf des Vorgesetzten seiner Frau schien irgendwie dringlich.
Was, Leslie?
Gab er nun erstaunt zurück.
Die müsste doch bei dir im Büro sein.
Als ich vorhin von zu Hause losgefahren bin, war sie gerade dabei, sich fertig zu machen.
Sie müsste etwa eine halbe Stunde nach mir das Haus verlassen haben und zur Arbeit gefahren sein.
Na ja, hier ist sie nicht, versicherte Bob am anderen Ende.
Und ich fange langsam an, mir Sorgen zu machen.
Deine Frau ist sonst wahnsinnig zuverlässig.
Das passt einfach nicht zu ihr.
Hast du es mal bei uns zu Hause versucht?
Haagte Sandy nun nach.
Klar doch, antwortete Bob schon fast beleidigt und schob hinterher.
Deswegen rufe ich dich jetzt an.
Wir sollten vielleicht mal nach ihr sehen.
Möglicherweise hatte sie einen Unfall und braucht dringend Hilfe.
Jetzt war es an Sandy, beinah beleidigt zu sein.
Er war ein fürsorglicher Ehemann und konnte selbst bei seiner Frau nach dem Rechten sehen.
Da brauchte er keine Belierungen von deren Boss.
Andererseits hatte Bob ihn gerade erst darauf gebracht.
dass mit Leslie etwas nicht stimmen könnte.
Also schlugte er seinen Ärger lieber herunter.
»Okay, Bob, danke, dass du anrufst und Bescheid sagst,« sprach er schließlich in den Hörer.
»Wir treffen uns in zehn Minuten vor meinem Haus.«.
Dann legte er auf.
Gegen zwölf u.v.
und vierzig trafen sich die beiden Männer vor dem imposanten Einfamilienhaus der Familie Priya in der Drum and Avenue in Chevy Chase, Maryland, einem Vorort von Washington, D.C.
Leslie's Wagen stand noch immer in der Einfahrt, was Sandy sofort besorgt auffiel.
Auch Bob reagierte beunruhigt.
Irgendetwas Schlimmes musste hier passiert sein.
Die Situation wurde nicht besser, als sie die nur angelehnte Haustür öffneten.
Im Eingangsbereich lag ein umgeworfener Tisch.
Der lange Läufer aus Siehsaal lag schief zusammengeschoben in einer Ecke.
Bei näherem Hinseen mit dunklen Punkten besprengkelt.
Dann der Blick an die Wand.
Noch mehr Blut.
»Leslie!« riefen die beiden Männer nun alarmiert.
Da die Vermisste nicht im Erdgeschoss zu sein schien, hächteten sie gemeinsam schnell die Stufen hoch ins erste Obergeschoss.
Sandy registrierte im Vorbeilaufen noch mehr Blut auf den Stufen und auch auf dem Korridorboden in der oberen Etage.
Im Familienbadezimmer eröffnete sich ihnen schließlich das Grauen.
In der Badewanne lag Leslie Prier, tot.
Durch die schweren Verletzungen an ihrem Kopf war ihre Kleidung über und über mit Blut besudelt, denn die neunundvierzigjährige war nicht hier gestorben.
Jemand hatte sie offenbar im Flur überwältigt und ihre Leiche anschließend hier oben zurückgelassen.
Sandy brach schluchzend über seiner Frau zusammen, während Bob, ebenfalls sichtlich unter Schock, zitternd zurück ins Erdgeschoss lief, um den Notruf zu wählen.
Sandy startte ausdruckslos in den leeren Pappbecher, an dem er sich in den letzten Stunden mit seinen knibbelnden Fingernägeln abgearbeitet hatte.
Wie lange war er bereits hier?
Er hatte jedes Zeitgefühl verloren.
Offen war lange genug, sodass die Ermittler ihn in wechselnden Schichten in die Mangel nahmen.
ihn weich klopften, damit er endlich gestand, damit sie endlich Feierabend machen und ihn zurück in seine Zelle sperren würden.
Aber diesen Gefallen würde er ihnen nicht tun.
Oh nein, mit Sicherheit nicht.
Sieh mal es, Sandy.
Setze der Ermittler mit Stirnglatze nun wieder in verschwörerischem Ton an.
Wir, die Polizei, aber auch alle eure Freunde, Verwandten, Nachbarn.
Wir wissen doch, was hier vor sich geht.
Worauf es schlussendlich hinausläuft.
Dazu muss man nun wirklich kein Raketenwissenschaftler sein.
Es ist ganz offensichtlich, was hier passiert ist.
Also bring es endlich hinter dich.
und fang an zu reden.
Sandy merkte, wie steif sich sein Oberkörper von der langen Sitzerei anfühlte.
Instinktiv griff er sich mit der jeweils gegenüberliegenden Hand an die Schulterblätter, um seinen Rücken zumindest ein bisschen zu dehnen und zu entlasten.
Die Kriminalisten sahen ihn erwartungsvoll an.
Lasst mich nur eines sagen.
Setzte Sandy schließlich an und zerknüllte mit einer abschließenden Geste seinen Pappbecher.
Ich bleibe gerne die ganze Nacht hier.
und höre euch beim Reden zu.
Aber ich wiederhole es noch einmal deutlich.
Ohne meinen Anwalt sage ich gar nichts.
Siemter März, twenty-dreiundzwanzig.
Lauren Priya reite sich brav in die Schlange des beliebten Fast-Food-Restaurants ein, während sie die Menü-Tafeln studierte, die über dem Counter hingen und den knalligen Farben die aktuellen Angebote bewahben.
Ihre Manager-Position bei einer Catering-Firme gestand ihr nur eine kurze Mittagspause zu und oft genug begnügte Lauren sich mit übrig gebliebenen Cannapés oder Käsespießen, die ihr Unternehmen an Hochzeiten oder Firmentagungen ausgeliefert hatte und die zurückgeschickt wurden.
Aber heute musste sie mal raus und brauchte zumindest einen kleinen Tapetenwechsel.
Sie hatte Lust auf einen Hähnchenrap und würde einen Milchshake dazu nehmen.
Während sie wartete, schweifte ihr Blick über die Schlange vor ihr und blieb an einem Shop Dunkler, leicht gelockter Haare hängen.
Sie gehörten zu einem Mann in ihrem Alter, mittelgroß, atletisch.
Und sie konnte seine Brille sehen, wenn er sich etwas ins Profil drehte.
Ihr Herz begann schneller zu klopfen.
Doch das war tatsächlich er.
Wie lange hatten sie sich schon nicht mehr gesehen?
Beinahe von zwanzig Jahren?
Der Mann war nun an der Reihe und bestellte offenbar einen Cheeseburger.
Dann nahm er sein Tablett und steuerte auf einen freien Tisch mit zwei Stühlen im Gastraum zu.
Er setzte sich mit dem Rücken zur Verkaufsschlange.
Noch hatte er sie nicht bemerkt.
Sie könnte ihren Wrap einfach zum Mitnehmen ordern, diskret das Restaurant verlassen, und er würde niemals wissen, dass ihre Wege sich nach all der Zeit noch einmal gekreuzt hatten.
Doch ihre Neugierde überwog.
Sie wollte wissen, was aus ihm geworden war.
Und vielleicht auch ein bisschen damit kokettieren.
dass sie es trotz der verheerenden Schicksalsschläge in ihrem Leben durchaus zu etwas gebracht hatte.
Mit dem Wrap und dem Shake auf ihrem Tablett näherte sie sich langsam seinem Tisch.
Er saß noch immer mit dem Rücken zu ihr, schien jedoch, als sie etwa einen Meter hinter ihm zum Stehen kam, ihre Präsenz zu bemerken.
Er setzte seinen Softdrink ab und drehte den Kopf über die Schulter.
– Ach, sag bloß!
– Bist du das?
– Lauren?
Lauren Priya, hallo Eugene, gab sie zurück und lächelte.
Lauren blieb einen Augenblick lang und schlüssig stehen.
Doch dann schob er mit dem Fuß den gegenüberstehenden Stuhl zurück und signalisierte ihr lächelnd Platz zu nehmen.
Sie stellte ihr Tablett ab und setzte sich ihm gegenüber.
Er sah gut aus.
Natürlich viel reifer als in ihren gemeinsamen High School-Jahren.
Zwischen den immer noch dichten, schwarzen Wellen, Blitzten ein paar graue Stränen, und um seine Augen erkannte sie feine Lachfältchen.
Doch insgesamt hatte er sich sehr gut gehalten.
Er war athletisch und schien sehr auf sich zu achten.
Einen Moment lang fühlte sie sich davon verunsichert und bereute ihre Entscheidung, sich zu erkennen gegeben zu haben.
Sie selbst hatte in den vergangenen Jahren ein paar Pfund zugelegt, und der Stress im Job hatte sein übriges getan.
Aber sie hatte ihn ja nicht angesprochen, um zu flirten.
oder etwas längst vergangenes wieder aufzuwärmen.
Sie hatte gute Gründe gehabt, als sie sich damals von Eugene Gligor trennte.
Sie waren von Mitte bis Ende der Neunzenhundertneunziger in der Schule ein Paar gewesen, sogenannte High School Sweethearts.
Dann war Lauren etwas früher als Eugene ans College gewechselt, da sie ein Jahr älter war als er.
Mit den coolen Jungs auf dem College konnte Eugene natürlich nicht mithalten.
Aber auch so hatte sich ihre Beziehung nach fast fünf Jahren nach einer Sackgasse angefühlt.
Zumal sie sich noch gut an seine Alkohol und Drogeneskapaden erinnerte.
Etwas, was er zwischenzeitlich offenbar in den Griff bekommen hatte.
Das Gespräch lief stockend und ein wenig verklemmend.
Obwohl beide immer in dieser Gegend nördlich von Washington DC gelebt hatten, waren sie sich in all der Zeit schließlich nie begegnet.
Und nach dem Mord an ihrer Mutter Leslie im Jahr war Lauren ohnehin nicht mehr daran interessiert gewesen, an den Kontakten vor der schrecklichen Tat festzuhalten, da sie sie zu sehr an ihr altes Leben erinnerten, als noch alles in Ordnung war.
Eugene war lange Zeit ein fester Teil ihrer Familie gewesen.
Er war sehr oft bei ihnen zu Hause, und vor allem ihre Mutter hatte ihn absolut ins Herz geschlossen.
Nur ihr Vater Sandy mochte ihn nie so besonders, was scheinbar auf Gegenseitigkeit beruhte.
Sandy hatte immer betont, dass er ihren Freund irgendwie schräg fand.
Als könne Eugene Gedanken lesen, fragte er sie nun.
Wie geht's deinem Vater?
Lauren sah von ihrem Wrap auf und sagte nüchtern.
Interessant, dass du das wissen willst.
Ihr zwei wart schließlich nie die engsten Kumpel.
Aber um ehrlich zu sein?
Nicht so gut.
Er ist tot.
Oh, das tut mir leid, gab Eugene beschämt zurück.
Was ist passiert, wenn ich fragen darf?
– Schon in Ordnung, entgegnete Lauren nun mit volle Mund, was dem Thema einen unfreiwillig belanglosen Anstrich gab.
Er hatte eine schwere Sepsis nach einer OP.
Die Blutvergiftung wurde damals leider zu spät bemerkt.
Erst fiel er ins Koma, ein paar Tage später war er dann tot.
Das war zwei tausend siebzehn.
– Oh, wow, das muss wirklich schlimmfältig gewesen sein.
Eugene schien ehrlich Anteilnahme zu empfinden.
– Ja, das war es.
Fügte Lauren nun ungeschön hinzu.
Aber um ehrlich zu sein, die Jahre davor waren auch nicht gerade rosig.
Nachmalms Tod.
Er hatte sich nie davon erholt, dass die Polizei ihn des Mordes an ihr verdächtigt hatte.
Auch nicht, als sie ihn schließlich aus Mangel an Beweisen endlich zufrieden ließen.
Zumal der eigentliche Täter Janie gefasst wurde.
Der läuft bis heute als freier Mensch herum und hat wohl nichts mehr zu befürchten.
Sie sog an ihre Milkshake Strohhalm und ließ die Luft darin blubbern.
Ihre Blicke trafen sich.
Eugene knifft die Augenschmerz erfüllt zusammen, und für einen Moment schien es so, als blicke er direkt in ihre Seele.
Es tut mir so leid, Lauren, sagte er leise.
Die Welt kann manchmal ein grauenhafter Ort sein.
Lauren schoss unvermittelt die Röte ins Gesicht.
Auf eine Art war ihr sein Mitgefühl irgendwie unangenehm.
Sie hatten sich schließlich seit über zwanzig Jahren nicht gesehen, und der jeweilige Tod ihrer beiden Eltern hatte sich erst lange Zeit nach ihrer Trennung ereignet.
Trotzdem hatte Eugene einmal im Grunde zu ihrer Familie gehört.
Und es war schön, dass er das offenbar genauso empfand, und sie ihm, nach all dieser Zeit, anscheinend immer noch vertrauen konnte.
Als Eugene Gligor sich mit seinem Kaffee und seinem Smartphone auf die Vortreppe zu seinem Duplex-Aparment setzte und ein bisschen durch die Nachrichten skreute.
Später am Vormittag würde er noch seine Tasche für seine nächste Dienstreise packen, was den fünfundvierzigjährigen nicht gerade mit Begeisterung erfüllte.
Sein letzter Flug nach London war gerade mal gut zwei Wochen her und er war den mitgebrachten Jetlag gerade erst vor ein paar Tagen wieder losgeworden.
Wie würde das wohl bei seiner kommenden Reise nach Tokio werden?
Doch darüber würde er sich keine Gedanken mehr machen müssen.
Denn er hatte die vier schwarzen SUVs vor seinem Haus, aus denen plötzlich achtmassige Typen in Uniform stiegen, noch gar nicht bemerkt.
Eugene Gligor brüllte einer von ihnen und stürmte mit gezogener Waffe auf ihn zu.
Dann hörte er die Handschellen auf seinem Rücken plicken.
Zwei Stunden später fand Eugene sich in einem Vernehmungsraum auf einer Polizeistation in Washington, D.C.
wieder.
Man hatte ihm ein Sandwich und ein Sodawasser gebracht, und er hatte beides schnell verzehrt, um nicht den Eindruck zu geben, er wäre wegen irgendetwas nervös.
Ach was, was hatte er schon zu befürchten?
Bald darauf traten zwei Ermittlerinnen ein.
Sie stellten sich als Terror Augustine und Ellison du Poir vor und kam relativ zügig zur Sache.
Ob er sich an Leslie Priya, die Mutter seiner Highschool-Freundin Lauren erinnere?
Ja natürlich, antwortete Eugene Liga.
Sie wurde ermordet.
Detective Augustine führte nun aus.
Damals im Jahr two-tausend-eins wurde eine zweite DNA-Spur neben der von Leslie selbst am Tatort gefunden.
Diese wurde natürlich in unseren nationale DNA-Datenbank CODIS eingespeist.
Und wir hatten all die Jahre nie einen Treffer.
Die Datenbank ist allerdings global an viele weitere Register angedockt, zum Beispiel von Unternehmen, die Ahnenforschung per DNA-Test als private Dienstleistung anbieten.
Vor einer Weile haben zufällig zwei Schwestern aus dem weit entfernten Rumänien ihr DNA-Profil eingesendet und daraufhin ergab sich eine relevante Überschneidung mit dem unbekannten DNA-Profil vom Tatort.
Diese Frauen aus Rumänien tragen übrigens auch den Nachnamen Gligor, So wie sie.
Ich verstehe nicht, stammelte Eugene leise.
Also half Detective Augustine ihm auf die Sprünge.
Ihr Nachname Gligor tauchte schon damals in Leslie Priers Akte auf.
Allerdings hatte man sie nie vernommen, da sie zum Zeitpunkt des Mordes ja schon lange nicht mehr mit der Tochter Lauren zusammen waren.
Ein Nachbar hatte damals bei den Zeugenbefragungen aber ihren Namen zu Protokoll gegeben.
Das war für uns jedenfalls Grund genug, um sie näher unter die Lupe zu nehmen und ihre DNA, mit der vom Tater zu vergleichen.
Ich habe ihnen aber nie eine DNA-Probe gegeben, holte Eugene nun Wütten zum Gegenschlag aus, und nur weil irgendwelche Frauen in Rumänien so einen Test gemacht haben, doch Detective Du Poir unterbrach ihn.
Es stimmt, dass sie uns keine DNA-Probe freiwillig zur Verfügung gestellt haben.
Das hatten wir bereits vermutet.
und sie uns deshalb auf anderem Wege besorgt.
Als sie vor zwei Wochen am Flughafen gelandet sind, haben wir die Wasserflasche, aus der sie getrunken haben, im Anschluss eingesammelt und ihre Probe auswerten lassen.
Sie passt zu einhundert Prozent zu der DNA-Spur am Tatort.
Ich möchte einen Anwalt, presste Eugene aufgebracht hervor.
Für den Rest der Vernehmung schwieg er.
Eugene liege wurde im August twenty-fünfundzwanzig des Mordes angeklagt und die Staatsanwaltschaft forderte die Höchststrafe von dreißig Jahren Haft für den Vierfünfundvierzigjährigen.
In einer Art Play-Deal bekannte sich der Täter zumindest zum Totschlag an Leslie Preer und bekam dafür zweiundzwanzig Jahre im Gefängnis.
Die Anklage hatte sich auf den Deal eingelassen, da das Gericht womöglich nicht die konfizierte Wasserflasche als entscheidendes Beweisstück anerkannt hätte.
da man die darin enthaltene DNA-Probe heimlich und ohne dessen Einverständnis von dem Tatverdächtigen genommen hatte.
Gligor entschuldigte sich wort- und trennenreich bei Leslie Priers Familie und insbesondere bei Logan.
Er sei damals schwer alkohol- und drogenabhängig gewesen und habe keine wirkliche Erinnerung an das, was geschehen war.
Deshalb bleibt er ihnen auch bis heute eine Erklärung schuldig, warum er das Opfer damals so brutal aus dem Leben gerissen hatte.
Eine Frage, die insbesondere Tochter Lauren sicherlich noch viele Nächte nach dem Prozess wachgehalten hat, zusammen mit der bitteren Erkenntnis, wie sehr sie sich in einer Person getäuscht hat, die ihr einst Maizuna bestanden hatte.