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#273 Im Schlaf überfallen – Die Ermordung der Louisa D.

Episode Transcript

Diese Episode enthält explizite Details über wahre Kriminalfälle.

Weitere Infos in der Folgenbeschreibung.

Es ist ein außergewöhnlich stiller Morgen, als Violet aus ihrem Rheinhaus in der Britannia Road tritt.

Ein Blick zum Haus ihrer Nachbarin Luisa genügt und Violet weiß sofort, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt.

Sie ist nicht die Einzige, die in der Nacht einen erstickten Schrei gehört hat.

Doch es ist nicht nur das.

Die ausgelesene Zeitung, die Luisa jeden Tag von einem Nachbarn geschenkt bekommt, liegt nämlich immer noch vor ihrer Tür.

Eigentlich holt die ältere Dame das Blatt frühmorgens immer direkt zu sich, um die Schlagzeilen beim Frühstück genau zu studieren.

Luisa lebt allein.

Mit der Zeitung fühlt sich ihr kleines Häuschen dann irgendwie weniger still an.

Mit einem drückenden Gefühl im Bauch geht Nachbarin Weile drüber in Luisas Garten.

Das Sprossenfenster, durch das man vom Vorgarten aus direkt in das Wohnzimmer der älteren Dame schauen kann, steht weit offen.

Violet weiß, dass Luisa in der Nacht eigentlich alle Fenster immer fest verschließt.

Besonders, weil sie ihr Wohnzimmer auch als Schlafzimmer nutzt und das im Erdgeschoss direkt Richtung Straße liegt.

Violet tritt näher ans Fenster heran.

Vorsichtig beugt sie sich hinein und versucht, durch die Vorhänge einen Blick ins Innere zu erhaschen.

Nicht ein Geräusch dringt ihr aus dem Haus entgegen.

Kein Klappern in der Küche, keine Spülung im Badezimmer.

Es ist still, viel zu still.

Violet fasst all ihren Mut zusammen, stützt sich auf den Fensterrahmen und zieht sich hoch.

Mit klopfendem Herzen klettert sie vorsichtig durch das Fenster ins Wohnzimmer und bleibt wie erstarrt stehen.

Auf dem Boden liegt Luisa.

Ihr Körper ist vollkommen reglos.

Ihre Augen blicken starr ins Leere.

Mit bebenden Fingern nimmt Violet die Hand der älteren Dame in ihre.

Die Haut fühlt sich eiskalt an.

Violet weiß, dass Luisas Seele längst an einem weit entfernten Ort ist, an den sie ihr nicht folgen kann.

Ihr Blick wandert Luisas kleinen zerbrechlichen Körper entlang.

Und obwohl sie so etwas noch nie zuvor gesehen hat, erkennt sie den Schmerz, der sich auf Luisas erloschenen Gesichtszügen abzeichnet.

Und sie erkennt die Angst und die Verzweiflung.

Sie weiß, dass sie keine Worte hat für das Grauen, das in Luisas Haus eingedrungen ist, während sie, Violet, nur wenige Meter entfernt seelenruhig geschlafen hat.

Music.

Und damit ganz herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Schwarzen Akte mit Patrick Strohbusch.

Und mit Anne Lückmann.

Hello!

Ja, unser heutiger Fall führt uns in den Südwesten Englands.

Genauer gesagt nach Bristol.

Werbung.

Werbung Ende.

Früher galt Bristol als eine der wichtigsten Hafenstädte Englands.

Tragischerweise nicht nur für den Handel mit Gütern, sondern auch für den mit Menschen.

Eine halbe Million Menschen aus afrikanischen Ländern sollen im 18.

Jahrhundert von hier aus in die Sklaverei verschleppt worden sein, hauptsächlich nach Nord-, Mittel- und Südamerika.

Das entspricht ungefähr der Zahl der Personen, die heute in Bristol leben.

Die Stadt ist aber auch noch aus einem anderen Grund bekannt.

Und zwar, weil Banksy hier geboren wurde.

Bestimmt sagt der Name den meisten von euch was.

Banksy ist ein Street-Art-Künstler, der für seine gesellschaftskritischen Graffitis bekannt ist.

Allerdings weiß niemand, wer Banksy wirklich ist.

Seine Werke tauchen meistens überraschend über Nacht auf und werden teilweise für Millionen Euro auf Auktionen verkauft.

Wer durch die Straßen von Bristol schlendert, der wird hier so einige seiner frühen Werke entdecken.

Zeitlich befinden wir uns im Jahr 1967.

Kulturell ist zu dieser Zeit einiges in England los, denn die Swinging Sixties sind in vollem Gange.

Die jungen Menschen haben keine Lust mehr auf alte Traditionen und konservative Lebensvorstellungen.

Sie wollen sich und das Leben neu entdecken.

Modisch, musikalisch und auch sexuell.

Wenn man die Zeit in drei Schlagworten zusammenfassen müsste, dann könnten diese lauten Mini-Röcke, Anti-Baby-Pille, Beatles.

Cafés, Clubs und Boutiquen werden zu Hotspots, wo sich die Jugend trifft und in knalligen Farben einkleidet.

Bunte Muster, Schlaghosen und übergroße Sonnenbrillen sind voll im Trend.

Männer tragen Samtjacken statt Anzüge, mit engen Rosen und Chelsea-Boots und lassen sich die Haare lang wachsen.

Auf den Plattenspielern drehen sich Vinyls von Pink Floyd und den Beatles.

Und wer im wahrsten Sinne des Wortes on Vogue sein will, der liest eben, na klar, die Vogue UK.

Ein Artikel des Time Magazins erklärt London kurzerhand zur aufregendsten Stadt der Welt.

Paris, New York und San Francisco müssen sich da hinten anstellen.

Wer Fernseh schauen will, der muss auf bunte Farben allerdings noch ein bisschen warten.

Die meisten Haushalte nutzen Mitte, Ende der 60er Jahre noch die altbewährten Schwarz-Weiß-Fernseher.

Telefoniert wird über das Festnetztelefon mit Wählscheibe.

Deutschland ist parallel in Ost und West geteilt, weshalb es auch von beliebten Fernsehsendungen wie zum Beispiel das Sandmännchen auch eine Ost- und eine West-Version gibt.

Bis zur Wiedervereinigung natürlich.

Das Sandmännchen, das wir heute kennen, also mit Zipfelmütze, rote Mantel und Bart, ist übrigens von der Version, die aus der DDR stammt.

In den Radios laufen bei uns in Deutschland weiterhin Schlager.

Doch die jungen Leute orientieren sich zunehmend an der Musik, die in Großbritannien gerade angesagt ist.

Die Beatles erobern mit Songs wie Penny Lane und All You Need Is Love so ziemlich überall die Herzen und prägen damit einen Zeitgeist, der auch in Deutschland von Aufbruch, Experimentierfreude und dem Wunsch nach Freiheit und Veränderung geprägt ist.

In der Britannia Road in Bristol liest die 75-jährige Luisa über all das in der Zeitung, die ihr Nachbar ihr freundlicherweise jeden Tag überlässt.

Zeitungen sind teuer und die zweifache Wildfirma muss schauen, wofür sie ihr Geld ausgibt.

Dabei sah es finanziell in ihrem Leben auch schon mal ganz anders aus, damals, als sie noch verheiratet war.

Mit Teddy zum Beispiel, damals Gewerkschaftsführer und Stadtrat der örtlichen Labour-Partei.

Teddy gilt zu seiner Zeit nicht nur als ein aufstrebender Stern der sozialistischen Bewegung und wird als zukünftiger Bürgermeister gehandelt, sondern er ist auch Luisas große Liebe.

Mit ihm zieht sie zwei Töchter groß, wobei Luisa ganz klassisch für alle häuslichen und erzieherischen Themen zuständig ist und Teddy eben das Geld verdient.

Er ist außerdem ihr Schlüssel in die Gesellschaft.

Dank ihm kann sie viele soziale Kontakte knüpfen, hauptsächlich zu Menschen, die ebenfalls politisch aktiv sind.

Ihr Haus in der Britannia Road wird dank Teddy zum Treffpunkt für alle möglichen sozialen und politischen Aktivitäten.

Das Leben ist gut, bis Teddy 1945 an einem Schlaganfall stirbt.

Luisa ist zu diesem Zeitpunkt Anfang 50, ihre Kinder sind bereits erwachsen.

Mit Teddys Tod verschwindet nicht nur die finanzielle Sicherheit, sondern auch ein großer Teil von Luisas sozialem Leben.

Von jetzt auf gleich ist nichts mehr so, wie es mal war.

und für Luisa bricht eine Welt zusammen.

Zum großen Missfallen ihrer Kinder sucht sie Trost im Alkohol, was letztendlich nur dazu führt, dass sich ihre Töchter von ihr distanzieren.

Luisa beschließt, der eher eine zweite Chance zu geben und heiratet einige Jahre später erneut, dieses Mal einen Nachtwächter namens John.

Sieben Jahre sind die beiden ein Paar, bis John Anfang der 60er Jahre ebenfalls stirbt.

Das ist der Punkt, an dem Luisa mit der Liebe abschließt.

Denn wieder steht sie ganz allein da.

Für sie ist es sehr tragisch, dass sie zu einer Zeit lebt, in der Wohlstand immer an die Existenz eines Ehemanns gebunden ist und dass das Schicksal es offensichtlich nicht gut mit ihr meint.

Immerhin ist sie jetzt, nach ihrer zweiten Ehe, nicht mehr so einsam, wie sie sich nach Teddys Tod gefühlt hat.

In ihrer Nachbarschaft hat Luisa längst viele gute Bekannte gefunden, mit denen sie gerne vor ihrer Haustür aus plaudert.

Jeder in der Britannia Road kennt die ältere Dame und viele schätzen sie als liebenswerten, genügsamen Mitmenschen.

Wenn gerade mal niemand zum Quatschen da ist, dann schaut Luisa auch einfach nur gerne dem Treiben auf der Straße zu.

Bis zu jener Nacht vom 27.

Auf den 28.

Juni 1967.

Der Tag, an dem Luisas Leiche von ihrer Nachbarin Violet gefunden wird.

Das ist ein Mittwoch.

Luisa liegt auf dem Rücken zwischen dem Klavier und dem Fußende ihres Bettes.

Unter ihrem Körper befindet sich ein Stapel Kleidung.

Luisa selbst trägt drei zugeknöpfte Wollstrickjacken.

Offenbar ist ihr kalt gewesen, als sie am Abend zu Bett gegangen ist.

Dazu einen blauen Rock und Strümpfe mit Strumpfhaltern.

Aber ihre Unterhose wurde bis zu den Knöcheln heruntergezogen.

Neben ihrem Kopf befindet sich ein Schal, der offenbar dazu genutzt worden sein muss, Luisa zu strangulieren.

Darauf deutet auch eine gerade Spur an ihrem Hals hin.

Der Täter muss den Schal gewaltsam nach vorne und dabei zugezogen haben.

Abschürfungen auf ihren Lippen zeigen, dass ihr der Täter dabei etwas Hartes auf den Mund gedrückt haben muss.

vermutlich, um ihre Schreie zu ersticken.

Spermaspuren deuten darauf hin, dass Luisa zudem brutal vergewaltigt worden sein muss.

Da sie gerade mal 1,60 Meter groß ist und weniger als 45 Kilo wiegt, wird sie kräftemäßig wohl wenig Chancen gegen ihren Angreifer gehabt haben.

Der Gerichtsmediziner schätzt, dass die Tat zwischen 22 Uhr abends und 4 Uhr morgens geschehen sein muss.

Das heißt, Luisa hat aller Wahrscheinlichkeit nach geschlafen, als der Täter sie angegriffen hat.

Sie war also in jeder Hinsicht vollkommen ahnungs- und auch wehrlos.

In Luisas Wohnung befinden sich mehrere Handtaschen.

Eine davon, eine braune, steht weit offen, als die Einsatzkräfte den Tatort betreten.

Drei Schlüsse liegen lose auf dem Boden.

Es sieht ganz danach aus, als hätte der Täter Luisa auch beraubt.

Allerdings steht in keiner unserer Quellen eine Information darüber, was genau gestohlen wurde.

Dafür ist ziemlich offensichtlich, dass der Täter das Sprossenfenster, also das Fenster, das ins Wohnzimmer führt und durch das die Nachbarin hineingeklettert ist, von innen beschädigt hat.

Der Drehverschluss ist nämlich abgebrochen, vermutlich beim Versuch des Täters, das Fenster von innen zu öffnen.

Es liegt nahe, dass er durch dieses Fenster auch geflohen ist.

Eingebrochen ist er durch ein ganz anderes, viel kleineres Fenster, das sich weit von Luisas Schlafzimmer entfernt befindet.

Er wollte anscheinend sichergehen, dass Luisa dabei nicht wach wird.

Sein Vorgehen legt die Schlussfolgerung nahe, dass der Mörder gut über die Abläufe in Luisas Haus Bescheid wusste.

Er muss sie beobachtet haben.

Vielleicht wohnt er auch selbst ganz in der Nähe und ist immer mal wieder an dem Rheinhaus vorbeigegangen.

Er wusste, wann Luisa schlafen geht, wo sie schläft und dass sie alleine ist.

Nichts in Luisas Haus ist umgestoßen worden oder deutet sonst irgendwie darauf hin, dass es einen Kampf gegeben haben könnte.

Der Täter hat genau gewusst, wann er zuschlagen muss, um die sowieso schon kräftemäßig unterlegene Dame zu überwältigen.

Doch wer ist dieser Mann?

Wer greift eine alleinstehende, 75-jährige Frau im Schlaf an, vergewaltigt und erwürgt bzw.

Erstickt sie?

Der Tatort gibt nicht wirklich viele handfeste forensische Beweise für die Ermittlungen her.

Okay, also einmal hat man natürlich das Sperma des Mannes, von dem man einen Abstrich nimmt und für spätere Analysen konserviert.

DNA-Analysen, kurz am Rande dazu, gab es zu der Zeit in der Forensik noch nicht.

Dann entdeckt man auch noch den Abdruck einer linken Hand auf dem Rahmen eines Fensters, das sich am oberen Stockwerk befindet.

Offenbar musste der Täter einige Fenster ausprobiert haben, um herauszufinden, durch welches er am besten fliehen kann.

Ja, und das war's dann aber auch mit den Informationen.

Feinde hatte Luisa keine.

In ihrem gesamten Umfeld gibt es niemanden, der auch nur im geringsten ein Motiv hätte, ihr sowas anzutun.

Sie wurde ja von allen gemocht und galt in der Nachbarschaft als sehr geschätzt.

In den 60er Jahren gibt es ja noch keine DNA-Analysen in der Forensik.

Der genetische Fingerabdruck wird erst 20 Jahre später entdeckt.

Die Polizei arbeitet in diesem Fall also ganz klassisch mit Finger- bzw.

Handabdrücken.

Denn das ist so ziemlich der einzige Beweis, mit dem man zu der Zeit wirklich irgendwas anfangen kann.

Da man nicht davon ausgeht, dass der Mörder aus Luisas Bekanntenkreis stammt, könnte also jeder Mann, der irgendwie in der Nähe wohnt oder sich häufiger dort aufhält, als Täter infrage kommen.

Da man nicht alle Männer in ganz Bristol befragen kann, denn die Stadt hat ja knapp 500.000 Einwohnerinnen und Einwohner, muss man sich auf einen Suchradius rund um den Tatort einigen.

Man entscheidet sich für etwa zweieinhalb Kilometer.

Alle Männer zwischen 15 und 60 Jahren, die in diesem Radius leben, werden nun befragt und dazu aufgefordert, einen Abdruck ihrer linken Hand machen zu lassen.

Nicht nur die, sondern auch generell alle Männer in Bristol, die schon einmal wegen Einbruchdiebstahls oder Sexualdelikten verurteilt worden sind.

Dafür braucht es hunderte Polizeibeamter, die bei der Aktion helfen.

Die lokale Polizei wird dabei zum Glück von Scotland Yard unterstützt.

Ihr könnt euch vorstellen, dass es nicht gerade wenige Kandidaten sind, die als potenzieller Täter in Frage kommen.

Insgesamt führt die Polizei 8000 Haus-zu-Haus-Befragungen durch und nimmt etwa 2000 Zeugenaussagen auf.

Dabei kommen ungefähr 10.000 Handabdrücke raus.

Fürs Erste.

Die müssen jetzt natürlich auch alle kontrolliert und ausgewertet werden.

Zusätzlich werden auch alle obdachlosen Menschen kontrolliert, die man anscheinend einfach mal so unter Generalverdacht stellt.

Und auch alle in der Nähe stationierten Soldaten, die zur Tatzeit unerlaubt abwesend waren.

Es wird auch spekuliert, ob es ein Postbote oder irgendein Lieferant gewesen sein könnte, der immer seine Runde durch die Britannia Road fährt und mit der Zeit die Gewohnheiten der Leute kennenlernt.

Doch diese ganzen Spekulationen, der ganze Aufwand, bleibt ohne Ergebnis.

Nicht einer der tausenden Handabdrücke passt zudem auf Luisas Fensterrahmen.

Ein ziemlicher Rückschlag für die Ermittlungen, aber noch lange kein Grund aufzugeben.

Am Anfang der Folge haben wir ja ganz beiläufig in einem Nebensatz gesagt, dass einige Nachbarn in der Tatnacht erstickte Schreie gehört haben.

Das ist natürlich eine super wichtige Information, die mehr als nur einen Nebensatz verdient.

Eine Nachbarin berichtet, dass sie am Abend des 27.

Juni ins Bett gegangen ist und von einem Geräusch geweckt wurde, das wie ein Schrei klang.

Sie beschreibt diese Situation mit folgenden Worten, wie die britische Tageszeitung The Independent zitiert.

Es war kein langer, durchdringender Schrei, sondern ein Aufschrei.

Es klang gedämpft.

Ich stand auf und ging zum Fenster.

Ich konnte bei Mondlicht die Straße hoch und runter sehen, aber niemand war da.

Ich stand etwa eine Minute am Fenster und ging dann zurück ins Bett.

Keine zwei Minuten später hörte ich wieder jemanden aufschreien.

Ich konnte erkennen, dass es die Stimme einer Frau war.

Ihr Schrei dauerte etwa zwei bis drei Sekunden.

Auch ein anderer Nachbar, dessen Garten an die Britannia Road grenzt, beschreibt, dass etwas in jener Nacht seltsam war.

Er berichtet, dass seine kleine Tochter um kurz nach Mitternacht schreiend aufgewacht sei, was wirklich sehr ungewöhnlich für sein Kind war.

Ob das Mädchen vielleicht etwas gespürt hat, was sie nicht in Worte fassen kann?

Ein dritter Nachbar berichtet, er sei in jener Nacht von seinem Hund geweckt worden und habe ebenfalls den lauten Schrei gehört.

Er beschreibt das Geräusch als angsteinflößend.

Dazu habe er ein Stöhnen und gedämpfte Geräusche wahrgenommen.

All diese Zeugenaussagen passen zu dem Ergebnis der Autopsie.

Der Täter muss Luisa im Schlaf überwältigt haben.

Sie ist vermutlich schreiend aufgewacht, woraufhin der Angreifer ihr etwas auf den Mund gedrückt haben muss, um die Geräusche zu dämpfen.

Möglich, dass das Stöhnen von ihm kam, während er sich Luisa aufgezogen hat.

Den vermeintlichen Ablauf der Tat hat man also schon recht gut geklärt.

Nur weiß man über den Täter halt immer noch richtig wenig.

Einzig und allein, dass er ein Mann ist, dass er anscheinend wusste, was er tat, recht muskulös gebaut sein muss und der offenbar nicht in dem Suchradius wohnt.

Bleiben also noch alle anderen Männer in Bristol übrig.

Wobei auf der Liste nicht ein einziger Name steht, der auch nur ansatzweise als ernsthafter Verdächtiger in Betracht kommt.

Und an diesem Zustand ändert sich auch in den nächsten Jahren nichts.

Die Ermittlungen kommen zum Erliegen, weil man einfach keine neuen vielversprechenden Spuren findet.

Die Kapazitäten und das Geld der Polizei werden in anderen Fällen gebraucht, in denen die Ermittlungen mehr Aussicht auf Erfolg haben.

Man packt also alle Beweismittel sicher weg und verstaut sie in Pappkartons in der Asservatenkammer.

Doch dann, im Oktober 1977, also gute zehn Jahre später, ereignet sich ein ganz ähnlicher Fall.

Dieses Mal allerdings in Ipswich, was quasi einmal am anderen Ende von England liegt.

Bristol befindet sich ja ziemlich weit im Westen, ganz nah an der Grenze zu Wales, und Ipswich liegt komplett im Osten, nur wenige Kilometer von der Nordsee entfernt.

Mit dem Auto braucht man ungefähr dreieinhalb Stunden von der einen zur anderen Stadt.

Innerhalb weniger Wochen werden zwei ältere Frauen in Ipswich nachts in ihren Betten überfallen und vergewaltigt.

Die eine ist 79 Jahre alt, die andere 84.

Beide Frauen überleben den Angriff und können der Polizei berichten, was passiert ist.

Eine Frau erzählt, wie sie mitten in der Nacht plötzlich aufgewacht ist, weil ein fremder Mann über den Boden ihres Schlafzimmers auf sie zugekrochen ist und gedroht hat, sie zu töten, wenn sie nicht leise ist.

Der Täter hat wieder in einem Moment zugeschlagen, in dem sich seine Opfer absolut sicher gefühlt haben.

In ihrem eigenen Zuhause nämlich, wo niemand mit einem Angriff rechnet.

Wieder kann die Polizei Fingerabdrücke am Tatort feststellen.

Und wieder wird eine große Suche gestartet.

Innerhalb eines Monats werden die Fingerabdrücke von 5000 Männern aus der Umgebung genommen.

Und dieses Mal gibt es einen Treffer.

Ein Verdächtiger wird keine zwei Monate nach der Tat in London festgenommen.

Er gesteht die beiden Vergewaltigungen und bittet darum, bei seiner Verurteilung auch zehn weitere Fälle von Einbruchdiebstahl zu berücksichtigen.

Das Gericht entscheidet, den Mann zu lebenslanger Haft zu verurteilen.

Doch damit ist der Fall von Luisa aus Bristol noch lange nicht aufgeklärt.

Denn niemand stellt eine Parallele zwischen den Angriffen in Bristol und Ipswich her.

Die Tatorte liegen ja auch über 300 Kilometer entfernt.

Und im Gegensatz zu Luisa hat der Täter die beiden Frauen in Ipswich am Leben gelassen.

Es gibt zu der Zeit auch noch keine nationale computergestützte Datenbank, um schnell und unkompliziert nach ähnlichen Fällen suchen zu können.

Ganz abgesehen davon wird das mit der lebenslangen Haftstrafe auch gar nichts.

Denn der Verurteilte legt Berufung ein.

Und trotz der Schwere seines Verbrechens wird seine lebenslange Haftstrafe auf sieben Jahre reduziert.

Dafür gibt es natürlich auch eine Begründung.

Und zwar eine, bei der uns erstmal die Kinnlade runtergefallen ist, als wir zum ersten Mal davon gehört haben.

Ein Arzt hatte nämlich vor dem Berufungsgericht erklärt, dass der Verurteilte die Taten nur begangen habe, weil er in seiner Ehe sexuell frustriert sei.

Der Täter sei nämlich mit einer sehr, ich zitiere, ehrgeizigen und fordernden Frau verheiratet, die ihm sexuell eben nicht das gebe, was er brauche.

Das habe den Mann mit der Zeit so verzweifelt, dass der keinen anderen Weg gesehen habe, als sich eben mit Gewalt das zu nehmen, was er brauchte.

Dieser Arzt schafft es also nicht nur, den Täter als Opfer darzustellen, sondern auch noch einer Frau die Schuld in die Schuhe zu schieben, die mit der ganzen Sache überhaupt gar nichts zu tun hat.

Und er hat damit auch noch Erfolg.

Der Verurteilte muss nur zwei der sieben Jahre Haft wirklich absitzen.

Ein ziemlich erschreckendes Zeugnis davon, wie patriarchal und auch frauenfeindlich das Denken dieser beteiligten Person geprägt war.

Und das war Ende der 70er Jahre.

Also wir reden jetzt ja nicht über das Mittelalter oder so.

Eigentlich ist in England bis dahin ja schon einiges passiert in Sachen Frauenrechte.

Das hatten wir ja am Anfang der Folge kurz geschildert.

Aber diese neue Denkweise ist eben noch leider nicht längst in allen Schichten der Gesellschaft angekommen.

Man entlässt diesen Mann also nach den zwei Jahren aus der Haft mit der Begründung, es sei sehr unwahrscheinlich, dass er wieder straffällig werden würde.

Der Mann fährt mit seinem Leben, mit Frau und Kindern fort, als wäre nichts gewesen.

Später wird er noch ein kleines Kätzchen adoptieren.

Mit seinen Nachbarn versteht er sich gut.

Man kennt ihn als freundlichen, gemütlichen Mitmenschen, der sich über das Leben freut und gerne gärtnert.

Jahre vergehen und über den Mord an Luisa spricht schon längst niemand mehr.

Ihr Mörder muss also ziemlich zufrieden mit sich sein.

Es sieht tatsächlich so aus, als wäre er einfach so davongekommen.

Was soll jetzt noch passieren?

Je älter er selbst wird, desto mehr gerät Luisas Akte in Vergessenheit.

Er wird Großvater, sogar Urgroßvater.

Niemand von seinen Kindern und Enkeln hat auch nur die leiseste Ahnung, dass ihr Vater und Opa ein Mörder ist.

Er hat die Erinnerung an das, was er getan hat, schon längst ganz tief in sich vergraben, wo sie ihn nicht mehr stören kann.

Luisas Mörder hat keine Ahnung, dass die Akte von Luisa in den Jahren nach der Tat noch zweimal durchgeschaut worden ist.

Einmal 2009 und dann noch einmal 2014, also fast 50 Jahre nach der Tat.

Doch er hat Glück.

In beiden Fällen wurden keine neuen Untersuchungen eingeleitet.

Obwohl sich die Technik ja schon längst weiterentwickelt hat.

Die DNA-Analyse ist ein fester Bestandteil von forensischen Untersuchungen und bringt ein riesiges Potenzial mit sich, alte Fälle doch noch aufzuklären.

Doch dafür braucht es natürlich auch personelle, zeitliche und vor allem auch finanzielle Kapazitäten.

Und das ist bei vielen Ermittlungen der springende Punkt.

Die Zeitung The Guardian hat darüber erst kürzlich berichtet, im Juli 2025.

In dem Artikel heißt es, dass zunehmend weniger Cold Cases gelöst werden können.

Einmal wegen des Geldes, aber auch, weil Personal fehlt und wohl zunehmend forensisches Fachwissen verloren gehe.

Eine Professorin spricht in dem Artikel von einem Todesstrudel der forensischen Wissenschaft in England und Wales.

Kurz als Hintergrundinfo, es gab im Vereinigten Königreich mal einen nationalen Forensikdienst, der für die Polizei und andere Behörden forensische Untersuchungen durchgeführt hat.

So wertvoll dieser Dienst für die alltägliche Polizeiarbeit auch war, so wenig hat er sich leider finanziell für den Staat rentiert.

Am Ende hat er monatliche Verluste in Millionenhöhe eingefahren und musste deshalb 2012 geschlossen werden.

Seitdem werden DNA-Analysen häufig intern durchgeführt oder eben etwas teurer von privaten Anbietern extern eingekauft.

Und es gibt noch andere Probleme.

In dem Zeitungsartikel kritisieren Experten, dass Beweismittel teilweise uneinheitlich gelagert würden, gerade in älteren, noch ungelösten Fällen.

Und wenn bei der Lagerung Fehler gemacht werden und Beweisstücke kontaminiert werden, dann sind sie vor Gericht später nicht brauchbar.

Das heißt ganz konkret, niemand setzt sich daran, einen Cold Case zu untersuchen, wenn die Beweise möglicherweise verschmutzt sind und die ganze Arbeit dann später sowieso umsonst gewesen wäre.

Eine ziemlich vertrackte Situation.

Dabei warten so viele Cold Cases darauf, gelöst zu werden.

Aber es ist ja irgendwie auch total logisch und auch verständlich, dass die wenigen finanziellen und personellen Ressourcen eben auf akute, aktuelle Ermittlungen konzentriert werden.

Dabei haben Cold Cases für die betroffenen Menschen häufig eine besondere Bedeutung.

In dem eben erwähnten Zeitungsartikel von The Guardian heißt es, ich zitiere, Die Familien der Opfer haben nicht nur den Schmerz und Schock des Verlustes eines geliebten Menschen ertragen müssen, sondern auch das schreckliche Schwebegefühl, das danach kommt.

Wenn dann, manchmal erst nach Jahrzehnten, endlich ein Durchbruch gelingt, verspüren viele Betroffene große Erleichterungen.

Luisas Familie ergeht es nicht anders.

Auch ihre Kinder und Enkel wünschen sich endlich Antworten auf die vielen Fragen, die sie sich stellen.

Auf das Wer oder auf das Warum.

Doch je mehr Zeit vergeht, während Jahre langsam zu Jahrzehnten werden, schwindet die Hoffnung der Familie, dass Luisas Mörder jemals zur Rechenschaft gezogen wird.

Doch dann, im Jahr 2023, also mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Tat, nimmt sich eine Spezialistin für Cold Cases den Fall tatsächlich noch einmal vor.

17 Pappkartons voller Material hat sie durchzuarbeiten.

Sie merkt schnell, dass die Beweismittel in Luisas Fall ziemlich gut konserviert und erhalten geblieben sind.

Und, dass sie noch nie jemand mit moderner forensischer Technik untersucht hat.

Es ist alles noch da.

Luisas Kleidung, Haarproben, Tatortfotos, der Handabdruck und tausende Seiten von Aussagen.

Nur das Stäbchen, mit dem man damals den Abstrich vom Sperma gemacht hat, ist tragischerweise verloren gegangen.

Doch die Polizistin lässt sich davon nicht entmutigen.

Vielleicht kann ja eine Analyse der Haarproben oder der Kleidung weiterhelfen.

Also wird die Operation Beetle ins Leben gerufen.

Der Name soll eine Anspielung auf die Zeit sein, zu der Luisa gelebt hat, wegen den Beatles.

Im Labor stellt man schnell fest, dass in den Haaren nicht mehr genug Material zu finden ist, um ein DNA-Profil des Täters zu erstellen.

Anders sieht es da aber bei dem Rock aus.

Luisa wurde auf dem Rücken liegend gefunden.

Wenn ihr Mörder sie also in dieser Position vergewaltigt hat, dann ist es durchaus möglich, dass ein Teil des Spermas nach der Tat auf dem blauen Rock gelaufen ist, den Luisa trug.

Man untersucht jetzt also genau die Stelle des Stoffes, der sich zwischen ihren Beinen befunden haben muss und landet tatsächlich ein Treffer.

Sperma kann sich auf Kleidung viele Jahre lang halten.

Selbst wenn man die Kleidung gründlich wäscht, können Spuren bestehen bleiben.

Und das kommt den Ermittlungen nun zugute.

Ein volles DNA-Profil kommt bei der Untersuchung raus.

Zeitlich befinden wir uns inzwischen im Mai 2024.

Wenn der Täter jetzt auch noch in der Nationalen Datenbank registriert ist, dann hat die Polizei leichtes Spiel.

Dafür muss er jedoch nach 1995 straffällig geworden sein.

Denn seitdem gibt es die Datenbank.

Kurz zur Erinnerung, der Angriff auf die beiden älteren Damen in Ipswich hat 1977 stattgefunden, also lange bevor die Datenbank ins Leben gerufen wurde.

Die große Frage ist jetzt also, ob der Täter danach weitere Verbrechen begangen oder sich zurückgezogen hat.

Etwa sechs Millionen Menschen sind in der Datenbank registriert.

Also etwa jeder zehnte aus der britischen Bevölkerung.

Die Chancen stehen eigentlich ganz gut.

Und tatsächlich gibt es einen Treffer.

Im September 2024 bekommt die Cold Case Ermittlerin einen Anruf, auf den sie nicht zu hoffen gewagt hat.

Das Sperma auf Luisas Rock stammt von einem Mann namens Ryland.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es sein Sperma ist, ist eine Milliarde mal höher, als dass es zu einer anderen Person gehören könnte.

Ironischerweise befindet sich Rylants Name in der Datenbank, weil er mal fälschlicherweise wegen eines Verbrechens verhaftet worden war, das er aber gar nicht begangen hat.

Seinen Handflächenabdruck hatte er bei dieser falschen Verhaftung nicht abgeben wollen, unter dem Vorwand, er habe Arthritis, also eine Gelenkentzündung in der Hand.

Als die Polizei 2024 auf ihn aufmerksam wird, ist Rylant bereits Anfang 90 und lebt in Ipswich, also dort, wo er knapp 50 Jahre zuvor zwei ältere Damen nachts in ihren Betten vergewaltigt hat.

Doch die Polizei kann ihn jetzt nicht einfach so verhaften.

Erstmal müssen sie beweisen, dass Ryland sich zu der Tatzeit tatsächlich in Bristol aufgehalten hat.

Wählerverzeichnisse belegen, dass er zum Zeitpunkt des Mordes in der Picton Street gewohnt hat, etwa zweieinhalb Kilometer von Luisas Haus entfernt.

Er hat dort in den 50er und 60er Jahren gelebt, mit seiner Frau und drei Kindern.

Kurz nach dem Mord ist Ryland dann mit seiner Familie umgezogen.

Und zwar in ein Haus, das knapp außerhalb des Suchradius liegt, in dem die Polizei damals die Handabdrücke aller Männer genommen hat.

Man hatte damals in einem Radius von 2,4 Kilometern gesucht und Ryland hat 2,6 Kilometer vom Tatort entfernt gewohnt.

Die Ermordung und Vergewaltigung von Luisa war nur eines von mehreren Verbrechen, die er zu der Zeit begangen hat.

In unseren Quellen ist von mehreren Einbrüchen und auch anderen schweren Straftaten die Rede.

All das, während er parallel ein scheinbar ganz normales Leben als Familienvater führte und sein Geld bei der Eisenbahn verdiente.

Allerdings hatte er zum Zeitpunkt von Luisas Ermordung noch keine Vorstrafen, war also der Polizei auch noch nicht bekannt.

Als die Behörden 2024 auf ihn aufmerksam werden, lebt Ryland allein mit seiner Katze.

Er ist verwitwet, seine Kinder haben längst eigene Familien gegründet.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Ryland und Luisa sich kannten.

Es sieht alles danach aus, als habe er sich Luisa gezielt ausgesucht, weil sie eine ältere, alleinstehende Frau aus der Gegend und verhältnismäßig wehrlos war.

Dieses Beuteschema zeigt sich ja auch bei den beiden Vergewaltigungsvorfällen der zwei anderen älteren Damen in Ipswich.

Zur Tatzeit war Luisa mehr als doppelt so alt wie Ryland.

Sie war 75, er 34.

All diese Informationen trägt das Ermittlungsteam nun zusammen, und zwar so schnell wie möglich.

Allen ist klar, dass sie nicht viel Zeit haben.

Ryland ist ja schon Anfang 90.

Niemand weiß, wie lange er überhaupt noch zu leben hat.

Aber alle wollen unbedingt, dass er noch für die Tat zur Rechenschaft gezogen wird.

Er soll nicht denken, davongekommen zu sein.

Nicht nach all dem Grauen, was er angerichtet hat.

Im November 2024 ist es dann soweit.

Die Polizei klopft an Rylands Tür, um ihn endgültig festzunehmen.

Dabei gehen die Beamten bewusst vorsichtig vor.

Sie klopfen sanft an und es ist auch eine junge Polizistin, die spricht und fragt, ob sie kurz hereinkommen können.

Eine Alternative wäre es, die Tür aufzubrechen und reinzustürmen.

Doch man will nicht, dass Ryland noch so kurz vor seiner Verurteilung einen Herzinfarkt erleidet.

Am 19.

November 2024, knapp 60 Jahre nach der Tat, wird Ryland endlich festgenommen und noch am selben Tag wegen des Mordes und der Vergewaltigung von Luisa angeklagt.

In Untersuchungshaft gibt er sich äußerst wortkarg und beantwortet jede Frage der Polizei mit einem No Comment.

Kein Kommentar.

Doch die Beweislage spricht eine klare Sprache.

Man hat sein Sperma auf dem Rock gefunden.

Es ist nachgewiesen, dass er sich zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat.

Und sein Handabdruck passt eins zu eins zu dem, den man auf dem Fensterrahmen in Luisas Haus gefunden hat.

Der Prozess gegen Ryland findet im Juni 2025 statt.

Das Urteil gegen ihn wird am 1.

Juli 2025 gesprochen.

Das ist ja gerade mal wenige Wochen her, wenn diese Folge hier online geht.

Der Richter findet klare Worte.

Er sagt, Ryland habe vollständige Missachtung menschlichen Lebens und Würde gezeigt, Luisas Verletzlichkeit ausgenutzt und sie einem gnadenlosen und grausamen Akt ausgesetzt.

Ryland ist mittlerweile 92 Jahre alt, als er zu lebenslanger Haft verurteilt wird, mit einer Mindesthaftzeit von 20 Jahren.

Das heißt, er wird sehr sicher im Gefängnis sterben.

Sein Schuldspruch ist ein Zeichen und auch eine Botschaft von der Polizei, dass alle, die jemals ein Verbrechen begangen haben, niemals aufhören können, sich ständig umzuschauen, ob die Behörden ihn nicht doch auf den Fersen sind.

Und es ist auch ein Beweis dafür, dass es sich lohnt, finanzielle Ressourcen in die Hand zu nehmen, um mit neuester forensischer Technik in alten Fällen zu ermitteln.

Es wird aktuell noch geklärt, ob Ryland möglicherweise mit noch anderen ungeklärten Verbrechen in Verbindung steht.

Denn so viele andere Familien warten noch darauf, endlich Antworten auf all ihre Fragen zu erhalten.

Luisas Enkelin Mary kann kaum glauben, dass jetzt, nach all den Jahren, der Fall doch noch gelöst werden konnte.

In einem öffentlichen Statement sagt sie folgendes.

Der Tod meiner Großmutter Luisa hat weitreichende Auswirkungen auf meine ganze Familie gehabt.

Ich war erst 20 Jahre alt, als meine Großmutter starb, und inzwischen bin ich fast in dem Alter, das sie hatte, als sie getötet wurde.

Luisas brutaler Mord war wirklich heftig für meine Mutter und ihre erweiterte Familie.

Ich glaube nicht, dass meine Mutter jemals richtig davon genesen ist, die Angehörige Angst überschattete den Rest ihres Lebens.

Und das Zitat geht noch weiter.

Als die Leute von dem Mord erfuhren, zogen sich auch Freunde zurück.

Nach meiner Erfahrung lastet auf Vergewaltigung und Mord ein Stigma.

Deshalb habe ich bis jetzt selten mit jemandem darüber gesprochen.

Seit Ryland angeklagt wurde, kämpfe ich emotional auf eine Weise, die ich nicht erwartet hatte.

Und es liegt an mir, für diejenigen zu sprechen, die nicht mehr hier sind.

Es macht mich zutiefst traurig, dass all die Menschen, die Luisa kannten und liebten, nicht mehr da sind, um zu sehen, dass nun Gerechtigkeit geschieht.

Also ich meine, wie so häufig in den Fällen habe ich hier so viele What-the-fuck-Momente einfach gehabt.

Würde mich auch interessieren, welche du direkt im Kopf hast.

Ich kann nur sagen, dieser eine Moment, wo die Frau davon erzählt, wie Ryland auf sie zukriegt, zugriecht in der Nacht, das ist ja ein absoluter Albtraum.

Das ist die schlimmste Vorstellung überhaupt.

Wenn du nachts in deinem Bett liegst, dann bist du ja in deinem Safe Space.

Du liegst da in deinem Pyjama, Decke drüber, du bist ganz verletzlich, du schläfst, du bist gar nicht richtig da, du bist gar nicht richtig wach und diese Vorstellung, du machst die Augen auf und also ob da jetzt ein Mann reinkommt oder irgendwie im Türrahmen steht, aber diese Vorstellung, dass der so auf dich zugriecht, Irgendwie finde ich die fast noch mal ein bisschen gruseliger, als wenn der auf einen zukommen würde.

Das ist wirklich das Schlimmstmögliche.

Also was für eine Todesangst muss diese Frau durchstanden haben, wenn der auch noch sagt, ey, sei leise, sonst töte ich dich.

Wow, das muss wirklich furchtbar sein.

Die Enkelin hat es ja auch gesagt, wie die Familie das eigentlich macht.

Im Grunde nicht verarbeitet hat all die Jahre.

Dass man komisch angeguckt wurde.

Weil sich auch keiner von Nachbarn, Freunden und so mit diesen Themen auseinandersetzen wollen.

Und die wahrscheinlich nicht wussten, wie gehe ich denn jetzt mit der Familie um, die diesen furchtbaren Verlust erlitten hat.

Ja, ich ignoriere sie.

Das ist ja leider oft einfach so der einfachste Weg.

Also es ist wirklich ganz furchtbar.

Was sind noch deine What-the-Fuck-Momente?

Noch ein What-the-Fuck-Moment war auf jeden Fall, dass die Polizei diese ganze Aufklärung, ja klar, es ist irgendwo ein Erfolg, dass sie das aufgeklärt haben.

Will ich null bestreiten.

Aber die Art, wie sie das verargumentieren, so von wegen, ihr könnt nie aufhören, über eure Schulter zu gucken, ich meine, so schön diese Argumentation auch ist, diese Aussage, ihr hättet es trotzdem deutlich früher einfach schaffen können, wenn, und ich weiß nicht, woran mag das liegen so, liegt es am Brexit, dass sie nicht so genügend finanzielle Mittel haben, die Polizei auszustatten?

Das hätte deutlich früher geklärt werden können und die Familie hätte auch deutlich früher einfach damit, naja, nicht abschließen, aber es besser verarbeiten können vielleicht.

Und ja, dann hätte das vielleicht auch dabei geholfen, dass die Familie nicht so stigmatisiert worden ist einfach.

Das liest man ja auch häufiger, wenn wir zu Fällen recherchieren, dass so dieses Nicht-Wissen, was passiert ist, wer war es, wie ist es abgelaufen, dass das manchmal viel, viel schlimmer ist für die Leute, für die Angehörigen, weil die sich dann die schlimmsten Szenarien ausmalen.

Und natürlich ist es schlimm, so wie es dann wirklich war.

Also wenn das rauskommt, das macht es ja nicht besser.

Aber dieses Kopfkino ist dann nicht mehr da, was man sich so ausmalen kann.

Also es ist wirklich einfach nur ganz, ganz, ganz schrecklich.

Und ich finde aber, um der Polizei und dieser Ermittlerin vor allem, hier noch mal Props zu geben, dass die sich das vorgenommen hat.

Ich meine, der Fall war ja auch schon sehr alt zu der Zeit, dass die sich da in 17 Kisten durchgewühlt hat und gesagt hat, nein, ich gebe nicht auf, ich ziehe das jetzt durch.

Also was die für eine krasse Motivation an den Tag gelegt hat und den Fall letztendlich aufklären konnte, durch wiederum ja eigentlich ein Missgeschick, sagen wir mal.

Also Ryland war ja nur in der Datenbank gelistet, weil er für ein anderes Verbrechen mal aufgenommen wurde, also seine DNA aufgenommen wurde, wofür er gar nichts konnte.

Also es ist ja eigentlich ein dummer Zufall, dass er da gefunden werden konnte.

Ja, auf jeden Fall.

Also ich kann mir auch nicht vorstellen, beziehungsweise ich kann mir vorstellen, dass sie da auch ziemlich auf Widerstand getroffen ist, als sie sich den Fall so gesehen zum dritten Mal angeguckt hat, weil ja die Leute dann auch gesagt haben, komm, was willst du da noch erreichen?

Wurde doch schon mehrmals gecheckt, da wird nichts passieren.

Deswegen auf jeden Fall.

Eine letzte Sache, die mich da irgendwie voll beschäftigt und da bin ich mal sehr gespannt, was du jetzt sagst, ist, was glaubst du, wann hat Ryland gedacht, okay, jetzt ist so viel Zeit vergangen, jetzt kriegen die mich nicht mehr?

Also meinst du, dass man als Täter irgendwann an den Punkt kommt, wenn man noch nicht gefasst wurde, dass man sich irgendwann so in Sicherheit wiegt, dass man denkt, nee, jetzt wird mich hier keiner mehr schnappen.

Glaubst du, der hatte diesen Punkt oder glaubst du, der hat immer mit so einer unterschwelligen Angst gelebt?

So, boah, vielleicht schnappen die mich doch.

Gute Frage.

Ich würde mal erst mal behaupten, so pauschal kann man es sehr wahrscheinlich gar nicht sagen.

So von wegen nach 20 Jahren fühlen sich alle, die sowas gemacht haben, dann sicher.

So wie wir ihn heute kennengelernt haben, kann ich mir das aber schon vorstellen, dass so diese 15-20-Jahres-Marke tatsächlich zutrifft.

Dass er dann sein gepflegtes Leben da geführt hat.

Alles war irgendwie gut.

Und er ja auch gemerkt hat, dass die Polizei dann den Fall mehr oder weniger zu den Akten gelegt hat.

Und ich frage mich auch, ob er mitbekommen hat, wahrscheinlich eher nicht, dass die Fälle nochmal gecheckt worden sind.

Was meinst du?

Ja, da habe ich mich auch gefragt.

Ich kann mir schon vorstellen, dass man die Zeitung dahingehend dann schon immer nochmal so ein bisschen scannt und guckt, ob irgendwas Neues dazu veröffentlicht wurde.

Aber ey, vielleicht verdrängst du es einfach so krass irgendwann, dass du nicht mehr drüber nachdenken möchtest und das vielleicht auch vergisst, in Anführungsstrichen.

Wenn so viel Zeit vergeht, der Mann ist ja über 90 gewesen, als er dann festgenommen wurde.

Ja, vielleicht verdrängst du es irgendwann.

Das ist so Teil deines alten Lebens, was sich gar nicht mehr richtig real anfühlt.

Also vielleicht auch das, ja.

Vielleicht hat er sich das ja noch einfach schön geredet, auch wenn ich nicht nachvollziehen kann, wie man sich sowas schönreden will.

Aber dass er jetzt ja dann ein anderer Mensch geworden ist.

Es ist ja schon so lange her.

Ja, und so könnte ich es mir höchstens noch vorstellen.

Was mich auch nochmal ganz anderes Thema interessieren würde, weil es ja am 1.

Juli 2025 war, was ja wirklich nicht lange her ist.

Und auch wenn ich ein ziemliches Kurzzeitgedächtnis habe, ein ziemliches Goldfischgedächtnis.

Aber was hast du am 1.

Juli 2025 gemacht, als er verurteilt wurde?

Ja, ich schaue mal ganz kurz in meinem Kalender, weil das ist jetzt so lange her.

Weiß ich auch nicht so genau.

Warte, jetzt kommt wahrscheinlich ein Schnitt.

Okay, also ich habe am 1.

Juli gar nichts so Besonderes gemacht, aber ich habe um den Tag herum auf den Hund meiner Eltern aufgepasst.

Und wenn ihr uns auf Instagram folgt, dann habt ihr ja vielleicht auch schon mal ein Bild von Nala gesehen, die hier dann auch während unserer Aufnahmen unter dem Tisch lag.

Stimmt, stimmt.

Ich weiß auch genau, was du gemacht hast.

Das weiß ich nämlich ohne Kalender sogar.

Ja, okay, das stimmt.

Das war auch ein bisschen fies, weil bei mir ist es tatsächlich ein bisschen einfacher, dass ich mir das merken kann.

Einerseits, weil es mein Geburtstag war, wir waren in der Türkei im Urlaub, Wildwasser-Rafting und hatten wirklich einen Fastunfall.

Also hält mich nicht davon ab, dass ich nochmal irgendwie Wildwasser-Rafting mache, aber es war schon auf jeden Fall, ich werde mich auch nächstes Jahr noch dran erinnern, ohne dass ich den Kalender rauskramen muss.

Und damit würde ich sagen, schließen wir die Akte für diese Woche.

Wir freuen uns auf jeden Fall, wenn ihr nächste Woche Dienstag wieder dabei seid, überall wo es Podcasts gibt.

Wir sind eure Hosts, Anne Luckmann und Patrick Strohbusch.

Redaktion, Silva Hanekamp und wir.

Schnitt, Anne Luckmann.

Intro und Trainer gesprochen von Pia Rohnersachse.

Producer, Falko Schulte.

Die schwarze Akte ist eine Produktion der Julep Studios.

Vertraue und glaube, es hilft, es heilt die göttliche Kraft!

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