Episode Transcript
Diese Episode enthält explizite Details über einen wahren Kriminalfall.
Weitere Infos in der Folgenbeschreibung.
Der Morgen dämmert gerade erst, als David die Haustür hinter sich schließt.
Es ist der 7.
Oktober 1965.
In der Siedlung ist nicht ein Geräusch zu hören und feuchte Kälte hängt in der Luft.
Man hört nur das entfernte Tropfen von Regenrinnen und das Knirschen von Kies unter Davids Schuhen.
David ist 17 Jahre alt.
Er sieht aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen.
Seine Augen sind rot und seine Hände zittern.
In der rechten Hand hält er einen Hammer, in der linken einen Schraubenzieher.
Aber nicht als Werkzeug, sondern als Schutz.
Er weiß nämlich nicht, wem er auf dem Weg alles so begegnen könnte.
Neben ihm geht seine junge Ehefrau.
Sie hat den Mantel eng um sich geschlungen.
Beide sagen kein Wort.
Jeder Schritt durch die Siedlung heilt in der Stille nach.
Die Nacht war endlos.
David hat sich immer wieder übergeben.
Er hatte das Gefühl, die Wände des kleinen Hauses würden auf ihn einstürzen.
Immer wieder tauchten die Bilder auf, die er nicht mehr los wird.
Der dumpfe Schlag, das Krachen und der Geruch.
Die Angst, dass es nicht aufhört, dass er der Nächste sein könnte.
Jetzt müssen sie raus, weg von dem Haus, weg von dem, was dort liegt.
Die Telefonzelle steht nur ein paar Straßen weiter.
Das schwache Licht der Lampe über der Tür flackert.
David legt den Hammer auf die kleine Ablage, atmet tief durch und greift zum Hörer.
Das kalte Metall klebt an seinen Fingern.
Er wählt nur drei Zahlen.
Es dauert, bis er spricht.
Die Worte kommen stockend.
Er sagt, dass in dieser Nacht etwas Schreckliches geschehen ist.
Dass er es gesehen hat.
Dass ein Mann tot ist.
Und er nennt eine Adresse.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung bleibt ruhig.
Nimmt auf, was er sagt.
Hakt nach.
David gibt so viel Preis, wie er kann.
Dann legt er auf.
Draußen zieht ein Windstoß durch die Siedlung.
Die Frau sieht den Mann an.
Sie wissen beide, jetzt gibt es kein Zurück mehr.
In der Polizeiwache fällt die Entscheidung sofort.
Beamte werden in die Wattlebrook Avenue, Haus Nummer 16, geschickt.
Als sie vor dem unscheinbaren Reihenhaus stehen, ahnt noch niemand, dass sie gleich einen der schockierendsten Kriminalfälle der britischen Geschichte aufdecken werden.
Und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge der schwarzen Akte mit Anne Luckmann.
Und endlich mir wieder gegenüber Patrick Strohsch.
Hallo, schön, dass ihr wieder zuhört.
Und bevor es losgeht, hier noch ein paar Worte, denn diese Folge ist uns in der Vorbereitung echt besonders nah gegangen.
Wir sagen das ja immer am Anfang der Folge, aber hier nochmal der Hinweis.
In den Shownotes findet ihr ja immer die Content-Hinweise.
Also, falls ihr bestimmte Themen nicht hören möchtet, dann schaut dort bitte immer vorher rein.
Unser Fall führt uns in die Gegend von Manchester, in der Zeit vom Oktober 1965.
Eine Stadt, die nie ganz still steht.
Werbung.
Werbung Ende.
Hier schlägt das Herz der britischen Industrie.
Tag und Nacht hüllen die Fabrikschlote den Himmel in grauen Rauch.
Straßenbahnen quietschen durch enge Kurven.
Die Ziegelhäuser sind vom Ruß geschwärzt und die Luft riecht nach Kohle.
Hattesley ist eine von den neuen Siedlungen am Rand der Stadt.
Ein Ort, an dem die Behörden die Menschen aus den überfüllten Slums umsiedeln.
Lange Reihen aus grauen Häusern, dazwischen schmale Höfe und kahle Straßen.
Die Mieten sind billig, aber die Hoffnung auf ein besseres Leben, die hat Risse bekommen.
Der Herbst 1965 ist die Zeit der Beatles, von Miniröcken und Motorradgangs.
Das Land verändert sich und wirkt moderner und freier.
Aber in den Arbeitervierteln bleibt der Alltag hart.
Schichtdienst, Papp und immer wieder Streit ums Geld.
Gewalt hinter verschlossenen Türen ist leider nichts Ungewöhnliches.
Als an diesem Herbstmorgen ein Anruf bei der Polizei eingeht, denken die Beamten an genau sowas, einen eskalierten Streit.
Sie ahnen nicht, dass dieser Einsatz sie an den Rand des Vorstellbaren führen wird.
Der Einsatzbefehl erreicht die zuständigen Polizisten um kurz nach halb acht.
Es geht um einen vermeintlichen Mord in einem Haus in der Wardlebrook Avenue in Hattesley.
Die Leiche soll sogar noch dort liegen.
Und noch ein wichtiges Detail.
Die Bewohner des Hauses, die könnten bewaffnet sein.
Für die Beamten ist klar, das hier wird kein Routine-Einsatz.
Einer der Kommissare, Bob, macht sich mit seinem Kollegen auf den Weg in die Siedlung.
Hattersley wirkt an diesem Morgen noch grauer als sonst.
Sie fahren auf feuchtem Asphalt vorbei an langen Reihen gleichförmiger Häuser und schmalen Vorgärten.
In der Nähe der Hausnummer 16 halten sie ihren Wagen an und steigen aus.
Ein schmaler Gehweg führt zur Haustür.
Kommissar Bob sieht zufällig einen Bäcker auf dem Weg.
Der trägt einen weißen Kittel und hat einen Korb in der Hand.
Vielleicht schießt dem Polizisten in diesen Momenten kurzer Gedanke durch den Kopf, nämlich unauffällig bleiben.
Später wird Bob erzählen, dass er sich Mantel und Korb ausleiht, um nicht sofort als Polizist erkannt zu werden.
Er zieht sich also die Polizeiuniform aus und verkleidet sich als Bäcker, der Brote ausliefert.
Er geht auf die Haustür von Nummer 16 zu und klopft.
Die Tür öffnet sich und eine Frau steht im Rahmen.
Sie hat blondes Haar, helle Augen und eine Miene, die nichts verrät.
Sie sagt, es sei niemand im Haus, alles sei in Ordnung.
Doch die Beamten spüren, dass etwas nicht stimmt.
Da gab es ja einen Anruf so früh am Morgen, dass ein toter Mann dort im Haus liegen soll.
Und diese Frau hier an der Tür, die wirkt viel zu gefasst dafür, dass ein Mord passiert sein soll.
Die beiden Polizisten betreten also das Haus.
Wann genau sie sich als solche zu erkennen geben und ihre Bäckertarnung fallen lassen, geht aus den Quellen nicht hervor.
Der Geruch von kaltem Rauch hängt in der Luft.
Das Wohnzimmer wirkt ordentlich.
Sie sehen, dass auf dem Sofa ein Mann liegt.
Er trägt nur Unterwäsche und sein Knöchel ist verbunden worden.
Der Mann wird langsam wach und richtet sich auf.
Die Polizisten nennen ihm den Grund ihres Besuchs.
Der Mann bleibt ruhig, wirkt sogar noch höflich, obwohl jetzt alles durchsucht wird.
Die Beamten durchsuchen die unteren Räume, aber sie können nichts finden.
Doch ein Schlafzimmer ist verschlossen.
Die Frau sagt den Beamten, dass der Schlüssel dafür nicht da sei.
Aber Kommissar Bob zögert gar nicht erst.
Entweder sie kriegen den Schlüssel oder sie brechen die Tür einfach auf.
Der Mann vom Sofa schaut den Polizisten an.
Dann gibt er der Frau ein knappes Zeichen.
Die holt darauf in den Schlüssel.
Die Tür öffnet sich damit also.
Ein Moment lang ist es still.
Dann sehen die Beamten das.
Auf dem Bett liegt etwas sorgfältig in Plastik eingewickelt.
Die Form ist unverkennbar.
Es ist ein menschlicher Körper.
Für einen Augenblick starren alle in das Zimmer.
Der Geruch von Blut mischt sich mit dem von Plastik.
Die Beamten treten näher heran.
Sie sehen den Umriss von Armen und von Beinen.
Das Gesicht ist jedoch verborgen.
Aber eins ist klar, hier vor ihnen liegt ein toter Mensch.
Es muss ein ziemlich harter Moment für die Beamten gewesen sein.
Dieses Wissen, dass sie mitten in einem Tatort stehen, nur eine Tür entfernt vom Wohnzimmer, in dem sie eben noch mit den Bewohnern gesprochen haben.
Die Stimmung kippt.
Der Mann, der eben noch auf der Couch gelegen hat, der wird auf der Stelle festgenommen.
Handschellen klicken.
Die Frau aber bleibt kühl.
Sie bietet freiwillig an, mit auf die Wache zu kommen.
Doch für die Ermittler ist klar, dass das kein spontaner Ausbruch von Gewalt war.
Alles hier wirkt irgendwie geplant.
Die Leiche ist sauber eingewickelt und der Raum sorgfältig verschlossen worden.
Irgendjemand wollte hier Zeit gewinnen.
Man kann sich vorstellen, was in den Köpfen der Polizisten vorgegangen sein muss.
Hätten sie ein paar Stunden später hier gestanden, dann wäre das Zimmer vielleicht schon leer gewesen.
Vielleicht hätte niemand jemals erfahren, was in dieser Nacht geschehen ist.
Jetzt aber liegt der Tote noch hier.
Und das ist der Moment, in dem aus einem anonymen Anruf ein echter Mordfall wird.
Während der Mann und die Frau auf die Wache gebracht werden, wird das Haus versiegelt und der Tote geborgen.
Doch die entscheidende Frage steht nun im Raum.
Wer ist der Mann im Plastik?
Und was ist in diesem Haus passiert?
Ja, die Identifizierung der Hausbewohner ist wohl am einfachsten.
Es handelt sich um einen Mann namens Ian, 27 Jahre alt, und seine Frau Myra, 23.
Sie leben in dem Haus zusammen mit Myras Großmutter.
Nach außen sind die beiden ein recht unauffälliges Paar.
Er arbeitet als Buchhalter, sie als Schreibkraft in derselben Chemiefirma.
Auch die Leiche wird schnell identifiziert.
Es handelt sich um einen Teenager namens Edward, 17 Jahre alt.
Ein junger Mann aus Manchester, der am Abend zuvor spurlos verschwunden war.
Die Ermittler versuchen also, diese Nacht zu rekonstruieren.
Wichtige Hinweise kommen ja von David.
Das war der junge Mann, der am frühen Morgen den Anruf gemacht hatte.
Ihr erinnert euch an den Anfang der Folge.
Er ist Myras Schwager, also mit Myras Schwester verheiratet.
David sitzt mittlerweile im Verhörraum und erzählt Schritt für Schritt, was am Vorabend geschehen ist.
Seine Schwägerin Myra habe ihn ins Haus gelockt.
Sie habe gesagt, ihr Mann Ian wolle ihn sehen.
Als David dann eintraf, saßen Ian, Myra und ein junger Mann namens Edward im Wohnzimmer.
Sie tranken Wein und haben geredet.
Dann sei Ian aufgestanden, in die Küche gegangen und mit einer Axt zurückgekommen.
Er habe sich hinter Edward gestellt, die Axt gehoben und einfach zugeschlagen.
Der Schlag habe aber nicht sofort getötet.
Edward habe sich gewehrt und sogar versucht aufzustehen.
Durch den Krach sei Myras Großmutter im Nebenzimmer wach geworden und habe gefragt, was denn los sei.
Ian habe mehrfach zuschlagen müssen.
Schließlich habe er Edward dann auch noch mit einem Kabel erdrosselt.
Sorge David beschreibt, wie Myra hinterher das Blut aufgewischt hat, wie er selbst gezwungen wurde, mitzuhelfen, den Körper in Plastik zu wickeln und in das Schlafzimmer zu tragen.
Später wird die Polizei rekonstruieren, dass Ian seinen Schwager David wahrscheinlich testen wollte, ob er stark genug sei, um Teil seiner Welt zu werden.
Die Ermittler vergleichen Davids Aussage mit Funden vom Tatort.
Die Blutspuren, die Axt und die in Plastik gehöte Leiche.
Das Bild passt.
Seine Aussage ist detailliert und wird als glaubwürdig eingestuft.
Aber sie macht auch klar, dass dieser Mord alles andere als spontan war.
David sagt auch noch was anderes.
Etwas, das die Ermittler erneut aufhorchen lässt.
Er erzählt, dass Ian schon öfter von anderen Morden gesprochen habe, dass der Mord an Edward nicht das erste Mal gewesen sei.
Parallel zu Davids laufen auch die Verhöre mit den beiden Verdächtigen.
Lasst uns zuerst über Ian, den Mann von der Couch, sprechen.
Er ist 27 Jahre alt, schlank, gepflegt und beinahe elegant gekleidet, trotz der Handschellen.
Er gibt den Mord an Edward direkt zu.
Nicht zögerlich, nicht widerwillig, sondern klar.
Ian erzählt, dass Myra und er an diesem Abend nach Manchester gefahren seien.
Nicht um Freunde zu treffen oder Besorgung zu machen, nein.
Er spricht von einem inneren Drang, den er habe stillen müssen.
Einem Drang zu töten.
Am Bahnhof hätten die beiden Bier und Cola kaufen wollen.
Dort sei er dann Edward begegnet.
Sie kamen ins Gespräch.
Ian habe ihn dann auf einen Drink eingeladen und mit nach Hattersley genommen.
In der Waddlebrook Avenue hätten sie alle zusammengesessen, Wein getrunken und sich unterhalten.
Und dann habe Ian die Axt geholt.
Der erste Schlag habe den jungen Mann nicht sofort getötet.
Also habe er weiter zugeschlagen.
Schließlich habe er ein Kabel genommen und es ihm um den Hals gelegt, bis er tot war.
Das deckt sich also mit der Aussage von Schwager David.
Als die Ermittler nach dem Motiv fragen, nennt er nur zwei Worte.
Lust und Vergnügen.
Keine Affekthandlung, keine Notwehr, keinen Streit, sondern das bewusste Töten eines Menschen, weil er es wollte.
Es ist der Moment, in dem die Beamten begreifen, dass dieser Fall mehr ist als ein eskalierter Streit zwischen Bekannten.
Ians Frau Myra wird ebenfalls befragt.
Sie bleibt deutlich zurückhaltender und verweist immer wieder auf Ian.
Was immer er getan habe, habe auch sie getan, so Myra.
Mehr will sie nicht sagen.
Die Ermittler spüren, dass sie Information zurückhält, aber sie haben noch nicht genug in der Hand, um sie weiter unter Druck zu setzen.
Wichtiger für den Moment ist die Aussage ihres Schwagers, David.
Er bleibt mehrere Stunden im Verhörraum.
Und dann kommt der Satz, der alles verändert.
David habe nicht nur von diesem einen Mord erfahren.
Sein Schwager Ian habe schon vorher von anderen Morden gesprochen.
Vielleicht hat David das alles bis dahin für angeberisches oder wirres Gerede gehalten.
Aber nach dieser Nacht könnte es sehr gut sein, dass wirklich etwas dahinter steckt.
Für die Ermittler ist dieser Moment ein Schock.
Bislang war der Fall klar.
Ein junger Mann, tot in einem Schlafzimmer.
Und ein Täter, der gesteht.
Aber nun steht im Raum, dass es noch mehr Opfer gegeben haben könnte.
Was, wenn Edward nicht der einzige Tote ist?
Das Erste, was die Polizisten unter die Lupe nehmen, ist das Haus von Ian und Myra.
Sie gehen Raum für Raum ab und nehmen jedes Detail unter die Lupe.
Der Boden, die Möbel, die Wände, alles wird fotografiert.
Sie finden auch einiges, zum Beispiel Messer, ein Revolver und Munition.
In einem Regal liegen Bücher, viele über Gewalt, Macht und Kriminalität.
Und sie stoßen auf Notizhefte.
Darin stehen Gedanken, Pläne und Listen notiert.
Noch kann niemand den vollen Umfang dieser Aufzeichnungen ermessen.
Aber schon beim ersten Durchblättern wird klar, dass hier jemand systematisch notiert hat, was er tat und wie er es tat.
Während all das passiert, ist Myra noch nicht in Haft, sondern für vier weitere Tage auf freiem Fuß.
Vier Tage, in denen sie theoretisch Zeit hat, Beweise zu vernichten.
Fotos, Notizen, alles, was sie erreichen kann.
Sie geht sogar zu ihrem Chef und bittet ihn, sie und Ian zu entlassen, damit sie Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.
Es wirkt so, als wüsste sie, dass die Polizei auch bald sie verhaften wird.
Aber an einen Ort kommt sie nicht mehr, nämlich an den Bahnhof von Manchester.
Und genau dort liegen die wichtigsten Beweise.
Während Ian und Myra bei der Polizei erstmal keine weiteren Aussagen machen, ist ihr Schwager David bereit, den Ermittlern alles zu sagen, was er weiß.
Er erzählt den Beamten etwas von Koffern und dass Ian und Myra über Bahnhöfe gesprochen hätten.
Es klingt erstmal wie eine beiläufige Bemerkung.
Doch für die Ermittler ist es ein möglicher Hinweis.
Vielleicht haben Ian und Myra dort Beweise versteckt.
Die Ermittler entdecken dann die nächste Spur.
Beim Durchsehen von Myras Habseligkeiten finden sie ein Gebetsbuch, das schon früh beschlagnahmt wurde.
Darin steckt ein kleines Ticket.
Ganz unscheinbar und fast zu übersehen.
Es ist ein Beleg für ein Schließfach am Bahnhof in Manchester.
Die Beamten kontaktieren daraufhin die Verkehrspolizei und gemeinsam gehen sie die Gepäckannahmen der letzten Tage durch.
Das Ermittlerteam spricht mit Mitarbeitenden der Gepäckannahme und geht Fach für Fach durch, bis sie fündig werden.
Dort stehen mehrere Koffer.
Es sind große Gepäckstücke, teilweise auch sehr schwer.
Sie sind vollgepackt.
Die Koffer werden auf die Wache gebracht und geöffnet.
Und was sich darin befindet, ist ein Schock.
Zwischen pornografischen Magazinen, Büchern und Papieren liegen Notizbücher voll mit kryptischen Einträgen.
Die Polizei findet später eine Art Masterliste.
Regeln, wie man vorgehen muss, wenn man jemanden umbringt.
Nur einer von ihnen soll das Opfer ansprechen.
Sie dürfen nicht zusammengesehen werden.
Nach der Tat müssten die Kleider verbrannt und durch Identische ersetzt werden.
Alibis müssen für zwei Wochen wasserdicht sein.
Deshalb erkundigen sie sich bei zufällig vorbeikommenden Personen ständig nach Datum und Uhrzeit, um sichere Alibis zu schaffen.
Sollte es Zeugen ihrer Taten geben, dann sollen diese erschossen werden.
Und für den Fall, dass sie selbst erwischt werden, steht da, Ian würde zuerst Myra töten und dann sich selbst.
Wie krass ist das bitte?
Zwischen diesen ganzen Aufzeichnungen stoßen die Ermittler dann auch noch auf einen Namen.
John.
John war zwölf Jahre alt, als er vor zwei Jahren von einem Wochenmarkt verschwunden ist.
Das war 1963.
Ein fröhlicher Junge, der an diesem Nachmittag eigentlich nur ein bisschen Taschengeld verdienen wollte, indem er Kisten geschleppt hat.
Wochenlang hatte man den Jungen gesucht.
Die Familie war total verzweifelt.
Dann wurde der Fall irgendwann zu den Akten gelegt.
Und jetzt taucht sein Name wieder auf, hier inmitten von Mordplänen.
Die Ermittler arbeiten sich weiter durch die Koffer.
Sie stoßen dabei auf Fotos und Negative.
Zuerst wirken die Bilder wie harmlose Aufnahmen.
Zu sehen sind Landschaften, das Moor und Myra mit ihrem kleinen Hund pappet.
Aber dann ändern sich die Bilder.
Sie zeigen ein Mädchen, gefesselt und nackt auf einem Bett.
Die Ermittler starren auf die Fotos in ihren Händen.
Viele von den Beamten sind Selbstväter.
Es muss ein grauenhafter Anblick gewesen sein, der auch erfahrenen Polizisten nahegeht.
Und die Polizisten wissen sofort, um wen es sich bei den Mädchen auf den Fotos handelt.
Nämlich um Leslie Ann.
Zehn Jahre alt, die am zweiten Weihnachtsfeiertag 1964 vor knapp einem Jahr spurlos verschwunden ist.
Sie ist mit Freunden zu einem Jahrmarkt gegangen und sollte zum Abendessen zurück sein.
Stattdessen verschwand sie spurlos.
Und dann kommt der vielleicht schlimmste Fund von allen.
Ein Tonband.
Der Inhalt darauf ist 16 Minuten lang.
Die Ermittler setzen sich also zusammen und spielen es ab.
Zunächst hört man ein Kind leise wimmern, dann weinen und schreien.
Man hört Myras Stimme, deutlich erkennbar, wie sie dem Mädchen die Anweisung gibt, sie solle still sein.
Dann hört man Ions Stimme im Hintergrund.
Die Ermittler hören, wie das Kind sagt, dass es nach Hause muss, dass es Ärger bekomme, wenn es zu spät kommt.
Mehrmals fleht das Kind darum, gehen zu dürfen.
Im Hintergrund läuft außerdem noch Musik, nämlich der Song Little Drummer Boy.
Ursprünglich ist das ein amerikanisches Weihnachtslied.
Die meisten Versionen des Songs haben eine ruhige, fast schon meditative Melodie.
Schlicht, feierlich und besinnlich.
Und das ist ein krasser und kranker Gegensatz zu dem, was da im Raum vor sich gehen muss.
Irgendwann hört man ein Klicken, so als würde jemand eine Kamera aufstellen.
Für die Polizisten ist es schwer, die Fassung zu bewahren.
Ein Polizist beschreibt später, dass einige Beamten den Raum verlassen müssen, andere sitzen mit versteinerten Gesichtern da.
16 Minuten Material, das kaum auszuhalten ist.
Und trotzdem müssen sie es bis zum Ende anhören.
Nun stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, die Familie zu informieren.
Lesleys Mutter wird also auf die Wache gebeten.
Was dann passiert, ist so unvorstellbar und grausam.
Die Mutter muss sich die Fotos ansehen, sie hört das Tonband an und sie erkennt ihre Tochter.
Es ist tatsächlich Leslie, die dort fleht und nach ihrer Mutter ruft.
Es gibt keine Worte, die beschreiben können, was in Lesleys Mutter vorgehen muss.
In einer Dokumentation aus dem Jahr 2004 erzählt die Mutter davon.
Selbst das ist kaum auszuhalten.
Spätestens jetzt gibt es keinen Zweifel mehr.
Ian und Myra haben nicht nur Edward getötet.
Sie haben mindestens ein weiteres Kind, nämlich Leslie, ermordet.
Und sie haben es geplant, dokumentiert und archiviert.
Die Polizei spekuliert, ob die beiden auch etwas mit dem Verschwinden von John zu tun haben könnten.
Der zwölfjährige Junge, der vom Wochenmarkt verschwunden ist.
Sein Name taucht ja immerhin in den Notizen von Ian und Myra auf.
In den Koffern liegen außerdem Fotos von Ian und Myra selbst.
Sie stehen in einer idyllischen Landschaftskulisse.
Es handelt sich dabei um das Moor nahe Manchester.
Auf mehreren Bildern ist Myra zu sehen, oft mit ihrem Hund im Arm, an verschiedenen Stellen des Saddleworth Moor.
Die Ermittler beginnen zu ahnen, dass diese Bilder vielleicht nicht zufällig dort entstanden sind.
Immer wieder sind auf den Fotos dieselben Hügel und dieselben Pfade abgebildet.
Auf einem Foto ist Myra zu sehen, die ihren Hund in der Hand hält und sich in Richtung Boden hockt.
Der Moorboden zu ihren Füßen wirkt aufgewühlt, als hätte man dort kürzlich die Erde bewegt.
Ihr könnt euch das Foto selbst anschauen.
Wir haben es euch in den Schaunorts verlinkt.
Für die Beamten ist das der erste greifbare Hinweis auf einen möglichen Tatort.
Um sicher zu gehen, befragen sie die Nachbarschaft.
Ein Nachbarskind erinnert sich, dass sie Ian und Myra öfter mit dem Hund gesehen hat.
Sie sind auch zusammen unterwegs gewesen, draußen im Moor.
Es ist einer der entscheidenden Tipps.
Die Polizei beschließt also, das Gebiet genauestens abzusuchen.
Es ist allerdings immer noch Oktober.
Das Moor ist kalt, feucht und grau.
Nebel hängt tief über der kargen Landschaft.
Der Wind pfeift unablässig.
Die Beamten ziehen in langen Reihen los, mit Stiefeln im nassen Torf und mit Metallstangen, die sie in den Boden stoßen.
Meter für Meter arbeiten sie sich voran, stundenlang, tagelang.
Es ist zermürbend.
Der Regen weicht den Boden auf und der Wind schneidet ins Gesicht.
Oft glauben sie, etwas gefunden zu haben.
Ein Knochen oder ein Stück Stoff.
Und jedes Mal ist es ein Fehlalarm.
Die Beamten sind erschöpft.
Dann, am 16.
Oktober 1965, neun Tage nach dem Anruf von Schwager David, der alles hier ans Rollen gebracht hat, passiert es.
Die Polizei hat die Suche nach Hinweisen im Moor eigentlich schon eingestellt.
Die Busse waren schon längst wieder besetzt und alle bereit für die Rückfahrt.
Ein Polizist will gerade den Hang hinauflaufen, um sich zu erleichtern.
Da bemerkt er etwas Helles im schwarzen Torf, einen Knochen.
Erst halten die Sucher es für einen Tierknochen.
Doch als sie vorsichtig weitergraben, da stoßen sie auf Stoff und Kleidung.
Und dann kommt der Moment, in dem alles stillsteht.
Die Ermittler finden einen kleinen Körper, in einem flachen Grab, etwas über einen halben Meter tief.
Eine Hälfte des Körpers liegt noch im Torf, fast unversehrt.
Haare, Gesicht und Kleidung sind erkennbar.
Die andere Hälfte ist bereits vom Mord zersetzt.
Die Ermittler wissen sofort, um wen es sich handelt.
Um Leslie N.
Die Bergung findet noch in derselben Nacht statt.
Lampen werfen grelles Licht in den Nebel.
Die Szenerie ist unheimlich, fast gespenstisch.
Der Körper wird vorsichtig geborgen.
Einige Beamte können nicht hinsehen, andere stehen mit versteinerten Minen daneben.
Lesleys Mutter wird zum Moor gebracht.
Sie erkennt ihre Tochter sofort.
Sie will sie berühren, doch man lässt es nicht zu.
Sie will sie nicht dort lassen.
Später erzählt sie, dass sie das Gefühl hatte, Leslie doch nicht zurücklassen zu können.
Dass es sie fast zerriss, fortgehen zu müssen.
Nach diesem Fund geht die Suche weiter.
Vielleicht findet man weitere Leichen im Moor.
Vielleicht findet man ja John.
Die Beamten suchen den Ort, an dem Myra auf dem Foto vor dem aufgewühlten Boden hockt.
Fünf Tage später stoßen die Beamten tatsächlich auf eine verdächtige Stelle, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem die Leiche von Leslie lag.
Die Ermittler graben und finden einen gut erhaltenen Schuh und einen Fuß und schließlich eine weitere Leiche.
Die Polizei bringt den Schuh zu Johns Mutter.
Sie erkennt ihn sofort.
Es sind Johns Schuhe, gerade erst geflickt.
Zur Sicherheit wird sie in die Leichenhalle gebracht.
Dort identifiziert sie die Kleidung und die Knöpfe an der Jacke, die sie selbst angenäht hatte.
Sie weiß nun, dass es sich um ihren Sohn handelt.
John war zwölf, als er 1963 vom Wochenmarkt verschwand.
Wochenlang hatte man gesucht.
Die Familie hatte gehofft, dass er zurückkommt.
Jetzt gibt es traurige Gewissheit.
Seine Mutter sagt später, sie sei erleichtert gewesen, als man ihn fand.
Niemals zu erfahren, wo er ist, wäre schlimmer gewesen.
Und damit ist klar, Ian und Myra haben mindestens drei Menschen getötet.
Edward, Leslie Ann und John.
Insgesamt zwei Monate lang durchkämmen die Polizisten das Moor, laufen Kilometer um Kilometer, stoßen Stangen in den Boden.
Immer wieder.
Parallel laufen die Verhöre.
Myra bleibt kühl.
Selbst als die Ermittler ihr Fotos von John auf den Tisch legen, zeigt sie keine Regung.
Sie legt ihr Mittagessen drauf, als wären es beliebige Zettel.
Ian gibt nur das zu, was er nicht mehr abstreiten kann.
Alles andere verschweigt er.
Die Ermittler müssen sich jeden Beweis erarbeiten.
Ein entscheidender Durchbruch gelingt ihnen, als sie die Fotos aus dem Koffer mit dem Schlafzimmer von Ians und Myras Haus in der Waddlebrook Avenue vergleichen.
Myras Fingerabdrücke befinden sich auch auf den Bildern.
Das Bett, auf dem Leslie gefesselt zu sehen ist, ist dasselbe Bett, das noch immer im Haus steht.
Zusammen mit den Spuren an der Wand steht fest, dass Leslie hier war.
Diese Wochen der Suche sind entscheidend.
Hier sichern die Polizisten die Beweise, die am Ende die Grundlage für den Prozess bilden.
Die Leichen, die Fotos, die Fingerabdrücke und die Spuren im Schlafzimmer.
Und dann geht die Polizei den nächsten Schritt.
Sie wollen herausfinden, wer Ian und Myra wirklich sind und warum sie all das getan haben.
Und dafür schauen sie sich ihre Vergangenheit an.
Ian kommt 1938 in Glasgow zur Welt.
Seine Mutter ist Kellnerin, den Vater kennt er nicht.
Schon als Säugling gibt seine Mutter ihn in die Pflege.
Er wächst in den engen, verrusten Straßen der Gorbels auf, einem der härtesten Viertel der Stadt.
Gewalt gehört hier zum Alltag.
Schlägereien auf der Straße und Betrunkene, die ihre Familien und sich gegenseitig verprügeln.
Ian ist stiller als die anderen.
Er ist ein Außenseiter, der lieber liest, als mit anderen Jungs zu spielen.
Doch auch er wird wütend und dann unberechenbar.
Als Teenager stiehlt er, bricht ein.
Zwischen seinem 13.
und 16.
Lebensjahr steht er mehrfach vor Gericht.
Im Alter von 17 Jahren muss er ins Gefängnis.
Zwei Jahre Jugendhaft.
Dort liest er Bücher, die ihn prägen.
Von Nietzsche, Dostoyevsky, Camus und Marquis de Sade.
Gedanken über Macht, Freiheit und Gewalt setzen sich in seinem Kopf fest.
Ian beginnt, die Welt anders zu sehen.
Oder zumindest glaubt er das.
Er nennt es später das schwarze Licht.
Eine Stimmung, in der er sich losgelöst fühlt von allen Regeln, allen Zwängen und allen moralischen Grenzen.
Nach seiner Entlassung zieht Ian zu seiner Mutter nach Manchester.
Er arbeitet, wechselt Jobs und wird schließlich Buchhalter an einer Chemiefirma.
Nach außen wirkt er nun wie ein junger Mann, der sein Leben in den Griff bekommt.
Doch in den Nächten plant er weiter, Raubüberfälle und ähnliches.
Er besorgt sich Waffen, einen Fotoapparat und ein Tonbandgerät.
Myra wächst nur wenige Straßen weiter auf, in Gordon, einem Arbeiterviertel von Manchester.
Auch ihre Kindheit ist hart.
Wir würden sie wahrscheinlich als brutal beschreiben.
Damals ist es fast schon normal.
Sie muss ihren Vater aus der Kneipe holen, wenn er zu betrunken ist.
Sie sieht, wie er zu Hause randaliert.
Später sagt sie, sie sei oft wütend gewesen.
Vielleicht war es diese Wut, die sie anders machte als die anderen Mädchen in ihrer Straße.
Myra will kein Leben, das darin endet, jeden Tag dasselbe zu tun.
Sie will nicht heiraten, Kinder kriegen, kochen und putzen.
Sie will raus.
Als sie mit 19 ihren Job als Schreibkraft in einer Chemiefirma antritt, begegnet sie Ian.
Er ist groß, dunkelhaarig und gut gekleidet.
Er ist vier Jahre älter als sie, fährt Motorrad und wirkt wie jemand, der mehr vom Leben will.
Myra verliebt sich sofort.
Sie hält ihre Gedanken und ihre Schwämmereien in einem Tagebuchfest.
Ein Jahr später, bei einer Weihnachtsfeier, kommen sie sich näher.
Nach der Party ziehen sie durch die Pubs und küssen sich an Straßenecken.
Ian übernachtet dann bei ihr.
Für Myra ist es der Beginn von etwas Großem.
Sie feiert sogar schon Silvester mit ihm und ihren Eltern.
Von da an verbringen sie fast jede freie Minute zusammen.
Sie sitzen in den Hinterzimmern der Pubs, trinken, rauchen und reden über das Leben, über Moral, über Freiheit, über den Tod.
Ian erzählt von seinen Lieblingsautoren.
Myra hört zu und bewundert ihn.
Später wird sie sagen, er wurde mein Gott, mein Idol, ich bete ihn an.
Werbung Werbung Ende Ihre Beziehung wird immer exklusiver, fast hermetisch.
Sie werden zu einer Welt nur für sich.
Eine Sekte zu zweit, wie es später der Stern in einem Artikel schreibt.
Gemeinsam träumen sie davon, auszubrechen aus dem grauen Manchester.
Gemeinsam beginnen sie, Grenzen zu verschieben.
Ian und Myra erstellen eine Liste, ihre sogenannte Masterliste, über die wir schon gesprochen haben.
Darauf steht ja, wie man vorgehen muss, wenn man einen Menschen töten will.
Nur einer spricht das Opfer an, danach sofort ein Alibi sichern, Kleidung verbrennen und wenn es Zeugen gibt, diese ausschalten.
Und wenn sie selbst erwischt werden, dann erst Myra töten und dann tötet Ian sich selbst.
Und dann kommt irgendwann der Moment, an dem aus Fantasie tatsächlich Realität wird.
Wir wissen, dass im November 1963 der zwölfjährige John verschwindet.
Ein fröhlicher und hilfsbereiter Junge.
Myra und Ian sprechen ihn auf dem Wochenmarkt an.
Sie bieten ihm eine Mitfahrgelegenheit.
Doch sie fahren nicht nach Hause.
Sie fahren ins Moor.
Dort wird John erdrosselt.
Über ein Jahr später, am zweiten Weihnachtsfeiertag 1964, verschwindet die zehnjährige Leslie Ann.
Myra und Ian locken sie von einem Jahrmarkt weg.
Wieder ein knappes Jahr später, im Oktober 1965, trifft Edward am Hauptbahnhof in Manchester auf Ian.
Es ist eine Begegnung, die ihnen das Leben kosten wird.
Aber die Frage bleibt, ob die drei die einzigen Opfer von Ian und Myra sind.
Oder gibt es noch weitere?
Die Ermittler haben noch immer keinen Beweis für weitere Morde.
Aber die Notizbücher, die Fotos und die Masterliste, der Liste, all das könnte darauf hindeuten, dass es mehr gegeben haben könnte.
Und natürlich bleibt auch die Öffentlichkeit nicht ruhig.
Die Zeitungen sind voller Artikel zu dem Fall.
Jeder will wissen, was in diesem Haus und im Moor passiert ist.
Die Schlagzeilen überschlagen sich.
Reporter belagern die Nachbarschaft, sogar die Familien der Opfer und später das Gerichtsgebäude.
Schon bevor der Prozess überhaupt beginnt, werden Ian und Myra zu den meistgehassten Menschen des Landes.
Als schließlich der Prozess eröffnet wird, ist der Gerichtssaal bis auf den letzten Platz gefüllt.
Journalisten aus ganz Großbritannien sind angereist.
Millionen von Menschen verfolgen die Berichterstattung.
Der Prozess gegen Ian und Myra beginnt im April 1966, fast ein Jahr nach ihrer Festnahme.
Ganz Großbritannien schaut nach Chester, wo das Verfahren stattfindet.
Es ist einer der aufsehenerregendsten Prozesse des Jahrzehnts.
Nicht nur wegen der Taten, sondern auch, weil es das erste Mal ist, dass die Nation durch Zeitung, Radio und Fernsehen Schritt für Schritt miterlebt, wie ein solcher Fall aufgeklärt wird.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng.
Die Polizei sichert das Gelände und hält Schaulustige zurück.
Als Ian und Myra zum ersten Mal in den Gerichtstag geführt werden, richtet sich die ganze Aufmerksamkeit auf sie.
Er in einem dunklen Anzug, kühl und fast arrogant, sie mit blonden Haaren, gepflegt und beinahe ungerührt.
Kaum jemand erkennt in ihr die Frau wieder, die auf den Fotos aus dem Mord zu sehen ist.
Doch genau darum geht es hier, die Maske abzureißen.
Der wichtigste Zeuge ist David, der Schwager, der den Mord an Edward ja gesehen hat und damit die Ermittlungen erst ins Rollen gebracht hat.
Tagelang sagt er aus, schildert noch einmal die Nacht, in der Edward starb.
Dann kommt der härteste Moment des gesamten Prozesses, nämlich das Abspielen des Tonbands.
16 Minuten lang hört die Jury Leslie-Annes Schreie, ihre Bitten und ihre Angst.
Man hört Myras Stimme deutlich, wie sie versucht, das Mädchen zum Schweigen zu bringen.
Man hört Ian im Hintergrund, ruhig und kontrolliert.
Niemand im Saal kann sich dieser Aufnahme entziehen.
Nach drei Wochen steht das Urteil fest.
Schuldig.
Ian wird wegen dreifachen Mordes verurteilt, an Edward, Leslie Ann und John.
Dreimal lebenslange Haft.
Myra wird zu zweimal lebenslang, wegen zwei Morden und zusätzlichen sieben Jahren, für ihre Beihilfe an Edwards Tod verurteilt.
Das Land atmet auf und ist gleichzeitig erschüttert.
Dass eine Frau Teil solcher Taten sein kann, bricht für viele ein Tabu.
Die Zeitungen berichten in endlosen Schlagzeilen.
Titelseiten zeigen Myras Gesicht neben dem Wort Monster.
Die Nation will verstehen, wie das passieren konnte.
Ian nimmt das Urteil fast gleichgültig hin.
Er weiß, dass er das Gefängnis nie wieder verlassen wird.
Er scheint ihn nicht zu kümmern.
Myra hingegen beginnt bald Stück für Stück, sich von Ian zu distanzieren.
Zunächst schreibt sie ihm noch jahrelang Briefe, dann stellt sie den Kontakt ein.
Sie bestreitet mehr und mehr ihre Schuld und versucht, sich selbst als Opfer darzustellen.
Sie sei gezwungen worden, sagt sie, sie habe keine Wahl gehabt.
Sie verstrickt sich aber in Widersprüche.
Für die Familien der Opfer ist das ein weiterer Schlag.
Und trotz der Urteile bleibt die Frage, war das wirklich alles?
Die Ermittler können nur drei Morde nachweisen.
Die Spekulationen reißen hingegen nicht ab.
In den Medien wird diskutiert, ob weitere Kinder im Moor liegen, ob Ian und Myra vielleicht noch andere Opfer hatten, von denen niemand weiß.
Und 20 Jahre später wird sich das bewahrheiten.
Ian und Myra sitzen längst im Gefängnis.
Für die meisten Menschen in Großbritannien ist der Fall damit abgeschlossen.
Ein düsteres Kapitel, das man am liebsten vergessen möchte.
Mitte der 1980er Jahre geschieht dann aber etwas, das niemand mehr erwartet hatte.
Ian bricht nämlich endlich sein Schweigen.
1985 spricht er mit einem Journalisten und gesteht zwei weitere Morde.
Den Mord an Pauline und den Mord an Keith.
Plötzlich ist in der Öffentlichkeit alles wieder da.
Die Angst, die Trauer und die Wut.
Die Details, die er nennt, sind präzise.
Datum, Uhrzeit, Kleidung der Opfer.
Alles stimmt.
Es ist kein leeres Gerede.
Er bestätigt, was viele geahnt haben.
Edward, Leslie und John waren nicht die einzigen Opfer.
Für die Angehörigen ist das wie ein Schlag ins Gesicht.
Zwei Jahrzehnte lang haben sie nach ihren Kindern gesucht.
Pauline, 16 Jahre alt, die auf dem Weg zu einer Tanzveranstaltung war, und Keith, 12 Jahre alt, der nur kurz zu seiner Großmutter gehen wollte.
Immer wieder hatten ihre Familien geglaubt, sie irgendwo zu sehen.
Im Bus oder auf der Straße.
Jetzt wissen sie, sie kommen nicht mehr zurück.
Paulines Mutter erinnert sich genau an den 12.
Juli 1963, der Sommer, bevor ein paar Monate später John verschwunden ist.
Paulines Mutter hatte ihre Tochter noch fertig gemacht, ihr die Haare frisiert und ihr die Halskette der Mutter gegeben.
Pauline hätte gelächelt, als sie aus dem Haus ging.
Sie war aufgebracht gewesen, weil ihr Freund sie nicht zum Tanz begleiten konnte, wollte sich aber trotzdem mit Freundinnen treffen.
Wenige Minuten später muss sie Myra begegnet sein.
Denn Myra erzählt nun, wie alles begann.
Es war der erste Mord.
Sie hatte sich den Lieferwagen eines Gemüsehändlers geliehen.
Ian folgte ihr auf dem Motorrad.
Wenn er ein geeignetes Opfer sah, sollte er mit den Scheinwerfern ein Signal geben.
Ian suchte sich Pauline aus.
Myra und Pauline kannten sich.
Pauline wohnte im Haus neben Myras Schwester.
Myra sprach Pauline an.
Sie sagte, sie habe einen Handschuh im Moor verloren.
Ob Pauline ihr helfen könne, ihn zu suchen.
Sie lockte sie in den Wagen und versprach ihr Schallplatten als Belohnung.
Im Saddleworth Moor angekommen, übergab sie das Mädchen an Ian.
Er nahm sie mit, angeblich um den Handschuh zu suchen.
Eine halbe Stunde später rief er Myra zu sich.
Sie ging den Hügel hinauf und sah Pauline am Boden liegen, die Kehle durchgeschnitten und die Kleidung zerrissen.
Ian befahl Myra, zurückzugehen.
Er kam wenig später nach.
Sie hoben das Motorrad in den Lieferwagen und fuhren davon.
Es ist dasselbe Muster, das sich in den folgenden Jahren wiederholt.
Ian entscheidet, wen er töten will, Myra lockt die Kinder in den Wagen und sie fahren gemeinsam ins Moor.
Auch Keith fällt diesem Plan zum Opfer.
Es ist der 16.
Juni 1964.
Er ist also das dritte Opfer, nach Pauline und John.
Keith hatte sich gerade von seiner Mutter verabschiedet.
Sie hatte ihm noch einen Tee gemacht und das Gesicht gewaschen, bevor er loszog.
Sie sieht ihn über die Straße gehen in Richtung seiner Großmutter.
Das war das letzte Mal, dass sie ihn gesehen hat.
Myra und Ian sind an diesem Abend wieder mit ihren Wagen unterwegs.
Keith wird in den Wagen gelockt.
Angeblich soll er helfen, Kisten zu tragen.
Anschließend fahren sie ins Moor.
Dort geht Ian mit dem Jungen weg, während Myra zurückbleibt.
Später sagt sie, sie habe gewusst, dass Keith nicht zurückkommen würde.
Die Kinder seien einfach mitgegangen.
Sie hätten nicht gefragt.
Sie beschreibt sie als Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden.
Zwei Jahrzehnte lang haben Ian und Myra geschwiegen.
Jetzt, wo Ian aber die zwei weiteren Morde zugibt, steht auch Myra unter Druck.
Sie hofft, dass sie früher aus dem Gefängnis entlassen wird und beginnt zu reden.
Sie sagt mehrere Stunden lang aus, schildert alle Details und erklärt sich schließlich bereit, mit der Polizei ins Moor zu gehen.
Die Suche wird zur Mammutsaufgabe.
Das Moor hat sich nämlich verändert.
Denn Regen, Nebel und Wind haben in den 20 Jahren das Gelände verwandelt.
Die Beamten suchen wochenlang, begleitet von großem Medieninteresse.
Und dann, am 1.
Juli 1987, nach über 100 Tagen Suche und 24 Jahre nach ihrem Tod, finden sie die Leiche von Pauline.
Sie ist erstaunlich gut erhalten.
Sie trägt noch die weißen, hochhackigen Schuhe, die sie an ihrem letzten Abend getragen hat.
Ihre Familie wird informiert.
Paulines Mutter sagt später, es sei schrecklich gewesen, die Schuhe zu sehen und gleichzeitig eine Erleichterung.
Denn jetzt wusste sie endlich, was passiert war.
Auch die Suche nach Keith geht weiter.
Monatelang wird das Moor umgegraben.
Hunderte von Helfern sind beteiligt.
Schließlich müssen die Ermittler aber leider aufgeben.
Die Mutter von Keith kann hingegen nicht aufhören.
Sie gräbt selbst mit bloßen Händen in der kargen Landschaft, bis sie nicht mehr kann.
Diese Fotos von ihr gehen um die Welt.
Auch er wird ins Moor gebracht und soll den Beamten zeigen, was er vor so vielen Jahren dort versteckt hat.
Doch er scheint die Orientierung verloren zu haben.
Ein Grab kann er den Beamten nicht zeigen.
Die Öffentlichkeit diskutiert nun erneut über Myra.
Sie gibt Interviews und schreibt Essays.
1995 veröffentlicht sie einen langen Text, in dem sie Folgendes schreibt.
Ich war korrupt und ich war böse.
Ohne mich hätten diese Verbrechen wahrscheinlich nicht begangen werden können.
Myra übernimmt die Verantwortung und versucht zugleich, sich als Opfer darzustellen.
Ian habe sie bedroht, geschlagen und gezwungen, an den Morden teilzunehmen.
Ian weist alles zurück.
Er sagt, sie seien eine vereinte Kraft gewesen.
Dass sie die Morde als Ritual verstanden hätten, das sie immer enger zusammengeschweißt habe.
Er sagt, er habe sie im Prozess geschützt, um sie nicht zu belasten.
Was bleibt, sind fünf Opfer.
Pauline, John, Keith, Leslie Ann und Edward.
Vier von ihnen wurden gefunden, einer nicht.
Keith liegt irgendwo im Moor und bis heute hat niemand seine Leiche entdeckt.
Die Mutter von Keith und seinem Bruder schreiben über Jahrzehnte hinweg Dutzende Briefe.
An Myra, an Ian, an Anwälte, an Politiker.
Sie bitten um das, was für sie das Wichtigste ist.
Zu erfahren, wo Keith liegt, um ihn endlich begraben zu können.
Sein Bruder fährt mit der Mutter an jedem Geburtstag und an jedem Weihnachtsfest ins Moor.
Sie stellen Blumen auf, sie beten und sie suchen.
1987, kurz nach der Bergung von Pauline, beschließt der Stadtrat von Manchester, das Haus von Ian und Myra in der Waddlebrook Avenue abzureißen.
Das Haus, das für immer mit den Morden verbunden ist.
Man will den Nachbarn und der Gemeinde Frieden geben.
Aber für die Familien gibt es keinen Frieden.
Myra versucht in den 90er Jahren mehrmals, auf Bewährung freizukommen.
Sie präsentiert sich als geläuterte Frau, doch die Öffentlichkeit ist unerbittlich.
Der Hass auf sie ist so groß, dass die Polizei sogar ihren Sarg bewachen muss, als sie 2002 im Alter von 60 Jahren an einer Lungenentzündung stirbt.
Myra wird anonym beigesetzt.
Ian hingegen ist mittlerweile in einem Hochsicherheitskrankenhaus.
Er inszeniert sich als intellektueller Außenseiter, schreibt über Nietzsche und Marquis de Sade, über die Philosophie des Bösen und die Psyche von Mördern.
Er gibt Interviews, schickt Briefe an Zeitungen, ans Fernsehen und an Anwälte.
Immer wieder streut er kleine Details, gerade so viel, dass die Hoffnung bei den Familien neu aufflammt.
Zum Beispiel erwähnt er, dass Keiths Jacke einen Metallreißverschluss gehabt habe, der mit einem Metalldetektor auffindbar sei.
Oder, dass er genau wisse, wo Keith liege, aber nicht dorthin gebracht werde.
Für die Polizei ist das ein Machtspiel und für die Familie von Keith eine Qual.
Immer wieder kommt Bewegung in den Fall.
Immer wieder verspricht Ian Hinweise, aber nur, wenn er im Gegenzug etwas bekommt.
Er will vor allem eins, er will sterben dürfen.
Er geht in Hungerstreiks und wird zwangsernährt.
Er will Kontrolle über seinen Tod, wenn er schon keine über sein Leben hat.
Das ist seine letzte Macht über die Welt.
Die Familie von Keith gibt trotzdem nicht auf.
Noch vor ihrem Tod trifft Keiths Bruder Myra im Gefängnis.
Er beschreibt die Begegnung später als verstörend.
Eine gebrechliche Frau, die am Stock geht, die sagt, sie könne sich an die Landschaft nicht mehr erinnern.
Im Jahr 2003, ein Jahr nach Myras Tod, startet die Polizei eine neue Suche mit moderner Satellitentechnik, aber leider wieder ohne Erfolg.
Die Familie von Keith beginnt nun, private Suchaktionen zu organisieren.
Freiwillige helfen und sogar ein Bergrettungsteam kommt mit speziell trainierten Hunden.
Sie durchkämmen das Moor in mehreren Abschnitten.
Doch Keith bleibt verschwunden.
Kurz vor ihrem Tod verspricht der Bruder von Keith seiner Mutter, niemals mit der Suche aufzuhören.
Er sagt, ihr größter Wunsch war es, dass wir Keith endlich von dort wegbringen, wo seine Mörder ihn hingelegt haben.
Ian stirbt am 15.
Mai 2017.
Er wird 79 Jahre alt.
Damit nimmt er sein Geheimnis mit ins Grab.
Zwei Aktenkoffer voller Notizen bleiben zurück.
Kurz vor seinem Tod verfügt Ian, dass sie unter Verschluss bleiben.
Die Nachlassverwalter sagen, es sei nichts darin, das für die Öffentlichkeit von Interesse wäre.
Die Polizei darf sie bis heute nicht öffnen.
Der Anwalt von Kiefs Familie fordert, dass die Koffer durchsucht werden.
Nicht nur als Beweisstück, sondern um der Familie endlich Frieden zu geben.
Denn solange diese Koffer verschlossen sind, solange niemand weiß, was in ihnen steckt, bleibt die Frage offen, ob Ian tatsächlich alles gesagt hat.
Oder gibt es dort, zwischen seinen Aufzeichnungen, den einen entscheidenden Hinweis, der verrät, wo Keith liegt?
Mehr als 50 Jahre nach dem Verschwinden von Keith ist der Fall immer noch nicht abgeschlossen.
Für die Familie, für alle Angehörigen ist es eine Wunde, die nicht heilt.
Und vielleicht ist genau das das letzte Verbrechen von Ian, dass er dafür gesorgt hat, dass sein Name niemals wirklich verschwindet.
Die Moormorde sind längst mehr als ein Kriminalfall.
Sie sind Teil der britischen Kulturgeschichte.
Ian und Myra gingen als Moormörder in die Schlagzeilen ein und blieben dort über Jahrzehnte.
Für viele sind sie bis heute die meistgehassten Menschen Großbritanniens.
Sie wurden mehr verachtet als Diktatoren und Kriegsverbrecher, schreiben die Zeitungen.
weil ihre Taten so sinnlos und so grausam waren.
Wie sehr dieser Fall die Gesellschaft beschäftigt, zeigt zum Beispiel die Musik.
In den 1980er Jahren nahm die Band The Smiths den Fall in ihrem Song Suffer Little Children auf, eine düstere Ballade, die die Stimmen der Opfer wieder hörbar machte.
Myras eigener Satz, whatever he has done, I have done, wurde zum Zitat, das sie für immer verfolgt.
Für die Familie der Opfer ist der Fall natürlich niemals abgeschlossen.
Lesleys Mutter konnte seit jener Nacht kaum noch schlafen.
Paulines Mutter sagte Jahre später, Niemand kann ihr jetzt mehr wehtun, aber ich vermisse sie noch immer.
Und so bleibt dieser Fall offen.
Nicht juristisch, Ian und Myra sind ja inzwischen tot.
Aber emotional.
Für die Familien, für die Ermittler, für das ganze Land.
Vielleicht ist das das Schlimmste an dieser Geschichte, dass sie nie wirklich zu Ende erzählt ist.
Vielleicht sollten wir jetzt an der Stelle nochmal erwähnen, dass wir die Details zu den Taten und zu den Kindern extra rausgelassen haben, beziehungsweise nicht so weit ausgeführt haben, weil das einfach zu krank ist und wir das an der Stelle jetzt eben nicht mehr wiederholen wollten.
Und lass uns mal bitte kurz über dieses Tonband sprechen.
Also, boah, wie krass ist denn dieses Beweisstück und wie hart ist das bitte für die Beamten, für die Polizei, sich das anhören zu müssen.
Natürlich auch für die Mutter von Leslie Ehren, darüber brauchen wir gar nicht reden.
Aber wie krass ist bitte die Arbeit der Polizei, was die sich eigentlich alles reinziehen müssen, die Fotos, diese Tonbandaufnahme.
Also wirklich Hut ab, dass sie die Täter hier überführen konnten.
Aber zu welchem Preis, ne?
Ja, auf jeden Fall.
Also ich meine, wir sprechen ja auch häufiger darüber, also beziehungsweise wir hacken ja auch manchmal auf den Polizisten herum, dass sie irgendwelche Verfehlungen oder so gemacht haben.
Aber wenn man das dann wieder hört, denke ich so, wow, was für einen Riesenrespekt ich vor diesem Job einfach habe.
Welche menschlichen Abgründe die tagtäglich sehen müssen.
Und du darauf auch einfach unvorbereitet bist im Zweifel.
Weil du weißt nicht, hinter welcher Tür dich was erwartet.
Und deswegen sehe ich das so wie du.
Also absolut Respekt für die Polizeiarbeit.
Auch natürlich, wie viel Arbeit sie generell in diesen Fall reingesteckt haben.
Also selbst Jahrzehnte, nachdem dieser Fall rein juristisch, rein theoretisch ja auch geklärt ist.
Ich meine, klar, wir haben noch immer Keith, nachdem gesucht wird.
Aber dass sie auch das weiterhin nicht aufgeben.
Ja, und das Moor ist ja auch eine riesige Fläche, die da umgegraben werden muss.
Und natürlich macht man diese Suche und die Ausgrabung in der Hoffnung, jemanden zu finden.
Auf der anderen Seite, darüber haben wir schon mal in einem Fall gesprochen.
Also kann ich mir vorstellen, dass man denkt so für einen selbst, boah, hoffentlich finde ich jetzt niemanden.
Also, weil wenn man etwas findet, dann ist natürlich das Ziel der Suche erreicht, aber dann findet man im Zweifel eben eine Kinderleiche.
Das muss wirklich unfassbar hart sein.
Und klar, jeder tickt irgendwie anders.
Der eine ist sensibler, der andere kann Blut sehen, der andere nicht.
Aber trotzdem sind wir ja alles Menschen.
Da arbeiten Menschen bei der Polizei, die das eben, ja, mit eigenen Augen sehen müssen.
Ja, ich kann mich erinnern an ein paar Leute, die uns dann über Instagram beispielsweise geschrieben hatten, die meinten, gut, man weiß ja, worauf man sich denn einlässt, wenn man bei so einer Suchaktion dann auch teilnimmt, aber ja, absolut, kann ich vollkommen nachvollziehen.
Was ich wiederum absolut gar nicht nachvollziehen kann, ist einfach Ian, der dann auch noch mit den Herzen der Angehörigen spielt, nach den Morden noch immer so ein paar Informationen streut, die nicht zu viel sind, aber noch genau so viel sind.
Dass sie in den Angehörigenfamilien irgendwie Hoffnung erzeugen.
Und was ich wirklich noch am allerdreistesten finde, ist dieser Koffer.
Was meinst du, meinst du, da sind noch finale Infos drin?
Ach, ich weiß es nicht.
Also es ist ja ganz klar, dass Ian mit seiner Macht spielt.
Er hat ja keine Freiheit mehr, also versucht er, die letzte Macht, die er hat, auszuüben.
Und das sind ja in seinem...
Fall, Information.
Er spielt ja damit, wie du sagst, Details rauszugeben oder eben nicht.
Also das ist so diese letzte Macht, die er noch hat.
Und er sieht sich ja auch als eine Art Intellektueller.
Und Macht verleiht ihm irgendwie nochmal eine gewisse Größe.
Es ist voll schwierig einzuschätzen.
Entweder er spielt auch hier mit seiner Macht und da ist gar nichts mehr drin.
Aber er will irgendwie diesen letzten Strohhalm für sich noch ergreifen.
Oder da ist tatsächlich noch was drin.
Aber was auch immer, es ist super krass, dass dann jemand dran darf, um nachzuschauen, ob es da noch was gibt.
Also ich weiß, dass es Regeln gibt und das ist auch wichtig und Vorschriften und so.
Aber gerade in diesem Fall, wo man weiß, er ist für den Tod von vielen Kindern verantwortlich, dann denke ich mir jetzt aus meiner Perspektive, scheiß drauf, mach diesen Koffer auf.
Ja, sehe ich auch so.
Und außerdem, wenn er sowieso schon mit der Öffentlichkeit davor so viel spielt, bin ich der Meinung, hat er kein Recht, so eine Anforderung denn noch stellen zu dürfen.
Ja, sehe ich auch so.
Weil warum?
Also wenn da nichts drin ist, was ihn belastet, dann ist doch toll für ihn.
Aber wenn da was drin ist, was noch dazu beitragen kann, dass man Keith findet, ja, dann bitte go for it.
Öffne das scheiß Ding und ja, mach was mit den Hinweisen.
Also das finde ich auch irgendwie ein bisschen komisch, dass er dieses Recht noch hat zu sagen, nee, den Koffer dürft ihr nicht aufmachen.
Absolut, aber da denke ich mal, würde uns beide auch ziemlich interessieren, was ihr zu dem Koffer beispielsweise auch sagt, generell natürlich auch zum Fall, aber auch jetzt entsprechend zu dem Koffer.
Ob ihr meint, sind da noch finale Infos drin?
Wie steht ihr generell dazu, dass ihr die Möglichkeit bekommen habt, dass der Koffer einfach nicht geöffnet wird?
Das könnt ihr uns gerne über Instagram schreiben, da heißen wir schwarze Akte.
Auf TikTok haben uns jetzt auch schon ein paar geschrieben, deswegen da heißen wir ganz genauso, alles klein und zusammengeschrieben.
Könnt ihr uns also auch gerne dort schreiben.
Und bevor wir die Akte für diese Woche schließen, noch mein herzliches Dankeschön an Frank.
Du hattest uns den Fall hier vorgeschlagen.
Es ist wirklich ein ultra, ultra krasser Fall.
Deswegen, wie gesagt, würde uns sehr interessieren, was ihr von dem Fall haltet.
Und ich würde sagen, wir schließen die Akte für diese Woche.
Und wenn ihr Lust habt, hören wir uns nächste Woche Dienstag wieder überall, wo es Podcasts gibt.
Wir sind eure Hosts, Anne Luckmann und Patrick Strohbusch.
Redaktion, Johanna Müssiger und wir.
Schnitt, Anne Luckmann.
Intro und Trainer gesprochen von Pia Rohnersachse.
Producer, Falko Schulte.
Die Schwarze Akte ist eine Produktion der Julep Studios.
