Episode Transcript
ZDF heute.
Militär und Macht.
Die Analyse.
Hi, ich bin Christian.
Schön, dass ihr dabei seid.
US-Präsident Trump will wieder Atomwaffenübungen durchführen lassen.
Wie er selbst sagt, als Reaktion darauf, dass andere Länder, unter anderem Russland, erfolgreiche Atomwaffentests gemeldet haben.
Außerdem hat die UN einen Bericht veröffentlicht, in dem es heißt, dass Putins Armee in der Ukraine gezielt Zivilisten mit Drohnen jagt.
Darüber will ich gleich reden mit der Ukraine.
mit unserer Reporterin Anne Brühl, die gerade in Kiew ist.
Aber zuerst zu Professor Sönke Neitzel.
Er ist Militärhistoriker an der Universität Potsdam.
Mit ihm habe ich darüber gesprochen, wie sich die Kriegsführung gerade verändert, wie der Westen darauf vorbereitet ist und welchen Einfluss die wichtigsten globalen Player auf den Krieg in der Ukraine haben.
Aber erstmal zu Trumps Ankündigung.
Ja, also ganz offensichtlich geht es darum, dass es ein rhetorisches Kräftemessen ist.
Trump hat ja gemerkt, dass mit schönen Worten alleine Putin sich nicht bewegt.
Putin hat sich eigentlich bisher überhaupt nicht bewegt, jetzt im Ukraine-Frieden.
Und ich glaube, dass diese Worte deutlich machen sollen, dass die USA durchaus auch anders können, dass die USA auch sehr viele Atomwaffen hat.
Die Tests alleine verändern ja noch nichts.
Aber es war eben doch eine Zeit, in den 1990er Jahren hat man eben aufgehört damit.
Sie haben es eben gesagt, die Sowjetunion 1990, den letzten Test, die USA 1992.
Man ist davon weggegangen, hat das dann in Laboren mit Computersimulationen gemacht.
Und Atomtests sind dann immer auch ein Signal der Stärke.
Sie sind erstmal noch keine Bedrohung, aber es sind Signale.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob das wirklich erfolgen wird, sondern ich sehe das eigentlich jetzt als ein rhetorisches Kräftemessen.
Man muss leider sagen, dass das wahrscheinlich auch notwendig ist, denn mit warmen Worten alleine wird sich dieser Machtkampf ja von Putin, Xi und Trump nicht entscheiden.
Sie sagen es, genau vor dieser Ankündigung hat nämlich auch Russlands Präsident Wladimir Putin ebenfalls Tests mit einem neuartigen Unterwassertorpedo namens Poseidon bekannt gegeben.
Der soll einen nuklearen Antrieb haben und der soll auch darüber hinaus Atomwaffen transportieren sollen.
Was Putin genau gesagt hat, da hören wir jetzt mal ganz kurz gemeinsam rein.
Gestern haben wir einen weiteren Test mit einem vielversprechenden System der nuklear angetriebenen Unterwasserwaffe Poseidon durchgeführt.
Zum ersten Mal gelang es nicht nur, sie mit dem Startmotor vom Träger-U-Boot auszustarten, sondern auch den Atomreaktor zu aktivieren, mit dem das Gerät eine bestimmte Zeit lang lief.
Das ist ein großer Erfolg.
Herr Neitzel, das alles klingt gerade auch wie eine neue Eskalationsstufe und auch ein neues atomares Wettrüsten.
Wie ordnen Sie das ein?
Ich würde da, wäre da ein bisschen gelassener.
Also Putin, das können wir ja verfolgen, seit dem Februar 2022 droht ja immer wieder mit neuen Waffen, mit Entwicklung neuer Waffen, mit Atomwaffen.
Und gerade wir in Deutschland sind da sehr sensibel, weil die Erinnerungen an den Kalten Krieg natürlich im Westen wie im Osten Deutschlands sehr virulent noch sind in unserem Land.
Aber eigentlich folgt daraus immer relativ wenig.
Und da müssen wir auch mal technologisch sagen.
Also insgesamt ist Russland technologisch in der Hochtechnologie den USA, auch Europa massiv unterlegen, was nicht heißt, dass sie in einzelnen Sparten auch absolut gleichwertige oder zum Teil sogar überlegene Waffen haben, aber meines Erachtens muss man darauf relativ gelassen reagieren.
Ich weiß natürlich auch nicht, ich bin nicht Mitglied eines Nachrichtendienstes, was jetzt genau vorgegangen ist, aber wenn ich Gespräche führe hinter den Kulissen, wie man eigentlich zum Beispiel russische Luftwaffentechnik einschätzt, dann sind das alles keine irgendwelche Wunderwaffen und Russland hat eben in der Hochtechnologie ist eben hinten dran.
Von daher würde ich versuchen, das zu entschlüsseln als das, was es ist, nämlich als ein Teil einer Propagandaschlacht und ein Teil einer hybriden Kriegführung, die eigentlich auf unseren Willen zielt, diese Konfrontation mit Russland auch anzunehmen und sich nicht erpressen zu lassen.
Sie haben gerade auch den Kalten Krieg angesprochen.
Vielleicht bleiben wir da ganz kurz.
Welche Unterschiede sehen Sie denn im Vergleich zur damaligen Zeit auch zu diesen aktuellen Aussagen?
Also die Wahrnehmungen sind oft sehr gleich.
Auch im Kalten Krieg dachte man ja, der Dritte Weltkrieg droht jeden Moment.
Wenn wir heute als Historiker auf diese Zeit schauen, dann müssen wir sagen, dass es eigentlich zumindest in Europa eine Status Quo-Zeit war.
Die Blöcke haben zugestimmt, dass man die Grenzen, die Machtverhältnisse in Europa nicht verändert.
Und auch Khrushchev oder Brezhnev waren zwei russische, sowjetische Staatschefs, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hatten.
Und die mitnichten darauf aus waren, jetzt die NATO anzugreifen und etwas salopp die Kosaken loszulassen.
Das hat man damals natürlich anders gesehen.
Man hat dieses große Potenzial des Warschauer Paktes gesehen, aber wir Historiker können nicht sagen, dass es wirklich die Intention gab, bei der damaligen Machtkonstellation einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Heute müssen wir sagen, wir nehmen zumindest Russland nicht mehr als Status Quo Macht wahr.
Russland will Grenzen verändern, hat Grenzen verändert.
Und wir können uns eben nicht sicher sein, was ist eigentlich der wirkliche Plan.
Viele, ich würde auch das so interpretieren, sagen, es geht eigentlich um die Veränderung von Grenzen, die weitere Herausschiebung von Grenzen, Rückgewinnen von Gebieten, die zumindest in der Sowjetunion zu Russland gehört haben.
Insofern sind wir in einer viel gefährlicheren Zeit aus meiner Sicht als im Kalten Krieg.
Viele sagen dann auch, aber es drohte doch der Atomkrieg in der Kubakrise.
Ich würde das nicht so sehen.
Khrushchev und Kennedy waren in der Kubakrise meines Erachtens entschlossen, keine Atomwaffen anzusetzen und entschlossen, den Weltuntergang nicht zu riskieren.
Heute geht es auch nicht um den Weltuntergang, das muss man ganz ding unterstreichen.
Es geht nicht um den Atomkrieg, aber ein konventioneller Krieg in Europa scheint wieder möglich zu sein.
Insofern ist unsere Zeit durchaus gefährlicher, nicht im Sinne eines Atomkrieges, aber im Sinne einer konventionellen Konfrontation der NATO mit Russland.
Verstehe ich Sie da richtig, dass beide Parteien oder die drei Parteien in dieser heutigen Zeit dann entschlossener wären, tatsächlich auch den Einsatz von Nuklearwaffen sozusagen durchzuführen oder wie ordnen Sie das ein?
Also ich werde da sehr zurückhalten.
Ich glaube, dass wir wissen von Russland oder wir glauben zu wissen, dass Russland mit der Idee gespielt hat, taktische Nuklearwaffen einzusetzen im Herbst 2022 als ein großflächiger Durchbruch der Ukrainer drohte.
Das kam dann nicht dazu.
Die ukrainische Offensive war limitiert.
Aber man kann sich vorstellen, dass wenn die Ukrainer kurz davor gestanden hätten, die Krim zu erobern, dass das eine Option gewesen wäre, Russlands taktische Nuklearwaffen einzusetzen.
Zumindest nach meinen Kenntnissen, das ist auch öffentlich, haben die Amerikaner damit gerechnet und haben dann sehr ernste Gespräche hinter den Kulissen mit den Russen geführt.
Es kam nie zu dieser Situation.
Die ukrainische Offensive wurde gestoppt.
Das heißt, für mich ist dieser Fall so zu deuten, dass Russland einen Einsatz taktischer Nuklearwaffen nicht ausschließt, aber sie setzen sie jetzt eben auch nicht offensiv ein, um jetzt irgendwie einen Durchbruch zu erzielen.
Also die Schwelle zum Einsatz ist wirklich sehr hoch und ich kann mir eigentlich kein Szenario vorstellen, in dem die USA proaktiv bereit wären, Nuklearwaffen einzusetzen.
Selbst wenn Russland taktische Nuklearwaffen einsetzen würde, wäre glaube ich sicherlich eine kinetische Antwort der USA da, aber die wäre glaube ich nicht nuklear.
Also von daher muss man nochmal sagen, wir Deutschen, wenn wir über Krieg denken, dann denken wir entweder an den Holocaust oder wir denken an den thermonuklearen globalen Krieg.
Um diese Szenarien geht es meines Erachtens nicht, sondern diese Worte, diese Wortgefechte, die wir jetzt sehen, das Testen von Waffen zielt gerade auf die Psyche der Deutschen und auf das Schwächen einer Widerstandskraft in der psychologischen Kriegführung.
Teil auch einer Propagandastrategie, haben Sie gerade auch gesagt.
Trotzdem vielleicht auch nochmal ganz kurz nachgefragt, welche Gründe sehen Sie dafür, dass diese Diskussion jetzt gerade wieder so aufkommt?
Naja, Trump hat ja erstmal versucht, Putin mit Schmarcheleien, mit Hulopudeleien an den Verhandlungstisch zu bekommen und auch Vorschläge gemacht, Gebietstausch, Einfrieren des Krieges an der jetzigen Waffenstillstandslinie und das hat ja Putin selber oder durch seine Leute, Lavrov etwa, den Außenminister Rüde zurückgewiesen.
Also ganz klar, es geht nicht darum, den Krieg jetzt einzufrieren, keinen Waffenstillstand.
Und Trump hat schon, das glaube ich, kann man ihm abnehmen, das ehrliche Interesse, diesen Krieg zumindest mit einem Waffenstillstand mal vorläufig zu beenden.
Russland bewegt sich da aber nicht.
Und jetzt beginnt so ein Muskelspiel.
Und natürlich kann die USA Russland sehr wehtun.
Sie können Marschflugkörper liefern.
Sie können im ökonomischen Bereich noch mehr tun.
Und ich sehe, dass diese Kundgebung jetzt von Putin, dass man jetzt diese neue Waffen testet, eigentlich als ein Teil eines Muskelspieges, so nach dem Motto, wir lassen uns überhaupt nicht erpressen von Trump.
Und jetzt muss man sehen, wie das weitergeht.
Man muss vor allen Dingen sehen, was Trump dann wirklich real tut.
Wird er wirklich weiterreichende Marschflugkörper an die Ukraine liefern oder nicht?
Bleibt es nur dabei?
Kommt es wirklich zur Aufnahme von Atomtests?
Ich sehe das noch nicht.
Das müssen wir sehen.
Noch sind es Wortgefechte.
Muskelspiel sprechen Sie an.
Das läuft ja parallel auch zwischen Trump und Xi Jinping in Sachen Handelsstreit.
Die Rede ist von Zöllen.
Beide sind seit Wochen und Monaten in diesem Handelsstreit.
Und der Fokus sind natürlich dann auch wirtschaftliche Interessen.
Vielleicht auch mit Blick auf Ihre Rolle als Historiker.
Inwieweit hat sich genau das, also dieses Machtspiel in Bezug auf die Wirtschaft zwischen zwei Supermächten in der Vergangenheit, auch in den vergangenen Auseinandersetzungen schon gezeigt, historisch?
Ja, da kann uns die unmittelbare Geschichte, die Zeitgeschichte nicht so viel bieten, weil zwischen der Sowjetunion und den USA gab es also recht gute Handelsbeziehungen, auch mit der Bundesrepublik, denken wir an das Erdgasröhrengeschäft, denn ab Ende der 70er, in den 80er Jahren und das ging eigentlich immer relativ gut weiter, weil es gab natürlich auch Güter, die man nicht geliefert hat, Computertechnik und so weiter, Aber im großen Stil hat man eben sehr wohl gehandelt, weil es Status Quo-Mächte war, weil letztlich die Sowjetunion den Status Quo akzeptiert hat, auch etwa von West-Berlin und weil auch die USA, die NATO, den Status Quo in Osteuropa akzeptiert hat, also nicht beim ungarischen Aufstand eingegriffen hat oder beim Aufstand in Ost-Berlin oder bei den Protesten in Polen 1980.
Und deswegen lief das noch relativ gut.
Heute ist das anders.
Heute sind wir in einer viel schärferen Konfliktsituation meines Erachtens.
Nur ich glaube, dass diese ökonomischen Dinge, die haben immer einen Einfluss.
Sanktionen haben durchaus einen Einfluss, aber sie werden diesen Krieg nicht beenden.
Und wir haben eigentlich kein historisches Beispiel, in dem wir sagen können, dass Sanktionen, dass Wirtschaftskriege wirklich einen solchen Konflikt entscheiden.
Die sind immer nur ein Beitrag und der Glaube, man könne mit Sanktionen Russland dazu bringen, ist ein Irreglaube, weil wir sehen es ja, wie vielfältig eine Volkswirtschaft ist.
Es finden sich eigentlich immer wieder Wege, Güter auch nach Russland hineinzuschmuggeln, hineinzubringen.
Und da gibt es eben auch die Eigeninteressen eines Landes wie China, das sich natürlich von den europäischem Herzen sowieso nichts sagen lässt.
Und bei den USA sieht man ja auch die Abhängigkeit, die gegenseitige.
Und dass Trump eben offensichtlich auch nicht bereit ist, jetzt wirklich all in zu gehen in einem Wirtschaftsstreit, das sieht man schon an der Rolle, die China hat mit den seltenen Erden.
Also auch da muss man das aushandeln und die Druckmöglichkeiten des Westens auf China sind dann auch begrenzt.
Eigeninteresse China sprechen Sie gerade auch an.
Da haben wir in der Vergangenheit auch mehrere Streams zugemacht, hinter den Zielen und auf die Ziele geguckt, von China zur globalen Supermacht Nummer eins zu werden.
Da kommt auch eine Frage an Sie im Chat zu, und zwar in Bezug auf die Rolle Chinas, auch in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Auch da zeigt sich, dass sich China sehr, sehr eng an der Seite von Putin und Russland zeigt.
Und die Frage der Userin ist, würde China denn eine atomare Aufrüstung in Russland grundsätzlich auch weiter unterstützen, kann man das schon irgendwie absehen.
Also Russland ist ja schon aufgerüstet atomar.
Russland hat ja auch etwa 5000 Atomsprekümpfe, wesentlich mehr als China.
Und diese Waffenentwicklungen, die wir jetzt sehen, sind ja relativ begrenzt im Umfang und ändern an der quantitativen Dimension des russischen Arsenals erstmal nichts.
Sie verbessern, wenn es denn so stimmt, die qualitative Dimension.
Aber ich glaube, dass das China gar nicht juckt, sage ich mal, ganz in Neudeutsch formuliert, denn China sieht, wie sehr Russland ökonomisch abhängig ist und wie sehr China auch im Hightech-Bereich immer mehr aufholt und in absehbarer Zeit Russland auch überholen wird.
Also ich glaube, dass China, ich sage mal jetzt ein bisschen salopp, Russland eigentlich als Counterpart gar nicht ernst nimmt, sondern China ist auf die USA ausgerichtet.
Und dass Russland in diesem Wettstreit zwischen USA und China gar nicht mithalten kann auf Dauer, das ist, glaube ich, relativ klar.
Das ist zumindest auch China klar.
China hat also unglaublich mehr ökonomische Firepower, unglaublich mehr technologische Firepower.
Und Russland wird auf lange Frist diesen Krieg so oder so natürlich verlieren, weil sie volkswirtschaftliches Vermögen verbrennen und mit den Hightech-Nationen nicht mehr mithalten können.
Also deswegen glaube ich, dass Xi diese Ankündigung relativ gelassen sieht.
Herr Neitzel, schauen wir in Bezug auf unsere Sendungsfrage auf eine der wichtigsten Bereiche der technologischen Entwicklungen in Sachen Kriegsführung und die sich ganz deutlich natürlich auch im Krieg in der Ukraine zeigt und das ist der Einsatz von Drohnen an der Front.
Wir können einmal ganz kurz zusammen uns hier Bilder anschauen von ganzen Drohnen schwärmen bei der umkämpften Stadt Pokrovsk.
Viele Beobachter, sie sprechen aktuell nicht mehr von einer klaren Frontlinie insgesamt, sondern von einer Todeszone, in der Drohnen alles angreifen, was sich bewegt.
Herr Neitzel, vielleicht übergeordnet die Frage, ist dieser Krieg allein deswegen schon grundsätzlich anders als jeder andere in den vergangenen Jahrzehnten?
Also wenn Sie den Historiker fragen, ob was grundsätzlich anders ist, dann kriegen Sie immer irgendwie eine zögerliche Antwort, weil es natürlich immer Entwicklungen sind und wir Historiker mögen eigentlich den Begriff der Revolution nicht, sondern Evolution, die in bestimmten Geschwindigkeiten verlaufen.
Aber natürlich haben sie insofern recht, dass wir einen so massiven Drohneneinsatz bislang in keinem zwischenstaatlichen Krieg gesehen haben.
Wir haben den Krieg Armenien und Aserbaidschan, wo Drohnen eine Rolle spielten, aber es war ein kurzer Krieg.
Und wir haben ja heute, ich weiß nicht, sitzen die Russen jeden Tag 10.000 Drohnen ein.
Wir haben diese Glasfaserkabelgesteuerten Drohnen und dieser Krieg verändert sich in der Tat.
Wir haben Schützengräben gesehen, wir haben sehr viel Artillerieeinsatz gesehen und jetzt, Sie haben es schon angesprochen, haben wir eine Todeszone von 30, 40 Kilometer bis 60 Kilometer und eigentlich gar keine feste Frontlinie mehr.
Das haben wir bislang so nicht gesehen.
Das ist neu.
Letztlich sind die Drohnen eine neue Form der Aufklärung und der Artillerie.
Und darauf müssen sich dann auch die westlichen Staaten einstellen.
Wobei ich immer unterstreichen würde, wenn die NATO gegen Russland kämpfen würde, wäre das ein anderer Krieg.
Wie genau, weiß man noch nicht.
Aber das ist nicht die 1 zu 1 Kopie des Ukraine-Krieges.
Aber in der Tat, Drohnen sind eine neue Dimension.
Man muss sie mitdenken mit anderen Waffen, die jetzt sehr stark gerade zur Zeit das Kriegsbild prägen, was nicht immer so bleiben muss in dieser Form.
Aber die westlichen Staaten müssen jetzt auch den Drohnenkrieg lernen und haben da viel aufzuholen.
Insbesondere auch die deutschen, auch die osteuropäischen Staaten.
Israel und die USA sind da noch relativ weit vorne.
Aber alle anderen Staaten des Westens haben da ein sehr großes Aufholpotenzial.
Ein UN-Bericht wirft Russland gerade gezielte Angriffe auf Zivilisten mit Drohnen vor.
Darüber habe ich mit ZDF-Reporterin Anne Brühl gesprochen.
Sie hat dazu in Kherson im Süden der Ukraine recherchiert.
Zunächst mal für die Ukraine ist diese Aussage des Berichts absolut keine Neuigkeit, sondern tatsächlich blutige Realität seit mindestens anderthalb Jahren.
Das Gute allerdings ist es, dass es diesen Bericht überhaupt gibt.
Da wird von Kriegsverbrechen gesprochen, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Ich war mit meinem Team letzte Woche in der Stadt Resson und ihr habt eben schon über diese Todeszone gesprochen.
Die beginnt vor der Stadt, 40 Kilometer.
Die Straße dorthin ist mit Netzen überzogen, die vor Drohnen schützen sollen.
Ganz sicher ist dieser Schutz nicht, weil immer wieder werden auch dort einzelne Fahrzeuge angegriffen.
Wenn man dann in die Stadt reinkommt, hören diese Netze erst mal auf.
Es gibt jetzt wohl tatsächlich kleinere Bereiche, auch in der Stadt selbst, wo Netze über Straßen gespannt werden.
In der Stadt selbst, da stehen die Russen ja auf der anderen Seite des Flusses, schießen immer wieder mit Artillerie früher, jetzt aber nach wie vor auch mit Raketen und eben seit, wie gesagt, mindestens anderthalb Jahren mit Drohnen in diese Stadt rein.
Die Menschen versuchen sich im Schutz von Häusern zu bewegen.
Viele haben im Auto so eine Art Drohnendetektor, der dann piepst und vor russischen Drohnen warnt.
Überall in der Stadt gibt es so mobile Bombshelter, Bunker, die sehen ein bisschen aus wie Bushaltestellen.
Die Menschen sagen uns, ja, es gibt diese gezielte Jagd.
Man nennt das dort Safari.
Das ist dort schon ein geflügeltes Wort geworden.
Und die Situation ist schrecklich.
Und die Menschen wollen natürlich trotzdem diese Stadt nicht verlassen.
65.000 Menschen leben da, gehen zur Arbeit, zum Einkaufen, gehen zum Arzt, werden dann eben von diesen Drohnen verfolgt und angegriffen.
Aber sie wollen eben auch dort bleiben, damit diese perfide Strategie der Russen, ukrainisches Leben komplett zu zerstören, Menschen aus ganzen Regionen zu vertreiben, nicht aufgeht.
Hinter euch und auch den Menschen in der Ukraine liegt, wie du es gerade auch angesprochen hast, erneut auch eine Nacht mit massiven russischen Angriffen.
Der ukrainische Präsident Zelenskyj erteilte öffentlich mit, Russland habe mit über 650 Drohnen und 50 Raketen angegriffen und dabei sowohl zivile Ziele erneut, haben wir auch gerade besprochen, als auch die Energieinfrastruktur stark getroffen.
Wie groß ist das Ausmaß der Zerstörung, was weißt du?
Ja, es gibt große Schäden bei der Infrastruktur, was da genau getroffen wurde.
Darüber hüllt sich die Ukraine ja oft in Schweigen, aus Sicherheitsgründen auch.
Heute Nacht war uns wohl vor allen Dingen wieder diese Infrastruktur, vor allen Dingen im Westen, auch diesmal in der Region Ivano-Frankivsk, in Liv, wieder in Tschenyev.
Das ist eine Stadt nördlich hier von Kiew, die wirklich seit Wochen ganz heftig getroffen wird.
Kiew selbst wurde auch angegriffen.
Heute Nachmittag wurde ein Kraftwerk, ein riesengroßes Kraftwerk in Sloviansk angegriffen.
Das hat Selenskyj gerade in seiner Abendansprache nochmal betont.
Und die Strategie ist natürlich klar.
Seit Wochen versucht Russland, diese Infrastruktur hier lahmzulegen.
Sie scheinen damit sehr erfolgreich zu sein.
Hier in Kiew haben viele Generatoren, die springen dann ein.
Aber auch dieses Einspringen, das funktioniert langsam gar nicht mehr.
Für morgen wurde gesagt, dass man 24 Stunden lang immer wieder mit großen Stromabschaltungen rechnen muss.
Das soll auch für Industriebetriebe gelten und das lässt echt aufhorchen, weil diese Stromabschaltungen bis jetzt vor allen Dingen eben für Wohngebiete galten.
Man hat versucht, die Industrie davor zu schützen.
Die Heizperiode, die hat hier offiziell vor zwei Tagen begonnen, 14 Tage später als normalerweise.
Aber man fängt jetzt langsam an, die Heizungen in Krankenhäusern, in Schulen, in Sozialeinrichtungen einzuschalten.
In den Wohnhäusern ist das noch nicht angekommen.
Die Temperaturen, die liegen hier zwar so tagsüber immer noch im zweistelligen Bereich in Kiew.
Aber die Wohnungen sind natürlich trotzdem ausgekühlt.
Da sind es dann zwölf Grad.
Da muss man schon dicke Pullis tragen.
Und das ist natürlich auch eine perfide Taktik der Russen, diese Angst vor dem Winter bei den Menschen, bei der Zivilbevölkerung zu schüren.
Und hier alle in Angst und Schrecken zu lassen.
Anne, lass uns darüber hinaus auch nochmal auf die aktuelle Situation in der strategischer, wichtigen Stadt Prokowsk im Donbass zu sprechen kommen.
Es gibt dort gerade Meldungen, dass offenbar russische Soldaten immer weiter vorrücken.
Was weißt du darüber?
Wie ist die aktuelle Situation?
Also die Situation ist sicherlich kritisch und das zeigt auch die Tatsache, dass der Oberbefehlshaber der Ukraine, Sirsky, heute selbst in Prokowsk war.
Er hat verstanden.
Wird so zitiert, dass er russische Propaganda zurückweist.
Putin hat ja gestern behauptet, Prokowsk und auch die Stadt Kupjansk sei vollständig in russischer Hand.
Man würde Journalisten dahin einladen.
Also Sierski bestreitet das.
Aber die Situation, die spitzt sich da wirklich enorm zu.
Selenski selbst hat am Sonntag noch von 200 russischen Soldaten im Zentrum von Prokowsk gesprochen.
Das dürften mittlerweile sehr viel mehr sein.
Die Ukrainer befürchten, dass es den Russen gelingen könnte, ukrainische Soldaten einzukesseln, so eine Art Schlinge zuzuziehen.
Das ist eine Taktik, die sie auch in vielen anderen umkämpften Städten im Donbass schon angewendet haben.
Prokrovsk, wichtiges Zentrum, Festungsstadt.
Wenn das fallen würde, das wäre schwer für die Ukraine.
Die Stadt liegt direkt an der Grenze zum Oblast Dniepro.
Und im Grunde genommen beginnt dort hinter eigentlich flaches Land.
Das sind Agrarflächen.
Da gibt es im Grunde genommen überhaupt keine guten Möglichkeiten zu verteidigen.
Als ich mit meinem Team im Februar dort war, wurde schon begonnen, Schützengräben auszuheben.
Da wurden Panzersperren ausgehoben.
Und das könnte tatsächlich schwierig sein.
Und dann ist Pokrovsk, wie gesagt, eben eine dieser letzten Festungsstädte im Donbass.
Da gibt es nicht mehr so viele Kramatorsk, Sloviansk.
Auch da sieht die Situation nicht gut aus.
Und auch hier ist die Taktik von Russland, von Präsident Putin ganz klar.
Der möchte ja den ganzen Donbass haben.
Und die Russen, die drücken da mächtig aufs Gas vor dem herannahenden Winter.
Anne, du hast gerade den Winter angesprochen.
Und es kommt direkt auch eine Frage nochmal in Bezug auf die Gefühlslage und die Verfassung der Menschen in der Ukraine noch aus dem Chat an dich als abschließende Frage.
Und zwar ist die Frage, was du für ein Gefühl hast, ist die ukrainische Gesellschaft aktuell noch stabil?
Ja, ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie resilient die Menschen hier sind.
Wir haben in den letzten zwei Wochen häufiger Beiträge auch über dieses Thema Infrastruktur, Stromabschaltung gemacht und viele sagen uns, wir werden das schon schaffen.
Wir haben so viele Winter geschafft.
Wir schaffen das auch jetzt.
Die Menschen sind ein bisschen darauf eingestellt.
Viele haben jetzt so kleinere Powerbanks, auch größere, mit denen man zur Not auch mal eine Waschmaschine betreiben kann.
Wenn man nachts durch dunkle Straßen geht, dann sieht man überall den blauen Schein dieser LED-Lampen.
Also die sind darauf eingestellt und die Haltung ist nach wie vor die, wir können nicht aufgeben.
Wenn wir aufgeben, dann gewinnt Russland und wir müssen das auch aushalten und wir werden das irgendwie schaffen.
Also die hybride Kriegsführung ist so alt wie die Kriegsführung selber.
Es ging ja immer darum, auch den Durchhaltewillen eines Gegners zu schwächen.
Man hat da immer viele Mittel eingesetzt, also Sabotage, Propaganda.
Also wir haben eigentlich, seitdem wir Schrift haben, ist jeder Krieg auch ein Medienereignis.
Aber natürlich sind in der heutigen Zeit die Techniken andere.
Wir haben die sozialen Medien, wir haben Drohnen, die eingesetzt werden.
Unsere Gesellschaften sind ja eigentlich offene Gesellschaften.
Wir haben keine Zensur zum Beispiel.
Wir haben Parteien im Bundestag und in anderen Parlamenten in Europa, die die Demokratie ablehnen, zumindest in dieser Form.
Und das akzeptieren wir alles, weil wir sagen, dass wir das Grundsystem nicht gefährden wollen.
Wir haben ein großes Problem in der Drohnenabwehr durch dieses Kompetenzwirrwarr.
Von Landespolizei, Bundespolizei.
Wir haben viel zu wenig Führung in diesen Dingen, Entscheidungen der Regierung, wie sollen Drohnen abgewehrt werden.
Politik redet und redet und redet endlos und beschreibt das Problem, aber entscheidet nicht.
Das gleiche haben wir auf der europäischen Ebene.
Und das versucht Russland auszunutzen, diese riesigen Einfallstore zu nutzen, um den Willen von Gesellschaften durchzuhalten, diese Konfrontation durchzuhalten, zu schwächen.
Denn es geht ja laut Klauswitz auch eben darum, den eigenen Willen dem Gegner aufzuzwingen.
Ob das nun immer mit Waffengewalt sein muss, ist ja dahingestellt.
Krieg bedeutet nicht immer nur das Kämpfen auf dem Schlachtfeld, wie es in der Ukraine passiert, sondern er kann eben auch im Cyberraum, im Informationsraum stattfinden.
Und Russland nach der eigenen Meinung befindet sich längst im Krieg.
Und auch die NATO hat wenig bekannt, die hat auf ihrem Gipfel in Madrid 2022 gesagt, the Euro-Atlantic area is not at peace.
Der Westen ist dann nicht im Frieden.
Und was bedeutet das konkret auch, sorry, dass ich da ganz kurz einmal einhacke, aber was bedeutet das konkret auch mit Blick auf das Bewusstsein?
Also ich glaube, dass die Nachrichtendienste und die Bundeswehr und die Polizei denen das klar ist, dass wir unter einem massiven Angriff von Russland stehen.
Mit all den Vorfällen auch und das meiste ist ja auch überhaupt gar nicht bekannt.
Auch Firmen, die angegriffen werden, versuchen das ja auch gar nicht öffentlich zu machen.
Und das Problem ist, dass das nicht in das öffentliche Bewusstsein sickert.
Und das führte ja dazu, dass wir jetzt zweimal die drei Chefs der Nachrichtendienste hatten, die öffentlich eben vor dieser Bedrohung gewarnt haben.
Das ist ja etwas ganz, ganz außergewöhnlich für dieses Land.
Und trotzdem haben wir die großen Diskussionen und trotzdem kommen wir ja auch in vielen Bereichen nicht wirklich voran.
Und wir haben Probleme in der Drohnenabwehr, in der hybriden Kriegführung, weil es ist ja auch jetzt durch die Nachrichten gegangen, die Probleme zwischen Landespolizei, Bundespolizei, die Rolle der Bundeswehr.
Und da haben wir viele, viele Probleme und es wird eben einfach viel zu wenig entschieden, weil wir leider, so muss man sagen, viel zu wenig Entscheidungskulturen in diesem Land haben.
Und das nutzt Russland aus.
Was muss denn aber dann konkret entschieden werden, wenn wir an diesem Punkt gerade sind?
Sie sagen, wir haben da viele Probleme.
Vielleicht erste Frage, im Falle des Falles, dass Putin da, wir haben das gerade beschrieben, er testet die NATO und auch ihre Grenzen, Sie haben das beschrieben, wäre denn Deutschland im Falle des Falles, dass er wirklich konkret angreift und direkt angreift, überhaupt verteidigungsfähig?
Also wenn, es wird ja diskutiert, ob Putin zu einem wie auch immer gearteten Zeitpunkt, die Zahl 2029 fällt öfters oder auch früher, nicht einen NATO-Staat, also das Baltikum zum Beispiel, angreift.
Und wir müssen also, ist Deutschland verteidigungsfähig, weil die Frage immer sehr, was für einen Krieg.
Also natürlich haben wir eine Bundeswehr und wir sind auch Schritte vorangekommen.
Das sollte man auch eigentlich nicht kleinreden.
Aber nehmen wir mal jetzt den Drohnenbereich.
Wenn also 100.000 russische Soldaten, ich weiß nicht, Litauen angreifen würden, würden sie das sicherlich mit sehr viel Drohnenunterstützung machen.
Und die Bundeswehr hat heute, heute an diesem Tag, am 30.
Oktober, eben nur eine sehr, sehr schwache Drohnenabwehr.
Wir haben kaum bewaffnete Drohnen, die werden jetzt angeschafft bei der Bundeswehr.
Jeder Tag ist da ein Gewinn.
Wir sind da aber ziemlich schwach aufgestellt.
Und die Frage ist eben, lässt Putin uns ausreichend Zeit, damit wir in eine bessere Situation kommen, damit wir die Brigade in Litauen aufstellen können und die auch mit entsprechenden Totenopfer ausstatten.
Das ist die große Frage, das ist auch die Angst innerhalb der Bundeswehr und den Sicherheitsbehörden.
Wie viel Zeit haben wir eigentlich noch?
Und deswegen drückt ja auch der Generalinspekteur sehr oft auf die Tube und sagt, wir müssen jetzt wirklich mal hinne machen, auf Deutsch gesagt.
Da ist auch viel bestellt, da ist auch viel geschehen.
Die Frage ist nur, haben wir die Zeit und welches Signal geben wir auch an Putin?
Es hängt ja ganz viel von Perzeption, von Wahrnehmung ab.
Nimmt Putin den Westen, uns auch als Bundesrepublik, als stark wahr oder eher als schwach?
Und da habe ich doch die Vermutung, auch jetzt Stichwort Wehrpflichtdebatte, Drohendebatte.
Dass wir uns Unterwert verkaufen und wir eher die Wahrnehmung nähren, dass wir schwach sind, dass wir als Westen zerstritten sind und dass wir nicht in der nötigen Geschwindigkeit Reformen vornehmen.
Sie sprechen die Debatte um die Wehrpflicht an.
Sie kritisieren auch, dass es dort zu einer Uneinigkeit innerhalb der Koalition gekommen ist.
Und zwar, dass die SPD um Verteidigungsminister Boris Pistorius zunächst auf Freiwilligkeit setzt.
Und die CDU hat gesagt, es würde nicht reichen.
Auch Sie kritisieren diese zunächst Freiwilligkeit.
Was würden Sie sagen, warum ist das so und spiegelt genau diese Diskussion vielleicht auch das wieder, dass die Gesellschaft und das Bewusstsein nicht da ist und dass vor allem die, die es betrifft, junge Menschen auch noch nicht so weit sind?
Also ich glaube, es ist oft, wenn Sie mit Politikern reden, dann wird immer der schwarze Peter der Gesellschaft zugeschoben.
Ich bin da skeptisch, denn natürlich, wir sind eine liberale Demokratie und wir werden immer Gegenstimmen haben.
Und ich kann das sehr gut nachvollziehen, als ich den Wehrdienst machte 1987, war ich auch nicht erfreut, dass man sich als jünger Mensch auch andere Dinge vorstellen kann.
Also ich kann das sehr gut nachvollziehen.
Aber der entscheidende Punkt ist eben Politik selber.
Politik muss entscheiden.
Als Adenauer die Wehrpflicht einführte, 1957, ab 1957 hatten wir eine Wehrpflicht, da waren auch viele dagegen.
Aber der Vorteil von Adenauer damals war, dass er in einer Koalition eine Mehrheit hatte.
Und das haben wir heute nicht.
Wir haben heute eine Koalition SPD-CDU.
Und Teile der SPD sind dagegen.
Und dass wir deswegen Streit haben, dass gerungen wird, ist eigentlich eine ganz normale Sache.
Also wie soll es anders sein, wenn man so weit auseinander liegt?
Und es wird jetzt irgendwie ein Kompromiss rauskommen.
Ich würde sagen, better than nothing, auf jeden Fall.
Aber eigentlich ist jedem klar in der Bundeswehr, solange eigentlich ein SPD-Parteibuch hat oder ganz in der Leitungsebene arbeitet, dass die Freiwilligkeit nicht ausreichen wird.
Da reichen eigentlich die Grundrechenarten, wenn man die beherrscht.
Aber es ist natürlich die politische Realität, dass ein Teil der SPD sagt, wir wollen es nicht.
Und dann müssen wir uns in der Demokratie auf einen Kompromiss einigen.
Was wäre sonst die Alternative?
Also ich kann das politisch sehr gut verstehen, aber uns läuft halt die Zeit davon.
Und man kann sich natürlich dann schon fragen, was machen wir denn, wenn wir in drei Jahren in einer militärischen Konfrontation sind?
Dann sagen wir vielleicht, wir hätten ein bisschen mehr auf die Tube drücken sollen.
Aber natürlich ist auch klar, dass wenn wir jetzt eine Wehrpflicht beschließen würden, es geht ja immer nur um eine Auswahlwehrpflicht, also 5% eines Jahrgangs, auch das braucht natürlich Zeit.
Es wäre insofern sinnvoller, wenn die Koalition sich hätte einigen können, das ging mit der SPD nicht, dass wir in dieser Legislatur die Voraussetzung für die Einführung einer Auswahlwehrpflicht schaffen.
Brauchen wir mal sehen, sind jetzt die Beratungen im Bundestag zum Wehrdienstgesetz, wo das dann hinläuft.
Aber eigentlich sind die Zahlen relativ eindeutig, die Bedrohungslage ist eindeutig.
Und eigentlich gibt es aus sicherheitspolitischer Sicht nicht mehr viel zu diskutieren.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich trotzdem auch das Stimmungsbild innerhalb auch der Bevölkerung in Bezug auf junge Menschen, dass es sowohl die Seite gibt, die sagen, ja, ich wäre dafür.
Auf der anderen Seite eben aber auch viele Stimmen, die sagen, nein, ich wäre dagegen.
Und deswegen stellt sich darüber hinaus natürlich auch die Frage vielleicht nach möglichen Alternativen, unter anderem auch im Chat bei uns vom User Icke.
Er fragt, wäre nicht vielleicht die Etablierung einer europäischen Fremdlegion nicht vielleicht sinnvoller, um die Gesellschaft nicht zu spalten?
Also ich halte von so einer Idee nichts.
Wir hatten ja auch oft schon in den 50er Jahren die Idee einer europäischen Armee, einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft.
Die sah aber immer nationale Armeen vor, die dann auf der höheren Ebene integriert werden sollten.
Und wir müssen letztlich, also ich spreche als Militärsdruck, als Wissenschaftler, nicht als Innenpolitiker, wir müssen halt von einer militärischen Bedrohung ausgehen.
Und es hat eben einen Grund, warum die NATO gesagt hat, wir brauchen 260.000 Soldaten von Deutschland.
Und die militärische Souveränität ist eben was wirklich primär Nationales.
Alle supranationalen Verteidigungsprojekte sind eigentlich gescheitert in dieser Form.
Muss man sich nur die deutsch-französische Brigade anschauen, das funktioniert eigentlich nicht wirklich.
Und diese junge Generation, die auch dagegen ist, gegen Wehrpflicht, das hatten wir natürlich im Kalten Krieg genauso.
Also ich stehe gerne als Zeitzeuger zur Verfügung.
Von meiner Abiturklasse sind auch nicht alle Leute zum Wehrdienst gegangen.
Und mir will es eigentlich nicht einsehen, warum es nicht möglich sein soll, in diesem Land mit 82 Millionen Einwohnern nicht eine Armee von 260.000 Soldaten aufzustellen.
Ein Umfang, den wir übrigens schon mal hatten, nämlich zuletzt 2004.
Also ich glaube, das ist möglich, zumal eine Mehrheit der Deutschen dafür ist.
Ich akzeptiere völlig, wenn junge Menschen auch dagegen sind.
Aber wir müssen eigentlich das Sinnvolle tun und wir können nicht immer darauf warten, dass 90 Prozent der Bevölkerung dafür sind.
Das werden wir in der Demokratie nie haben.
Insgesamt ist die Zustimmung ziemlich hoch und von daher würde ich mich freuen, wenn wir im Laufe dieser Legislatur in Richtung einer Auswahlwehrpflicht, wie das die Schweden machen und die Dänen machen, gehen.
Und ich glaube, was die Schweden und Dänen machen, können wir Deutschen eigentlich auch.
Herr Hetzel, genau zu dem Thema kommt noch eine Nachfrage aus dem Chat von Sven Odendahl.
Sie haben das gerade auch schon beschrieben und zwar Probleme ja auch in den Strukturen und in Sachen Tempo auch in den Reformen der Bundeswehr und in Bezug auf die Wehrpflicht fragt Sven Odendahl nochmal nach, dass die Strukturen aber auch gerade theoretisch nicht ausreichen würden, um über die Zahlen einer Freiwilligkeit hinauszukommen, oder?
Wie sehen Sie das?
Also heute am 30.
Oktober, stimmt das, können wir 260.000 Soldatinnen und Soldaten, die ja gefordert sind von NATO, noch nicht unterbringen.
Also es ist ein Prozess.
Es ging ja auch durch die Medien, dass die Bundeswehr jetzt wieder die Konversion einstellt, also die Freigabe von militärischen Flächen.
Es müssen Kasernen gebaut werden.
Aber auch da muss man improvisieren.
Adenauer begann die Wehrpflicht am 1.4.1957 mit 10.000 Wehrpflichtigen, auch nicht mit 200.000.
Also wir müssen auch improvisieren.
Wir haben Millionen von Flüchtlingen untergebracht und so weiter.
Also das geht schon.
Ich sage nicht, dass wir morgen die Wehrpflicht einführen müssen und 80.000 Wehrdienstleistende einziehen sollen.
Das wird ein Prozess sein.
Aber wir diskutieren ja zur Zeit den Entschluss.
Wollen wir wirklich dahin?
Und da kappeln sich CDU und SPD noch.
Also wir müssen Infrastruktur aufbauen, wir brauchen Ausbilder dafür.
Ja, das ist alles ein Punkt.
Aber wir könnten heute schon 10.000 neue Wehrpflichtige unterbringen und einstellen.
Dafür gibt es die Kapazitäten.
Und ich würde mir den Rat geben, fangt mal an.
Auch das ist ein politisches Signal an Putin, dass wir nicht zaudern.
Boris Pistorius hat ja schon gesagt, mit der Musterung ab 2027, das würde abschreckend wirken.
Das überzeugt mich relativ wenig.
Nein, wir müssten jetzt anfangen, klein anfangen, um dann im Laufe der Legislaturperiode mit mehr Infrastruktur dann aufzuwachsen.
Aber es geht nicht um eine allgemeine Wehrpflicht wie im Kalten Krieg, sondern um eine Auswahlwehrpflicht und das muss in diesem Land leistbar sein.
Sie unterstreichen damit ja auch nochmal die Wichtigkeit von Signalen, auch der Einigkeit und der Stärke in Richtung Russland, in Richtung Putin.
Und das vielleicht auch als abschließende Frage auch nochmal aus dem Chat.
Das löst sich auch nochmal von der Debatte um die Wehrpflicht und geht konkret auch nochmal auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein.
Und das Stichwort ist da die Frage nach dem Kriegsende.
Und der User fragt, was müsste denn dann neben diesen Zeichen, neben Sanktionen, neben auch der Rolle der USA noch passieren, bis, und das ist die Frage des Users, Putin endlich auf Waffenstillstandsgespräche ernsthaft eingeht.
Tja, also diese Frage kann letztlich nur Putin beantworten, leider.
Ich glaube, dass China eine zentrale Rolle spielt, wenn Xi der Meinung wäre, was er leider nicht ist, Putin solle diesen Krieg mal beenden, könnte er das machen, er hätte die Druckposition und ansonsten kann man nur darauf hoffen, dass Putin einsieht.
Es gibt ja die Angebote.
Man kann Angebote machen, einen Waffenstillstand, die Front einzufrieren und dergleichen, dass Putin darauf eingeht.
Und ich glaube, das wird er erst tun.
Das zeigt dann auch die Geschichte, wenn der Preis für ihn zu hoch wird.
Und noch sieht er, dass die Ukraine schwächer und schwächer wird.
Wir haben es ja auch im Bild gesehen, der Druck auf die ukrainische Bevölkerung ist erheblich.
Die Ukraine gehen die Menschen aus, die Soldaten aus und die USA haben sich ein Stück weit aus der Ukraine Hilfe zurückgezogen.
Auch in Europa sind es letztlich nur sechs, sieben Länder, die wirklich massiv die Ukraine unterstützen, mitnichten alle EU-Staaten.
Also ich glaube, dass Putin sehr stark die Hoffnung hat, letztlich doch noch zu gewinnen.
Und da müsste es mehr Einigkeit der Europäer geben, mehr Engagement.
Es müsste mehr Engagement der USA geben.
Und die USA und China können natürlich sehr wohl Putin zwingen, das einzustellen.
Aber leider entziehen sich die auch ein Stück weit unserem Einfluss.
Und da können wir nur hoffen, dass Trump erkennt, dass Putin ihnen am Nasenring durch die Manege zieht.
Die USA und China könnten Putin also zwingen, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Das sagt Militärhistoriker Professor Sönke Neitzel von der Universität Potsdam.
Jede Woche sprechen wir in unserem Ukraine-Update mit Experten und unseren Korrespondenten und Reportern in der Ukraine und in Russland über alle aktuellen Entwicklungen und Hintergründe in diesem Krieg.
Schaut gerne mal vorbei auf YouTube oder in der ZDF-Heute-App.
Dort analysieren wir mit detaillierten Karten die Lage an der Front.
Und ihr könnt natürlich auch sehr gerne Fragen an unsere Gesprächspartner stellen.
Vielen Dank fürs Reinhören an dieser Stelle.
Bis zum nächsten Mal.
Macht's gut.
Tschüss.
