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Bodenoffensive in Gaza - wer kann Israel stoppen?

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Music.

Heute Journal, der Podcast, die News, dein Durchblick.

Christian, dir sind diese Woche wahrscheinlich auch die Videos begegnet, auf denen man endlos lange Autoschlangen sieht, Autos und Karren, die vollgestopft sind und auf denen sich Meter hoch Matratzen, Decken und Wasserkanister stapeln.

Auf denen sitzen wiederum dicht an dicht gedrängt Menschen, die in kurzer Zeit alles, was sie zum Leben brauchen, zusammenpacken mussten.

Und hinter diesen Autoschlangen, da sieht man links das Meer und rechts sieht man Rauch aufsteigen und eine Stadt, die in Trümmern liegt.

Das, was man da sieht, das ist Gaza-Stadt, aus der die Menschen fliehen mussten, weil Israel dort diese Woche eine Bodenoffensive gestartet hat.

Gaza brennt, schreibt der israelische Verteidigungsminister dazu.

Und Israel macht damit etwas, vor dem sogar die eigene Armeeführung gewarnt hatte.

Wir wollen wissen, warum passiert das trotzdem?

Was wird jetzt aus Gaza und gibt es eigentlich noch irgendeinen Ausweg?

Und damit herzlich willkommen zum Heute-Journal-Podcast.

Heute ist der 18.

September um 14 Uhr.

Ich bin Helene Reiner und mir gegenüber sitzt heute wieder Christian Sievers, Moderator des Heute-Journals.

Hallo Helene.

Hi Christian.

Hi.

Diese Region, in der es jetzt nochmal eine Eskalation des Krieges gibt, aus der Hunderttausende fliehen müssen, das war früher auch mal dein Zuhause, weil du als Korrespondent in Tel Aviv gearbeitet und gelebt hast.

Wenn du diese Bilder siehst, was macht das mit dir?

Also ich denke an ganz viele Erlebnisse.

Zunächst denke ich an Menschen natürlich.

Ich denke vor allem erstmal an unsere palästinensischen Kollegen, die seit Jahrzehnten schon für das ZDF arbeiten in Gaza, die für uns Bilder liefern, drehen gehen, auch jetzt noch und das, obwohl sie selbst in Todesangst leben und das muss man wirklich genau so sagen und auch selbst auf der Flucht sind.

Also sie berichten über etwas, was sie selbst am eigenen Leibe tatsächlich erleben und das nun schon seit unvorstellbar langer Zeit und ohne Aussicht darauf, dass sich das ändern könnte.

Ich denke aber auch an so verschiedene Kleinigkeiten, zum Beispiel das kleine Hotel an der Uferpromenade in Gaza, in dem wir damals immer übernachtet hatten.

Das ist so ein ganz kleines Hotel, nur ein paar Zimmer, aber der Inhaber hat versucht, da so ein Tausend-und-eine-Nacht-Flair so ein bisschen reinzubekommen.

Ein bisschen peinlich manchmal, aber irgendwie doch ganz heimelig.

Das Hotel gibt es nicht mehr, es liegt komplett in Schutt und Asche, wie alles drumherum auch.

Ich muss denken an eine, kommt mir wirklich tatsächlich sehr häufig in den Sinn, eine mutige junge Internetaktivistin, über die wir damals ein Auslandsjournalporträt gedreht haben, die auch damals schon kritisch gegenüber Hamas war und die ich als eine unfassbar mutige Frau erlebt habe im Gazastreifen.

Und ich frage mich sehr häufig aktuell, wie es ihr wohl geht.

Ich muss denken an den Tierpfleger in Gazas Zoo, der damals schon schlimm war.

Der Zoo, viele Tiere waren tot und er hatte eine gute Idee.

Er hat gesagt, um den kleinen Kindern was bieten zu können, macht er mit ein paar Pinselstrichen Haarfärbemittel aus dem lokalen Esel ein Zebra.

Die Kids waren total begeistert, was aus dem Zoo geworden ist und dem Pfleger und dem Zebra.

Zebra in Anführungsstrichen.

Ich weiß es nicht.

Und ich muss denken an den rührigen Fanclub der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Den gibt es tatsächlich in Gaza.

Ihr werdet unser Haus sofort finden, hatten uns die Mitglieder des Fanclubs damals gesagt.

Und das stimmt, weil am Ende einer langen, staubigen Straße mitten in Gazastadt war plötzlich ein Haus, auf dem überall Deutschlandfahnen drapiert waren.

Und dann kam man da rein und da saßen die Jungs vorm Fernseher, kämpften ständig mit Stromausfällen und strahlten trotzdem aus ihren FC Bayern-Shirts.

Das war ein unfassbares Erlebnis für mich.

Das waren halt lauter Kids, die Ablenkung suchten und die dann uns gesagt haben, die haben wir dann auch, wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt, aus einem Land, in dem sie noch nie waren und dass sie nie kommen würden, dann haben wir wenigstens für 90 Minuten nur eine große Angst und das ist ein Gegentor.

Und das war für mich damals schon so der Beweis, einerseits natürlich für die Kraft des Fußballs, aber eben auch dafür, wie angenehm klein unsere Welt manchmal sein kann und wie nah auch Gaza uns hier in Deutschland ist.

Boah, das ist mal eine Antwort gleich zu Beginn, Christian.

Und das Zebra, das lässt mich gerade nicht los.

Wir haben es ja gesagt, Hunderttausende müssen fliehen aktuell aus Gaza-Stadt und das Ziel dahinter, hinter dieser erneuten Eskalation, hinter dieser Bodenoffensive, das ist laut israelischer Regierungen.

Die Terrororganisation Hamas zu übernehmen, beziehungsweise ihre letzte Bastion, die Hochburg.

Sie zu vernichten.

Sie zu vernichten, genau.

Und es sei der einzige Weg, um den Krieg zu beenden und die Geiseln aus den Händen der Hamas zu befreien.

Da sprechen wir später auch noch ausführlicher darüber.

Aber weil du ja auch dort warst und dort gelebt hast, kannst du uns nochmal diese räumliche Dimension begreifbar machen.

Was bedeutet das, wenn so viele Menschen jetzt aus dieser Stadt fliehen müssen?

Sehr gute Frage.

Gaza ist sehr klein.

Gaza ist halb so groß, ich habe es gerade nochmal nachgeguckt, wie Hamburg.

Hat aber in etwa so viele Einwohner.

Das heißt zu normalen Zeiten, wobei so richtig normale Zeiten hat es in Gaza eigentlich nie gegeben, aber ich sage jetzt mal zu Zeiten, in denen gerade kein Krieg ist, ist man relativ schnell durch in Gaza.

Man kann auch zum Beispiel auf dem Hochhaus, ich stand häufig nachts auf dem Hochhaus in Gaza, habe über diesen Streifen geguckt am Meer.

In Gazastadt.

In Gazastadt, der dann total dunkel oft liegt, weil nämlich das Licht wieder mal ausgefallen ist.

Und dann sieht man an den Rändern plötzlich Lichtstreifen und das ist bereits die Grenze zu Israel, da gibt es nämlich Strom und auch Licht.

Das heißt, man konnte sozusagen diese Dimensionen von Gaza quasi sehen, richtig, wenn man schön erhöht irgendwo stand.

Und man war, wie gesagt, relativ schnell durch.

Das hat sich aber total geändert mittlerweile.

Also für Strecken, die vor dem Krieg eine halbe Stunde gedauert hätten, fährt man heute neun Stunden, zehn Stunden, wenn man sie überhaupt schafft.

Und das liegt daran, dass sehr, sehr viele Straßen schlicht nicht mehr da sind.

Die sind komplett zerstört.

Die, die es noch gibt, sind staubige Pisten.

Das muss man sich auch nicht als irgendwelche Autobahn-ähnlichen Straßen vorstellen.

Und auf diesen wenigen noch verbliebenen Wegen...

Sind zigtausende Menschen unterwegs.

Und zwar, du hast es vorhin ja so eindrücklich beschrieben, mit allem, was sie haben.

Zwischendurch immer wieder abgemagerte Esel, weil Esel tatsächlich in Gaza, man kommt sich manchmal vor wie in einem anderen Jahrhundert, dass Fortbewegungsmittel sind, mangels Benzin und Treibstoff.

Und man muss sich ja auch immer fragen, wo sollen diese Menschen denn aktuell hin?

Es gibt da eine kleine Fläche im Süden, auf der aktuell nicht gekämpft wird.

Die UNICEF spricht von 45 Quadratkilometern.

Das wäre doppelt so groß wie der Frankfurter Flughafen.

Da sollen jetzt hunderttausende Menschen Platz finden.

Und das bedeutet ja auch, dass im Süden und auf dieser Fläche, wo sowieso schon die Situation wirklich verheerend ist, es einfach noch gravierender wird.

Hilfsorganisationen berichten über viel zu wenig Unterkünfte, Zelte, Wasser, Nahrungsmittel für Vertriebene.

Du hast diese Woche mit jemandem gesprochen im Heute-Journal, der vor Ort ist, der weiß oder erlebt, wie es den Menschen dort gerade geht.

Und das ist ein Arzt, Dr.

Amar Madini, der in Gaza als Arzt arbeitet.

Aus Schwaben stammt, muss man sagen, hört man auch.

Und in der, in Han Yunis ist, in der Stadt.

Und da gab es einen Moment bei eurem Interview, bei eurem Gespräch und da musste man echt schlucken.

Wenn Sie zurückdenken jetzt an all das, was Sie bisher in Gaza direkt vor Ort erlebt haben als Arzt, Was wird Ihnen davon nie wieder aus dem Kopf gehen?

Ich würde sagen, hauptsächlich wie unglaublich viele Kinder unter den Paretten.

Erst vor zwei Tagen hat man dem Kind mit einer schweren Stille im Pharma, das im Prinzip nur versucht hat, Wasser zu verkaufen.

Wie konnten Sie dem Kind helfen?

Es gab keine Hilfe mehr.

Ja, da habe ich gemerkt, ich habe immer noch gedacht, vielleicht sagt er noch etwas.

und habe dann gemerkt, da fehlen dem Arzt die Worte und mir ging es genauso.

Das sind dann keine Worte, ist auch manchmal sogar die stärkste Botschaft.

Man muss auch dazu sagen, das ist nicht das erste Interview dieser Art gewesen.

Wir kennen diese Berichte, wir kennen die Bilder, die Hilferufe, die Warnungen von internationalen Organisationen.

Ganz aktuell der UN-Menschenrechtsrat, der sagt, dass das, was da passiert, ein Genozid, ein Völkermord ist.

Und man fragt sich wirklich, was muss denn eigentlich noch passieren, damit das aufhört?

Gibt es noch irgendeinen Ausweg oder läuft es darauf hinaus, dass Gaza vernichtet wird?

Darüber wollen wir sprechen mit Daniel Gerlach.

Er ist Nahost-Experte, Autor, Herausgeber und Chefredakteur des Magazins Zenit und berät Friedensinitiativen in der arabischen Welt.

Ich freue mich sehr, dass er Zeit für uns hat.

Hallo Herr Gerlach.

Vielen Dank für die Einladung.

Hallo.

Wir haben es am Anfang erwähnt, dass ja bei dieser Bodenoffensive selbst die eigene Armeeführung gewarnt hat, das wirklich zu machen, in diese neue Phase des Krieges zu gehen, Gaza-Stadt einzunehmen.

Warum eigentlich?

Ich glaube aus zwei oder aus drei Gründen.

Primär, weil es für die Armee auch erhebliche Opfer bedeuten kann.

Gaza ist zwar großflächig zerstört, aber es gibt dort natürlich immer noch palästinensische militante Gruppen, Hamas-Kämpfer und andere, die sich dort verschanzen und die definitiv ihre letzte Schlacht kämpfen und die natürlich auch gegen die Armee kämpfen werden.

Die psychische Belastung für Soldaten ist groß geworden.

Und letztendlich hat, glaube ich, der Armeeschef, der schon weiß, der wurde ja nicht in diesen Posten gehoben, weil er ein besonderer Friedensaktivist ist, sondern eigentlich, weil er ein ziemlich harter, rechter Militarist ist, der hat gesagt, wir werden auf diese Art und Weise die Geisel nicht befreien können.

Und das ist ja natürlich auch ein erklärtes Kriegsziel.

Wenn nicht das Einzige, so ist es doch ein Kriegsziel.

Und das, was er dort gesagt hat, also dieser Streit zwischen ihm und Netanyahu, der geht ja schon seit Wochen.

Er hat dann auch gesagt, natürlich führt er seinen Befehl aus, aber er hält das nicht für den richtigen Weg.

Und es gibt eine ganze Menge andere Implikationen, die die israelische Gesellschaft natürlich betreffen.

Die Frage, ob Orthodoxe zum Beispiel zum Militärdienst gehen, ob die eingezogen werden können.

Also die Frage der Armee spielt gerade in der israelischen Gesellschaft eine spaltende Rolle.

Und das ist natürlich etwas, was auch die Armeeführung sieht.

Wir haben eine Zunahme von Suizidraten unter israelischen Soldaten.

Ich glaube nicht, dass es primär um die humanitäre Frage geht, um das Schicksal der Palästinenser.

Und das ist etwas, was man auch wirklich kritisieren muss.

Viele, die sich in Israel gegen den Krieg aussprechen, tun das nicht aus humanitären Erwägungen für die Palästinenser.

Und das ist tatsächlich auch einer der Gründe, die zu dieser dramatischen Situation, zu dieser vollkommenen Enthemmung auch geführt haben, mit dem man dort in Gaza vorgeht.

Ich glaube, es gibt tatsächlich neben der Zerstörung, der Vernichtung der Hamas und der Befreiung der Geiser noch ein anderes Ziel.

Und das ist tatsächlich, dass man Gaza dem Erdboden gleich machen möchte.

Man möchte Gaza in einer Art und Weise zerstören, systematisch zerstören, dass nichts mehr übrig bleibt und auch das Andenken nicht mehr möglich ist, dass man auch nicht mehr nachvollziehen kann, wo die Menschen herkamen, dass eine Rückkehr nach Gaza unmöglich wird.

Und das ist natürlich ein politisches Ziel und eines, was man auch als Militär so eigentlich nicht umsetzen sollte.

Und deswegen ist natürlich die Frage, inwiefern sich israelische Generäle guten Gewissens noch an einer solchen Operation beteiligen.

Darüber müssen wir gleich natürlich nochmal ausführlich reden, was das bedeutet auch für Gaza und wie das überhaupt möglich sein könnte, tatsächlich Gaza dem Erdboden komplett gleich zu machen.

Es ist ja nicht nur der aktuelle Armeeschef, sondern es haben sich ja in der Vergangenheit Hunderte, muss man sagen, es sind wirklich Hunderte Ex-Sicherheitschefs, also sprich die Chefs von Mossad, von Shinbed Inlands- und Auslandsgeheimdienst und Armeeschefs, hoch dekorierte Generäle, haben sich gegen diesen Krieg ausgesprochen.

Auch das alles Hardliner, das sind ja keine palästinensischen Friedensaktivisten, sondern alles israelische militärische Hardliner, denen das Wohl ihres Staates und die absolute Sicherheit ihres Staates immer die Nummer eins Priorität war und ist.

Warum hinterlässt das keinen Eindruck?

Nicht nur bei Netanjahu, sondern offensichtlich ja auch in der Gesamtsituation nicht.

Das hinterlässt, denke ich, schon Eindruck.

Das hinterlässt ja auch international Eindruck.

Aber ich denke, Ntandia und seine Regierung befinden sich in einer Situation, dass sie ein historisches Projekt verwirklichen wollen.

Und das historische Projekt für sie heißt, die Gelegenheit nutzen, um die Palästinenser aus Gaza Großfläche zu vertreiben, bis vielleicht einen kleinen Abschnitt im Süden an der ägyptischen Grenze, die palästinensische Präsenz im Westjordanland auch einzuschränken, da können wir gleich nochmal drüber sprechen, auch dort Menschen zu vertreiben und abgesehen von ein paar Enklaven quasi Tatsachen zu schaffen, also die Annexion und die exklusive jüdische Nutzung des Westjordanlands voranzutreiben.

Und sie gehen davon aus, dass alle diese Militärs, die da.

Letztendlich Bedenken vortragen, eben Bedenkenträger sind, die die große historische Vision nicht verstehen.

Und das ist, glaube ich, etwas, was man, man darf nicht vergessen, in Israel ist es immer noch so, dass die politische Führung die Entscheidungen trifft, nicht die militärische Führung.

Dann gibt es, glaube ich, noch einen Faktor, das ist aber mehr eine Vermutung von mir, erinnert sich ja daran, dass vor einem Jahr auch israelische Generäle davor gewarnt haben, im Libanon den Krieg zur vollen Eskalation zu bringen.

Da gab es immer wieder Stimmen aus dem Militär, sehr deutige Stimmen, die gesagt haben, wir können uns jetzt diesen Krieg, den Parallelkrieg Gaza und Libanon nicht leisten.

Das kostet uns zu viele Opfern, zu viele Ressourcen, da verkämpfen wir uns.

Und dann hat die israelische Armee gemeinsam mit dem Mossad eine sehr beachtliche militärische Leistung der Libanon hängelitten, hat die Hezbollah in einer Art und Weise geschlagen, wurde ausradiert, wie selbst die optimistischen Stimmen in Israel das unter Umständen nicht für möglich gehalten hätten.

Und das sind alles Punkte, da fühlt sich Netanyahu bestätigt.

In allem, was er tut derzeit, kann er nicht mehr unterscheiden zwischen seinem persönlichen Schicksal und dem Schicksal des Staates Israel.

Das ist für ihn eins.

Aber er sieht ja auch, wie letztendlich alle um ihn herum Profil verlieren.

Die politische Opposition kann daraus kein Kapital schlagen.

Die Amerikaner, die immer wieder mal versucht haben, ihm Manschetten anzulegen, lassen sich dann doch wieder von ihm übertöpeln und er ist in der Lage, sie im Grunde politisch in seinem Sinne zu instrumentalisieren.

Also alles, was passiert ist in den letzten Monaten, hat ihm ja in seinem Kurs Recht gegeben, wenn man jetzt mal von moralischen, menschlichen Gesichtspunkten absieht.

Und das fanatisiert und radikalisiert, glaube ich, eine solche Führung.

Aber es beeindruckt auch diejenigen, die sich eventuell kleinlaut ihm entgegengestellt haben, weil sie sehen, sie haben gegen diesen Lauf, der da stattfindet, offensichtlich nichts entgegenzusetzen.

Ich würde gerne nochmal kurz auf die Geiseln zurückkommen.

Eben das erklärte Kriegsziel, laut Israel aktuell der einzige Weg, eben durch diese Bodenoffensive die Geiseln zu befreien.

20 sollen davon noch am Leben sein, darunter auch Deutsche.

Selbst die Familien haben gesagt, sorgen sich massiv um die Sicherheit, haben gesagt, diese Offensive könnte nicht die letzte Rettung sein, sondern die letzte Nacht für diese Geiseln.

Sie haben auch gerade gesagt, die Armeeführung hält das auch nicht für wahrscheinlich, dass man diesem Ziel näher kommt mit dem, was gerade passiert.

Kann man sagen, dass das Schicksal der Geisel Netanjahu offensichtlich egal ist?

Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde, zu sagen, dass es ihm egal ist, aber es hat auf jeden Fall nicht die Priorität.

Es spielt nicht die erste Rolle.

Es wird anderen politischen Prioritäten untergeordnet, die für ihn viel, viel wichtiger sind und für das Umfeld auch viel, viel wichtiger sind.

Es hat eine relativ spektakuläre, gewaltsame Geiselbefreiung gegeben, die erfolgreich war.

Ansonsten sind Geiseln in großer Zahl nur durch die Verhandlungen rausgekommen.

Am Anfang hat das auch funktioniert, weil man gleichzeitig Verhandlungen zu führen und militärischen Druck aufzubauen.

Also diese Parallelstrategie, das war am Anfang noch erfolgreich, weil Hamas da noch was zu verlieren hatte.

Aber in der derzeitigen Situation, auf der einen Seite erklärt man, Hamas solle einer Entwaffnung zustimmen, solle kapitulieren.

Dann heißt es wieder, Hamas muss ausradiert, vernichtet werden.

Wenn man einem Gegner quasi sagt, wir verhandeln mit dir, aber am Ende der Verhandlungen steht deine Vernichtung, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie bereit ein solcher Gegner zu Verhandlungen ist.

Und diese Situation, letztendlich haben die Verhandlungen denjenigen Zeit gegeben, die auf eine gewaltsame Lösung immer schon hingesteuert haben und für die die Geiselbefreiung eben nicht die Priorität hat.

Und dazu gehört nach meinem Dafürhalten Netanyahu, auch wenn er immer mal wieder das Gegenteil behauptet hat.

Jetzt heißt es ja immer, Daniel, die Hamas müsse nur alle Geiseln freilassen und da wäre der Krieg sofort vorbei.

Was sagst du dazu?

Ja, das wurde auch in Deutschland immer wieder von Politikern gesagt.

Ich weiß nicht, woher sie diese Gewissheit genommen haben, weil ich habe, glaube ich, sehr genau verfolgt, was israelische Politiker, Regierungspolitiker und Figuren aus dem Umfeld gesagt haben.

Und mein Eindruck war nicht, dass das das Ziel war.

Mein Eindruck war, das war ja der Verhandlungsgegenstand, das Hamas auch gesagt hat, und da möchte ich nicht rechtfertigen, wie die Hamas die Verhandlungen führt.

Das ist perfide und das ist letztendlich genauso manipulativ.

Aber Hamas hat ja letztendlich dem zugestimmt, die Geiseln freizulassen, wenn damit ein Ende des Krieges verbunden ist.

Aber die israelische Führung hat ja, und das war ja auch einer der Gründe, weshalb dann am Ende der Waffenstillstand, den wir Anfang des Jahres hatten, gescheitert ist, hat darauf bestanden, dass der Krieg zu Ende geführt wird, weil man eben nicht nur die Geiseln frei bekommen wollte, sondern auch diejenigen vernichten wollte.

Die sie halten, nämlich Hamas.

Also man wollte die Präsenz von Hamas nicht politisch oder militärisch beschränken oder schwächen, sondern man wollte die Hamas vernichten und will es auch bis heute.

Und das bedeutet, dass man bereit ist, letztendlich eine unbegrenzte Zahl, eine unbegrenzte Zahl für zivilen Opfern dafür in Kauf zu nehmen.

Und deswegen kann man daraus ja nur den Rückschluss ziehen, dass es hier nicht nur um den Krieg gegen die Hamas geht, sondern dass man die Gelegenheit nutzt, um die palästinensische Bevölkerung aus Gaza, aus dem Norden von Gaza, zu vertreiben und bereit ist, dafür so viele Menschen umzubringen, wie es eben die Verfassung dieses Ziels verlangt.

Und etwas, das man vernichten will, mit dem kann man logischerweise auch nicht verhandeln.

Das ist richtig, ja.

Und das war ein Stück weit der Widerspruch, der diesen Verhandlungen innegewohnt hat.

Es gab auch ja, also man hat das dann oft so erklärt, das ist die Message nach außen, an das Wahlvolk, an die eigenen Unterstützer und das andere ist die Message nach innen, dass es da immer wieder Widersprüche und gewisse Ambivalenzen gegeben hat.

Letztendlich glaube ich, was wir hier sehen, und das sehen wir im Nahen Osten und nicht nur dort öfter, Ich will jetzt nicht zu akademisch werden, aber ihr kennt ja diesen Satz von Klausewitz, dass der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln ist, sprich auch die Diplomatie.

Und hier, glaube ich, kann man sagen, das ist umgekehrt der Fall.

Hier handelt es sich eben um Verhandlungen als eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Und das war, muss man sagen, für diejenigen, die diesen Krieg militärisch lösen wollten, auch erfolgreich.

Jetzt hast du gesagt, Daniel, am Ende geht es Netanyahu und der israelischen Führung darum, um ein historisches Projekt, nämlich Gaza komplett für sich zu haben und die Menschen zu vertreiben.

Da ist die Frage, was passiert mit diesen Menschen?

Ich meine, es sind zwei Millionen Menschen etwa, die in Gaza leben, die jetzt schon mehrfach vertrieben wurden innerhalb des Gebiets.

Quasi jeder erzählt ja wirklich unfassbare Fluchtgeschichten.

Mir ist immer noch so eine Geschichte im Kopf vom letzten Krieg, den ich vor Ort erlebt habe.

Das war die Familie eines Bauingenieurs, der in Deutschland studiert hatte.

Und deswegen in seinem Viertel in Gaza hießen die nur die Deutschen.

Und denen wurde gesagt, die hatten so ein richtig schönes Haus, so eine Art Villa, kann man sagen.

Da haben die Israelis gesagt, dann müsst ihr raus, weil das werden wir zerstören.

Haben sie sofort reagiert und gesagt, alles klar, das machen wir natürlich, wir gehen raus.

Haben alles genommen, was sie irgendwie schleppen konnten.

Sind in ein nächstes Domizil gegangen, wo sie dachten, sie wären sicher.

Haben gemerkt, da sind sie auch nicht sicher.

Sind wieder umgezogen in ein weiteres Haus.

Diesmal ein Hochhaus, wo sie dachten, da sind sie sicher.

Dann hat Israel dieses Hochhaus bombardiert.

Und am nächsten Tag hat man unter den Trümmern die Leichen von sieben Menschen gefunden.

Vater, Mutter, fünf Kinder, die Deutschen, in Anführungsstrichen, aus Nordgaza.

Und daran muss ich immer denken, wenn wir jetzt diese Schicksale sehen von Menschen, die auch immer weiterziehen in der Hoffnung, ihr Leben zumindest irgendwie retten zu können.

Frage an dich, Daniel, wo sollen denn die alle hin?

Wie stellt sich Israels Führung das vor?

Diese Evakuierungsaufforderungen, die es da gibt, da gibt es ja eine Anekdote, wenn sie nicht so traurig wäre, dann wäre sie ja komisch.

Ich weiß nicht, ob ich mitbekommen habe, dass in der Stadt Aschkelon, also im Süden Israels, nicht ganz weit von der Grenze zum Gaza-Streifen entfernt, da wurden Flugblätter gefunden, die abgeworfen wurden, wo draufsteht, wenn ihr diese Flugblätter empfangt, dann befindet ihr euch in einer gefährlichen Zone und müsst sie verlassen.

Die sind abgetrieben worden vom Wind, ja.

Natürlich.

Und so präzise und so sinnvoll ist es, solche Flugblätter abzuwerfen.

Das ist letztendlich, das ist eine psychologische Propaganda, ein Mittel der psychologischen Kriegsführung, um den Menschen Angst zu machen.

Aber die Illusion, dass damit ein menschlicher Krieg gemeint wird Und dass man ja die Menschen warnt und dass man auch SMSen und WhatsApp-Nachrichten und so weiter schickt.

Das ist die Illusion, die man quasi dem eigenen Publikum und der internationalen Gemeinschaft vorhält.

Sagt, schaut mal, wir sind ja keine Barbaren, wir führen einen menschlichen Krieg.

Diese ganzen Geschichten darüber, wo die Menschen hin sollen.

Es gibt diese Story von der humanitären Stadt, die die israelische Regierung.

Ich glaube, das war der Verteidigungsminister, der darüber gesprochen hat.

Also der ehemalige Ministerpräsident Reumat hat, wenn ich jetzt das richtig in Erinnerung habe, dass er sein Konzentrationslager bezeichnet oder die Idee.

Es gab in dem Marschbefehl, den die israelischen Streitkräfte hatten, gab es sogar einen Terminus, der eigentlich international, also da hat definitiv kein internationaler Jurist oder kein Völkerrechtler drauf geschaut.

Da stand nämlich, dass eines der Ziele dieser Operation Recursa of Lucia, also die Konzentration der Bevölkerung im Norden drin ist.

Also allein Militärs aufzufordern, eine Bevölkerung an einem bestimmten Ort zu konzentrieren, an sich gilt schon als nicht zulässig völkerrechtlich.

So kann unter Umständen schon ein Kriegsverbrechen sein.

Diese ganzen Geschichten darüber, über die Zukunft der Menschen im Gaza-Streifen, die sind so realistisch, wie diese berühmten Renderings, die es da gegeben hat von Trump oder beziehungsweise aus dem Umfeld von Trump zum Aufbau einer großen Riviera in Gaza.

Das sind alles letztendlich Motive, die in Umlauf gebracht werden, um ein Stück weit die Debatte zu verwirren, um auch davon abzulenken, dass man eigentlich selber keinen politischen Plan hat.

Aber gleichzeitig, wenn ich dich kurz unterbrechen darf, Daniel.

Gleichzeitig schafft man doch Fakten.

Also es ist ja, wenn man sich diese Bilder anguckt, wenn man sich diese Luftbilder anguckt von weiten Teilen des Gazastreifens, fragt man sich in der Tat, wie da noch Leben möglich sein soll.

Denn da steht ja nichts mehr.

Das ist ja die absolute Apokalypse.

Und wenn ich dich jetzt richtig verstanden habe, ist das ja exakt auch das Ziel der Israelis zu sagen, wir schaffen eine Landschaft am Ende dort, in der einfach niemand mehr leben kann und am Ende auch nicht mehr leben will vielleicht.

Das kann man vielleicht nicht für alle Teile des Gazastreifens sagen, aber definitiv für die Gebiete im Norden.

Wo ja auch es schon erheblich, also etliche Pläne dazu gegeben hat, die auch vorgelegt wurden, die auch auf Siedlertreffen und so weiter auch von Regierungsmitgliedern diskutiert wurden.

Das ganze, dieser Krieg, diese Militäroperation geht ja einher damit, dass israelische Baufirmen beauftragt wurden in den letzten Wochen, gegen eine Prämie pro Gebäude, großflächig Gebäude abzureißen.

Wenn Baufirmen da reingehen, dann kann man ja erstmal davon ausgehen, dass von diesen Orten keine Gefahr mehr für das Militär ausgeht, dass sich dort keine Hamas-Kämpfer verschanzen, denn sonst würde man wohl nicht mit einer zivilen Baufirma da reingehen und gegen eine Abriffsprämie großflächig Häuser abreißen.

Hier geht es nach meinem Fürhalten und das ist der Jurist Itay Epstein, ein israelischer Jurist, hat.

Dem verdanke ich also diesen Gedanken, der hat darüber geschrieben, er nennt das eine Debellatio.

Debellatio ist das, was die Römer in Carthago gemacht haben.

Das heißt, dass man nicht nur, das ist etwas, was völkerrechtlich nicht geschehen darf, dass man geht her und zerstört die Stadt eines Gegners so großflächig, dass nichtmals mehr nachvollziehbar ist, was sich wo befunden hat, um wirklich diese Stadt nicht nur militärisch und politisch zu besiegen, sondern sie wirklich aus dem Andenken der Geschichte zu tilgen.

Und das ist etwas, was wir hier sehen, anders kann ich dieses Vorgehen nicht interpretieren, dass man wirklich Gaza komplett abreißen möchte.

Wir müssen an der Stelle unbedingt noch über eine zweite Meldung diese Woche sprechen.

Eine unabhängige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats ist zu dem Schluss gekommen, dass Israel im Gazastreifen Genozid begeht.

Vier von fünf Tatbeständen seien erfüllt.

Ich habe da nochmal nachgeschaut, was das sein sollte.

Töten der palästinensischen Bevölkerung, verursachen von schweren körperlichen und seelischen Schäden, vorsätzliche Schaffung von Lebensbedingungen, die auf die vollständige oder teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung abzielen und Maßnahmen, die darauf abzielen, Geburten zu verhindern.

Jeder einzelne Tatbestand würde schon für Genozid ausreichen und jetzt sind es vier von fünf.

Hat das eine Wirkung in Israel?

Und könnte es die israelische Regierung zum Einlenken bringen?

Ja, ich glaube schon, dass das eine Wirkung in Israel hat, sehen wir schon, diese ganze Genoziediskussion.

Wir sehen schon, dass Beamte extrem vorsichtig geworden sind und sich genau auch Militärs offensichtlich sagen lassen, also ihre Order nochmal bestätigen lassen, weil sie schon sensibilisiert wurden dafür, dass das auch für sie persönlich juristische Konsequenzen haben kann.

Also die können damit die Konsequenzen vielleicht etwas schwächen oder die Risiken für sich selber reduzieren, wenn sie sich von der Führung sehr, sehr genau bestätigen lassen, was sie tun sollen, damit sie selber nicht zur Verantwortung gezogen werden können.

Aber ich denke auch, die Berichte über Strafverfolgung, da hatten wir jetzt ja auch einen Fall in Deutschland.

Von Mitgliedern der IDF, von welchen, die entweder dort hingegangen sind, um sich dort Dienst zu tun oder eben auch Israelis, die ins Ausland gereist sind, beispielsweise in Urlaub und dann damit rechnen müssen, dass sie auch strafrechtliche Konsequenzen abbekommen.

Das hat schon eine Wirkung und ich denke auch die moralische Diskussion hat in Israel eine Wirkung.

Die Israelis, denen ist das nicht egal, wie Netanyahu und seine Leute öfter mal den Eindruck erwecken, was die Welt über sie denkt und was die westliche Welt über sie denkt.

Ob das die Regierung zum Einlenken bringt, da bin ich weniger optimistisch.

Aber diese ganze Genozid-Diskussion, ich verstehe natürlich diejenigen, die darauf abheben, weil sie sagen, wir müssen darauf aufmerksam machen, wie schlimm das ist und wie ernst dieser Fall ist.

Aber diese ganze Genozidiskussion hat natürlich auch dazu geführt, dass man sich auf diesen Begriff konzentriert hat.

Und da sagen die Völkerrechtler und nicht keine Experten, muss ich gleich dazu sagen, dass eigentlich die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die viel leichter nachweisbar sind, genauso schlimm sind wie Genozid.

Aber der Begriff Genozid, der wird halt so als das Verbrechen der Verbrechen betrachtet und dann besteht man dann darauf, dass es ein Genozid sein muss.

Was diese Kommission der Vereinten Nationen festgestellt hat, ist ja eigentlich nichts Neues.

Aber ich glaube, der Unterschied ist dann, dass später vom Internationalen Gerichtshof müsste nachgewiesen werden.

Dass die Absicht, ein Genozid herbeizuführen, die einzige plausible Erklärung dafür ist, dass sich die israelische Armee so verhalten hat und kein anderer.

Und ich glaube, das ist erstens nicht möglich, so nachzuweisen und zweitens vielleicht auch nicht richtig.

Denn ich denke nicht unbedingt, dass wir es seit dem 8.

Oktober mit einem Plan zu tun haben, der so umgesetzt wird, generalstabsmäßig, sondern dass sich tatsächlich das in verschiedenen Stufen entwickelt hat und dass man irgendwann auf Seiten der israelischen Regierung die Chance gesehen hat, das jetzt so umzusetzen.

Ich glaube nicht, dass die Reaktion, die auf den Angriff der Hamas von Anfang an war, jetzt nutzen wir die Chance, um die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben.

Aber ich denke, dass es sich sehr bald zu einem politisch realisierbaren Plan entwickelt hat, der eben von der Regierung dann umgesetzt wurde.

Immer ambivalent und in dem Kontext, naja, eigentlich geht es ja hier um den Kampf gegen den Terrorismus.

Wichtig ist, diese Regierung unterscheidet nicht zwischen Terroristen und Palästinensern.

Sie unterscheidet nicht zwischen Hamas und der Bevölkerung von Gaza und sie rechnet damit, dass jede zukünftige palästinensische Bevölkerung, die dort lebt, sich irgendwann wieder bewaffnen würde und versuchen würde, die Israelis umzubringen.

Jetzt haben wir über die Wirkung dieser Kommission und überhaupt der Appelle der UNO auf Israel und die israelische Bevölkerung und Regierung gesprochen.

Es gibt aber noch ein zweiter Aspekt des Ganzen, nämlich die Wirkung international und auch auf Deutschland.

Ich würde an der Stelle vielleicht eine Sache, weil das hat mich total beeindruckt.

Kurz mal vorlesen und zwar hat die Chefin dieser von der UNO eingesetzten Menschenrechtskommission, das ist die südafrikanische Richterin Navi Pillai, hat an der New York Times nochmal ihre Beweggründe erläutert und ich, um jetzt Übersetzungsfehler zu vermeiden, würde ich es kurz auf Englisch machen.

Das ist nämlich ein Satz, der sich wirklich einprägt.

Sie sagt, According to UNICEF, one child has died every hour in Gaza.

These are not the accidents of war.

They are acts calculated to bring about the destruction of a people.

Und sie sagt auch.

Es geht jetzt nicht mehr um optionales Handeln und damit sind wir bei dem Punkt, den ich vorhin angesprochen habe, sondern um den Appell quasi an die internationale Gemeinschaft.

Es geht, sagt sie, darum, dass jeder Staat jetzt die Verpflichtung hat, etwas zu unternehmen.

Daniel, was heißt das für Deutschland und wie sehr kommt Deutschland dieser Verpflichtung nach, die diese Chefin der Menschenrechtskommission da formuliert?

Ich glaube, Deutschland kommt dieser Verpflichtung nicht nach.

Der Bundeskanzler hat ja angekündigt, dass man jetzt erstmal keine Waffen ausfuhren nach Israel mehr genehmigt, zumindest keine Waffen, die in der Gaza-Streifen gegen die Palästinenser zum Einsatz kommen können.

Dabei ist nach meinem Verständnis immer noch unklar, ob das nur bedeutet, dass man keine neuen Genehmigungen erteilt oder dass man Lieferungen aus früheren Genehmigungen noch umsetzt.

Da hat sich die Regierung bisher immer sehr widersprüchlich zugeäußert, auch sehr dünnhäutig reagiert, wenn man sie auf diesen Widerspruch hingewiesen hat.

Ich kann das nicht erkennen, dass die Bundesregierung hier dieser Pflicht gerecht wird.

Und natürlich kann man darüber diskutieren, ob jetzt die Aussetzung von Wirtschaftsbeziehungen, beziehungsweise die Suspendierung des Assoziierungsabkommens mit Israel, die Einstellung von Zahlungen, auch was die EU angekündigt hat, ob das jetzt alles Maßnahmen sind, die unmittelbar.

Ein Ende dieses Krieges und ein Ende der Massaker an den Palästinensern zeitigen.

Das kann man diskutieren, ob das wirklich so ist oder ob das aus der Sicht von anderen nur Symbolpolitik ist.

Aber ich kann das nicht so gut hier kennen.

Ich finde es auch wirklich bemerkenswert, was für Diskussionen hier offensichtlich innerhalb der Bundesregierung noch geführt werden.

Also da gibt es, glaube ich, auf der Seite der SPD, welche, die schon merken, das geht nicht so weiter.

wir müssen jetzt nicht nur uns juristisch absichern, sondern wir müssen die Konsequenzen, die das für uns hat auch in Deutschland und in Europa, die können wir nicht mittragen.

Der Bundeskanzler muss sich gegenüber seinen eigenen Parteimitgliedern in der CDU oder in der CSU dafür rechtfertigen, die, möchte ich sagen, auch von Außenpolitik großenteils überhaupt keine Ahnung haben und auch nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden, wenn es dann soweit ist, die juristischen Konsequenzen für Deutschland sich klarzumachen, schon gar nicht moralisch.

Die werden alle nachher sagen, naja, ich war ja nicht für Außenpolitik zuständig.

Michael Dobrindt wird sagen, ich stehe hier zwar unverbrüchlich an der Seite Israels, ist zwar egal, welche Regierung, aber der wird nachher nicht die Konsequenzen dafür tragen.

Das gilt auch für viele Abgeordnete.

Und mein Problem ist wirklich, ich mache das ja nicht zum Vergnügen.

Ist, dass ich in der Vorgängerregierung, aber auch in dieser Regierung sehe, wie diese ganzen Erkenntnisse, die wir eigentlich hatten, von Anfang an verschleiert wurden, verharmlost wurden.

Ich kann euch sagen, in wie vielen Talkshows ich selber gesessen habe, wo Politiker noch vor wenigen Wochen diese Dinge behauptet haben, die wir gerade versucht haben hier zu analysieren, die absolute Propaganda-Talking-Points der israelischen Streitkräfte waren.

Solche Sprüche wie, ja, es seien zwar furchtbar viele Menschen gestorben, aber die Hälfte davon seien ja Hamas-Kämpfer.

Wie viele Journalisten, Politiker haben diese Topoi immer wieder wiederholt, bis vor kurzem noch?

Mittlerweile ist es etwas stiller geworden um diese Leute.

Aber ich glaube, wir können es wirklich und möchte jetzt nicht zu pauschal urteilen, aber wir haben es hier mit einem solchen Kollektivversagen unseres politischen Betriebs zu tun, den man auch der Öffentlichkeit nicht mehr erklären kann.

Und das gilt nicht nur für die jetzige Regierung, sondern das gilt auch ganz massiv für die Regierung Scholz, denn die hat eigentlich die Weichen dafür gestellt, dass wir da gelandet sind, wo wir jetzt sind.

Wenn wir mal in die Zukunft blicken, habt ihr eine Vorstellung, wie Gaza in einem Jahr aussehen könnte und gibt es irgendetwas dabei, das euch Hoffnung macht?

Ganz ehrlich, ich habe keine Vorstellung, wie das in einem Jahr aussehen könnte.

Ich verzweifle auf der Situation aktuell und ganz ehrlich, ich weiß es nicht.

Also eine Vorstellung davon, wie Gaza aussehen könnte, kann man sich da machen, wenn diese Politik so weitergeht, wenn dieser Krieg so weitergeht, dann können wir uns, glaube ich, alle sehr gut vorstellen, wie Gaza aussehen würde.

Wir wissen ja, wie es jetzt aussieht.

Heute kam die Nachricht, ich weiß nicht, ob euch der Name Tony Blair noch was sagt, der ehemalige britische Premierminister, der eine Stiftung betreibt, die auch in Kritik geraten ist, weil sie sich angeblich an Plänen beteiligt haben soll, mit amerikanischer Unterstützung quasi den Wiederaufbau beziehungsweise die Umsiedlung von Bevölkerung aus Gaza zu organisieren.

Tony Blair hat seine Organisation, bei der sehr viele respektable Leute, auch Fachleute arbeiten, haben einen Plan entwickelt, wie quasi eine Regierung aussehen könnte dort in Gaza, was man dann der PA, also der palästinensischen Autonomiebehörde, übergeben könnte.

Es wurde darüber berichtet in sozialen Medien, dass die Amerikaner dem angeblich zugestimmt hätten.

Wem die Amerikaner zugestimmt haben, Trump zugestimmt hat oder nicht und wem nicht, das ist vollkommen undurchsichtig und es ist auch wahrscheinlich, dass er dem zustimmt und auch dem zustimmt, was genau das Gegenteil besagt.

Über Trump wird berichtet jetzt, er habe wieder mal gesagt, Netanyahu hätte ihn hinter das Licht geführt und er hätte ihn ausgetrickst.

Das kennen wir seit 2020, da hat Trump das auch gesagt und es hatte offensichtlich keine Konsequenzen.

Und das kann nur bedeuten, dass entweder das Personal, was hier am Werk ist, auf der amerikanischen Seite vollkommen unfähig ist, oder aber, dass man eigentlich dieser Politik grünes Licht gegeben hat.

Und wenn man sich die Aussagen des amerikanischen Botschafters in Jerusalem, aber auch des Außenministers Rubio anschaut, auch sein Auftritt da in Israel, dann ist eher letzteres wahrscheinlich.

Und das wird wahrscheinlich dann darauf hinauslaufen, dass viele Menschen aus Gaza am Ende doch umgesiedelt werden, weil die internationale Gemeinschaft es nicht mehr mit ansehen möchte, dass die Menschen unter solchen erbärmlichen Verhältnissen dort krepieren, um es so deutlich mal zu sagen.

Und damit sind wir in dieser verzwickten Lage, weil damit erfüllen diejenigen, die eigentlich diesen Plan verhindern wollen, genau diesen Plan, den die Regierung Netanjahu hier vorantreibt.

Und deswegen verstehe ich absolut, dass Menschen in Israel sagen, durch ein Ende der Regierung Netanjahu ändert sich nicht alles, wird nicht alles besser.

Aber ohne dass diese Regierung abgelöst wird, wird sich gar nichts ändern.

Hm.

Herr Gerlach an der Stelle, vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Einschätzungen.

Dankeschön.

Danke für die Einladung.

Tschüss.

Ja, Christian, ich weiß nicht, wie es dir geht.

Du hast es ja eigentlich schon gesagt.

Wir versuchen immer, und das ist ja auch das, was immer an uns herangetragen wird, Mensch, ihr müsst auch über Dinge berichten, die gut laufen und ihr müsst auch Lösungswege aufzeigen.

Ihr müsst hoffnungsvoll bleiben.

Es fällt einfach manchmal wirklich schwer und es ist auch einfach nicht immer möglich.

Ich meine, ich liebe den Nahen Osten wirklich sehr und ich bin immer ein Freund davon gewesen, ihn nicht zu charakterisieren als eine Region, die einfach nur von einem Krieg immer in den nächsten geht, weil das quasi so eine Art Automatismus wäre, wie auf Autopilot und die Leute alle nur darauf warten, dass der nächste Krieg beginnt.

Wir dürfen nie vergessen, es gibt auf allen Seiten ganz viele Menschen, die einfach nur in Frieden leben wollen.

Etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte und die sich von uns hier überhaupt nicht unterscheiden in Deutschland.

Und das darf man, finde ich, nie aus den Augen verlieren.

Und gerade deshalb ist man ob der aktuellen Situation so fassungslos und aber auch irgendwie so ratlos.

Es hängt von so wahnsinnig vielen Dingen ab.

Vielleicht gibt es eine Kleinigkeit, die einem so ein bisschen Hoffnung geben könnte.

Das ist das, was ich in fünf Jahren Nahe Osten gelernt habe.

Es ist immer das Schlimmste möglich, aber immer auch das Gegenteil.

Also diese Region überrascht immer.

Und insofern kann es vielleicht doch irgendwie eine Chance wieder geben, dass am Ende irgendwie ein Licht am Ende des Tunnels erscheint.

Im Moment ist es allerdings schwer zu sehen, wo das sein soll.

Ja.

Lass mich raten, was jetzt kommt.

Wenn du Ja sagst, kommt jetzt garantiert Helene.

Eine seiner berühmten Überleitungen zum zweiten Teil dieses Podcasts.

Richtig?

Es ist ja schon unser Running Gag hier geworden.

Aber weißt du was?

Ich versuche es erst gar nicht.

Mach es einfach.

Ich mache keine Überleitung.

Nee, wir machen jetzt einfach einen harten Cut.

Richtig.

Mein erster Chef übrigens beim Radio, cooler Typ, sagte immer, eh, Sie versuchen krampfhaft irgendwelche in der Moderation irgendwelche Überleitungen zu machen, machen Sie einfach einen harten Cut, atmen Sie einmal tief durch und beginnen Sie das nächste Thema.

Und ich muss da ganz oft dran denken, auch im Heute-Journal übrigens, es ist viel besser, statt sich gekrampft irgendwelche Sätze zu überlegen, einfach durchzuatmen, runterzugucken und das nächste Thema zu beginnen.

Okay, genau das machen wir jetzt.

Untergucken.

Okay, Oktoberfest startet am Samstag.

Dann heißt es wieder, ozapft ist...

Es ist angezapft.

Bist du Wiesengänger?

Ich war in meinem Leben einmal auf der Wiesenzähne.

Ach, das hätte ich nicht gedacht.

Zählt man dann als Wiesengänger?

Nein, natürlich nicht.

Wenn man das einmal gemacht hat.

Ich dachte, das sei dein Ding, hätte ich mir vorstellen können.

Dass ich da jedes Jahr hingehe, dachtest du?

Mit Lederhose und so.

Nein?

Warum nicht?

Ich fand es ehrlich gesagt ganz lustig.

Es wurde auch immer lustiger.

Ich glaube, das ist aber normal.

Das ist ganz normal.

Ja, das gehört dazu.

Aber du bist da jedes Jahr, ne?

Ich lebe ja in München seit neun Jahren.

Ich versuche einmal im Jahr hinzugehen.

Man kann das schon machen.

Ich schlendere da auch gerne drüber.

Ab und zu bin ich dann auch doch mal im Zelt anzutreffen.

Bin auch gerne auf der Eudenwiesen, die alte Wiesen.

Das ist so ein bisschen der traditionellere, ruhigere Bereich.

Aber wichtige Frage, Helene, die ich dir kurz stellen muss, angesichts der Hotelpreise in München während der Wiesn.

Vermietest du irgendwie so eine Rumpelkammer, die du hast, wo normalerweise der Staubsauger drinsteht für 400 Euro am Tag?

Du, tatsächlich ist mir das Risiko zu groß, dass dann am Ende jemand da sein Erbrochenes hinterlässt in dieser Kammer.

Aber für 400 Euro die Nacht?

Ich weiß, dass es diese Storys gibt.

Ich glaube nur, dass mittlerweile zu viele Leute aus München tatsächlich gemerkt haben, dass das sehr lukrativ ist.

Ich habe nämlich wirklich auch, weil ich dir eigentlich die skurrilsten Übernachtungsplätze hier präsentieren wollte, nochmal geguckt auf den einschlägigen Portalen und war überrascht, dass es sogar jetzt am Öffnungswochenende noch wirklich passable Angebote gibt.

Ach ja.

Aber ich habe dafür was anderes rausgesucht.

Also natürlich können wir sprechen über den Preis der Maß.

Bier ist auch wieder gestiegen, wie jedes Jahr zwischen 14,50 Euro und 15,80 Euro.

Liegt sie dieses Jahr, wer alkoholfrei unterwegs sein möchte, kommt nicht unbedingt besser weg.

Es gibt echt wenig Orte, wo du noch Wasser oder ein Spezi oder so für unter 10 Euro bekommst.

Rekordpreis 15 Euro im Weinzelt für ein Liter Wasser.

Das ist schon echt krass.

Da kann man auch auf die Toilette gehen, oder?

Ja.

Und trinken am Hahn.

Oder, was es nämlich noch gibt, auf dieser Eudenwiesen, auf der etwas traditionell lachen, gibt es einen Limobrunnen.

Und da kann man sich für ein Euro, wie hieß es da, ich habe noch mal geguckt, ohne Mengenbeschränkung, kann man sich selbst Limo zapfen.

Aber nur, wenn du unter zwölf bist.

Also das ist ein spezielles Angebot für Kinder.

Ich sehe da schon wieder so eine Möglichkeit zum Geldverdienen, Wenn du unter zwölf bist, kannst du zapfen und das hinterher für zwei Euro verkaufen.

Und hast danach einen absoluten Zuckerschock.

Dann gibt es noch was Neues.

Da habe ich mich gefreut, als ich das gelesen habe.

Ein neues Fahrgeschäft, den Skylift.

Da kannst du dann in 70 Metern Höhe über das Festgelände schweben.

Und es ist barrierefrei.

Also es bietet auch genügend Platz, zum Beispiel für Rollstühle.

Du schwebst aber einfach nur oder wirst du irgendwo dann in die Luft geschleudert und fällst 140 Meter in die Tiefe?

Nee, das nicht.

Es ist ein bisschen sanfter.

Da ist es im Prinzip eine Aussichtsplattform, auf der du dann da oben einfach einen schönen Blick übers Gelände hast.

Und dann gibt es noch eine kleine Revolution.

Ein Bierzelt akzeptiert nämlich Kartenzahlung.

Das ist wirklich ein Ding beim Oktoberfest.

Du kommst eigentlich nur mit Bargeld voran.

Also klar, es gibt dann Ausnahmen, wenn du irgendwie einen sehr hohen Betrag hast oder so.

Auch bei Fahrgeschäften kann man mit Karte zahlen.

Aber gerade so in diesen großen klassischen Bier- und Festzelten, Da ist einfach Bargeld das Mittel der Wahl.

Da wird der Bier durchtränkte 20-Euro-Schein angenommen.

Und sonst nichts.

Und was man aber auch noch dazu sagen muss, das gehört zur Wahrheit dazu, ist, so schön die Wiesn sein kann, das Oktoberfest ist auch ein Ort, an dem es immer wieder zu Übergriffen an Frauen kommt.

Und aber auch das wurde in den letzten Jahren immer mehr zum Thema.

Das sieht man zum Beispiel, wenn man auf der Toilette ist oder auch draußen oder in den Zelten.

Da gibt es dann so Wegweiser und die machen alle auf die sogenannte sichere Wiesen aufmerksam.

Da gibt es dann zum Beispiel auch ein Safe Space, wo Frauen und Mädchen hingehen können, egal was passiert ist, wenn man Beratung braucht oder wenn man mal kurz durchatmen möchte oder das Handy aufladen möchte.

Das ist sozusagen das Awareness-Team des Oktoberfests.

In dem Sinne wünschen wir viel Spaß beim Feiern und hoffentlich eine friedliche und sichere Wiesen.

Absolut.

Ich finde ja immer, ich weiß gar nicht, ob es das in jedem Zelt gibt, da kannst du mir sicherlich helfen.

Aber was ich so toll fand war, dass am Ende dann dieses Bergwerkslied gespielt wird.

Das Licht geht aus, alle haben Hoster Herz wie ein Bergwerk oder so ähnlich.

Die Feuerzeuge kommen dann hoch.

Die Feuerzeuge, genau.

Du kannst es bestimmt gleich noch für uns singen.

Ich kann nicht singen.

Nee, das erspare ich euch.

Und dann ist die Stimmung total romantisch.

Alle haben 77 Liter Bier getrunken und das klingt dann ganz nett.

und sehr romantico aus.

Danke, Christian.

Das war es schon wieder mit der 30.

Folge.

Es ist heute die 30.

Folge Heute-Journal-Podcast.

Ja, auf die 31.

Vielen Dank.

Vielen Dank fürs Zuhören und wenn euch die Folge gefallen hat, dann freuen wir uns sehr über eine Weiterempfehlung oder einen positiven Kommentar, eine Bewertung oder auch Anmerkungen und Kritik an heute-podcast.rzdf.de Bis nächste Woche.

An dieser Folge mitgearbeitet haben Laura Barnik, Esther Stephan, Maximilian Altemeyer und Julia Ilmer.

Das Fact-Checking kam von Mine Artis und Leon Klein.

Kamera und Ton von Daniel Giesen und Ralf Schönwiese.

Music.

Heute Journal, der Podcast, wird produziert von Pool Artists.

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