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Bundeswehr sucht Nachwuchs - Brauchen wir die Wehrpflicht?

Episode Transcript

Music.

Heute Journal, der Podcast.

Die News, dein Durchblick.

Dunja, stell dir mal vor, du würdest einen Brief bekommen, in dem steht, sehr geehrte Frau Hayali, wir möchten Sie hiermit fragen, wären Sie dazu bereit, in der Bundeswehr zu dienen?

Was würdest du darauf antworten?

Okay, das geht ja mal direkt voll auf die Zwölf los hier in diesem Podcast zum Thema Bundeswehr.

Also wenn der Konjunktiv Wirklichkeit wird, glaube ich, ändert sich auch das Mindset.

Also ich kann es mir jetzt gerade nicht vorstellen.

Ich kann mir aber auch Krieg immer noch nicht vorstellen, obwohl wir jeden Tag darüber berichten.

Aber wenn es soweit käme, vielleicht ja.

Ich kann das nicht beantworten.

Ich glaube, es ist absolut in Ordnung, dass du da keine Antwort direkt parat hast.

Ich hätte es auch nicht.

Es ist eine wahnsinnig schwierige Frage.

Und natürlich ist egal, was wir jetzt hier in unserem bequemen Podcaststudio darauf antworten würden oder überlegen, was wir darauf antworten würden.

Wir wissen ja auch, uns wird das niemals betreffen.

Egal, was sich da draußen auf der Welt noch verändert.

Egal, wie groß die Bedrohungslage wird.

Wir sind Frauen.

Also sag niemals nie.

Auch darüber werden wir im Laufe dieses Podcasts sprechen.

Aber zunächst mal ist es eine Frage, mit der sich höchstwahrscheinlich ab nächstem Jahr alle 18-Jährigen in Deutschland auseinandersetzen müssen.

Das Bundeskabinett hat gestern nach vielen Diskussionen ein neues Wehrdienstmodell auf den Weg gebracht.

Wir sprechen darüber mit einer Soldatin und einem Experten für die Bundeswehr, weil wir wissen wollen, was wirklich hinter diesen neuen Plänen steckt.

Also, was wird sich konkret verändern?

Für wen wird sich was verändern?

Was davon ist freiwillig?

Was davon ist Pflicht?

Und reicht dieser neue Wehrdienst überhaupt, um dieses große Ziel dahinter zu erreichen, nämlich durch die Bundeswehr unser Land sicherer zu machen?

Damit herzlich willkommen zum Podcast vom Heute-Journal mit mir, Helene Reiner und Dunja Hayali, Moderatorin des Heute-Journals.

Heute ist der 28.

August um 14 Uhr.

Schön, dass ihr zuhört.

Ist eben auch nicht irgendein Gesetz, sondern es ist ein Riesenschritt nach vorne, weil er deutlich macht, dass wir einen Aufwuchs der Bundeswehr brauchen, besser heute als morgen, dass es aber langfristig angelegt werden muss und nachhaltig sein muss und dass es darum geht, gleichzeitig das Mindset, den Mindset in der Gesellschaft, gerade auch bei jungen Männern und Frauen zu verändern und für Verantwortung für diesen Dienst am Land zu werben.

Jeder und jede aus der jungen Generation wird sich also anders als bislang entscheiden müssen.

Was kann ich, was will ich zur Sicherheit meines Landes, in dem ich lebe, beitragen?

Wir haben da den Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius gehört auf einer Pressekonferenz.

Ich hätte auch so viele Fragen gestern natürlich an ihn gehabt.

Aber wir hatten gestern im Journal nur eine Halbzeitpausensendung, zehn Minuten.

Wegen Fußball?

Das war auch ein knallerspieler, aber das ist ja jetzt nicht unser Thema.

Aber wenn man dann so ein Interview in so einer kurzen Sendung macht, wären wir monothematisch.

Und das ist halt nicht Sinn und Zweck des Heute-Journals.

Aber wir haben viele Fragen und die werden wir heute dann zumindest los.

Ja, deswegen, sonst hätte man natürlich auch das Interview dann mit dir aus dem Heute-Journal direkt nehmen können, mit dem Verteidigungsminister.

So haben wir uns einen Part aus einer Pressekonferenz, die er gestern gehalten hat, rausgeschnitten.

Und ich fand einen großen Ausdruck, er möchte das Mindset in der Gesellschaft verändern.

Und wir haben ja beide, ich gerade noch so, dieses alte Mindset noch mitbekommen.

Und damit meine ich die Zeit, in der es noch absolut normal war, dass in dem Fall alle meine Freunde irgendwann zum Muster rum mussten.

Ja, und alle kannten natürlich den Begriff T5.

Heute würde man vielleicht denken, ist das irgendwie eine neue Konsole oder ein neues Automodell oder so, sondern es gab Tauglichkeitsstufen und mit T5 war man raus, war man ausgemustert.

Das, wie gesagt, kennt halt heute kaum einer mehr.

Liegt natürlich auch daran, dass die Bundeswehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde und warum sollte man sich dann danach noch damit beschäftigen?

Spannend bis heute finde ich immer noch, dass das tatsächlich damals unter Schwarz-Gelb passiert ist.

Also KTG, Karl Theodor zu Guttenberg, der hat das quasi ja im Grunde eingeführt und umgesetzt.

Aber gut, du hast es gerade schon gesagt, das mit dem Mindset ist, glaube ich, das Entscheidende, was Boris Pistorius im Moment auch will.

2026 kriegen alle einen Fragebogen und da muss man sich mal damit auseinandersetzen.

Den Fragebogen kriegen auch Frauen, müssen ihn aber auch nicht ausfüllen.

Und 2027 wird dann gemustert.

Ja, also so wie wir es damals gekannt haben und so wie wir es hatten, wird die Wehrpflicht erstmal, erstmal, Ausrufezeichen, nicht zurückkommen.

Sondern es wird einen neuen Wehrdienst geben.

Der hat aber auch verpflichtende Elemente.

Und deswegen erklärt uns Gundula Gause, was da denn genau geplant ist und was drinsteht im sogenannten Wehrdienstmodernisierungsgesetz.

Der neue Wehrdienst soll ab Januar 2026 so laufen.

Alle jungen Männer und Frauen bekommen mit 18 Jahren einen Fragebogen.

Die Männer müssen ihn ausfüllen.

Für die Frauen bleibt das freiwillig.

Wenn man den Fragebogen nicht beantwortet, wird ein Bußgeld fällig.

Wer aufgrund dieses Fragebogens geeignet scheint, wird gemustert.

Das heißt, Ärztinnen und Ärzte prüfen, ob jemand körperlich und psychisch geeignet ist für den Wehrdienst.

Aus organisatorischen Gründen wird die Musterung erst ab dem 1.

Juli 2027 für alle Männer verpflichtend.

Wer nicht ausgemustert wird, kann entscheiden, ob er oder sie den Dienst machen möchte.

Der dauert dann mindestens sechs Monate.

In dieser Zeit sollen die Rekrutinnen und Rekruten mehr Geld bekommen als bisher.

Nämlich 2700 Euro brutto.

Die Regierung möchte damit den neuen Wehrdienst attraktiver machen und hofft auf mindestens 5000 Freiwillige pro Jahr.

Eine Rückkehr zur Wehrpflicht wird aber nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

2700 Euro brutto sollen die Rekruten und Rekrutinnen dann bekommen.

Ich finde das schon ganz schön viel, oder?

Ich habe noch mal geschaut, was so ein Pflegeazubi bekommt im ersten Jahr.

1200 bis 1400 Euro.

Ja, ich weiß nicht, ob das jetzt so viel Sinn ergibt, irgendwie die verschiedenen Jobs gegeneinander aufzuwiegen oder auszuspielen oder so.

Ich glaube, dass ja seit Jahren versucht wurde, die Bundeswehr attraktiver zu machen, durch Werbespots etc.

Anreize.

Und wenn man eben jetzt dieses Ziel hat und ob das richtig oder falsch ist und einiges mehr besprechen wir ja noch, dann glaube ich, ist das Monetäre schon ein Anreiz für Jugendliche zu sagen.

Und man muss ja sagen, es sind Jugendliche, es sind dann junge Männer, vielleicht auch Frauen, die das betrifft, um denen das schmackhaft zu machen.

Es muss sich halt trotzdem jeder selbst dafür gut überlegen und dann entscheiden, ob man einen Dienst an der Waffe machen möchte.

Die Zeiten haben sich halt geändert, aber ja.

Also man kann auf jeden Fall sagen, da wird versucht eine Attraktivitätsoffensive zu starten und die Musterung, weil wir ja schon gesagt haben, es soll verpflichtende Elemente geben und unsere Grundfrage ist ja auch, wie viel Pflicht steckt da jetzt drin?

Die Musterung soll ab 2027 Pflicht werden, nur für Männer.

Aber sie können eben danach immer noch sagen, dass sie keine Lust haben, zur Bundeswehr zu gehen.

Also im Prinzip ist das, was man da erreichen will, ich habe es mir mal so zusammengefasst mit Daten und Hoffnung.

Also man möchte erstmal herausfinden, wen gibt es da überhaupt?

Gibt es da Leute, die grundsätzlich Interesse hätten mit diesem Fragebogen?

Wie fit sind die?

Dass, wenn der Ernstfall kommen würde, man überhaupt eine Grundlage hat, auf der man da gucken kann und auch entscheiden kann.

Und das andere ist eben durch diese Freiwilligkeit, die es jetzt noch gibt.

Ist halt so ein bisschen die Hoffnung, dass man eben genügend Freiwillige trotzdem auch dadurch gewinnen kann.

Kann ja auch funktionieren.

Die Zahlen für dieses Jahr zum Beispiel sind ja gestiegen.

Ich meine, es reicht immer noch nicht von den Männern und Frauen, die sich für einen Dienst bei der Bundeswehr entschieden haben.

Aber die Zahlen sind nach oben gegangen.

Also man kann im Grunde nur hoffen, dass es genug Freiwillige gibt.

Weil ich glaube, die Pflicht ist wirklich in der Gesellschaft jedenfalls hart umstrengend.

Aber man hält sich eben ein Hintertürchen offen, indem man sagt, sollte es nicht genügend Freiwillige geben, dann hält man sich das eben offen.

Diese Pflicht doch irgendwann einzuführen.

Es ist nur ausgesetzt.

Die Bundeswehr ist auch nicht abgeschafft worden.

Nur nochmal zur Verdeutlichung.

Wir wollen jetzt mal auf die andere Seite blicken.

Nämlich nicht, was sich nur für die Betroffenen ändern würde, sondern auch für die Bundeswehr selbst.

Uns zugeschaltet ist jetzt Wiebke Höhnecke.

Sie hat in München an der Universität der Bundeswehr ihren Master gemacht und jetzt ist sie Offizierin bei der Bundeswehr.

Außerdem ist sie Mitglied in der Jungen Union und in der CSU.

Sie hat einen Podcast auf Insta, ist sie vielleicht dem einen oder der anderen bekannt als Wiebke Herzchen.

Und da erzählt sie, was sie in der Bundeswehr auch als Frau so erlebt.

Und gerade ist sie dienstlich unterwegs und deswegen freue ich mich total, dass das klappt und sie Zeit für uns hat.

Hallo Wiebke!

Hallo, schön, dass ich dabei sein kann.

Du hast dich ja freiwillig entschieden, Soldatin zu werden.

Und in einem Podcast hast du mal gesagt, dass du schon immer interessiert warst an Sicherheitspolitik.

Bist du dann trotzdem aus so einer Art Pflichtgefühl in die Bundeswehr gegangen?

Ja und nein.

Also auf der einen Seite war ich, wie gesagt, schon immer super interessiert an Sicherheits- und Außenpolitik.

Das hat sich damals im Abitur im Politikkurs quasi ergeben, als wir das Thema hatten.

Und auf der anderen Seite auch irgendwo wahrscheinlich schon ein Pflichtgefühl, weil ich einfach so dankbar bin, in einem Land wie Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein, mit so vielen Möglichkeiten, dass ich für mich überlegt habe, okay, wie kann ich hier was zurückgeben, der Gesellschaft und auch irgendwo dem Land und auf der anderen Seite auch woanders etwas Gutes tun, denn wenn wir woanders sind und dort für Stabilität sorgen, dann helfen wir natürlich auch dort die Lebensstandarde zu verbessern.

Also es ist schon eine Mischung, würde ich sagen.

Vor allem auch Interesse, aber auch ein bisschen Pflichtgefühl, ja.

Was hat sich denn für dich persönlich verändert in der letzten Zeit, in den letzten Jahren?

Zum Beispiel auch wenn du unterwegs bist in Uniform.

Man kennt das ja, wenn man in der Bahn sitzt, dann sieht man ganz viele Soldaten, Soldatinnen.

Ja, wirst du anders angeschaut heute als früher?

Ja.

Ja, auf jeden Fall.

Also ich kann mich noch erinnern, als ich 2012 zur Bundeswehr gegangen bin und mal in Uniform noch schnell einkaufen gegangen bin in meiner Heimatstadt, dass ich da wirklich auch angepöbelt worden bin vor dem Supermarkt.

Und ich glaube, das würde mir jetzt so nicht mehr passieren.

Denn was ich mittlerweile erlebe, auch gerade seitdem das Bahnfahren in Uniform beschlossen wurde, dass das eben kostenfrei für uns Soldaten ist.

Diese Gap oder einfach diese Distanz, die wurde abgebaut zwischen Gesellschaft und den Soldaten.

Das ist zumindest das, was ich wahrnehme.

Ich habe mich auf so vielen Zugfahrten mit so vielen verschiedenen Menschen unterhalten, die halt die Uniform gesehen haben und dann doch eben mal gefragt haben, hey, wie ist das denn?

Manchmal darauf bezogen, wie ist das denn als Frau bei der Bundeswehr, manchmal aber auch einfach ganz generell gefragt haben.

Und da sind eigentlich immer super Gespräche und ein toller Austausch entstanden, das muss ich schon sagen.

Ich glaube, man muss mal vielleicht nochmal eins sagen.

Ich glaube, alle, wie wir hier sitzen, sind eher Pazifisten und wünschen uns den Weltfrieden und keine Armeen mehr, nirgends.

Aber was Sie gerade gesagt haben, Wiebke, dieses komische Angucken, dieses befremdlich, verachtlich auf Soldaten und Soldatinnen schauen, das war mir wirklich immer suspekt, weil ich meine, das ist schon Dienst fürs Land, um es jetzt mal vielleicht pathetisch auszudrücken und das verstehe ich nicht, aber ich verstehe auch Angriffe auf PolizistInnen nicht oder auf Feuerwehrleute und deswegen, ich freue mich, dass Sie das jetzt anders erleben und dass da eine andere Wertschätzung, eine andere Anerkennung ist.

Vielleicht ist das auch dann vielleicht eine Art positiver Effekt aus diesen Kriegen, die alle um uns herum passieren, dass man wieder weiß, dass es eben gut ist, dass wir Soldaten und Soldatinnen haben.

Leider brauchen wir sie.

Wir haben über diesen Fragebogen schon gesprochen, also das Ausfüllen dieses Fragebogens.

Diesen Fragebogen bekommen Frauen und Männer, aber für Frauen ist es eben freiwillig, den auszufüllen.

Findest du das noch zeitgemäß?

Nee, also tatsächlich nicht, weil ich bin auch der Meinung, sowohl Männer als auch Frauen oder auch einfach geschlechterneutrale Wehrpflicht, das wäre irgendwie das, was ich mir wünschen würde, weil wir alle sind mit unseren Stärken und Schwächen eine Bereicherung für die Bundeswehr oder auch für jede andere Institution.

Also deswegen weiß ich nicht, warum wir jetzt bei der Bundeswehr anders agieren sollten.

Jeder hat, wie gesagt, Stärken und Schwächen, aber die Vielfalt macht es halt aus, was quasi auch eine Weiterentwicklung und auch generell die Bundeswehr besser macht.

Was ich auch vor allen Dingen finde, ist, dass wenn Männer und Frauen oder alle Geschlechter, wie auch immer.

Der Bundeswehr gemeinsam dienen, dann bekommt man auch ein ganz anderes Verständnis miteinander.

Weil man muss sich überlegen, da werden ganz viele verschiedene junge Leute dann in dem Fall zusammengeschmissen, auf einen Haufen erstmal, die vielleicht auch im Leben außerhalb der Bundeswehr überhaupt gar keine Berührungspunkte miteinander hätten, weil jeder in seiner eigenen Bubble aufgewachsen ist und lebt.

Und auf einmal muss man sich auf engstem Raum, vielleicht in der Stube mit sechs Leuten, so war es bei mir in der Grundausbildung, miteinander verstehen.

Miteinander auch irgendwo den Leidensweg durchgehen.

Weil irgendwo ist so eine militärische Ausbildung auch eben mal hart und es ist auch was anderes, wenn man mal so lange weg ist von zu Hause auf einmal und eben nicht mehr Familie und Freunde direkt vor Ort hat.

Und da bekommt man auch einfach mal ein ganz anderes Gespür für andere Menschen, die man vielleicht sonst nie so kennengelernt hätte und mit denen man sich auch nie auseinandergesetzt hätte.

Und es hat ja auch noch einen anderen Vorteil, wenn Frauen auch bei der Bundeswehr sind oder noch mehr wären bei Auslandseinsätzen.

Ich war mal in Mali und dann durfte ich mit der Bundeswehr in ein nahegelegenes Dörfchen fahren.

Und es war einfach wichtig, dass auch Frauen dann dabei waren, weil die einen ganz anderen Zugang zu den Frauen vor Ort dann hatten, Die Deutschen waren da sowieso super gut angesehen, also Männer auch, logischerweise.

Aber das war einfach nochmal ein anderer Draht, der da aufgebaut wurde.

Man muss vielleicht an der Stelle sagen, verpflichtend, da müsste man das Grundgesetz ändern.

Das ist da eben so nicht vorgesehen.

Wir haben hier gestern aber in der Redaktion auch eifrig darüber diskutiert, ob man das dann ändern müsste, weil wir sind ja alle für Gleichberechtigung.

Zählt das dann nicht auch da drauf ein?

Also wenn es verpflichtend wäre, müsste es, finde ich, auch für Frauen, zumindestens...

Auch ein verpflichtendes Jahr, wie und wo auch immer.

Aber ich finde, dass es dann nur Männer oder das finde ich irgendwie auch Shitstorm klopft an.

Aber du siehst es anders.

Naja, das, was du erzählt hast, Wiebke, Vielfalt und Gemeinschaft und zusammen, wir gehören doch alle dazu und so.

Das hört sich ganz schön an.

Aber wenn man sich mal so umhört, dann haben trotzdem extrem viele Frauen auch einfach Angst, benachteiligt zu werden vor Diskriminierung.

in der Bundeswehr.

Spürst du davon gar nichts?

Doch, also dass es jetzt gar keine Diskriminierung gibt oder gar keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, das kann ich so auf gar keinen Fall sagen.

Aber was man halt schon merkt, also ich bin 2012 zur Bundeswehr gegangen, das sind jetzt, ich muss kurz rechnen, 13 Jahre.

Je mehr Frauen natürlich bei der Bundeswehr sind und je normaler das wird, Ich merke das auch.

Desto anders wird auch der Umgang miteinander, weil es mittlerweile halt total normal ist für die jüngeren Generationen, also die, die quasi erst frisch zur Bundeswehr dazugekommen sind und mit Frauen bei der Bundeswehr quasi auch groß geworden sind.

Für die ist das eigentlich kein Thema mehr oder weniger Thema, als jetzt natürlich für die Soldaten, gerade die Männer natürlich.

Die in der Bundeswehr angefangen haben zu dienen und groß geworden sind ohne Frauen.

Und dann kam auf einmal die Frau dazu als neuer Faktor, da müssten die ja auch erstmal mit umgehen können.

Und ich glaube, das wächst sich raus.

Und wenn wir jetzt wirklich sagen, wir gucken auf Gleichstellung und Männer und Frauen gehen in dieser Wehrpflicht in die Bundeswehr, dann muss man sich ja damit auseinandersetzen.

Und damit baut man, glaube ich, auch dieses Vorurteil ab oder diesen Stereotyp, wie so ein Soldat auszusehen hat.

Und damit würde meiner Meinung nach die Diskriminierung abnehmen.

Nicht von heute auf morgen, aber es wäre schon hilfreich für den Prozess allgemein.

Ich denke schon, dass es den beschleunigen wird.

Bei den Plänen, die jetzt aktuell zum neuen Wehrdienst auf dem Tisch liegen, glaubst du eigentlich, dass da das Ziel aufgeht und sozusagen mit dieser Freiwilligkeit du in naher Zukunft ganz viele neue Kollegen bekommen wirst?

Ich hoffe es.

Also tatsächlich, wenn mich jemand fragt, würdest du es nochmal machen, würdest du nochmal zur Bundeswehr gehen, würde ich das zu 1000 Prozent machen, weil ich ganz tolle Erfahrungen gemacht habe.

Und diese Erfahrung und die Möglichkeit, mit meinem Charakter, mit mir selber so zu wachsen, wie ich das bei der Bundeswehr getan habe, die wünsche ich halt jedem, diese Erfahrung machen zu können.

Deswegen...

Ehrlich gesagt würde ich es mir wünschen.

Und ich glaube auch, dass viele ein anderes Bild von der Bundeswehr haben, als wie sie tatsächlich ist.

Deswegen bin ich ja sehr aktiv auch auf Social Media und berichte darüber, eben aus meiner Sicht, über die Bundeswehr.

Ja, und ich kenne auch viele, die zum Beispiel, das sind natürlich ältere Generationen, durch die Wehrpflicht bei der Bundeswehr auch geblieben sind, die gesagt haben, wenn ich dir jetzt so frage, hey, wie war das eigentlich damals bei dir oder warum bist du bei der Bundeswehr dann auch geblieben und bist Berufssoldat geworden, dann sagen sehr, sehr viele.

Ja, eigentlich musste ich nur zur Wehrpflicht.

Ich hatte gar keine Lust, aber dann muss ich sagen, hat es mir doch gut gefallen und bin Berufssoldat geworden.

Aber Wiebke, können Sie verstehen, dass, also die Debatte nimmt ja jetzt erst richtig an Fahrt auf.

Aber das ist, wir hatten gestern auch so eine Umfrage unter Jugendlichen und da waren einige, die so ähnlich argumentiert haben wie Sie, naja, warum nicht mal ausprobieren.

Aber es gab auch wirklich viele, die gesagt haben, ich will das nicht.

Ich will nicht zur Bundeswehr.

Ich will keinen Dienst an der Waffe mit der Waffe leisten.

Das widerspricht allem, wofür ich so stehe.

Können Sie dem denn was abgewinnen, dass man das einfach nicht will?

zu tausend Prozent.

Also das ist nicht für jeden was und ehrlicherweise jetzt jeden einfach so dazu zwingen und dazu zu holen, das ist auch total am Ziel vorbei, weil am Ende haben wir dann Menschen bei der Bundeswehr, die darunter leiden und das bringt ja auch die Bundeswehr nicht voran, weil wenn ich jetzt einen Kameraden habe, der eigentlich gar keine Lust hat und wir müssen den immer mit durchschleifen, dann ist das für den Kameraden, der keine Lust hat oder einfach kein Feeling dafür hat, total blöd.

Es ist aber auch für die Gruppe blöd oder für die Gemeinschaft.

Ich habe zum Beispiel einen Bruder, den könnte ich mir auf gar keinen Fall vorstellen bei der Bundeswehr.

Deswegen, ich wäre tatsächlich eher dafür, dass man sagt, entweder Bundeswehr oder Zivildienst.

Weil beides sind wichtige Erfahrungen, glaube ich, an denen man wachsen kann als Charakter.

Und man gibt der Gesellschaft was zurück von all dem, was ich ja vorhin schon erzählt habe, weshalb ich so dankbar bin, in Deutschland aufgewachsen zu sein.

Und.

Ich glaube schon, dass das der richtigere Weg wäre.

Aber wie gesagt, geschlechterneutral.

Also so wie es vor 2011 war, nur mit dem Unterschied, dass es dann eben auch für Frauen gilt.

Ja, genau.

Finde ich total differenziert.

Klug und danke auch für die ehrlichen Einblicke.

Sehr gerne.

Vielen Dank für die Zeit.

Danke, dass ich dabei sein durfte.

Ciao.

Ich würde gerne jetzt auch nach den Eindrücken von Wiebke den Blick nochmal weiten.

Und wirklich schauen, was bringt dieses neue Wehrdienstmodell und wie gerecht ist es auch.

Und dazu schalten wir Thomas Wiegold dazu.

Er ist Journalist, beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Bundeswehr und mit Sicherheitspolitik, unter anderem in seinem Podcast und auf seinem preisgekrönten Blog Augen geradeaus.

Herzlich willkommen, Herr Wiegold.

Schön, dass das klappt.

Danke für die Einladung.

Toll, dass Sie sich Zeit nehmen.

Ich kenne kaum jemanden, der sich so gut mit der Bundeswehr auskennt wie er.

Ja, jetzt ist die Latte sehr gut.

Ich weiß.

Gott sei Dank stellen wir hier nur Fragen.

Das ist wunderbar.

Ich würde gerne anschließend an das, was Wiebke gesagt hat, auch noch was einwerfen.

Ich bin ja nun erstens anerkannter Kriegsdienstverweigerer.

Zweitens in einem Alter, wo man, selbst wenn man bei der Bundeswehr gewesen wäre, als Reservist schon rausgeschmissen würde.

Was übrigens viele sehr ärgert, dass sie mit 65 die Uniform ausziehen müssen und da nicht weitermachen dürfen.

Und drittens, wo wir über das Thema gesellschaftlicher Dienst gesprochen haben, durchaus der Meinung, dass man Männer wie Frauen sowohl bei Jugendlichen, aber durchaus auch bei älteren Semestern mal gucken muss, was die in einem Krisenfall beitragen können.

Wir fangen mal bei den Jungen und Jugendlichen an und über die Älteren sprechen wir dann hinten raus noch.

Haben wir es, das ist ja das, was viele befürchten bei den aktuellen Plänen, dass man es dann am Ende doch mit einer Pflicht zu tun hat, aber eben durch die Hintertür.

Was sagen Sie dazu?

Ist das eine Wehrpflicht durch die Hintertür?

Noch ist es das nicht und man muss aber auch eins sehen.

Als 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, hieß das nicht nur, die jungen Männer müssen nicht mehr kommen, sondern auch der ganze Apparat wurde eingestampft quasi.

Also das, was ich noch kenne, was auch viele Generationen nach mir noch kennen, man wird erfasst, man wird gemustert, selbst wenn man noch nicht mal eingezogen wird.

Aber dieser ganze Apparat vorher, die Bundeswehr weiß, dass es dich gibt, wie alt du bist und sie meldet vielleicht einen Anspruch an.

Das ist alles abgeschafft worden und ein wesentliches Ziel des Verteidigungsministers Boris Pistorius ist, bevor wir darüber reden, soll es wieder eine Wehrpflicht geben, diesen Apparat erstmal wieder aufzubauen.

Wir müssen uns ja darüber klar sein, wenn, was nie passieren wird, hoffe ich, morgen der Krieg ausbricht und der Bundestag den Verteidigungsfall ausruft, dann gilt die Wehrpflicht ab morgen.

Aber die Bundeswehr hat gar nicht die Leute, die Mechanismen, die Strukturen, um überhaupt zu wissen, wen können wir einberufen, wie viele sind das, wo tun wir die hin, dass sie keine Kasernen und sowas für die haben.

Das kommt dann noch obendrauf.

Aber das, was jetzt beschlossen wurde gestern im Kabinett, dient unabhängig davon, ob und wann eine wirkliche Wehrpflicht kommt, erstmal dazu, die Voraussetzungen erstmal wieder aufzubauen.

Der Gesetzentwurf, der jetzt erstmal durch das Kabinett gegangen ist, gibt es denn für Sie eine Lücke?

Also die Union wollte ja unbedingt beispielsweise diesen Automatismus, dass man das an bestimmten Zahlen festmacht und wenn die nicht erreicht werden, dann kommt halt die Pflicht.

Wahrscheinlich haben wir dann einfach in zwei Jahren nochmal die ganze Diskussion von vorn.

So ist es halt, wenn zwei Parteien oder drei zusammengehen.

Das ist jetzt ein Kompromiss.

Ich glaube, da sind so verschiedenste Dinge zusammengewürfelt worden und keiner kriegt genau das, was er wollte.

Aber fehlt Ihnen das als Experte, dieser Automatismus?

Also mir fehlt es eigentlich nicht, weil an der Stelle bin ich durchaus beim Verteidigungsminister, der sagt, ja, die Wehrpflicht ist per Gesetz ausgesetzt worden.

Dann soll doch bitte auch das Parlament sagen, wir setzen sie wieder in Kraft.

Und das halte ich durchaus für sinnvoller, als zu sagen, okay, wenn wir in zwei Jahren nicht 23.785 Soldaten plus haben, dann kommt die automatisch.

Also das ist mir, pardon, intellektuell ein bisschen zu überschaubar, wie der damalige Verteidigungsminister Guttenberg.

Ja, es gibt ja manche, aber das müssen wir jetzt nicht vertiefen, die sagen, Pistorius hätte gerne die Wehrpflicht eigentlich auch gehabt, das wäre aber mit der SPD-Linken nicht durchzusetzen gewesen, aber das soll heute nicht unser Thema sein.

Und das mag auch so sein, nur dann hätte er sagen müssen, sofort.

Und das wiederum will er, glaube ich, nicht, weil dann läuft er in diese strukturellen Probleme.

Wir müssen uns ja auch über eins klar sein.

Wir reden immer so gerne über Skandinavien als Vorbild.

Wie toll, dass die Schweden machen oder die Finnen oder so.

Wenn man sich anguckt, wie die das ganz konkret machen, dann sagen die, okay, wir gucken, was können diese Männer, diese Frauen, was haben die an Vorbildung?

Und wir suchen die aus, die wir haben wollen.

In Deutschland haben wir die Debatte über die sogenannte Wehrgerechtigkeit.

Das geht nämlich nach dem Motto, warum muss ich zur Bundeswehr, mein Nachbar aber nicht?

Und wenn man dann sagt, weil du Elektriker bist und weißt, wie du irgendwelche technischen Dinge machst und dein Nachbar ist Philosophiestudent, den können wir gerade nicht gebrauchen, um es ein bisschen zuzuspitzen, dann ist das etwas, was in Deutschland nicht funktioniert, in skandinavischen Ländern.

In einem gibt es auch diese Lotterie, wo alle quasi in einem Top sind und in Dänemark.

Und das finde ich ein bisschen befremdlich, aber gut.

Ja, das ist noch ein bisschen, also Entschuldigung, das muss ich nochmal anders sagen.

Da zieht man also eine Nummer und je nachdem, wie hoch oder niedrig die Nummer ist, bestimmt das die Chancen.

Die gucken dann nämlich, wie viele melden sich freiwillig.

Und wenn es nicht genügend Freiwillige gibt, dann greifen die niedrigeren Losnummern.

Jetzt sind wir schon in diesem Gerechtigkeitsthema.

Viele Menschen, viele junge Menschen fühlen sich bei dem, was da jetzt gemacht wurde oder auch gemacht werden soll, einfach übergangen schlichtweg.

Die Bundesschülerkonferenz hat zum Beispiel gesagt, dass sie nie dazu angehört wurde.

Also da wurde etwas ausgetüftelt, dieser Dienst wurde ausgearbeitet.

Und obwohl Sie die Betroffenen sind, wurden Sie einfach nicht gefragt, was Sie davon halten.

Ist das nicht total unfair?

Das ist total unfair und dann schlüpfe ich jetzt in meine andere Rolle.

Ich bin nämlich auch Großvater eines 17-Jährigen, der genau in dieser Situation steht.

Der also jetzt sagt, vor mir ist diese große Wand, es kommt irgendein Zwang auf mich zu möglicherweise.

Und mein Eindruck ist schon, dass diese Generation viel zu wenig bisher mitgenommen wurde.

Sondern ich kenne ja die Debatten, Sie haben meinen Blog erwähnt, in meinem Blog gibt es Kommentare.

Und da melden sich auch gerne welche, die vor 20, 30 Jahren Wehrdienst geleistet haben und gesagt haben, hat mir doch auch nicht geschadet.

Und die jungen Leute sollen sich nicht so anstellen und so etwas.

Ich glaube, das funktioniert auch nicht.

Man muss diese Generation mitnehmen, der wir überhaupt eine ganze Menge abverlangen.

Wenn ich an Rente und anderes denke und dann sage ich, jetzt zahlen wir meine Rente, machen wir noch einen Wehrdienst und was anderes wird uns auch noch gefallen.

Da würde ich gerne einen Kommentar vorlesen, den ich mir rausgeschrieben habe unter einem Post auf dem Insta-Kanal von ZDF heute.

In unserer Stadt gibt es kaum noch Angebote für junge Leute, kein Kino, kaum Vereine.

Alles ist auf alte Menschen ausgelegt, aber um in den Dienst zu treten und ihr Vaterland zu verteidigen, dafür sind sie dann wieder gut genug.

Genau das meine ich.

Ja, ich meine, dieses Thema hat einfach so viele Facetten.

Und wenn man sich mal jetzt wieder auf Zahlen konzentriert, im Moment sind es glaube ich 180.000.

Klapp 183.000 aktive Soldaten.

Und das soll jetzt eine Steigerung geben auf 460.000.

Wenn die Zahl 460.000 kommt, da muss man ein bisschen aufpassen.

Also von derzeit 183.000 auf 260.000 aktive plus eine Reserve von 200.000.

Also das ist schon ein ordentlicher Schluck aus der Pulle, muss man so sagen.

Und diese NATO-Vorgaben, nach denen sich das richtet, die sind ja nicht vom Himmel gefallen.

Die sind auch mit deutscher Zustimmung beschlossen worden.

Die NATO hat halt Pläne ausgearbeitet für die Verteidigung Europas.

Und da entfällt auf die Bundeswehr ein bestimmter Anteil.

So und so viel Heereseinheiten, so und so viel Luftwaffengeschwader, so und so viel Kriegsschiffe.

Und wenn man das runterbuchstabiert, dann landet man bei diesen Zahlen.

Also es ist ja schon eine ziemlich große Herausforderung dahinter.

Man braucht sehr viel mehr Leute in kurzer Zeit.

Man möchte auch das Mindset, zitiere ich von vorhin, Herr Pistorius, das Mindset in der Gesellschaft verändern, diesem Thema gegenüber.

Wie kriegt man es hin?

Was wäre eine optimale Lösung für dieses Problem Ihrer Meinung nach?

Wenn ich es wüsste, wäre ich wahrscheinlich hochbezahlter Consultant und nicht harmerfreier Journalist.

Nein, das ist schwierig.

Also ich denke, man muss versuchen, diese Bedrohungslage, die für viele Leute abstrakt ist, also da stellt sich ein Verteidigungsminister hin, da stellt sich ein Kanzler hin, da stellt sich ein Generalinspektor hin und sagt, wir müssen befürchten, dass Russland in ein paar Jahren in der Lage ist, ein NATO-Land anzugreifen.

Und dann sind wir zumindest mittelbar oder auch direkt ebenfalls bedroht.

Das bleibt für viele Leute eine sehr abstrakte Aussage.

Aber ich glaube, dieser Gedanke, den Sie da gerade äußern, und da mache ich mich gerne ehrlich, den trage ich auch in mir.

Also dieses, das passiert doch nicht.

Der wird doch nicht Deutschland angreifen.

Das kann ich mir nicht vorstellen.

Ist die Gefahr wirklich so nah, so groß, so halb akut bis akut?

Und dann denke ich immer, okay, mit der Vollinvasion in die Ukraine habe ich irgendwie auch nicht gerechnet.

Jetzt bin ich auch keine Militärexpertin, aber man konnte sich das eben alles in dem Zeitgeist der Weltlage von damals alles gar nicht vorstellen.

Und das will ich vielleicht an der Stelle, weil ich glaube, viele sitzen immer noch zu Hause und denken, naja gut, das ist jetzt in der Ukraine, dazwischen liegt noch Polen und der wird es doch wohl nicht wagen.

Aber Herr Wiegold, das wundert mich jetzt auch, dass Sie das sagen, weil uns wird ja, wir berichten ja auch darüber, uns wird ja immer vorgeworfen, wir würden oder kann uns vorgeworfen werden, wir würden Panik schüren.

Das ist doch ein ganz...

Oder wir sagen Kriegstreiber.

Oder Kriegstreiber.

Das ist doch ein ganz schmaler Grat, oder?

Ja, den Vorwurf kenne ich natürlich auch.

Also nach jeder Diskussionsrunde bei Phoenix bekomme ich das natürlich auch um die Ohren gehauen.

Ich möchte mal eine Zahl in die Debatte, einen Fakt reinwerfen.

Die Distanz, die geografische Distanz von Lviv, Lemberg im Westen der Ukraine nach Berlin ist kürzer als die geografische Entfernung von Lviv zur Front in der Ostukraine.

Aber Herr Wigold, das haben wir schon oft gehört und dennoch sind wir quasi NATO-Partner.

Ich finde, das ist ja jetzt nicht einfach mit Distanzen und Entfernungen und sowas gleichzusetzen.

Also gehören Sie mittlerweile zu denen, die sagen, das ist eine greifbare Gefahr, dass Putin NATO-Gebiet angreifen wird.

Glauben Sie das?

Ich kann es mir in zunächst begrenztem Umfang bei da besonders verwundbaren Staaten, wie zum Beispiel in den baltischen Staaten, vorstellen.

Also ich glaube, ich denke jetzt nicht, dass die russische Panzerarmee im Breitkeil auf Deutschland zurollt.

Das stellt sich keiner vor.

Aber es gibt ja immer dieses immer wieder gern zitierte Narva-Szenario.

Dann wird halt diese estnische Stadt mit starker russischstämmiger Bevölkerung zum Schutz dieser Bevölkerung von russischen Truppen besetzt.

Gestern haben wir noch über Moldau berichtet.

Und zwar nicht in der NATO, aber EU-Beitrittskandidat.

Aber es gibt da verschiedene Dinge.

Also genauso, Sie haben es gesagt, genauso wie wir uns vor ein paar Jahren gesagt haben, Ukraine wird er nicht machen.

Und er hat es gemacht.

Also insofern, ich würde da nichts ausschließen.

Call me Kriegstreiber, aber an der Stelle bin ich sehr skeptisch.

Dazu noch eine Abschlussfrage.

Ist für Sie ein Wehrdienst oder sogar eine Wehrpflicht im Grunde alternativlos?

Oder müsste man noch mehr auch auf diplomatische Wege setzen, die ausbauen?

Sollte man eher friedenstüchtig werden statt kriegstüchtig?

Also ich finde, das schließt sich nicht aus.

Zum einen, man muss auf Diplomatie setzen, man muss versuchen, dass es eben nicht zu weiterer Eskalation, zu weiterem Krieg, sondern im Gegenteil, dass der laufende Krieg in der Ukraine beendet wird, das ist das eine.

Und auf der anderen Seite, da sie das so als Alternative gestellt haben, ich würde noch nicht mal sagen eine Wehrpflicht, sondern wir müssen uns überlegen, wie eine Gesellschaft insgesamt reagieren will und kann und resilienter wird.

Die Schweden habe ich schon mal erwähnt.

Es gibt ja diese berühmte schwedische Broschüre, wenn Krieg und Krise kommt, über die wird immer wieder berichtet.

Und da steht zum Beispiel drin, wenn es zu einem Konflikt kommt, dann muss jeder, der in Schweden lebt, noch nicht mal jeder Schwede, jeder, der in Schweden lebt, zwischen 16 und 70 Jahre irgendeinen Beitrag zur Verteidigung des Landes leisten.

Insofern bin ich ein großer Fan davon zu sagen, auch alte Säcke wie ich, die vielleicht noch den Generator im Bunker bedienen können, um es ein bisschen zuzuspitzen.

Ja, sie lachen, aber...

Ich habe über alte Säcke gelacht.

Also, wenn wir die Bilder aus der Ukraine sehen, die täglichen Bilder, was sehen wir da?

Wir sehen noch nicht mal Frontverläufe, wir sehen nicht mal Gefechte.

Wir sehen Leute der Feuerwehr und des Zivilschutzes, die Leute aus eingestürzten, zerbombten Häusern ziehen.

Und diese Leute brauchen wir auch.

Darf ich zu diesem Solidarpakt?

Darüber wird jetzt auch viel gesprochen.

Die Älteren sollen doch bitte auch was machen.

Das kann man ja alles durchdiskutieren.

Jetzt will ich vielleicht aber einmal darauf hinweisen, Sie haben zwar verweigert, haben dann aber vielleicht was anderes gemacht.

Zivildienst, ja.

Ja, mit den ganzen Männern, mit denen ich zur Schule gegangen bin, war das eben damals auch und sehr viele Generationen davor und danach.

Auch die haben ja schon was geleistet und gedient und was getan, ob im Pflegeheim oder eben bei der Bundeswehr.

Dann gibt es nicht wenige ältere Menschen, die zwar im Rentenalter sind, die aber immer noch arbeiten gehen müssen, weil sie darauf angewiesen sind.

Ich finde es ganz gut und es gibt ältere Männer, die engagieren sich und Frauen schon im Rentenalter und machen tausend Dinge ehrenamtlich.

Was wäre denn, wenn man in Anlehnung an diesen Fragebogen, den ja jetzt 2026 alle bekommen, man auch älteren Menschen in unserer Gesellschaft auch so einen Fragebogen schicken würde und sagen kann, Was sind denn deine Kompetenzen?

Was kannst du denn?

Kannst du gut vorlesen?

Kannst du gut mit Tieren?

Kannst du gut mit Älteren?

Kannst du gut mit Jungen?

Kannst du technisch noch irgendwas?

Und ich glaube, dass dann vielleicht der ein oder die andere auf die Idee kommt, stimmt, mir ist ein bisschen langweilig.

Ich habe da noch, ich habe da Kapazitäten und ich kann noch was und ich will wieder gebraucht werden.

Und dann, gut, unsere Digitalisierung ist eine Katastrophe, könnte man Bedarf auch abfragen, nicht nur in Kriegszeiten, sondern ja auch jetzt schon.

Was ist in der Umgebung, wo die Person lebt, was wird da benötigt?

Das fände ich super auf freiwilliger Basis, Menschen so einen positiven Schub, so einen positiven Antrieb zu geben.

Aber verpflichtend finde ich es furchtbar.

Also ich finde die Idee super, gerne und ich glaube für viele Ältere wäre das auch etwas, was ihnen helfen würde, eben nicht allein zu Hause zu sitzen und sich nutzlos zu fühlen.

Also von daher volle Zustimmung.

Trotzdem würde ich das trennen von der anderen Geschichte und sagen, wie geht diese Gesellschaft mit Krisen, mit Konflikten um?

Wie sind wir darauf vorbereitet?

Was können alle und eben nicht nur die 17, 18, 19-Jährigen tun, wenn es zu einem Konflikt kommt?

Herr Wiegold, Ihnen geht es also darum, dass wir uns überlegen, wie wir nicht jung oder alt, sondern jung und alt uns als Gesellschaft überlegen, wie wir insgesamt auf so eine Situation...

Und die dazwischen natürlich auch, wie wir reagieren und Dunja von dir kam, der, ich finde das auch einen wahnsinnig guten und sehr spannenden Vorschlag, einfach auch an Ältere diese Fragebögen zu verschicken, dass man sich zumindest mal mit diesen Gedanken auseinandersetzt.

Danke dafür und Herr Wiegold, danke für Ihre Zeit.

Gerne.

Ich muss mich noch einmal schütteln.

Man muss sich eins immer vor Augen führen, dass alles wegen Wladimir Putin, wegen eines Mannes.

Mann, Mann, Mann, Mann, Mann.

Naja.

Dunja, wir saßen ja schon mal zusammen und dann habe ich dir die Frage gestellt, wie gut du darin bist, dich mit dem Älterwerden auseinanderzusetzen.

Und jetzt, da ging es um das Thema Pflege.

Und jetzt stelle ich dir mal eine Frage in die andere Richtung.

Möchtest du wissen, was das Älterwerden aufhalten könnte?

Dass ich jetzt einfach so quasi freeze und ich bleibe immer in dem Zustand, den ich jetzt habe.

Was jung hält einfach, was fit hält.

Möchtest du so wissen, was man da...

Ja, klar.

Also vor allen Dingen fit und gesund.

Ob jung ist, aber fit und gesund finde ich schon ganz gut.

Also ich weiß nicht so richtig, ob es wirklich Rückschlüsse zulässt auf uns Menschen.

Aber ein internationales Forscherteam hat in einer über 40 Jahre laufenden sogenannten Flamingo-Studie herausgefunden, was Flamingos jung hält.

Du meinst wirklich echte Flamingos?

Echte Flamingos, ja.

Ist das nicht toll?

und was ist es?

Reisen, gutes Essen, gute Freunde und viel.

Es ist tatsächlich Reisen und Bewegung.

Also sie haben rausgefunden, es sind nicht nur die Gene, die Einfluss auf das Alter haben, sondern auch Verhaltensweisen.

Und da gibt es diese Flamingos in Südfrankreich und die einen, die bleiben vor allem dort stehen, auf einem Bein.

Man kennt es ja, sie bleiben in ihrer Heimat.

Und dann gibt es die anderen, die im Winter ausfliegen in ein anderes Land.

Und da hat man herausgefunden, dass die, die ausfliegen, obwohl man ja meinen könnte, dass das Reisen auch ein Risiko ist, dass es anstrengend ist.

Aber dass die, die reisen, einfach ein geringeres Sterberisiko haben und dass da der Alterungsprozess später einsetzt.

Also alles richtig gemacht.

Man muss sich Reisen natürlich auch leisten können.

Das gehört ja zur Wahrheit auch dazu.

Aber Reisen ist eine totale Horizont-Erweiterung.

Muss ja auch nicht das Luxus-Ressort sein.

Du machst es ja selber auch vor.

Du warst jetzt gerade wieder campen, oder?

Ja, Van-Trip mit Wilmi.

Man lernt viele Leute kennen, andere Kulturen und es hält auf jeden Fall fit.

Das muss ich schon sagen.

Es war aber eine totale Bereicherung.

So sehen das auch die Flamingos in Südfrankreich.

Und damit sage ich erstmal dir, Dunja, vielen Dank und auch euch da draußen.

Danke fürs Zuschauen, danke fürs Zuhören.

Das war es schon wieder.

Danke euch und bis nächste Woche.

Tschüss, macht's gut.

Das ist ja crazy mit den Flamingos.

Ja, das ist schon verrückt.

Es soll auch was mit der Fortpflanzung zu tun haben.

Wenn ihr Themenvorschläge oder sonst irgendwelche Anmerkungen habt, dann könnt ihr uns auch gerne eine Mail schreiben an heutejournal-podcast.zdf.de.

An dieser Folge mitgearbeitet haben Esther Stephan, Christina Kayatz und Julia Ilmer.

Das Fact-Checking kam von Iris Schwarz und Franziska Meyer.

Kamera und Ton von Yvonne de Vries, Lehmnitz und Nikolas Kempel.

Music.

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