Episode Transcript
Music.
Hi und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive von Im Schatten der Macht.
Mein Name ist Ricardia Bramley.
Ich bin eine von zwei Hosts unseres Podcasts.
Die andere ist Anne Luckmann.
Und heute sprechen wir mit einer Gästin, weil wir die Folge 23 nochmal ins Gedächtnis holen wollen.
Warum?
Weil es viel Interesse zu dem Thema da gab.
Es ging in dem Fall um eine Hollywood-Schauspielerin.
Der Fall hieß Mach nicht auf, der Tod an der Haustür.
Und diese Hollywood-Schauspielerin begegnet einem Stalker.
So viel verrate ich, mehr will ich nicht spoilern.
Und deshalb haben wir uns die Stalking-Expertin überhaupt eingeladen, die uns ein bisschen mehr vor allem dazu erzählen wird, wie wir uns vor Stalking, vor Stalkern, Stalkerinnen, auch wenn das die Minderheit ist, schützen können.
Meine Gästin heute ist Sandra Zegler.
Sie ist Stalking-Expertin und auch Female Leadership Coach.
Und damit herzlich willkommen, Sandra.
Vielen Dank für die Einladung.
Sehr gerne.
Wir freuen uns riesig, dass du da bist.
Und ich steige auch gleich ein, weil ich habe so viele Fragen.
Wahrscheinlich kommen wir nicht zu allen, aber wir wollen unbedingt ganz viel von deiner Expertise erfahren.
Und zwar, Sandra, du hast dich ja in unserem Vorgespräch, habe ich erst mitbekommen, wie lange 21 Jahre mit Crime beziehungsweise auch mit Stalking beschäftigt.
Und da die Frage, wann hast du festgestellt, dass es sich nicht nur um krankhafte Obsessionen zum Beispiel handelt, sondern auch um ein gezieltes Machtmittel?
Ja, das ist eine ganz, ganz, ganz spannende Frage, ganz besonders im Zusammenhang mit dem Thema Stalking.
Ich würde mal sagen, ich habe das sehr früh schon erlebt, sehr früh auch festgestellt.
Denn wenn wir uns Stalking-Fälle an sich anschauen und wenn wir uns auch die Täter-Opfer-Dynamik anschauen, dann wird ganz schnell offensichtlich, dass es ausschließlich um Macht geht.
Und zwar um beide Ausprägungen der Macht, nämlich die Ohnmacht auf der einen Seite, die ganz extrem und stark vom Täter empfunden wird und der das sozusagen ausgleicht über dieses extreme Machtempfinden.
Macht, Kontrolle über sein Opfer zu gewinnen und entsprechend sich selber dann auch immer wieder in die Position zu bringen, dass er sich nicht mehr so ohnmächtig fühlt.
Und im Bereich Stalking wissen wir ja, das ist ja extrem krankhaft, zumindest die Dynamik, die da entsteht.
Und naja, also was am Ende passieren kann, das haben wir ja auch in dem entsprechenden Fall gesehen.
Sandra, inwiefern hat sich Stalking durch soziale Medien, Tracking-Apps und digitale Überwachung, die es ja letztendlich auch ist, insbesondere für Menschen in der Öffentlichkeit oder mit sehr ausgestellten Berufen verschlechtert, verschlimmert?
Extrem, extrem.
Also ich beschäftige mich ja wirklich seit sehr, sehr, sehr langer Zeit schon mit dem Thema Stalking.
Also Anfang 2000 habe ich ja meine Polizeikarriere begonnen und zu dieser Zeit hatten wir wirklich ganz andere technische Möglichkeiten, als wir sie heute haben.
Damals war das noch gar nicht denkbar, dass jeder von uns ein Smartphone in der Tasche trägt, jederzeit mit dem Internet auch verbunden ist, jederzeit getrackt werden kann und immer auch erreichbar ist.
Das gab es zu diesen Zeiten, als ich damals bei der Polizei begonnen habe, überhaupt nicht.
Also wir hatten noch nicht mal ein GPS, wir mussten noch mit Karte den Weg finden, wenn wir in unserem Auto unterwegs waren.
Also es waren wirklich ganz andere Zeiten.
Und die Kriminalität hat sich natürlich extrem verändert.
Im Sinne der Datensicherheit, im Sinne GPS und wie kann ich jemanden auffinden.
Social Media, die meisten von uns geben ja so viel von sich preis, das heißt der Täter muss ja noch gar nicht auf illegale Wege zurückgreifen, sondern er muss ja wirklich nur bei Social Media mal reinschauen und dann weiß er ja sofort, wo sich die Betroffene auffindet.
Also von daher, es hat sich sehr verändert und das finde ich braucht unbedingt auch ein neues Bewusstsein Und ganz besonders im Hinblick auf Stalking-Fälle natürlich auch entsprechende Schutzmaßnahmen für die Betroffenen.
Du hast es schon angesprochen, Sandra, Schutzmaßnahmen.
Vielleicht zwei Teile zu dieser Frage.
Der erste wäre, wie können Frauen sich schützen, wenn ein Stalker unbekannt ist?
Und wie können sie sich schützen, wenn er ihnen bekannt ist?
Vielleicht in zwei Teilen hier.
Ja, also grundsätzlich müssen wir über Stalking verstehen, dass es eben das Thema Macht, Ohnmacht in sich trägt und dass der Täter auf allen Ebenen versucht, Kontrolle über sein Opfer zu gewinnen, über alle Lebensbereiche und alle Möglichkeiten.
Da geht es über das Ausspähen von Daten, da geht es ums Manipulieren im sozialen Umfeld, da geht es um Rufschädigung, um alles Mögliche, Hacking, Tracking und so weiter.
Wenn wir das alles schon mal wissen, dann wissen wir, dass von der Betroffenen, egal ob der Täter jetzt bekannt oder unbekannt ist, dass alle ihre Lebensbereiche betroffen sein können und dass im Hintergrund jemand an ihrem Leben und an all ihren technischen Möglichkeiten dran sein kann, die sie gar nicht so vermutet.
In allen Fällen, egal ob der Täter bekannt oder unbekannt ist, ist es ganz wichtig, erst mal das Bewusstsein zu haben für die eigene Datensicherheit, das eigene Umfeld, das eigene soziale Umfeld auch und das Lebensumfeld.
Wenn der Täter unbekannt ist, dann liegt natürlich noch sehr viel mehr im Nebulösen.
Wir wissen also gar nicht, mit wem haben wir es hier zu tun, was ist seine Motivation und warum tut er eigentlich, was er tut.
Deswegen ist es für die Betroffenen oft schwieriger einzuschätzen, warum macht er das eigentlich und worauf zielt er ab.
In dem Falle ist es auf jeden Fall immer sinnvoll, jemanden einzubeziehen, das eigene soziale Umfeld zu sensibilisieren, zu sagen, da ist jemand und ich weiß nicht, ich kann nicht einschätzen, was seine nächsten Schritte sein werden und wen er alles kontaktieren wird, mit welchen Inhalten auch, dass man da an der Stelle schon mal sicher ist.
Also unbekannte Täter.
Ja, gibt es gar nicht so häufig.
Das finde ich auch nochmal wichtig.
Also in den meisten Fällen ist der Täter bekannt.
Was ganz spannend auch ist, wenn der Täter bekannt ist, macht es die Sache nicht einfacher, weil wir wissen dann zwar Dinge von ihm und wir können auch jemanden direkt adressieren, aber das macht ihn nicht weniger gefährlich.
Ganz im Gegenteil, also auch hier müssen die Betroffenen sich unbedingt schützen mit ganz einfachen technischen Möglichkeiten im Umfeld und so weiter, was ich ganz, ganz wesentlich finde, weil die meisten Täter glauben, dass sie im Verborgenen handeln und sie glauben oder sie fantasieren, dass sie eine ganz höchstpersönliche und private Verbindung nur zum Opfer haben und alle anderen Menschen stören.
Das heißt also, der potenzielle Liebespartner, Freundinnen, Familie, selbst Kinder, sind alle Störfaktoren.
Und der Täter wird es darauf anlegen, die Betroffene von all diesen Menschen zu isolieren, damit sie irgendwann nur ihm gehört und er natürlich auch schalten und walten kann.
Und das ist auch ein unfassbares Machtinstrument, soziale Kontrolle einfach von den Betroffenen wegzunehmen.
Deswegen werden viele Täter auch versuchen, Gerüchte zu streuen, Konflikte aufzubringen, Intrigen einfließen lassen, dass sich viele Menschen auch von der Betroffenen abwenden und sie irgendwann wirklich ganz alleine dasteht.
Und wenn wir das wissen, dann wissen wir auch, dass der beste Schutz Sozialkontrolle ist.
Sobald ich merke, dass irgendeiner in meinem Leben manipuliert, muss ich unbedingt meine beste Freundin involvieren.
Ich muss meinem Ehepartner Bescheid sagen.
Ich muss zu meinem Arbeitgeber gehen.
Und alle Ebenen, wo dieser Mensch Intrigen spinnen kann, müssen gesichert werden, dass mein soziales Umfeld immer hinter mir steht, dass ich immer Menschen habe, die wirklich voll und ganz hinter mir stehen und die mich auch schützen.
Und ganz besonders in Fällen, wo Menschen in der Öffentlichkeit stehen, ist es auch sehr sinnvoll, an geeigneter Stelle auch die Öffentlichkeit zu informieren, weil auch dort eine gewisse Gefahr ausgeht, auf der einen Seite von der Rufschädigung, wenn plötzlich Inhalte gestreut werden, die vielleicht wirklich nicht der Wahrheit entsprechen, aber wenn Gerüchte in der Welt sind, sind sie in der Welt.
Und zum anderen, dass einfach die eigene Fangemeinde oder die Menschen, die einen unterstützen, auch wirklich als Schutz agieren können und einen sozusagen abschirmen können.
Also für mich ist das soziale Umfeld und Sozialkontrolle und soziale Unterstützung der wichtigste Schutzfaktor überhaupt.
Weil es ja um Macht geht, Sandra, das hatten wir ja ausgangs schon gesagt.
Wenn ich jetzt als öffentliche Person in meinem ganz persönlichen Umfeld, aber sogar vor das Mikro trete und sage, da gibt es jemand, da ist ein Stalker oder wenn ich als Privatperson auch allen erzähle, da ist jemand hinter mir her, habe ich ihm dadurch nicht sogar noch mehr Macht gegeben und ihm dadurch eine Rolle in meinem Film gegeben, die ihn noch wichtiger macht und noch erhöht?
Ja, alles ist grundsätzlich möglich.
Deswegen bin ich ja auch sehr weit davon entfernt, ganz allgemeingültige Tipps zu geben, die immer in jedem Fall ja helfen.
Das heißt, wir müssen uns immer die individuelle Persönlichkeit des Täters angucken und auch immer seine Motivlage.
Denn was in einem Fall den Täter wirklich in die Flucht schlagen kann, könnte im anderen Fall tatsächlich verschärfend wirken.
Das ist auch die Gefahr nochmal erhöht.
Also alles ist immer möglich.
Die Tendenz nach, ich würde mal sagen, jetzt wirklich 21 Jahren Kriminalitätsbekämpfung und nach allem, was ich erlebt habe, vor allem eben auch mit Stalkern, ist die Tendenz, dass es hilft, sehr groß.
Denn der Täter, wie gesagt, fantasiert in den meisten Fällen eine sehr höchstpersönliche Bindung zwischen ihm und seinem Opfer und möchte einfach immer mehr Intimität herstellen über Macht, Isolation, Intrigen und ganz viel, was er im Leben der Betroffenen zerstört.
Selbst wenn er aus Rache handelt und selbst wenn er am Ende töten will, ist trotzdem diese Komponente da, sie ist das Wichtigste in meinem Leben.
Und wenn er am Ende tötet, hat er sich selber das weggenommen, was ihm am aller, aller wichtigsten ist und hat quasi sich selber damit am meisten geschädigt.
Das ist eine ganz spannende oder interessante Tatsache, die wir immer wieder auch nach Mordfällen sehen.
Also Täter wollen Macht gewinnen und sie wollen keine Störfaktoren.
Wenn also eine Betroffene nach außen geht und es öffentlich bekannt wird, ist es schon so, dass die meisten Täter sich schämen, dass es sie oft auch in ihre Schranken weist, dass sie sich eingeschüchtert fühlen.
Manche werden dann noch aggressiver, aber in den meisten Fällen drängt es sie eigentlich zurück, weil sie wissen, ich lege mich jetzt nicht nur mit der Betroffenen an, sondern mit dem ganzen Umfeld mit und sie gibt es preis und ich werde immer mehr eingekreist.
Das kann wirklich hilfreich sein.
Okay, das finde ich ja schon mal sehr ermutigend, auch wenn du sagst, das muss nicht unbedingt in jedem Fall helfen zu wissen, okay, hier ist meine Community und mein sozialer Kontakt einfach das, was mich wirklich wortwörtlich sch��tzen kann.
Das finde ich ja schon mal eine positive Sache.
Sandra, wie bewertest du die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland?
Kommen Polizei und Justiz ihrer Schutzfunktion ausreichend nach oder erleben Betroffene systemisches Versagen?
Wie siehst du die Situation im Moment?
Ja, also die Situation im Moment hat sich im Vergleich zu Anfang der 2000er extrem verbessert.
Also wir haben den Straftatbestand Stalking, das heißt, es kann jetzt verfolgt werden.
Das Opferschutzgesetz hat sich verändert und es sind immer mehr Step by Step by Step rechtliche Verbesserungen eingetreten, die die Rahmenbedingungen auch zur Stalking-Bekämpfung einfach verbessert haben.
Wenn wir aber uns das Phänomen an sich nochmal anschauen, dann ist es tatsächlich immer noch so, dass die Betroffenen in Deutschland von Stalking überwiegend ungeschützt sind.
Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen sind ja auf Fakten ausgelegt und das ist ja auch das Wesen von Recht, dass wir uns Tatsachen anschauen und nur aufgrund von Tatsachen am Ende auch verurteilt werden kann.
Wenn wir uns aber Stalking angucken, das liegt überwiegend im Bereich der psychischen Gewalt.
Das heißt, es ist fluide.
Wir können es nicht sehen.
Die Todesangst, die die Betroffenen empfinden, können wir nicht sehen.
Die könnte vielleicht ein Arzt messen, aber das macht ja am Ende keiner.
Und die Drohkulisse, die durch die Stalker aufgebaut wird, die können wir ganz schwer anhand von Tatsachen wirklich auch einem Gericht plausibel darstellen.
Es ist also wirklich, es liegt in der Natur der Sache, dass dieses Phänomen sehr, sehr schwer nur auf rechtlicher Ebene zu bekämpfen ist.
Deswegen sage ich auch immer, es braucht so viel mehr.
Es braucht sehr viel mehr gesellschaftliche Awareness.
Es braucht so viel mehr NGOs und mehr Zahnrädchen, die ineinander zahnen, damit das Phänomen wirklich auch bekämpft werden kann.
Und da ist definitiv Luft nach oben in Deutschland.
Und wir hatten es kurz angerissen am Anfang, Sandra.
Inwiefern spielt es?
Gender, Geschlecht, wenn man so möchte, beim Thema Stalking eine Rolle, sowohl bei den Täter, Täterinnen, als auch bei Betroffenen.
Und gibt es so eine Art typisches Täterprofil, was du aus deiner früheren Arbeit so kennst?
Das Geschlecht spielt in Fällen von Stalking eine sehr große Rolle.
Wir sehen das ja am Phänomen selbst.
Es sind 80 Prozent der Betroffenen sind weiblich und höchstens 20 Prozent sind männlich.
Und die Täter sind eben auch zu 80 Prozent Männer.
Also haben wir hier auf jeden Fall ein extremes Machtgefälle auf der einen Seite und natürlich spielt hier das Geschlecht eine Rolle.
Warum das jetzt so ist, dazu kann man nur spekulieren.
Für mich hat es ein Stück weit schon auch damit zu tun, dass Männer von ihrer eigenen Biologie, Sozialisation, falsch verstandenen Geschlechterrollen tendenziell mehr dazu neigen, ihre Frauen auch als Besitz zu sehen.
Und eher auch in Stalking abgleiten und am Ende auch, gerade wenn es um Mordfälle geht, sich ja sogar rausnehmen, ihr das Leben zu nehmen.
Weil es geht nur, wenn er sie als Objekt sieht und wenn er auch meint, er hat Recht an.
Recht auf sie, Recht auf ihr Leben.
Also anders ist es nicht möglich.
Fakt ist aber auch, es sind so unendlich komplexe psychologische Mechanismen, die dahinterstehen, dass es sehr schwer ist, das Phänomen überhaupt zu durchblicken und auch zu erklären im Detail.
Und manche Dinge werden wir auch nie erfahren.
Aber Fakt ist eben auch, das Geschlecht spielt eine Rolle.
Deswegen dürfen und müssen wir das unbedingt auch im Blick behalten.
Und Frauen haben andere Erlebniswelten als Männer.
Das ist eben Fakt.
Und die Frage nach einem Täterprofil.
Ganz spannend.
Die Täter selbst sind extrem unterschiedlich.
Die können jeder gesellschaftlichen Schicht angehören.
Bildungsfern, bildungsnah.
Das spielt überhaupt keine Rolle.
Jeder Typ Mensch kann das sein und kann aus jeder Schicht kommen sozusagen.
Es gibt auf der psychologischen Ebene etwas, was diese Menschen miteinander verbindet.
Sie haben alle extreme Kränkbarkeit in sich.
Das heißt, sie haben oft nicht so dieses Urvertrauen in sich selbst, ins Leben und auch in Bindungen.
Sie sind meistens extrem bindungsgestört und sehr, sehr kränkbar und schaffen es auch nicht, diese Art von Kränkung innerlich zu verarbeiten.
So wie wir alle, ich würde mal behaupten, jeder Mensch ist kränkbar.
Trotz allem haben wir aber auch die Mechanismen, damit umzugehen und uns in sozial adäquater Art und Weise zu verhalten.
Das können diese Täter nicht.
Und sie haben oft extreme Suchttendenzen.
Also auch Stalking kann man fast schon sehen, wie eine Sucht, also wie eine Obsession auf einen Menschen ausgerichtet und irgendwann davon auch wirklich überhaupt nicht mehr loszukommen und stattdessen immer, immer, immer tiefer auch in diese Dynamik rein zu geraten.
Also ja, es gibt da definitiv Tendenzen, die man ablesen kann, wo ich sagen würde, auf der psychologischen Ebene gibt es Überschneidungen von Menschen, die eher das Potenzial haben zu stalken oder tendenziell kein Potenzial haben zu stalken.
Mhm.
Erkennen tut man es ja wahrscheinlich eh nicht, optisch schon gar nicht.
Aber das ist ja schon mal spannend, dass es eben diese extreme Kränkungsfähigkeit gibt und ja, dass sie das offenbar gemeinsam haben.
Sandra, du hast ja auch in Fällen beraten, in denen die Täter eine öffentliche oder gesellschaftliche Machtposition innehaben.
Das ist für uns besonders spannend, weil wir eben auch über Menschen sprechen, die in der Öffentlichkeit stehen.
Größtes Beispiel vorweg, Marilyn Monroe, die mit den Kennedys und deren Verbindung zur Mafia eben in Kontakt waren.
Also Menschen, die eigentlich von ihrer Position her sehr sichtbar sind.
Trotzdem kann man ihnen oft Dinge nicht nachweisen.
Es wird den Opfern nicht geglaubt, weil das ist ja ein bekannter Mensch, der eventuell sogar in der Öffentlichkeit Gutes getan hat oder positiv konnotiert wird.
Welche zusätzlichen Hürden entstehen für Betroffene, wenn Machtmissbrauch und Stalking zusammenkommen?
Also vielleicht auch unser Fall zu Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell, wo ganz klar ist, das sind mächtige Menschen in der Öffentlichkeit und die üben diese Macht auf.
Also ich wiederhole die Frage noch mal, welche zusätzlichen Hürden entstehen für Betroffene, wenn Machtmissbrauch und Stalking zusammenkommen?
Ja, das ist der schlimmste Fall überhaupt, den man sich ausmalen kann.
Die Betroffenen selbst geraten in eine Situation, in der sie wirklich auch die Idee haben, dass sie niemals entkommen können.
Und Fakt ist, es ist auch wirklich schwer.
Es ist wirklich schwer, weil Menschen, die wirklich auch Machtstrukturen um sich herum haben, können einfach Dinge möglich machen, die andere Menschen nicht möglich machen können.
Das ist einfach Fakt.
Und damit sehen sie sich wirklich erstmal auch einer Übermacht ausgesetzt, die tatsächlich ganz viel in Bewegung setzen kann.
Und das macht mit den Opfern ganz viel.
Also die meisten Betroffenen von Stalking entwickeln wahnsinnige Ängste bis hin zur Paranoia, dass sie irgendwann niemandem mehr trauen können, überhaupt nicht wissen, oh mein Handy macht gerade irgendwelche Sachen, könnte das schon wieder der Stalker sein, könnte da wer oder was dahinter stecken, auch wenn es vielleicht nur ganz harmlose Dinge sind.
Aber in der Situation, in der ich spüre, da ist mir jemand auf den Fersen und er will definitiv nichts Gutes.
Das ist eine ganz beängstigende Situation, die das gesamte Leben beeinflussen kann und vor allem die seelische Gesundheit extrem, extrem beeinflusst.
Und wenn ich es jetzt auch noch mit Menschen zu tun habe, die Machtstrukturen wirklich nutzen können, dann ist das eigentlich der schlimmste Fall, den ich mir überhaupt ausmalen kann als Frau, indem ich da drin sitze.
Und was jetzt eben erschwerend dazu kommt, ist, das Helfer-System sieht sich genau der gleichen Übermacht ausgesetzt.
Wenn ich also als normale Frau mich mit Beratern, Beraterinnen und so weiter umgebe und sage, ich habe echt hier ein Problem.
Haben wir die Möglichkeit, relativ schnell, wenn sowohl die Betroffene gut mitarbeitet und sie gute Berater an ihrer Seite hat, kann man diesen Fall lösen.
Man kann gute Dinge in Bewegung setzen, man kann sich der rechtlichen Situation bedienen, man kann psychologische, vor allem auch kriminalpsychologische Sachen einsetzen, man kann Profiling machen und am Ende diesen Fall lösen, sodass die Betroffene wieder sicher ist und irgendwann auch wieder in ihre emotionale und körperliche Gesundheit zurückfinden kann.
In Fällen von Machtmissbrauch von Machtmenschen ist es wirklich ganz schwer möglich, ganz, ganz schwer möglich, weil auch das Helfersystem dagegen ja kaum ankommen kann.
Also wir wissen, dass ab bestimmten Positionen einfach auch Gerichtswege anders funktionieren und so weiter.
Also alles das, was normalerweise zum Schutz von Menschen da ist, unser Rechtssystem, die Gerichtsbarkeit und so weiter, hat plötzlich nicht mehr die gleiche Dimension.
Und erschwerend kommt hinzu, dass ganz besonders in diesen Fällen den Opfern wirklich oft nicht geglaubt wird.
Weil wir kennen diese Menschen, wir haben sie alle schon im Fernsehen gesehen, wir haben alle ein gewisses Bild von diesen Menschen und können uns oft überhaupt nicht vorstellen, dass im Hintergrund sie auch dunkle Seiten haben und auch einfach Menschen sind, die vielleicht sogar gerade auch durch die Macht in ihrer dunklen Seite extrem verstärkt werden.
Weil es weniger Kontrolle gibt im Sinne von, das kannst du jetzt einfach nicht tun, wenn jemand so stark in der Eifersucht ist oder einfach in emotionalen Prozessen und die für sich selber nicht bewegen kann oder nicht verändern kann, kann das eben zu extremen Machtmissbrauch führen.
Und das können sich oft viele nicht vorstellen.
Und das macht es für die Betroffenen noch doppelt und dreifach schwer, weil sie einfach nicht die hundertprozentige Loyalität ihrer Berater haben.
Und das brauchen die Betroffenen.
Sie brauchen jemanden hinter sich, der sagt, ich glaube dir zu 100 Prozent.
Und wir stehen das durch, egal, egal, welche Zweifel aufkommen, egal, was er tut.
Ich stehe hinter dir.
Das brauchen die Betroffenen.
Und das bekommen sie in Fällen von Macht bis Brauch auf dieser Ebene oft nicht.
Und die Berater selbst, also da sehe ich mich selber auch, also ich hätte Angst.
Ich ganz persönlich hätte Angst, gegen bestimmte Menschen vorzugehen, wenn ich weiß, sie können auch mir wirklich massiven Schaden zufügen.
Und das macht eine extreme Brisanz und wirklich auch eine echte Ohnmacht für die Betroffenen aus.
Wahnsinn, was du da schilderst.
Dann wird einem auch plötzlich klar, wie systemisch das Problem ist.
Nicht nur wird dir nicht geglaubt, die Menschen, die dir helfen könnten, privates Umfeld, sogar Institutionen, auch die müssen eventuell zurückschrecken, weil sie diese Macht, wer auch immer es ist.
Head of State, was auch immer, die könnte dir ganz schön dein Leben, deine Karriere versauen.
Also das finde ich gerade nochmal total augenöffnend, was du da sagst, wie viel System und kollektive Angst da geschürt wird, um das System, das machtmissbräuchliche System zu erhalten.
Das ist nochmal ganz, ganz spannend.
Ja.
Ja.
Erzähl uns doch kurz, warum.
Ich kann es mir bestimmt ein bisschen denken, aber erzähl es nochmal ein bisschen und dann auch das, was du heute so machst und wie die Sachen miteinander verknüpft sind, wenn man es auch nicht unbedingt sofort sieht.
Ja, also ich habe mich ja jetzt wirklich 21 Jahre meines Lebens ganz intensiv mit der Kriminalitätsbekämpfung beschäftigt und ganz viele Facetten auch von menschlichen Abgründen mir angeschaut.
Angeschaut und während ich mir das angeschaut habe und verstanden habe, was macht eigentlich Vertrauen kaputt, was macht Gemeinschaften kaputt, was ist genau das Gegenteil von alledem, was wir uns alle so sehr wünschen, nämlich geliebt werden, gesehen werden und zusammengehören.
Das ist das, was wir uns alle wünschen.
habe ich mir natürlich die Frage gestellt, okay, wenn ich jetzt wirklich weiß, und zwar in extremer Ausprägung, also in extremster Eskalationsstufe, die man sich nur vorstellen kann, die nämlich am Ende auch mit Mord endet.
Wenn ich mir das alles angeschaut habe und verstanden habe, was dazu führen kann, welche Dynamiken stecken dahinter, wo an welcher Stelle kann man die Dynamiken auch unterbrechen und Betroffene schützen und Systeme auch wieder gesünder machen.
Was ist es denn aber, was uns wirklich zusammenhält und was am Ende vielleicht genau das gar nicht erst aufkommen lässt?
Dass wir wirklich also viel, viel früher auch ansetzen in diesem Prozess und sagen, wir müssen ja nicht so lange warten, bis diese ganzen Fälle entstanden sind und bis auch diese Gewaltdynamiken entstehen, die am Ende sogar in Tötung enden.
Wo können wir denn gesellschaftlich und auf menschlicher Ebene ansetzen, damit das irgendwann gar nicht mehr passiert?
Ich weiß, das ist eine totale Utopie, aber ich schrecke davon nicht zurück.
Und das ist genau der Turning Point, der in meinem Leben passiert ist, zu sagen, ich habe es mir angeschaut und ich kann bis heute sagen, es gab keinen einzigen Fall, der mich jemals unberührt gelassen hat.
Deswegen habe ich natürlich emotional auch eine gewisse Pause für mich gebraucht, um mich einfach mal zu sammeln und mal für mich so das Bigger Picture zu sehen und gleichzeitig aber auch zu verstehen, Ich gehe jetzt gegen die Dunkelheit anzukämpfen, gehe ich jetzt in die Dunkelheit und möchte dort ein Licht anzünden, dass durch das Licht die Dunkelheit ganz automatisch verschwindet.
Und das ist der Ansatz, mit dem ich heute unterwegs bin.
Ich habe verstanden für mich, dass die Lösung für alle Probleme, die wir gesellschaftlich in Familien, in Teams, in Unternehmen, in der Politik, in der gesamten Gesellschaft haben, Dass es immer an einzelnen Menschen hängt, die führen.
Die Menschen, die Macht in Anspruch nehmen können und damit wirklich verantwortungsvoll umgehen.
Und wenn wir uns nämlich angucken, der Schatten der Macht ist, ich missbrauche Macht, ich bin in der Lage, in eine Machtposition zu kommen oder ich bin da sogar reingeboren oder was auch immer.
Und jetzt aber die Stärke zu besitzen, diese Macht in guter und gesunder Art und Weise auszuleben, so dass sie schützt.
Dass alle die, die Schutz brauchen, Schutz bekommen, dass alle die, die die.
Die was brauchen.
Und vor allem, dass alle menschlichen Bedürfnisse abgedeckt sind, sodass wir auf eine schöne und gesunde Art und Weise miteinander zusammenfinden können.
Ich habe gesehen, in der deutschen Gesellschaft, in allen Ecken und Enden, haben wir eher Systeme, die menschenfeindlich sind.
Wir müssen Dinge tun, zu Zeiten, zu denen wir gar nicht leistungsfähig sind.
Wir müssen so übermäßig viel leisten.
Es sind in so vielen Ämtern und Behörden, ist der Krankenstand so hoch, dass es einfach zeigt, da werden menschliche Bedürfnisse überhaupt nicht mitgedacht.
Da wird schneller, höher, weiter und maskulin gedacht und in Zahlen, Daten, Fakten, aber nicht in Mensch sein.
Und das ist doch das, was uns alle verbindet.
Wir sind Menschen.
Und wenn wir uns wirklich miteinander verbinden wollen, brauchen wir Regeln, die uns auch miteinander verbinden.
Wir brauchen Systeme, die uns miteinander verbinden und nicht die uns spalten, isolieren und uns am Ende alleine dastehen lassen.
Und das ist so die Idee, mit der ich jetzt loslaufe, zu sagen, ich möchte gern vor allem Menschen, die Lust haben, Verantwortung zu tragen, auch im gesellschaftlichen Kontext, im wirtschaftlichen Kontext, in der Politik, mit guten Ideen und vor allem neuen Ideen in Verbindung und in Berührung zu bringen.
Was macht denn eigentlich Menschlichkeit aus und mit welchen Ideen sollten wir eigentlich auch unsere neue Gesellschaft, die ja gerade neu entsteht, Weil wir diesen großen Wandel ja alle spüren.
Wie können wir das verbessern?
Und mit welchen Ideen sollten wir in die Führung gehen heute?
Nach dem Aufruf kann ja eigentlich nichts mehr kommen, Sandra.
Ganz, ganz lieben Dank, dass du bei uns warst, deine Expertise geteilt hast.
Ich persönlich habe nochmal richtig viel Neues und wie ich finde auch Ermutigendes gehört.
Darüber freue ich mich ganz persönlich.
Sandra, wenn jemand sich für das Female Leadership Projekt, das du entwickelst und führst, interessiert, wo finden die Leute dich?
Aktuell findet man mich auf Instagram tatsächlich und auf Facebook kann man mich auch finden.
Super, dann verlinken wir auf jeden Fall auf deine Handles in den Shownotes.
Vielen Dank, dass du dabei warst, Sandra.
Lass es dir gut gehen im warmen Andalusien.
Wir sind ganz neidisch auf dieser Seite hier und bis hoffentlich bald mal wieder.
Bis hoffentlich bald.
Vielen Dank.