Episode Transcript
Schreib mir, wenn du zu Hause angekommen bist.
Ich bin mir sicher, das hat jede von euch schon mal gesagt oder selbst zu hören bekommen.
Und sicher hatten auch viele von euch schon mal so ein mulmiges Gefühl, als ihr nachts allein unterwegs wart, oder?
Vielleicht habt ihr auch schon mal jemanden angerufen, damit euch die Person nachts am Telefon durch die unheimliche Straße begleitet.
Das habe ich selbst auch schon mal gemacht.
Vermutlich fühlt sich jetzt eine Mehrheit der Frauen angesprochen, aber Menschen aller Geschlechter kennen sicher dieses Gefühl.
Dass wir diesen Fall heute überhaupt im Podcast erzählen, basiert auf einem furchtbaren Missstand, nämlich dem, dass sich Frauen weltweit nicht sicher fühlen können.
Eigentlich sind es harmlose Dinge, wie nach einem Treffen mit Freunden oder einer Party nach Hause gehen.
Und dann gibt es noch ein Problem, das eigentlich keines sein dürfte.
Frauen versuchen, überlange freundlich und auch kompromissbereit zu sein, weil wir glauben, so noch Schlimmeres verhindern zu können.
Das geht oft nicht so gut.
So wie die Britin Sarah Everett.
Ihr Fall schlägt 2021 so hohe Wellen, dass es sogar Massenproteste gibt, Pressekonferenzen, Sondersendungen, Rücktritte und einen viralen Aufschrei auf Social Media.
Sogar Promis wie Prinzessin Kate, die Frau des Thronfolgers William, nehmen öffentlich Anteil an Sarahs Geschichte.
Aber, was diesen Fall so besonders erschütternd macht, was Sarah Everett passiert, könnte jeder Frau auf der ganzen Welt zustoßen.
Denn der Mensch, dem Sarah Everett nachts begegnet, ist mit allerhand Macht ausgestattet.
Vom Staat, ganz offiziell.
Und er missbraucht diese Macht auf die schlimmste Art, die man sich vorstellen kann.
Und das alles in einer Zeit, in der die Welt im absoluten Ausnahmezustand ist.
In der Corona-Zeit.
Welche Regeln wo gelten, ist oft nicht klar.
Der eine oder andere nutzt das dann aus.
Geliehene Autorität kann eben sehr gefährlich sein, manchmal.
Und damit ganz herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Im Schatten der Macht.
Ich bin Riccardia Bramley.
Und ich bin Anne Luckmann.
Hallo.
Wir erzählen heute davon, dass auch Mitarbeiter einflussreicher Institutionen, die zu den Guten zählen sollen, ihre Privilegien manchmal auf die übelste Weise ausnutzen.
Kleine Content-Warnung vorweg.
Heute geht es auch um sexuelle Gewalt.
Wenn ihr diese teils grafischen Schilderungen nicht so gut hören könnt, hört euch diese Folge zusammen mit jemand anderem an, mit dem ihr darüber sprechen könnt, oder es gibt sie vielleicht sogar.
Wir haben uns dafür entschieden, Sarahs Geschichte zu erzählen, weil gerade das große Medienecho dazu für ein größeres Bewusstsein in Sachen Machtmissbrauch und Frauensicherheit gesorgt hat.
Und eine der wichtigsten Quellen für uns ist die BBC-Doku Sarah Everett – The Search for Justice aus dem Jahr 2024.
Und es gibt natürlich viele Artikel und Dokus zu dem Thema.
Die Aufmerksamkeit, die ist schon mal da.
Aber das reicht halt noch nicht.
Erst wenn jede Frau nachts sicher nach Hause gehen kann, ist das Ziel erreicht.
Ihr werdet uns wahrscheinlich zustimmen, wenn ihr diese Folge bis zum Ende gehört habt.
Es ist der 3.
März 2021, mitten in der Corona-Pandemie.
Es ist kalt und ausnahmsweise ruhig in London.
Wie viele andere Großstädte auch, ist die 9-Millionen-Metropole auf Ansage des damaligen Premierministers Boris Johnson im dritten Lockdown.
Von Januar bis Mai 2021 ist hier das öffentliche Leben stark eingeschränkt.
Pubs, Bars und Clubs sind geschlossen.
Wir erinnern uns sicher alle an diese Zeit.
Bei uns war das ja ähnlich.
Eine junge Frau spaziert durch die Straßen der britischen Hauptstadt.
Auf dem Kopf trägt sie eine Wollmütze, an den Beinen eine gemusterte Leggings und an den Füßen trägt sie Sneaker.
Gegen die kalte Frühlingsluft schützt sie eine türkisfarbene Winterjacke.
Die Frau heißt Sarah Everett, ist 33, rötlich-blonde Haare und ein freundliches, fast schon kindliches Gesicht.
Aufgewachsen ist sie mit zwei älteren Geschwistern, einem Bruder und einer Schwester im ländlichen Surrey.
Ihr Vater ist Uniprofessor, ihre Mutter Sozialarbeiterin.
Sarah lebt schon seit mehr als einem Jahrzehnt im quirligen Stadtteil Brixton in Südlondon und studiert eigentlich Geografie, arbeitet aber nebenher in einer Marketingagentur für digitale Medien.
Genau wie ihr Freund Josh, mit dem sie bald zusammenziehen will.
Die beiden haben sogar Heiratspläne und wollen laut The Guardian auch schnellstmöglich Kinder.
Für diesen Sommer 2021 planen sie einen Trip nach Ibiza.
Sobald die Corona-Maßnahmen gelockert werden.
Sie ist jedenfalls keine Frau, die aus ihrem Leben ausbrechen oder abtauchen will.
Aber zu dieser Reise wird es leider nicht mehr kommen.
Die Dinge nehmen nämlich jetzt eine dramatische Wende.
Sarah hat nur noch wenige Stunden zu leben.
An diesem Mittwoch ist es ruhig auf den Straßen.
Man trifft sich, wenn überhaupt, privat.
Sarah ist an diesem Abend bei Freunden im Stadtteil Klappem eingeladen und legt den Weg zu Fuß zurück.
Etwas mehr als eine halbe Stunde wird das dauern.
Um 18 Uhr kauft sie in einem Supermarkt eine Flasche Wein und zahlt dort an der SB-Kasse mit Karte.
Das weiß man, weil so gut wie alles, was Menschen in einer Metropole tun, mittlerweile digital registriert wird.
Vor allem London gehört zu den Metropolen auf der Welt, die nahezu lückenlos kameraüberwacht sind.
An fast jeder Straßenecke zeichnen Kameras Fußgängerbewegungen auf.
Fast eine Million Kameras sind in der englischen Hauptstadt installiert.
Sie werden noch eine entscheidende Rolle in diesem Fall spielen.
Dank dieser Kameras ist auch dokumentiert, wie Sarah nach ihrem Abendessen mit Freunden gegen 21 Uhr wieder dieselbe Strecke zu Fuß zurückläuft.
Er gilt als der sicherste Weg zwischen den beiden Stadtteilen, weil er durch vielbefahrene und beleuchtete Straßen führt.
Es gibt zwar auch einen großen Park in der Gegend, Clapham Common, mit einem Rondell in der Mitte, aber an dem läuft Sarah vorbei.
Keine Frau würde da nachts alleine durchlaufen.
So vorsichtig ist sie also.
Es ist kurz nach 21 Uhr, was auch nicht wirklich spät ist, aber Sarah Everett wird nicht zu Hause ankommen.
Sie tut etwas, was sicher viele schon mal getan haben.
Sie ruft jemanden an, einfach um mehr Sicherheit zu haben, nicht ganz alleine zu sein.
Sie ruft ihren Freund Josh an, mit dem sie für den nächsten Tag verabredet ist.
Wäre alles anders gekommen, wenn Josh einfach in der Leitung geblieben wäre, bis Sarah ihre Haustür erreicht hätte?
Ja, vielleicht.
14 Minuten lang sprechen die beiden, während Sarah die Straßen entlang läuft.
Es ist das letzte Mal, dass Josh die Stimme seiner Freundin hören wird.
Am nächsten Tag erscheint Sarah nicht bei der Arbeit in der Agentur, meldet sich aber auch nicht krank.
Was untypisch für die pflichtbewusste junge Frau ist.
Sie hatte ja auch kein irres Trinkgelage mit Freunden, sondern hat danach noch völlig normal mit ihrem Freund gesprochen.
Ein Kater kann es also nicht sein, der sie noch im Bett hält.
Als weder Josh noch ihre Eltern sie erreichen können, melden sie Sarah am kommenden Tag bei der Londoner Polizei, der Metropolitan Police, als vermisst.
Sie alle leben ja in einer Millionenstadt, in der Frauen leider täglich etwas passiert.
Es gibt keinen Tag, an dem nicht mindestens ein Fall von Gewalt gegen Frauen in den Zeitungen steht.
Vermutlich auch deshalb ist Saras Familie sofort alarmiert.
Jeden dritten Tag passiert in 2021 in England ein Femizid, also ein Mord an einer Frau.
Wenn ihr glaubt, dass das schon viel ist und das ist es, schauen wir mal kurz nach Deutschland.
Bei uns waren es laut Bundesfamilienministerium 2023 360 Tötungen.
Also fast jeden Tag, wenn wir in Deutschland aufstehen, ist eine Frau entweder bereits ermordet worden oder sie wird es im Laufe des Tages.
Trotz sexueller Aufklärung, Not-Hotlines und Kameraüberwachung leben Frauen, zumal junge Frauen, sehr gefährlich.
Denn 98,9 Prozent der Täter sind Männer.
Es ist mittlerweile Freitag, der 5.
März, zwei Tage später.
Der Frühling ist im Anmarsch und alle warten darauf, dass die Corona-Restriktionen aufgehoben werden und dass das Leben endlich wieder halbwegs normal startet.
Nur für die Familie von Sarah Everett ist gar nichts mehr normal.
Seit mehr als 24 Stunden gibt es kein Lebenszeichen von ihr.
Und in der Metropolitan Police ist es Catherine Goodwin, die leitende Ermittlungsbeamte, bei der hier die Alarmglocken schrillen.
In der BBC-Doku erzählt sie, wie sie morgens die üblichen Vermissten-Meldungen in ihrem Polizeibericht durchgeht.
Für sie trauriger Berufsalltag.
Aber bei Sarah Everett stutzt sie.
Eine erwachsene Frau, ein Heimweg, der als halbwegs sicher gilt, der solide Familien-Background, all das ist ungewöhnlich.
Ihr Bauchgefühl sagt, Sarah Everett ist etwas zugestoßen.
Sie ist definitiv nicht von sich aus verschwunden.
Auch ihr Handy ist aus.
Langsam, aber sicher kennt ganz England Sarah Everetts Gesicht.
Die Suchaufrufe, ins Leben gerufen von ihrem Freund Josh und ihrer Familie, die gehen auf Social Media viral.
Die Metropolitan Police von London, die hält regelmäßig Pressekonferenzen ab, in denen sie bekräftigt, dass man mit Hochdruck nach ihr suche.
Das ganze Land fragt sich, wo ist Sarah Everett?
Im Internet häufen sich auch Stimmen vieler Frauen, die posten, dass das auch ihnen hätte passieren können.
Zuerst durchkämmt die Polizei das Viertel, in dem Sarah auf dem Heimweg noch telefoniert hat.
Es ist ja das letzte Lebenszeichen von ihr.
Und hier gibt's tausend Möglichkeiten.
U-Bahn-Stationen, Busse, den Klapp im Common Park.
Sarah konnte überall sein.
Es ist mittlerweile der 7.
März 2021 und Sarah ist jetzt seit drei Tagen verschwunden.
Sogar Taucher suchen den Teich im Park ab.
Hundestaffeln werden losgeschickt.
Nachbarn werden befragt.
An jedem Laternenfall und jeder Ampel hängen jetzt Suchzettel mit ihrem Foto, die Familie und Freunde und andere Menschen aufgehängt haben.
Und immer mehr Frauen schließen sich über Social Media zusammen.
Und zwar unter dem Hashtag wie Reclaim These Streets.
Also holt euch diese Straßen zurück, weil sie um Sarahs, aber auch um ihr eigenes Leben fürchten.
Ganz England scheint Sarahs Schicksal zu bewegen und noch tappt die Polizei im Dunkeln, kämpft sich durch 1800 Stunden Filmmaterial der Überwachungskameras.
Fünf Tage nach Sarahs Verschwinden, also am 9.
März, macht die Polizei eine interessante Entdeckung.
Die Kamera an einem Linienbus hat nämlich gefilmt, wie in der Hauptverkehrsstraße im Viertel um 21.35 Uhr ein weißes Auto am Straßenrand parkt.
Sarah Everett steht genau daneben.
Aber sie ist nicht allein.
Ein Mann spricht mit ihr.
Die beiden stehen mit etwa eineinhalb Metern Abstand an dem weißen Van, der sich als Mietwagen herausstellt.
Das Kennzeichen ist auf den schummrigen Überwachungsbildern leider schlecht zu erkennen.
Die Polizei überprüft daher alle weißen Autos, die um diese Zeit in der Straße fahren.
Ein Mann hat das Auto gemietet.
Er ist der Mann, der hier spätabends mit Sarah spricht.
und seitdem ist sie verschwunden.
Das ist natürlich ein super wichtiger Anhaltspunkt.
Am Ende ihres Gesprächs gehen Sarah und der Mann um den Van herum und steigen ein.
Aber wer ist dieser Mann?
Kennt Sarah ihn?
Es scheint keinen Kampf zu geben, kein Zwang, kein Handgemenge.
Was hat er also mit ihrem Verschwinden zu tun?
Über den Mietwagenverleih finden die Ermittlenden heraus, wer der Mann ist.
Sein Name ist Wayne Cousins.
Dieser Mann ist vor drei Tagen mit einer sexuellen Selbstentblößung in einem Fastfood-Drive-Thru aufgefallen.
Da fuhr er nämlich unten ohne und mit einer Erektion ans Ausgabefenster.
Die beiden erschrockenen Mitarbeiterinnen haben den Vorfall sofort gemeldet.
Konsequenzen gibt's aber keine.
Und dieser Mann, der noch vor wenigen Tagen als Exhibitionist unterwegs war, bringt jetzt Sarah Everett dazu, in sein geliehenes Auto zu steigen.
Da herrscht bei den Ermittlern logischerweise sofort höchster Alarm.
Die Metropolitan Police sendet eine Sondereinheit in die eineinhalb Stunden entfernte Grafschaft Kent, wo Wayne Cousins gemeldet ist.
Falls er sie kennt, werden sie ihn zur Rede stellen.
Falls Sarah entführt wurde, drängt die Zeit erst recht.
Noch könnte Sarah Everett am Leben sein.
Es geht um jede Sekunde.
Mit Alarmsirenen und einem ganzen Konvoi rasen die Ermittler nach Kent.
Währenddessen stoßen die Rechercheteams der Polizei auf eine Info, die es in sich hat.
Sie suchen nach Fakten über den Mietwagenfahrer Wayne Cousins aus Kent.
Und jetzt kommt's.
Der Mann ist Polizist.
Also einer von ihnen.
Und das schon seit zwei Jahrzehnten.
Ja, und zwar nicht irgendein Polizist.
Er ist Elite-Polizist, war vorher für die Sicherheit nuklearer Anlagen zuständig und arbeitet derzeit in der parlamentarisch-diplomatischen Schutztruppe auf einer Dienststelle in West London.
Die werden zum Beispiel zum Schutz von Politikern und Politikerinnen im britischen Ober- oder Unterhaus eingesetzt.
Sie haben also Zugang zu sensibelsten Stellen im Staat.
Schon 2015 und 2020 hat er sich einmal entblößt und vor Frauen onaniert.
Laut Sky News auch damals schon ohne Konsequenzen.
Schon vor beiden Beförderungen hatten Kollegen gewarnt, dass der Mann laut der Zeitung The London Evening Standard mit knapp 30.000 Pfund verschuldet sei und aufgrund seiner Finanzlage nicht geeignet für sensible Posten mit viel Verantwortung.
Aber er wird einfach immer weiter durchbefördert.
Und dieser Mann bringt in der Nacht Sarah Everett dazu, in sein Auto zu steigen.
Am 9.
März splitten sich die Ermittlungsteams.
Sarah ist jetzt seit fünf Tagen vermisst.
In London wird an der Stelle, an der Sarah mit Wayne in den Wagen stieg, fieberhaft nach Spuren gesucht.
Nach sowas wie Reifenspuren, Blut oder DNA.
Nach jedem Fitzel wird geforscht, denn vielleicht war ja ein weiterer Mensch im Auto.
Alles kann wichtig sein.
Zeitgleich klopfen die Ermittler in Kent bei ihrem Kollegen Wayne Cousins ziemlich nachdrücklich an die Haustür.
Ihre Bodycams zeichnen das alles auf.
Daher kann man das überall im Internet ansehen.
Was ist das also für ein Typ?
Wayne ist nicht nur Polizist, ein Mann, dem man von Gesetzes wegen schon vertrauen soll.
Es kommt noch ein Detail hinzu.
Wayne ist zweifacher Familienvater, lebt mit seiner Frau Olina und den beiden gemeinsamen Kindern in einem Häuschen.
Wayne und Olina sind seit 16 Jahren verheiratet.
An der Wand hängen Kinderfotos und Sportpokale.
Als Wayne Cousins die Haustür aufmacht, verschaffen sich die beiden Beamten sofort Zutritt, schieben ihnen einen Sessel ins Wohnzimmer und legen ihm Handschellen an.
Dank der Kameras sind wir auch hier fast live dabei.
Und jetzt sieht man diesen Mann endlich mal richtig.
Er hat eine Glatze, rötlich-graue Bartstoppeln und trägt ein schlabbriges T-Shirt.
Die Familienkatze springt rum.
Auf den ersten Blick sieht's hier ziemlich idyllisch aus.
Nur, dass dieser Familienvater offenbar der letzte ist, der die verschwundene Sarah Everett gesehen und mit ihr gesprochen hat.
Können die Polizisten aus ihm herauskriegen, wo die Frau ist und vor allem, was mit ihr passiert ist?
Den Beamten erzählt Wayne Cousins, warum er denn abends mit einem Mietwagen im Süden von London unterwegs war.
Er sei in Geldnot und eine osteuropäische Gangsterbande habe ihn bedroht.
Er solle für sie Frauen finden, sonst sei seine Familie in Gefahr.
Und weiter behauptet er, nein, er kenne keine Sarah Everett.
Er wisse auch nicht, wo sie ist.
Diese vollkommen unglaubwürdige Story wird sich gleich als Lüge entpuppen.
Der Polizist sagt mit ruhiger Stimme, Wayne Cousins habe jetzt die Chance, die Wahrheit zu sagen, weil er früher oder später Saras Familie gegenüberstehen werde.
und auch seine eigene dabei sein wird.
Und da sagt Wayne Cousins nochmal, ich schwöre, ich weiß nicht, wo sie ist.
Und er sagt mehrmals, honestly, also ehrlich.
Jetzt befragen ihn die Polizisten mit einer Mischung aus Geduld und Hartnäckigkeit.
Die Zeit läuft.
Sarah könnte in größter Gefahr sein, aber eben noch am Leben sein.
Und er sitzt in seinem Sessel, gestikuliert mit seinen Händen in Handschellen und blockt erstmal alles ab.
Das muss für die Cops auch eine echt blöde Situation sein.
Einer von ihnen sitzt da, hat als letzter die gesuchte Frau gesehen und hält sie womöglich irgendwo gefangen.
Und aus dem müssen sie jetzt so schnell wie möglich alles rauskriegen, ohne dass er völlig dicht macht.
Es ist ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit und sie müssen versuchen, ihn mürbel zu fragen.
Es dauert geschlagene 45 Minuten, bis Wayne Cousins endlich mit einem Teil der Wahrheit rausrückt.
Ja, er habe Sarah Everett entführt.
Er wird sofort abgeführt und steht natürlich auch unter Mordverdacht.
Der Polizist, der normalerweise Straftäter auf die Rückbank eines Polizeiautos drückt, sitzt jetzt selbst dort in Handschellen.
Hat die Polizei jetzt wirklich den Mann, nach dem das ganze Land sucht, Case Closed?
Und gibt es noch eine Chance für die entführte Sarah Everett?
Noch am selben Abend verteilen sich schon die ersten Schlagzeilen.
Die Met Police habe einen Mann Mitte 40 im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Sarah Everett festgenommen.
Es handele sich um einen Polizisten.
Und das geht natürlich sofort um die ganze Welt.
Ein Empörungsschrei geht durch die sozialen Medien.
Verantwortliche der Polizei treten vor die Presse und sondern ein Statement ab.
Das sei alles verstörend und entsetzlich, dass einer von ihnen so etwas tut.
Es klingt wie eine zusammengesetzte Erklärung aus dem Bullshit-Bingo von Behörden, ehrlich gesagt, um das mal so lapidar zu formulieren.
Denn wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Ja, was ist in dieser Nacht vom 3.
auf den 4.
März 2021 genau passiert?
Und wo ist Sarah?
Die Polizei wertet alle Handydaten von Wayne Cousins aus.
Er hatte am Morgen eine 12-Stunden-Schicht beendet und eigentlich einen freien Tag.
Er ist an diesem Abend von seinem Haus in Kent nach London unterwegs, fährt dann wieder nach Hause und von dort aus in ein Waldstück nahe seines Wohnortes.
Hier gibt's viele Tümpel, Teiche und eben viel Wald.
Schnell finden die Ermittler heraus, dass Familie Cousins dort ein Stück Land mit einer Hütte drauf besitzt.
Sofort fahren auch hier mehrere Einheiten hin.
Warum sollte er da an einem kalten Märzabend hingefahren sein?
Am 10.
März, fast eine Woche nach Sarahs Verschwinden, melden die Teams, dass sie menschliche Überreste im Wald nahe einem Teich gefunden haben.
Es handelt sich dabei um eine verkohlte Leiche, die einer Frau.
Ist es Sarah Everett?
Streifenwagen und Leichenwagen rasen sofort hin und parken dicht gedrängt am Waldrand, wie man in der BBC-Doku sehen kann.
Hier erzählt die Leitner-Mittlerin auch von einem traurigen Gänsehaut-Moment.
Als die verkohlte Frauenleiche aus dem Gebüsch getragen wird, dann nehmen alle Polizistinnen und Polizisten die Mütze ab, als Zeichen des Respekts.
Und jetzt kommt der schlimmste Moment in vermutlich jeder Polizeilaufbahn.
Wenn du zu völlig aufgewühlten Eltern fahren musst und die Nachricht überbringen, wir haben menschliche Überreste gefunden und vermuten, dass das ihr Kind ist.
Aber erst muss die Forensik das untersuchen und zwar anhand von Fingerabdrücken, falls das noch geht, oder aber anhand des Zahnstatus und Knochen- und Gewebeproben.
Einerseits hätte die Familie dann endlich Klarheit, andererseits natürlich die allerschlimmste Klarheit.
Kurze Zeit darauf steht das traurige Ergebnis fest.
Es ist die Leiche von Sarah Everett.
Der Frau, nach der gefühlt ganz England seit Tagen schon sucht.
Für die Eltern ist das ein Albtraum.
Ihr Kind geht an einem Abend von Freunden nach Hause und wird dann tot und verkohlt im Wald gefunden.
Für die Polizei beginnt jetzt die akribische Arbeit.
genau untersuchen, was passiert ist und dann an die Justiz übergeben.
Die größte Suchaktion der neueren britischen Geschichte ist zu Ende.
Man hat das Opfer und man hat einen Mordverdächtigen, der nicht mal das Rückgrat hat, alles lückenlos zu gestehen, sondern mit der Wahrheit nur stückchenweise rausrückt.
Es könnte hier fast enden.
Doch die Weltöffentlichkeit will natürlich antworten.
Wie konnte es soweit kommen, dass der Mann mit dieser Vorgeschichte in den Polizeidienst kommen und dort bleiben konnte.
Ja, und in die Trauer mischt sich jetzt immer mehr Wut, die vor allem in den sozialen Netzwerken lauter wird.
Mehr und mehr schmutzige Details kommen ans Licht, als Wayne Cousins Leben durchleuchtet und sein Rechner auseinandergenommen wird.
Wayne Cousins ist unter einem Fake-Namen regelmäßig auf Sex-Dating-Seiten unterwegs und bezahlt Escorts für sexuelle Dienste.
Er liebt Gewaltpornos und gilt als waffennah.
Und nicht nur der Drive-Thru oder wie wir sagen würden, Drive-In-Vorfall, drei Tage vor dem Mord, geht auf sein Konto, sondern ganze 16 gemeldete sexuelle Übergriffe, die alle nicht geahndet wurden.
Da fragst du dich natürlich schon, hätte Sarah gerettet werden können, wenn man einfach mal kurz auf wenigstens eines seiner Vergehen eingegangen wäre?
Vermutlich lautet auch hier die Antwort ja.
Laut mehreren Studien zum Thema sexuelle Gewalt greifen Menschen, die sich vorher selbst entblößt haben, nicht selten später zu Sexualstraftaten.
Wenn das also belegt ist, ist es umso unbegreiflicher, dass es hier keine strengeren Gesetze gibt.
Es ist eben keine Lappalie mit einer Erektion junger Frauen zu konfrontieren.
Es ist eine Straftat.
Andere Angestellte wären da längst gefeuert worden.
Aber Wayne Cousins Arbeitgeber, die Polizei, weiß von einigen dieser Umtriebe und hat nichts getan.
Und das, obwohl er ganz offen allerhand schlimme Spitznamen von seinen Kollegen bekommen hat.
Sie nennen ihn laut Daily Mail der Vergewaltiger oder der Perverse, weil sie von seinen Gewaltfantasien in Bezug auf Frauen wissen.
Wie krass, oder?
Ich glaube oder ich hoffe es einfach, dass das in jedem anderen Job zu einer Kündigung geführt hätte.
Aber ausgerechnet nicht bei der Polizei, deinem Freund und Helfer?
Das ist schon etwas entmutigend, ehrlich gesagt.
Und die Londoner Polizei winkt das jedenfalls alles durch.
Es sind Wayne Cousins eigene Kollegen, die ihn jetzt durchleuchten, obwohl viele seiner Abgründe intern ja schon bekannt waren.
Aber der öffentliche Druck ist riesig.
Die Leute wollen endlich antworten.
Und hier stoßen die Ermittelnden auf eine Chatgruppe, in der Wayne Cousins und drei weitere männliche Polizisten Mitglied sind.
Und die Chats offenbaren eine so finstere Seite der Ordnungshüter, dass man sich fragt, welchen Schutz man sich von denen überhaupt erhofft.
Ein Chat-Teilnehmer ist in seiner Einheit sogar Beauftragter für Rassismusfragen und Diversität.
Aber die Nachrichten sind genau das Gegenteil.
Es gibt Witze über queere Menschen, Vergewaltigungsfantasien, rassistische Beschimpfungen.
Und ja, das ist eine private Chatgruppe, aber das geht wirklich zu weit.
Vor allem mit ihrem berufsbedingten Hintergrund.
Kollegen von Wayne Cousins sagen später aus, er sei in seiner dienstfreien Zeit oft mit Handschellen, half da am Polizeigurt und Pfefferspray rumgelaufen.
27 Stunden nach seiner Festnahme wird Wayne Cousins also in der Polizeistation von Wandsworth verhört.
Auch hiervon gibt's Videoaufnahmen.
Während des Verhörs sitzt er hinter einer Plexiglasscheibe.
Auf seinem Kopf prangt ein riesiges weißes Pflaster.
In der Zelle des Hochsicherheitstraktes des berüchtigten Londoner Gefängnisses Belmarsh hat er laut The Standard versucht, sich selbst zu verletzen, indem er mit dem Kopf immer wieder gegen die Wand haut.
Daraufhin wird er nonstop bewacht, damit er sich nicht durch Suizid seiner möglichen Strafe entziehen kann.
Er bekommt ein Foto von Sarah Everett gezeigt und wird gefragt, ob er sie schon mal gesehen habe.
Auf alle Fragen antwortet er mit No Comment, also kein Kommentar.
Er sitzt zusammengekauert in der Ecke und schaukelt immer hin und her.
Die Beamtin, die ihn verhört, sagt ihm, er wisse ja wohl, dass man der Polizei vertraue, also auch Menschen wie ihm.
In den Nachrichten wird jetzt das Bild des damals 48-Jährigen gezeigt.
Am Tag darauf soll er vor Gericht erscheinen.
Und was jetzt für eine Empörung durch die Bevölkerung bis ins Königshaus geht, das ist wirklich krass.
In den sozialen Medien empören sich Frauen, rufen nach Protesten, die Zeitungen sind voll mit dem Fall und es ist ein richtiger Shitstorm.
Einerseits wollen große Teile der Bevölkerung, dass alles lückenlos aufgeklärt wird.
Aber viele Frauen wollen mehr und gehen weiter an ihrer Forderung.
Sie stellen die zentrale Frage, wer schützt uns in Zukunft vor so etwas?
Auch im britischen Unterhaus, deren Reihen durch Corona ziemlich ausgedünnt sind, wird reagiert.
Es werden die Namen aller Frauen vorgelesen, die im letzten Jahr gestorben sind.
Das allein dauert vier Minuten.
Alle Frauen kennen das Gefühl, auf der Straße nicht sicher vor sexueller Gewalt zu sein.
Und in den sozialen Netzwerken wird der Ruf nach Protest immer lauter.
Die Leute sind richtig wütend.
Denn die Frage ist ja, wenn seit langer Zeit klar war, dass es in der Polizei strukturellen Rassismus und Sexismus gibt und sogar explizite Vergewaltigungsfantasien ausgetauscht und Geschlechtsteile im Dienst entblößt werden, warum hat dann niemand eingegriffen?
Und so Sarah Everett und viele andere von einem furchtbaren Schicksal bewahrt.
In den sozialen Netzwerken zeigen sich Millionen Menschen fassungslos.
Text me when you get home.
Schreib mir, wenn du zu Hause angekommen bist.
Schreib die Influencerin Lucy Mountain auf Instagram, der Millionen Mal geteilt wird.
Ich lese euch mal vor, was sie schreibt.
Ich kann nicht aufhören, an Sarah Everett zu denken und daran, dass es für eine Frau nicht möglich war, nach Hause zu gehen.
Es ist unerträglich.
Wir haben alle schon unseren Live-Standort geteilt.
Wir haben alle unsere Schuhe gewechselt.
Wir haben alle unsere Schlüssel zwischen den Fingern gehalten.
Wir haben alle Anrufe getätigt, die echt oder gefakt waren.
Wir haben unsere Haare unter Kapuzen versteckt, sind in den Straßen gerannt.
Wir alle haben uns nach Fluchtwegen umgesehen.
Und das Bittere ist, so schließt sie, ist, dass das alles nicht mal spezielle Sicherheitsvorkehrungen sind, sondern das, was wir als kleine Mädchen schon lernen und was fast normal ist für uns.
Und warum?
Weil vielen Jungs nicht beigebracht wird, dass sie keinen Anspruch auf Mädchen haben, sondern Mädchen wird beigebracht, dass sie sich vor Männern besser schützen sollten.
Am 13.
März, neun Tage nach Sarah Everett's Verschwinden, soll es eine Mahnwache am Clappin Common geben.
Auf der Höhe dieses Parks ist sie nämlich zum letzten Mal lebend gesehen worden.
Blumen und Kerzen liegen hier, ein ganzes Meer davon.
Hunderte Menschen sind da, wütend, traurig und ratlos.
Mehrere Tage schwillt die Menge an, obwohl die Polizei droht, das Ganze aufzulösen.
Sogar Kate, die Frau von Thronfolger William, kommt, um Sarah Everett die letzte Ehre zu erweisen.
Sie ist ja Selbstmutter von zwei Söhnen und einer Tochter und hat jetzt zwar 24-7 Security, sie hatte vorher aber genügend Jahre, in denen sie als junge Frau nachts alleine durch London gelaufen ist.
Dann kommt ausgerechnet die Polizei und die Stimmung kippt.
Angeblich verstößt diese Mahnwache an der frischen Luft nämlich gegen die geltenden Corona-Maßnahmen.
Hier stehen Vorschriften über Menschlichkeit.
Die Beamten bilden einen Ring um das Mahnmal und stehen einer super wütenden Menge gegenüber.
Menschen schreien die Polizisten an.
Verhaftet euch selbst und geht nach Hause.
Es wird geschubst und Menschen fallen zu Boden.
Es ist, als entlade sich hier der ganze Frust.
Die Polizei soll doch die Bevölkerung, die Frauen beschützen und haben versagt.
Und jetzt pochen sie auf Regeln, statt endlich in ihrem eigenen Laden aufzuräumen.
Die Veranstaltung wird im Chaos aufgelöst, die Bilder gehen um die Welt.
Frauen werden niedergeschlagen und das auf einer Demo für die Sicherheit von Frauen und gegen Polizeigewalt.
Laut The Guardian ist die Autorin und Frauenrechtsaktivistin Patsy Stevenson eine von denen, die brutal zu Boden gedrückt wird.
Nur wenige Tage danach ist diese Patsy auf Tinder unterwegs.
Sie hat ein Gold-Abo und kann daher sehen, wer ihr Profil besucht.
Und siehe da, 50 Polizisten der Metropolitan Police haben ein Like dagelassen und noch viel mehr ihr Profil besucht.
Zufall oder Einschüchterung?
Sie bekommt laut Glamour Magazine und Guardian bald Morddrohungen, wird von einzelnen Beamten gestalkt, nur weil sie sich mit einem Mordopfer solidarisiert hat.
Die Polizei ist jetzt gezwungen zu handeln, denn eine Frau ist ermordet worden, eine andere, die sich mit ihr solidarisiert, wird bedroht.
Ist Patsy die nächste?
Und jetzt gibt es endlich Konsequenzen.
Die gesamte Führung wird ausgetauscht, während sich die ermittelnden Beamten auf die lückenlose Aufklärung des Verbrechens konzentrieren.
Das alles passiert unter Hochdruck, weil der Prozess schnell starten soll.
Und hier leisten die Teams wirklich Großes.
Das gibt's nur selten, dass ein Fall so gründlich aufgeklärt wird.
Ganz vielleicht liegt das ja daran, dass die leitende Beamtin eine Frau ist.
Wer weiß.
Jedenfalls ist jetzt endlich klar, was in dieser Nacht wirklich geschehen ist.
Denn endlich, endlich hat Wayne Cousins im Juli nach zahlreichen Verhören und Unterdruck die Entführung, die Vergewaltigung und den Mord an Sarah Everett gestanden.
Am 28.
Februar bucht Wayne Cousins in Kent einen Van bei einer Mietwagenfirma, den er ein paar Tage später, am 3.
März, um 16.45 Uhr abholt.
Er hat seinen freien Tag nach einer Zwölf-Stunden-Schicht.
Seiner Frau sagt er aber, er müsse arbeiten.
Schon 18 Tage vorher, am 10.
Februar, hat er sich laut Daily Mail bei, Achtung, Amazon, Handschellen und zwei Wochen später noch Teppichklebeband bestellt.
Am Abend des 3.
März, nachdem er den Van abholt, fährt er mit dem gemieteten Wagen nach London.
Wohl, weil er in einer Millionenstadt anonymer nach Frauen suchen kann als auf dem Land.
Eine Supermarktkamera zeichnet auf, wie er Haargummis kauft.
Der Grund dafür ist abwechselnd grauenvoll und absurd.
Aber dazu kommen wir später noch.
Wayne Cousins fährt mit dem gemieteten Van, dem Teppichklebeband und den Haargummis durch London.
Zwei ganze Stunden lang fährt er laut Daily Mail auf der Suche nach einem Opfer umher.
Um 21.35 Uhr sieht er dann zufällig Sarah Everett auf der Straße.
Das Telefonat mit ihrem Freund Josh hat sie da gerade beendet.
Der Mann sieht die junge Frau aus dem Autofenster und hält an.
Er sagt, er sei Polizist, zeigt seine Dienstmarke.
Er sagt, sie habe gegen die Corona-Maßnahmen verstoßen und er müsse sie jetzt abführen.
Das ist es eventuell, diese Unsicherheit ob der Regeln, weshalb Sarah also quasi freiwillig ins Auto einsteigt.
Vielleicht kommt es ihr seltsam vor, aber wir wissen es nicht, denn sie leistet zumindest draußen sichtbar keinen Widerstand.
Sie fragt nicht nach seinem Namen und seinem Dienstgrad, fragt nicht nach einem zweiten Beamten oder ruft als Rückversicherung die Polizei an.
Ehrlich gesagt fragt man sich auch selbst an der Stelle, ob man nachgehakt hätte.
Man vertraut einem Polizisten ja erstmal oder viele tun das zumindest.
Vielleicht hat sie auch ein bisschen Panik bekommen, weil sie glaubt, sie verstoße gegen die Regeln.
Da waren eben auch viele Menschen verunsichert.
Was sie denn jetzt gerade dürfen und was nicht.
Aber spätestens, als er ihr im Auto Handschellen anlegt, ist sie ganz sicher alarmiert.
Denn das geht jetzt wirklich zu weit.
Anderthalb bis zwei Stunden fährt man mit dem Auto von London nach Kent.
Und diese Strecke legt Wayne Cousins jetzt zurück.
Auf der Rückbank in Handschellen ist Sarah Everett, die jetzt wohl realisiert, dass sie in größter Gefahr ist.
Das müssen Stunden der Hölle gewesen sein.
Sie dachte wohl, sie tut das Richtige.
Sie steht da einem Polizisten gegenüber und merkt dann, dass der Typ eigentlich gerade gar nicht im Dienst ist und sich eigentlich auch irgendwie für jemand anderen ausgibt.
Der hilft dir gar nicht, sondern ist ein Verbrecher und du wirst gerade von dem entführt.
Die Todesängste kann man sich nicht mal im Ansatz vorstellen.
In Dover steigt Wayne Cousins mit seiner Geisel, die er immer noch Handschellen trägt, vom Miet in seinem Privatwagen um.
Aus Sarahs Handy nimmt er die SIM-Karte und wirft es in den Fluss.
Kurz angemerkt, wir sprechen jetzt über die Themen Vergewaltigung und Mord.
Springt etwa eine Minute vor, wenn ihr das nicht anhören wollt.
Und jetzt kommen zwei schlichte Sätze, die unfassbar bleiben.
Er fährt die kurze Strecke zu seinem Waldstück.
Dort vergewaltigt er Sarah vermutlich in seinem privaten Pkw.
Anschließend stranguliert er sie mit seinem Polizeigürtel.
Das sagt er laut Daily Mail den Polizeipsychologen.
Später werden in seinem Auto Gleitgel und die eben erwähnten Haargummis gefunden.
Laut seiner Aussage hat er die Gummis als Penisringe benutzt, um seine Erektion stabil zu halten.
Also diese Ironie entgeht einem jedenfalls nicht.
Und schrecklich ist es auch alles.
Um 2.34 Uhr in der Nacht kauft Wayne Cousins, das zeigen wieder Überwachungskameras, an einer Tankstelle eine heiße Schokolade und Snacks.
Der hat eben eine Frau vergewaltigt, unstranguliert und jetzt trinkt dieser Typ seelenruhig Kakao.
Das ist einfach unglaublich und dafür gibt es keine Worte.
Nur die verkrampften Hände deuten darauf hin, dass er nervös sein könnte.
Am 4.
März, gegen 8 Uhr früh, gibt er das Mietauto wieder ab und entschuldigt sich dann auf seiner Dienststelle.
Er könne wegen Stress nämlich heute leider nicht arbeiten.
Ein ganzer Tag vergeht.
Da gehen einem die merkwürdigsten Fragen durch den Kopf.
Was macht er da?
Frühstückte er noch mit seinen Kindern?
Ich meine, der Mann hat gerade eine junge Frau vergewaltigt und umgebracht.
Und dann kauft er um 11 Uhr vormittags an der Tankstelle einen Kanister Benzin.
Er hat sich für den nächsten Tag übrigens wieder krank gemeldet.
Auch diese Tankstellenüberwachungsaufnahmen gibt es.
Dann holt er im Baumarkt zwei große Abfallsäcke für Bauschutt.
In einem Waldstück besitzt seine Familie ja dieses kleine Holzhaus, das wir schon erwähnt haben.
Darin gibt es einen großen Industriekühlschrank.
Und dort bringt Wayne Cousins die Leiche von Sarah jetzt hin.
Noch am selben Tag geht er mit seiner Familie dort ganz gemütlich und abgebrüht in der Nähe spazieren.
Zwei Tage später, am 7.
März, übergießt er Saras Leiche mit Benzin und verbrennt sie in seinem Waldstück.
Ein Nachbar vom angrenzenden Grundstück sieht sogar die Flammen in seinem Garten.
Es wird sogar noch gruseliger.
Während die Leiche von Sarah Everett brennt, telefoniert Wayne Cousins seelenruhig mit seinem Tierarzt.
Er braucht einen Termin für seine Hündin, buchstabiert völlig ruhig den Namen.
Und der Grund ist doppelt absurd.
Sein Tier habe, so schreibt er Independent, Angst allein zu sein.
Der Mann hat eben eine Frau entführt, vergewaltigt, getötet und verbrannt und das Seelenleben seines Hundes belastet ihn gerade jetzt?
Nochmal, es ist unglaublich.
Die verkohlte Leiche verstaut er dann in zwei Bauschutzsäcken.
Dann versenkt er sie im Teich beim Grundstück.
Am 8.
März 2021.
Sarah ist seit vier Tagen tot und seit fünf wird sie vermisst.
Meldet sich Wayne Cousins wieder krank und gibt seine Dienstpistole und seine Handschellen ab.
Das klingt jetzt erstmal wie Kündigung, aber das ist wohl bei längerer Krankheit normal.
Einen Tag später löscht er am Abend all seine Handydaten.
Aber zu spät.
Seine Kolleginnen und Kollegen sind ihm da nämlich längst auf der Spur.
Im September 2021, sieben Monate nach dem Mord an Sarah, beginnt der Prozess gegen Wayne Cousins vor dem Londoner Old Bailey Gericht.
Ihm gegenüber im Gerichtssaal sitzen die völlig gebrochenen Eltern von Sarah, ihre ältere Schwester und ihr Bruder.
Sie haben durchgesetzt, dass ein riesiges Foto von Sarah die ganze Zeit über im Gerichtssaal steht.
Wenn der Mörder ihnen schon nicht in die Augen sehen kann, dann muss er aber sein Opfer ansehen.
Die Beweislage ist klar.
Der öffentliche Druck ist riesig.
Das Urteil fällt.
Wayne Cousins bekommt eine lebenslange Haftstrafe ohne die Chance auf vorzeitige Entlassung.
In der Urteilsbegründung heißt es, und ich zitiere jetzt, Sie haben das Vertrauen, das die Öffentlichkeit zu Recht in die Polizeikräfte von England und Wales haben darf, beschädigt.
Sie haben das Gefühl der Unsicherheit verstärkt, das viele in unseren Städten haben.
Im Gerichtssaal müssen sich harte Szenen abspielen.
Immer wieder brüllt Saras Vater den Täter an.
Er solle der Familie in die Augen blicken, der er so viel angetan hat.
Wayne Cousins aber schaut nur stur nach unten.
Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie sich die Eltern gefühlt haben müssen, mit so viel Trauer und Wut.
Dann spricht Sarahs Mutter direkt zu ihm.
Und das zitieren wir hier, weil es so wichtig ist.
Sie sagt, Sarah verbrachte die letzten Stunden auf dieser Erde mit dem schlimmsten Menschen.
Sie hat ihr Leben verloren, weil Wayne Cousins seine perversen Wünsche befriedigen wollte.
Es ist ein lächerlicher Grund.
Unsinnig.
Wie konnte ihm ein Menschenleben so wenig wert sein?
Ich koche vor Wut bei dem Gedanken daran, dass er meine Tochter behandelte, als wäre sie nichts und sie entsorgte, wie Müll.
Sie haben den Körper unserer Tochter verbrannt.
Sie haben uns weiter gefoltert, damit wir uns nicht von ihr verabschieden konnten.
Die Familien der Opfer haben zwar offizielle Gerechtigkeit durch seine Strafe, aber inoffiziell müssen sie ein Leben lang mit der Trauer leben.
Einen Monat später legt Wayne Cousins aber Berufung ein, weil er die Strafe abmildern will.
Das wird aber zum Glück abgeschmettert.
Ich glaube, die Justiz hat jetzt auch endlich mal die Schnauze voll, um es mal so zu sagen, von seinem Selbstmitleid.
Für die zurückliegenden Fälle der Selbstentblößung bekommt er 2023 sogar noch 19 Monate Haft on top.
Wayne Cousins, heute um die 53 Jahre alt, wird nicht einen Tag mehr in Freiheit verbringen.
Nur einen Tag nach dem Urteil verkündet die Polizei von London Maßnahmen, um Frauen besser zu schützen.
Sie räumt Fehler und Versäumnisse ein.
Wayne Cousins hätte nach dem ersten Vorfall gefeuert werden müssen.
Das alles könne dazu geführt haben, dass der Mann in seinem, Zitat jetzt, gefährlichen Glauben an seine Unbesiegbarkeit und seine Macht, Frauen sexuell zu dominieren und zu missbrauchen, bestätigt worden sei.
50 weitere Beamtinnen und Beamte werden auf belebten Plätzen in London positioniert.
Das ist bei einer 9-Millionen-Stadt nur leider lächerlich wenig.
Es gibt mehr Polizeistreifen.
Es wird eine Aufarbeitung der internen Skandale angekündigt und eine Aufstockung der Ermittlungsteams.
Außerdem sind vor allem Frauen, die sich einem einzelnen Polizisten in Zivil gegenüber sehen, aufgerufen, sich mit der Dienststelle per FaceTime verbinden zu lassen, um so sicher zu gehen, dass dieser Beamte wirklich im Auftrag handelt.
Oder die Notrufnummer 999 zu wählen.
Aber ganz ehrlich, ob Frauen diese Zeit haben, bevor einer angreift, ist auch ein bisschen illusorisch.
Eine Menge Männer erklären plötzlich in Talkshows, dass Frauen jetzt endlich streetwise werden sollen.
Sie sollen misstrauischer auf ihre Umgebung achten und im Notfall einfach davonlaufen.
Oh Mann.
Und dazu habe ich gar keine Worte.
Das alles bringt Sarah aber nun mal leider nicht zurück.
Auf ihrem Grabstein steht, in liebender Erinnerung an Sarah Rosemary Everett, 14.
Juni 1987 bis 4.
März 2021.
Ihre ganze Familie veröffentlicht sogenannte Victim Impact Statements.
Das ist in England in einem Strafprozess üblich und wird in schriftlicher Form hinterlegt, damit die Opfer die Auswirkungen der Tat auf ihr Leben beschreiben können.
Da schreibt ihre Mutter Susan, ich zitiere nochmal, Ich denke ständig an Sarah, aber morgens und abends ist es besonders schmerzhaft.
Morgens wache ich auf und realisiere, dass sie weg ist.
Abends, zu der Zeit, zu der sie entführt wurde, schreie ich still, steig nicht ins Auto, Sarah, glaub ihm nicht.
Und ihre Schwester Katie schreibt.
Verliert die Person das Bewusstsein.
Und du bist erleichtert, weil deine Schwester wohl nur acht bis zehn Sekunden lang realisiert hat, was passiert.
Ja, und dann wendet sie sich an den Mörder direkt.
Du hast deine Dienstmarke benutzt, um meine Schwester in dein Auto zu locken.
Sie saß mehrere Stunden in Handschellen darin.
Was dachte sie wohl?
Hat sie verbrochen?
Welche Lügen hast du ihr erzählt?
Wann hat sie gemerkt, dass sie die Nacht nicht überleben würde?
Die Schwester träumt laut eigener Aussage davon, die Trauzeugin und Tante für die Kinder ihrer Schwester zu sein.
All das findet jetzt aber nicht mehr statt.
Und jetzt passiert noch etwas Spannendes.
Immer mehr Frauen melden sich nach dem Prozess bei der Polizei und melden Übergriffe durch Polizisten.
Weitere Männer werden verhaftet, weitere Verbrechen aufgedeckt.
Viele Polizisten in ganz England werden suspendiert, einige wandern ins Gefängnis.
Es ist eine richtige Welle und das sind ziemlich viele schwarze Schafe.
Wenigstens ist etwas in Bewegung geraten, wenn dafür auch immer etwas Furchtbares passieren muss.
Der massive Druck der Öffentlichkeit hat dafür gesorgt, dass die Rape-Culture, das Machotum und die Verharmlosung sexueller Straftaten innerhalb der Polizei stillgelegt wurde.
2021 werden laut BBC außer Sarah Everett weitere 138 Frauen in England Opfer männlicher Mörder.
Eine unglaubliche Zahl.
Aber der Tod von Sarah Everett hat wenigstens dazu beigetragen, dass man sich die mal vor Augen führt.
Es ist eine harte Geschichte, aber wir wollten sie unbedingt erzählen.
Ja, zum einen, weil es zeigt, dass eine Öffentlichkeit durchaus Druck ausüben kann und weil es beweist, dass Frauen leider immer noch weitestgehend selbst auf sich und aufeinander aufpassen müssen.
Tja, das war die Geschichte von Sarah.
Anne, was sagst du?
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.
Das ist einfach nur furchtbar und total traurig und vor allem Sarah hat im Grunde genau die gleiche Lebenssituation wie ich.
Wir sind gleich alt, wir haben die gleichen Ziele und das macht es für mich natürlich nochmal so ein bisschen näher, sage ich mal.
und ich fühle mit, was wohl durch Sarahs Leben gegangen ist.
Und diese Situation, wir haben es ja jetzt öfter gesagt, Frau geht alleine abends nach Hause.
Ich weiß nicht, und das soll jetzt kein Vorwurf sein an unsere männlichen Zuhörer, ich weiß nicht, ob sich das ein Mann vorstellen kann, wie das ist.
Also diese Angst, die ist nicht übertrieben, die ist da.
Auch wenn mir zum Glück noch nie etwas Schlimmes passiert ist, bin ich trotzdem jeden Heimweg im Dunkeln vorsichtig.
Ich gehe keine Abkürzung, die ich tagsüber gehen würde.
Nein, tue ich nicht, weil ich mir dann immer sage, mach es nicht, du hast die Zeit, lass es nicht drauf ankommen.
Und ich habe auch schon Freunde angerufen.
Ich habe ein Pfefferspray immer dabei.
Ich nehme ein Taxi, wenn ich mich unwohl fühle.
Das ist meine Lebensrealität als Frau.
Und das ist nicht übertrieben.
Wir müssen diese Vorsicht an den Tag legen.
Und das ist scheiße.
Und sie kann auch manchmal nicht reichen.
Also Sarah war ja nicht, du hast es so oder so nicht verdient, egal in welcher Situation du dich begeben hast, dieser Gefahr ausgesetzt zu sein.
Aber sie war vorsichtig, sie ist nicht durch den Park abgekürzt.
Es war 21 Uhr, das ist jetzt auch nicht 1 Uhr morgens.
Also sie hat schon Sicherheitsvorkehrungen getroffen und es hat nicht gereicht.
Und das fand ich so frustrierend, als ich das gelesen habe.
Es macht es nicht leichter, wenn jemand unvorsichtig war.
Aber die Tatsache, dass du vorsichtig sein kannst und es nicht reicht, das finde ich unglaublich entmutigend.
Und ich finde auch die Situation, in der sie war, Polizist in Zivil, dachte sie zumindest.
Ganz ehrlich, ich hätte zu dem wahrscheinlich auch nicht gesagt, können wir mal bitte ihre Dienststelle anrufen, damit wir sie hier verifizieren können.
Hätte ich auch nicht gemacht.
ich wäre wahrscheinlich so überrumpelt gewesen, so wie, oh Gott, ich mache was falsch, ich habe gegen Corona-Regeln verstoßen.
Man sagt das jetzt so leicht, so ich wäre nicht eingestiegen.
Weiß ich nicht.
Also ich finde, man kann ihr da gar nichts vorwerfen.
Und auch, was die Polizei dann später festgelegt hat, so von wegen, ja, Frauen sollen sich bitte dann via FaceTime verbinden lassen.
Ja, schon wieder die Frau, die aber Sicherheitsmaßnahmen treffen muss.
Was du am Anfang der Folge gesagt hast, dass wir Frauen und dafür, ich muss uns jetzt alle in einen Topf schmeißen, dass wir darauf konditioniert werden, vorsichtig zu sein.
Also da muss noch viel passieren.
Gott sei Dank ist ja ein bisschen mehr Bewusstsein da.
Auf jeden Fall.
Das merkt man, glaube ich, schon daran, dass wieder Gegenproteste kommen, wo die Männer sagen, man muss streetwise werden.
Okay, thanks.
Vielleicht könnte man auch einfach gucken, wie schützen wir Frauen besser.
Aber das hoffen wir vielleicht, dadurch, dass man das erzählt, dass man das nochmal so aufbereitet, so ein Fall, dass ihr das vielleicht auch schon, wenn ihr nicht eh schon super vorsichtig seid, wovon wir ausgehen.
Ja, ich kenne zum Beispiel, um die letzte Geschichte noch kurz einzubringen, ich kenne auch Geschichten von Männern, die so aufmerksam sind, dass wenn es dunkel ist, dass sie mit, wie sagt man, freiwillig die Straßenseite wechseln, damit die Frauen, die in ihrer Umgebung sind, keine Angst haben müssen.
Und sowas, das ist eigentlich auch total bescheuert.
Ein netter Mann, von dem man keine Angst haben muss, wechselt trotzdem die Straßenseite, damit sich die Person ein bisschen wohler fühlt.
Und das finde ich toll, dass es da eben mittlerweile auch ganz viele Männer gibt, denen das sehr wohl klar ist, dass sich Frauen vielleicht ein bisschen fürchten auf dem Heimweg.
Das stimmt.
Mit der positiven Note wollen wir enden.
Wir hoffen, der Fall hat euch gefallen.
Wenn ja, dann schreibt uns gerne.
Auf Insta sind wir bei im Schatten der Macht.
alles ein Wort.
Oder auf YouTube gerne auch.
Wir lesen eure Kommentare und Gedanken unheimlich gerne und freuen uns, wenn ihr nächsten Donnerstag wieder dabei seid.
Bis dahin erstmal eure Ricardia und eure Anna.
Bis dann.
Danke an unser Team von Open Minds Media Executive Producer Rüdiger Barth Konzeption Peter Greve, Rüdiger Barth und Manfred Neumann Autorin Anna Gelbert Producer Ricardia Bremley Den Schnitt machte Lilli Johannsen.
Zusätzlich Unterstützung von Falko Schulte.