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#22 Der zerstörerische Prozess gegen Michael Jackson-was geschah wirklich?

Episode Transcript

Er ist einer der größten Musikstars aller Zeiten.

Viele seiner Songs sind zeitlose Megahits, die auch noch heute, also noch Jahrzehnte später, im Radio laufen.

Bis heute wird dieser Mann von Millionen von Fans auf der ganzen Welt geradezu kultisch verehrt.

Mit über 500 Millionen verkauften Platten ist er zudem auch einer der erfolgreichsten Sänger ever.

Daher wird er zu Recht der King of Pop genannt.

Die Rede ist von ihm natürlich, Michael Jackson, der mit nur 50 Jahren viel zu jung gestorben ist.

Im Laufe seiner Karriere hat er Hunderte von Millionen Dollar verdient und gibt noch mehr wieder aus.

Als er am 25.

Juni 2009 für die Öffentlichkeit völlig überraschend in Los Angeles stirbt, da hat er einen Schuldenberg in Höhe von 500 Millionen Dollar angehäuft.

Dem sollen allerdings Vermögenswerte über zwei Milliarden Dollar gegenüberstehen.

Vor allem die Rechte an seinen Songs sind wahnsinnig viel Geld wert.

Und dazu kommen noch Immobilien.

Sowohl sein riesiger musikalischer Erfolg als auch seine fehlende Fähigkeit, mit Geld umzugehen, finden ihre Ursachen sicherlich in seiner Kindheit.

Die verläuft für den späteren King of Pop regelrecht traumatisch.

Sein Vater herrscht über die Familie wie ein Diktator und er ist extrem dominant und missbraucht seine Macht als Familienoberhaupt auf brutalste Art und Weise.

Genau über diesen Machtmissbrauch werden wir ausführlich in unserer heutigen Folge sprechen.

Denn was der kleine Michael in seiner Kindheit und Jugend erleben muss, das wird noch das gesamte weitere Verhalten seines Lebens prägen.

Ein Verhalten, das ihn um ein Haar sogar ins Gefängnis gebracht hätte.

Am Ende wird es ihn schließlich das Leben kosten.

Und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Im Schatten der Macht.

Ich bin Ricardia Bramley.

Und ich bin Anne Luckmann.

Am 25.

Juni 2009 verändert sich das Leben von Millionen Michael-Jackson-Fans auf der ganzen Welt mit einem Schlag.

Um 14.44 Uhr Ortszeit veröffentlicht die Promi-News-Website TMZ eine exklusive Meldung.

Die ist schlicht mit der Headline Michael Jackson gestorben betitelt.

Nur 18 Minuten zuvor haben Ärzte des Ronald Reagan UCLA Medical Center in Los Angeles ihn für tot erklärt.

Es ist 14.26 Uhr.

Und diese Nachricht schlägt weltweit ein wie eine Bombe.

Die meisten glauben zunächst an einen schlechten Scherz.

Denn der King of Pop bereitet sich doch gerade intensiv auf seine gigantischen Abschiedsshows in London vor.

In 18 Tagen, am 13.

Juli 2009, soll das erste Konzert seiner finalen Tour stattfinden, die treffenderweise This Is It, also Das War's, heißt.

Bis zum 6.

März 2010, also mehr als ein halbes Jahr lang, soll er in der dortigen O2-Arena insgesamt 50 Konzerte geben.

Und jetzt soll er tot sein?

Doch es ist leider keine Fake-Meldung.

Als die Nachricht offiziell bestätigt wird, unterbrechen Radiosender auf der ganzen Welt ihr Programm und spielen Michael-Jackson-Songs.

Das US-Repräsentantenhaus legt sogar eine Schweigeminute ein.

Die demokratische Abgeordnete Diane Watson erklärt, wir erheben uns, um einen Star-Anerkennung zu zollen, der jetzt im Himmel ist.

Viele bekannte Stars und Politiker vieler Länder erklären ihre Betroffenheit über den Tod Michael Jacksons.

Viele Menschen in Los Angeles weinen und fallen sich in die Arme.

Hunderte versammeln sich vor dem UCLA Medical Center.

Einige versuchen sogar, die Türen aufzubrechen, denn das Krankenhaus wurde abgeriegelt.

Es ist irgendwie ein bizarres Szenario.

Google bricht sogar zusammen, weil es zu viele Anfragen über seinen Tod gibt.

In Deutschland werden Fans aufgefordert, ihre Trauer mit ihren Eltern, Geschwistern oder Freunden zu teilen oder die Nummer der Telefonseelsorge anzurufen, bevor sie sich irgendwas antun.

Nach langwierigen Ermittlungen stellt sich dann heraus, dass ihm sein Leibarzt, Dr.

Conrad Murray, versehentlich eine Überdosis des starken Narkosemittels Propofol gespritzt hat.

Michael Jackson leidet seit langer Zeit unter extremen Schlafstörungen.

Im Grunde kann er nur mithilfe von Narkosemitteln überhaupt einschlafen oder, besser gesagt, betäubt werden.

Auch in der Nacht auf den 25.

Juni 2009 macht er kein Auge zu, obwohl ihn zu diesem Zeitpunkt Dr.

Murray bereits Propofol verabreicht hatte.

Doch Michael ist mittlerweile an das Narkosemittel gewöhnt.

Er braucht immer mehr davon.

Daher bittet er den Arzt gegen 10.30 Uhr morgens um eine weitere Injektion.

Laut der Daily Mail sind seine letzten Worte vor seinem Tod und ich zitiere, Lass mich einfach schlafen.

Es ist egal, was passiert.

Ja, wobei er sicher nicht damit gerechnet hat, nie mehr aufzuwachen.

In den Stunden vor seinem Tod soll er in der Bibel gelesen haben und nach seinem Vater gerufen haben.

Und das ist sehr überraschend, denn Michael hatte sein ganzes Leben ein sehr kompliziertes Verhältnis zu seinem Strengvater.

Ja, und bis heute fragen sich viele sogar, ob sein Vater nicht ein Stück weit verantwortlich für den Tod seines berühmten Sohnes ist.

Und das schauen wir uns jetzt ganz genau an.

Der Schlüssel scheint, wie so oft, in der Kindheit und im familiären Umfeld zu liegen.

Michael Joseph Jackson wird am 29.

August 1958 in Gary im US-Bundesstaat in Derna geboren.

Gary ist eine Industriestadt, die damals rund 170.000 Einwohner zählt und zum Großraum Chicago gehört.

Zwei Jahre nach Michaels Geburt beginnt der wirtschaftliche Niedergang der Stadt.

Die zuvor florierende Stahlindustrie, die wird durch Automatisierung, Billigimporte und verlagerte Produktion ins Ausland schwer gebeutelt.

Es kommt zu Massenentlassungen, sozialer Ungleichheit und einem enormen Bevölkerungsschwund.

Michael ist das siebte von neun Kindern.

Die Eltern heißen Catherine und Joseph, genannt Joe.

Die Familie lebt in einem kleinen, einstöckigen Haus mit nur zwei Schlafzimmern.

Ziemlich klein für diese große Familie.

Für eine elfköpfige Familie bedeutet das extrem beengte Verhältnisse und fast keine Privatsphäre.

Stattdessen herrscht im Jackson House Zucht, Ordnung und ein hohes Maß an Disziplin, schreibt der Autor J.

Randy Tarabarelli in seinem Buch Michael Jackson – The Magic and the Madness.

Vater Joe ist ein ehemaliger Boxer und Arbeiter bei der Stahlfirma Inland Steel.

Doch insgeheim träumt er davon, als Musiker reich und berühmt zu werden und so aus der Armut zu entkommen.

Schon in jungen Jahren bringt er sich selbst das Gitarrespielen bei und wird Mitglied in einer Band namens The Falcons.

Doch als am 29.

Mai 1950 das erste Kind zur Welt kommt, Tochter Rebby, ist der Traum vorbei.

Joe ist da gerade mal 21 Jahre alt und muss jetzt für das Einkommen der Familie sorgen.

Ihm bleibt also nichts anderes übrig, als im nahegelegenen Stahlwerk anzuheuern.

Doch im Hinterkopf verfolgt er seinen Traum weiter.

Sein Plan ist, dass seine Kinder das schaffen, was er nicht erreicht hat, nämlich Popstars zu werden.

Mutter Catherine ist das genaue Gegenteil ihres Ehemanns.

Sie ist gläubige Zeugin Jehovas und lebt nach strengen religiösen Regeln und Prinzipien.

Sie wird als liebevolle, warmherzige und empathische Mutter beschrieben, die versucht, ihren Kindern Moral, Ordnung und Mitgefühl zu vermitteln.

Sie ist die stille Kraft im Hintergrund, freundlich und zurückhaltend.

Aber gegen das strenge Regiment ihres Ehemannes ist sie machtlos, Das berichtet Buchautor Randall Sullivan in Untouchable – The Strange Life and Tragic Death of Michael Jackson.

Joe Jackson hat also die absolute Macht über seine Familie.

Und vor allem seine Kinder bekommen das zu spüren.

Sein Erziehungsstil beinhaltet Kontrolle, Strenge und Gewalt.

Die Kinder müssen sich in allen Bereichen ihres Lebens nach seinem Willen richten.

Fehler?

Die werden nicht geduldet.

Den Kindern bleibt nur ihre Mutter, die sie tröstet.

Aber die wagt es nie, sich gegen ihren Mann zu stellen.

Schon in den frühen 1960er Jahren beginnen die drei ältesten Söhne, Tito, Jackie und Jermaine, gemeinsam Musik zu machen.

Joe erkennt sofort das Potenzial seiner Jungs und beschließt, aus ihnen eine professionelle Band zu formen.

1964 gründet er The Jackson Brothers.

Tito, Jackie und Jermaine sind zu diesem Zeitpunkt zwischen 10 und 13 Jahren alt.

Zwei Jahre später stoßen Marlon und Michael zur Band, die sich ab sofort The Jackson Five nennt.

Da ist Michael gerade einmal fünf Jahre alt.

Das muss man mal kurz wiederholen.

Fünf Jahre alt.

Zunächst ist Michael als Backgroundsänger eingeplant.

Doch das ändert sich bald.

Denn obwohl er der kleinste und jüngste in der Jackson Band ist, ist er der heimliche Star der Gruppe.

Denn Michael, der ist ein absolutes Naturtalent.

Sein Rhythmusgefühl und seine tänzerischen Bewegungen, die sind einzigartig.

Ganz zu schweigen von seiner Stimme natürlich.

Für Joe ist sein Sohn Michael wie ein Sechser im Lotto.

Er sieht in ihm nicht ein Kind, sondern einen zukünftigen Star und damit wertvolles Kapital.

So hart das auch klingen mag.

Und damit dieses Kapital die maximale Rendite abwirft, muss es geschliffen und gedrillt werden.

Und täglich wird mehrere Stunden lang geprobt.

Ein Fehler in einer Tanzchoreografie, ein falscher Ton oder ein vergessener Text werden mit harten Schlägen bestraft.

Während andere Kinder in dem Alter ins Kino gehen, sich ein Eis kaufen und mit Freunden spielen, gibt es für die Jackson Boys nur Proben und Auftritte.

Autor J.

Randy Terrible Rallye zitiert einen Nachbarn aus Gary und zwar mit folgenden Worten.

Sie durften nicht spielen.

Wenn sie draußen waren, dann übten sie.

Immer und immer wieder.

Joe war wie ein Soldat.

Eine normale Kindheit erleben die Jackson Kinder also nie.

Ja, das bestätigt auch Michael selbst auf der Website True Michael Jackson.

Dort wird er mit den Worten zitiert, Ich konnte nicht die Dinge tun, die andere Kinder tun können, wie Freunde haben, Pajama-Partys veranstalten und einfach Kumpel sein.

Bei mir gab es das alles nicht.

Ich hatte keine Freunde, als ich klein war.

Meine Brüder waren meine Freunde.

Vater Joe sieht in Michael den Schlüssel zum Durchbruch seiner Band.

Nach einem Jahr entscheidet er, und mal wieder im Alleingang, dass der mittlerweile sechsjährige Liedsänger der Jackson 5 werden soll.

Diese Rolle hatte bislang sein sechs Jahre älterer Bruder Jermaine inne, der sich von seinem Vater zu Recht an den Rand gedrängt fühlt.

Es kommt also zur ersten Spannung in der Gruppe, die Vater Joe allerdings nicht ausräumt, sondern einfach unterdrückt.

Er hat ja die Macht über alles.

Nachdem Michael das Frontmikro übernimmt, werden die Proben noch härter.

Diese finden täglich im Wohnzimmer oder in der kleinen Garage des Familienhauses statt.

Vater Joe überwacht dabei alles ganz genau.

Und er kennt kein Erbarmen.

Michael erinnert sich später in mehreren Interviews an den Drill.

Er sagt, wir mussten jeden Tag stundenlang proben, auch wenn wir müde oder sogar krank waren.

Es gab keine Gnade.

Noch schlimmer ist es für die Kinder, dass der strenge Vater die ganze Zeit daneben steht.

Dabei hält er auch noch seinen Gürtel griffbereit in der Hand.

Wenn einer der Jungs einen Fehler macht, dann setzt es brutale Schläge mit dem Gürtel, einem Kabel oder auch mal mit der bloßen Hand.

Michael berichtet, dass Joe ihn manchmal so brutal verprügelt, dass er sich danach übergeben muss.

Die Jungs leben so in ständiger Angst vor dem Vater.

Zuneigung bekommen sie dagegen keine von ihm.

1993, da sagt der 35-jährige Michael Jackson in einem Interview mit Oprah Winfrey, er sagte mir nie, dass er mich liebte.

Nicht ein einziges Mal.

Stattdessen fürchtete ich mich vor ihm zu Tode.

Das prägt ein kleines Kind natürlich sehr.

Die Erziehungsmethoden des kontrollierenden und gewalttätigen Patriarchen fügen Michael tiefe seelische Narben zu.

Er versucht daher, stets sein Bestes zu geben.

Sein großes Vorbild ist der Godfather des Souls, höchstpersönlich Mr.

Sex Machine James Brown.

Was eine gewisse Tragik darstellt, denn James Brown ist ähnlich wie sein Vater ein Schläger, der später eine seiner zahlreichen Ehefrauen verprügelt.

Das ahnt der junge Michael aber zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht.

Und mit nur sieben Jahren kann Michael James Brown perfekt imitieren.

Vater Joe organisiert immer mehr Auftritte für seine Jungs.

Die finden überwiegend in Nachtclubs statt, wie zum Beispiel im berühmten Regal Theater in Chicago oder im Apollo Theater in New York City.

In diesen Clubs fließt der Alkohol in Strömen und freizügige Damen bieten hier ihre Dienste an.

In Interviews erklärt Michael später, wie unangenehm ihm diese Auftritte waren.

Er sagt dazu, Ich musste oft meine Augen schließen, wenn Frauen sich vor uns ausgezogen haben oder anzügliche Sachen passiert sind.

Aber mein Vater zwang uns, weiter zu singen.

Die Band gewinnt einen Talentwettbewerb nach dem anderen und wird immer bekannter.

1968, als Michael gerade einmal zehn Jahre alt ist, unterschreiben die Jackson 5 einen Vertrag mit Motown Records, dem legendären Label, das Künstler wie Stevie Wonder, The Supremes und Marvin Gaye groß gemacht hat.

Barry Gordy, der Gründer von Motown, ist beeindruckt vom jungen Michael.

Er vergleicht ihn mit einem erfahrenen Entertainer in einem Kinderkörper.

Dieser Plattenvertrag ändert Michaels Leben radikal.

Sein Leben spielt sich ab sofort zwischen Tonstudios, Proberäumen und Konzertbühnen ab.

Während andere Kinder spielen, lernt Michael Tanzschritte und Songtexte oder bereitet sich auf Interviews vor.

Mit anderen Kindern hat er keinerlei Kontakt.

Schon als Kind lernt er, dass der Preis des Ruhms enorm hoch ist.

Privat wird er in dieser Zeit als schüchtern, ruhig, beinahe kindlich-naiv beschrieben.

Doch auf der Bühne verwandelt er sich dann aber zu einem charismatischen Popstar.

Bei Michael entwickelt sich eine Art innere Zerrissenheit.

Öffentlich ist er der gefeierte Künstler.

Privat ist er ein Kind, das nie zur Ruhe kommt.

Unter dieser Zerrissenheit wird er bis an sein Lebensende leiden.

Auch daran hat sein Vater leider einen großen Anteil.

Joe Jackson wird von seinen Kindern übrigens nie Dad oder Daddy genannt, sondern immer nur bei seinem Vornamen, Joseph.

Man kann deutlich erkennen, dass es keine liebevolle Beziehung zwischen dem Vater und seinen Kindern gab.

Vielmehr drückt der Vorname ja eine große Distanz aus.

Michael erklärt dazu später, Ich habe ihn nie Dad genannt, weil ich zu viel Angst hatte.

Er war sehr streng und sehr hart, einfach nur zum Fürchten.

Die Härte bekommt Michael, wie gesagt, auch körperlich zu spüren.

Die Angst vor dem Vater bleibt sein ganzes Leben.

Auch als Erwachsener und mega erfolgreicher Solokünstler, der Abermillionen Platten verkauft, zittert er am ganzen Körper, wenn sein Vater anwesend ist.

Joe Jackson misshandelt seine Kinder aber nicht nur physisch brutal, er manipuliert sie auch psychisch.

Er spielt seine Kinder zum Beispiel gegeneinander aus und redet ihnen ein, dass sie nur durch ihn etwas wert sind.

Ohne ihn, den Übervater und Manager, würden sie rein gar nichts im Leben erreichen.

Um seine unangefochtene Macht zu erhalten, macht er seine Kinder also emotional abhängig, kontrolliert und unterdrückt sie gleichzeitig durch Angst und Gewalt.

Es ist eine toxische Mischung für die Kinder.

Neben der Gewalt sind es vor allem die ständigen Demütigungen, die Michael nachhaltig zusetzen.

Joe macht sich regelmäßig über Michaels Aussehen lustig.

Besonders über seine Nase, die Joe als zu groß und breit empfindet.

Michael entwickelt große Komplexe und hat seit seiner Jugend ein extrem gestörtes Selbstbild.

Seine zahlreichen Schönheitsoperationen, die er später an sich vornehmen lässt, sind ganz offenbar ein Resultat der väterlichen Demütigungen.

Auch innerhalb der Band demonstriert Joe stets seine Machtstellung.

Er entscheidet bei den Jackson 5 alles im Alleingang.

Welche Songs live gespielt werden, wo seine Jungs auftreten müssen, welche Bühnenoutfits sie zu tragen haben und wem sie Interviews geben müssen.

Michael hat, wie seine Brüder auch, keinerlei Mitspracherecht.

Weder künstlerisch noch was sein Privatleben betrifft.

Seine Stimme darf er nur auf der Bühne erheben.

Was Joe Jacksons Verhalten für Michael so zerstörerisch macht, ist die Kombination aus Gewalt, Macht, Kontrolle, Demütigungen und fehlender väterlicher Liebe.

Selbst bei großen Erfolgen gibt es kein Lob.

Er betrachtet die Leistungen seiner Kinder als selbstverständlich.

Wenn die Jackson 5 beispielsweise eine goldene Schallplatte erhalten, wird das höchstens mit einem Nicken quittiert.

Emotionale Wärme gibt es nicht.

Die Mutter, die ihm vielleicht Unterstützung hätte geben können, sieht er selten, genau wie die anderen Geschwister, weil die Jackson 5 ja ständig unterwegs sind.

Ihm bleiben nur seine vier Brüder, die der Vater aber gegeneinander ausspielt.

Dieses Verhalten führt dazu, dass Michael im Laufe seines Lebens immer wieder die Nähe zu Vaterfiguren sucht, zu Managern, zu Produzenten oder sogar zu spirituellen Beratern.

Die Lehre, die sein Vater in ihm hinterlässt, versucht Michael auf unterschiedliche Weise zu füllen.

Durch exzentrisches Arbeiten zum Beispiel, durch den Bau der Neverland Ranch, durch das Streben nach Perfektion.

Doch die Angst, die er als kleiner Junge erlebt, die bleibt stets sein unfreiwilliger Wegbegleiter.

In den 2000er Jahren, also viele Jahre später, versucht Michael öffentlich den körperlichen und seelischen Missbrauch durch seinen Vater aufzuarbeiten.

In Interviews bleibt er dabei aber immer noch vorsichtig, aus Loyalität zur Familie, aber auch aus tiefer Verletzung.

Als Joe Jackson 2003 in der TV-Dokumentation Living with Michael Jackson darauf angesprochen wird, lacht er nur und erklärt, ich zitiere.

Und das ist doch echt unfassbar, oder?

Also vor allem meint der das ja vollkommen ernst.

Die psychischen Schäden, die Michael dadurch erleidet, die interessieren ihn nicht einmal nach dessen Tod im Jahr 2009.

Bis zu seinem eigenen Tod am 27.

Juni 2018 kommt nicht ein Wort der Selbstkritik über Joes Lippen.

Als Michael Jackson gerade einmal elf Jahre alt ist, gehen die Jackson 5 so richtig durch die Decke.

Ihre ersten vier Singles bei Motown Records, I Want You Back, ABC, The Love You Save und I'll Be There, schießen alle direkt auf Platz 1 der Billboard-Charts.

Noch nie zuvor war ein Kinderband so erfolgreich und im Zentrum dieses Hypes steht ein Junge mit einem außergewöhnlichen Talent, aber ohne Kindheit.

Für Individualität gibt es im Showbusiness für die Jackson 5 nämlich keinen Platz.

Die Band erhält vorgefertigte Songs, standardisierte Choreografien und identische Outfits verpasst.

Michael erinnert sich an die Zeit mit folgenden Worten.

Ich war wie eine Marionette.

Uns wurde gesagt, was wir sagen, was wir anziehen, was wir singen sollen.

Bei öffentlichen Auftritten lächelt er das zwar weg, aber innerlich zieht er sich immer mehr zurück.

Dieser Erfolg stimmt Joe Jackson aber nicht milde.

Im Gegenteil, er übt seine Macht und seine Kontrolle schlimmer aus denn je.

Er checkt die Hotelzimmer, überwacht Telefongespräche und verbietet Besuche.

Michael darf weder Freunde einladen noch auf eine Party gehen.

Er darf nicht einmal Comics lesen.

Typische Aktivitäten eines Kindes sind in den Augen seines Vaters reine Zeitverschwendung.

Michael hätte wohl eh keine Zeit gehabt, sich mit Freunden zu treffen.

Denn die Jackson Five sind ununterbrochen auf Tour.

Sie spielen in den USA, aber auch Europa und Asien.

Michael und seine Brüder müssen manchmal drei bis vier Mal am Tag auftreten.

Ausreichende Pausen gibt's auf keiner.

Auch Schulunterricht hat er keinen.

Joe heuert zwar private Tutoren an, aber meistens fällt der Unterricht aus, weil dafür einfach keine Zeit bleibt.

Michael selbst sagt später über diese harte Zeit, Ich saß in Hotelzimmern, während draußen Kinder spielten.

Ich schaute sehnsüchtig aus dem Fenster, konnte aber nie selbst raus.

Ich habe so oft geweint.

Ich wollte nur draußen sein mit anderen Kindern.

Diese Isolation verstärkt ein Gefühl, das Michael nie wieder loslässt.

Eine tiefe Entfremdung von Gleichaltrigen, von einer normalen Kindheit und vor allem von sich selbst.

Die Plattenverkäufe und die ausgedehnten Tourneen machen die Jackson 5 zum Millionären.

Doch der Ruhm und all das Geld sind hart erarbeitet.

Michael distanziert sich jetzt innerlich immer mehr von seinen Brüdern.

Vor allem mit Jermaine, den Michael als Liedsänger verdrängt hatte bzw.

Eher musste, gibt es große Spannung.

Die Brüder wissen, dass ihre Band ohne Michael nicht ansatzweise den gleichen Erfolg haben wird.

Und das gefällt ihnen gar nicht.

Ja, die Brüder fühlen sich nur noch als Statisten, während Michael stets im Mittelpunkt steht.

Irgendwie kann man das den Brüdern auch nicht verübeln.

Bei Meetings mit Plattenfirmen sitzt neben Vater Joe oft nur der zwölfjährige Michael mit am Tisch.

Tito, Jackie, Jermaine und Marlon bleiben außen vor.

Wobei Michael immer noch kein großes Mitspracherecht hat.

Zu diesem Zeitpunkt werden bereits auf Initiative von Motown Records erste Solo-Pläne geschmiedet.

Vater Joe ist begeistert, denn das bedeutet, dass zusätzliches Geld erwirtschaftet wird.

Was Michael von den Plänen hält, das interessiert weder die Plattenbosse noch seinen Vater.

In dieser Phase beginnt Michael, Tagebücher zu schreiben.

Diese privaten Notizen, die nach seinem Tod teilweise veröffentlicht werden, zeigen einen Jungen, der extrem einsam ist und sich nach Bezugspersonen sehnt.

So lautet zum Beispiel ein Eintrag, ich zitiere, Ich bin traurig.

Niemand versteht mich.

Ich wünsche, ich wäre jemand anderes.

Als Michael schließlich in die Pubertät kommt, entfremdet er sich auch noch von sich selbst.

Er lehnt die Veränderungen, die sein Körper durchmacht, ab.

Er hasst alles am Erwachsenenwerden.

Die Veränderung seiner Stimme, seines Körpers, seines Gesichts.

In Interviews sagt er später, dass er sich von der Natur verraten fühlte, weil sie ihn aus seiner kindlichen Rolle drängte.

Er beginnt, sich immer öfter durch die Augen seines Vaters zu sehen.

Als Projekt, als Produkt, als Figur, aber nicht als Mensch.

Viele Wegbegleiter berichten, dass Michael in dieser Zeit mit Schlafproblemen und nächtlicher Angst zu kämpfen hat.

Er kann oft nur mithilfe von Medikamenten einschlafen.

Schließlich sind eben diese Schlaflosigkeit und die Angst der Grund dafür, warum er auch viel später noch Medikamente dagegen einnimmt.

Er bekämpft seine Probleme mit immer stärkeren und höher dosierten Narkosemitteln und stirbt ja auch letztendlich daran.

Nur auf der Bühne fühlt er sich sicher.

Was paradox klingt, denn die Shows sind gleichzeitig seine größte Belastung.

Vielleicht ist es wie bei vielen Künstlern und Künstlerinnen, dass sie sich auf der Bühne besser zurechtfinden als im echten Leben.

Es ist schon fast überflüssig zu erwähnen, dass er in dieser hochsensiblen Phase keinerlei Support von irgendwem erhält.

Der Vater betrachtet ihn als Gelddruckmaschine.

Die Brüder sind neidisch auf seine Beliebtheit.

Die Mutter ist meistens weg und hat auch kein wirkliches Ohr für seine Probleme.

Und Freunde, denen er sich anvertrauen oder mit denen er sich austauschen kann, wie das ja normale Teenager so tun, die hat er nicht.

Michael bekommt nicht mal Zeit für sich selbst, um die ganzen Veränderungen einordnen zu können.

Er wird weiter von Auftritt zu Auftritt gejagt.

Die körperlichen Veränderungen stürzen den mittlerweile 13-jährigen Michael in eine schwere Krise.

Sein gesamtes künstlerisches Image basiert auf seiner kindlichen Erscheinung.

Die Plattenfirma Motown vermarktet ihn als süßes Wunderkind.

Und auch das Publikum will ja keine Veränderung.

Michael steckt in einem tiefen inneren Konflikt.

Sein Vater kontrolliert ihn jetzt noch strenger als je zuvor.

Was ja schon eigentlich nicht mehr möglich ist.

Denn Joe Jackson befürchtet, dass sein Goldesel wegen des Stimmbruchs kein Geld mehr verdient.

Michael wird also gezwungen, seine Stimme unter Kontrolle zu halten, was aber wirklich schwierig ist.

Immer wieder bedrängt ihn der Vater deswegen.

Michael selbst beschreibt diese Zeit später als, Zitat, die schlimmste Phase meines Lebens.

In seinen Tagebüchern aus dieser Zeit heißt es, Ich hasse es, wie ich aussehe.

Ich hasse meine Haut.

Ich hasse meine Stimme.

Auch erste kosmetische Eingriffe folgen bereits in dieser Zeit.

Er leidet vor allem unter seiner Nase, über die sein Vater ja immer wieder abfällige Bemerkungen gemacht hat.

Öffentlich beteuert Michael allerdings, dass er sich nur die Nase hat richten lassen, um besser atmen zu können.

Doch der wahre Grund ist ein anderer.

Er hat stets das Gefühl, nicht genug zu sein, so wie er ist.

Zahlreiche Biografien sprechen davon, dass Michael sich innerlich als hässlich empfindet.

Das Gefühl ist das traurige und tragische Resultat aus Fremdbewertung und fehlender Anerkennung durch Menschen, die ihn wertschätzen.

Allen voran natürlich sein Vater.

Von diesen Selbstzweifeln bekommt die Öffentlichkeit aber nichts mit.

Denn die stehen in krassem Gegensatz zu seinem beruflichen Erfolg.

Mit Songs wie Ben aus dem Jahr 1972, seiner ersten großen Solo-Single, beweist Michael erneut, dass er auch als 14-Jähriger großes Charisma und viel Talent besitzt.

Der Song über eine Freundschaft zu einer Ratte aus einem Film spiegelt seine tiefe Einsamkeit wieder.

Eine emotionale Bindung an ein Tier, weil Menschen ihn nicht wirklich kennen oder verstehen.

Der junge Michael ist gefangen zwischen zwei Welten, dem öffentlichen Leben als Star und der privaten Sehnsucht nach Normalität.

Interviews aus dieser Zeit zeigen einen zurückhaltenden, fast verlegenen Jungen, der höflich antwortet, aber oft traurig wirkt.

In einem Interview in der TV-Show Soul Train sagt er 1973 auf die Frage nach seinen Hobbys, Ich liebe es, mit Tieren zu spielen.

Sie fragen nichts, sie hören zu.

Diese Aussage zeigt auf tragische Weise, wie tief die Isolation schon ist, in der sich Michael befindet.

Während andere Jugendliche in dem Alter Partys feiern, rumknutschen oder die erste Liebe erleben, ist Michael rund um die Uhr von Erwachsenen umgeben, die sein Talent zu Geld machen.

Die wenigen Versuche, sich privat zu entwickeln, werden häufig unterdrückt.

Joe Jackson lässt keine Mädchenbesuche zu, verbietet Dates und kontrolliert jede Form von Individualität.

Michael lebt in einem emotionalen Vakuum.

Nur Erwartungen, keine Freundschaften oder gar Liebe.

In einem Interview mit dem Ebony Magazine aus dem Jahr 1984 sagt er Ich bin nie ein Teenager gewesen.

Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt.

Ich habe nie auf einer Abschlussfeier getanzt, nie mit einem Mädchen Händchen gehalten, ohne dass ein Fotograf dabei war.

Bereits als Teenager zeigen sich bei Michael Anzeichen einer beginnenden Depression und tiefsitzenden Angstschirung.

Wegbegleiter berichten, dass Michael zunehmend Schwierigkeiten hatte, vor Menschen zu sprechen, obwohl er beinahe täglich vor Tausenden singen kann.

Er bekommt Panikattacken, ist sehr schreckhaft und vermeidet sogar soziale Kontakte.

Mutter Catherine versucht zwar beruhigend auf ihn einzuwirken, doch sie ist ja selbst von ihrem dominanten Ehemann eingeschüchtert.

Ihre Liebe ist nie wirklich ein Gegengewicht zur Härte von Joe Jackson.

Daher bleiben Michaels seelische Konflikte unbehandelt.

Er beginnt sich zunehmend in einer Fantasiewelt zu flüchten.

Er schreibt Tagebücher, Gedichte und Songs und zeichnet viel.

Diese Welt ist der einzige Ort, an dem er die Kontrolle über sein Leben hat.

Innerlich bleibt er ein Kind, bis an sein Lebensende.

Das zeigt sich in seiner exzentrischen Neverland Ranch, die im kalifornischen Los Olivos etwa 65 Kilometer nördlich von Santa Barbara liegt.

Man sieht seine Kindlichkeit auch in seiner kindlichen Sprache und in seinem exzessiven Lebensstil.

Nach jahrelanger Kontrolle, Unterdrückung, Machtmissbrauch und der seelischen Belastung wächst in Michael ein unaufhaltsames Bedürfnis, das Bedürfnis nach Freiheit, künstlerisch, persönlich und menschlich.

Mit etwa 18 Jahren beginnt er vorsichtig, aber mit wachsender Entschlossenheit, sich von seinem Vater zu lösen.

Dieser Schritt ist ein innerer Befreiungsversuch aus einer Kindheit, die gar keine war.

Mitte der 1970er Jahre sinkt langsam der Stern der Jackson 5.

Die Erfolge bleiben immer mehr aus und die kreativen Differenzen mit Motown-Boss Barry Gordy häufen sich.

Die Jackson-Brüder und insbesondere Michael fühlen sich künstlerisch extrem eingeschränkt.

Bei Motown sind sie lediglich Interpreten fremder Werke.

Eigene Kompositionen sind nicht erwünscht.

Doch Michael hat längst begonnen, eigene Songs zu schreiben und frische Klangideen zu entwickeln.

Vor allem Michael strebt nach künstlerischer Freiheit.

Er setzt durch, dass die Band von Motown zur Plattenfirma Epic Records wechselt.

Endlich dürfen die Brüder ihre Songs selbst schreiben, produzieren und arrangieren.

Die Jackson 5 nennen sich ab dem Frühjahr 1976 übrigens nur noch The Jacksons, da Motown die alten Namensrechte hat.

Nur Jermaine, der Ex-Frontmann der Band, der bleibt bei Motown.

Denn er muss sich zwischen seiner alten Familie und seiner Ehefrau entscheiden.

Er ist nämlich mit der Tochter von Motown-Boss Barry Gordy verheiratet.

Jermaine wird durch Michaels drei Jahre jüngeren Bruder Randy ersetzt.

Der Wechsel zu Epic Records markiert einen Wendepunkt in Michaels Leben.

Es ist der erste Schritt weg von der absoluten Kontrolle und Macht seines Vaters.

Mit Alben wie Destiny 1978 und Triumph 1980 blüht Michael so richtig auf.

Besonders auf Destiny zeigt sich sein Talent als Songwriter.

Der Hit Shake Your Body Down to the Ground entstand aus einer gemeinsamen Idee mit seinem Bruder Randy.

Ohne Vater Joe, ohne Motown, ohne Zwang.

Michael entdeckt in dieser Zeit, wie viel Kraft in der Selbstbestimmung liegt.

In Interviews spricht er davon, wie befreiend es sei, endlich Musik zu machen, die von innen heraus, nämlich aus dem Herzen kommt.

Auch sein Auftreten verändert sich.

Er entwickelt eigene Tanzbewegungen, er experimentiert mit Mode und entwickelt seinen eigenen Style.

Trotz des kreativen Befreiungsschlags bleibt Vater Joe in Michaels Leben präsent.

Zwar hat er keinen offiziellen Einfluss mehr auf das Daily Business, der Bernd, und doch versucht er mit aller Macht, die Kontrolle zurückzugewinnen.

Immer wieder gibt es deshalb Auseinandersetzungen, die manchmal laut und manchmal subtil geführt werden.

Michael versucht das zu unterbinden.

Zu Interviews erscheint er ohne seinen Vater.

Stattdessen baut er sich ein eigenes Team aus Vertrauten auf, die Termine eigenständig für ihn organisieren.

Zu seinen Vertrauten gehört später vor allem der Manager Frank DeLeo und der Produzent Quincy Jones, der ab 1978 eine ganz entscheidende Rolle spielt.

Sowohl Frank DeLeo als auch Quincy Jones sind für Michael sowas wie Vaterfiguren.

Quincy Jones und Michael lernen sich am Set vom Musicalfilm The Wiz kennen, in dem der mittlerweile 20-jährige Michael 1978 die Rolle des Scarecrow, also Vogelscheuche, spielt.

Dort zeigt sich erstmals, dass Michael mehr ist als ein Popstar.

Er ist ein Künstler mit Vision und Quincy Jones erkennt das sofort.

Und Michael vertraut ihm vor allem.

Die beiden stürzen sich nach Abschluss der Dreharbeiten in die Arbeit.

Ein Jahr später nur ist das Resultat fertig.

Michael veröffentlicht 1979 sein allererstes Solo-Album, Off the Wall.

Die Platte entsteht, ohne dass Vater Joe oder jemand anderes aus der Familie Einfluss darauf nehmen konnte.

Off the Wall ist Michaels endgültiger künstlerischer Befreiungsschlag.

Er schreibt und produziert alle Songs selbst.

Der Stilmix aus Funk, Disco, Soul und Pop, der ist einzigartig und zeigt zudem Michael als gereiften, ausdrucksstarken Sänger.

Songs wie Don't Stop Till You Get Enough und Rock With You werden zu Welthits.

Ich hab jetzt schon Ohrwurm.

Das Album wird zwar von Kritikern hochgelobt, doch bei den Grammy Awards wird es nur in einer Nebenkategorie gewürdigt.

Michael ist enttäuscht und auch verletzt.

Er beschließt, noch größer, noch kompromissloser zu werden.

In seinem Tagebuch notiert er, ich werde nie wieder ignoriert werden.

Das nächste Mal wird die Welt zuhören.

Diese Haltung zeigt, dass der kleine Junge, der früher eingeschüchtert und zitternd vor seinem Vaterstand dabei ist, die Kontrolle über sein Leben zurückzuholen.

Trotz all dieser Erfolge und der Abnabelungsversuche bleibt Michaels innere Unsicherheit aber bestehen.

So einfach legt man sowas ja auch nicht ab.

Die Abnabelung von seinem Vater ist ein sehr emotional belasteter Prozess.

Die Stimme seines Vaters lebt in Michaels Selbstkritik nämlich weiter.

Noch Jahre später, sagt Michael in einem Interview, wenn ich in den Spiegel schaue, höre ich ihn sagen, du bist nicht genug.

Diese seelischen Wunden aus der Kindheit können ja eben nicht mal über Nacht heilen.

Michael hat zwar in letzter Zeit gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen, aber er misstraut auch vielen Menschen.

Daher baut er Schutzmauern auf, schirmt sich ab und spricht selten über seine Gefühle.

Er ist jetzt zwar frei, aber auch einsam.

Um sich von seiner Einsamkeit und seinen psychischen Problemen abzulenken, stürzt er sich geradezu in seine Arbeit.

Und das mit gigantischem Erfolg.

Der Nachfolger seiner ersten Solo-LP erscheint 1982.

Die Platte namens Thriller steht musikalisch, künstlerisch und kommerziell alles in den Schatten, was es zuvor gab.

Michael wendet sich von Soul und Disco Sound ab und macht ab sofort überragende Pop-Music.

Ja, und Thriller wird ein ikonisches Meisterwerk.

Zum Song Billie Jean performt er erstmals seinen legendären Moonwalk, bei dem die Beinbewegungen ein Vorwärtslaufen vortäuschen, während sich Michael tatsächlich aber rückwärts bewegt.

Für den Hit Beat It steuert der einflussreiche Rock-Gitarrist Eddie Van Halen ein Solo bei.

Und das 13 Minuten lange Video zu Thriller gilt bis heute als Meilenstein bei der Musikvideoproduktion.

Auch sein einzelner weißer Glitzerhandschuhe setzen modisch neue Maßstäbe.

Allerdings.

Sieben der neuen Songs der Platte werden als Single ausgekoppelt.

Alle landen in den Top Ten.

Billie Jean, Beat It und Thriller landen sogar auf Platz 1 der US-Charts.

Auch weltweit explodieren die Verkäufe.

Allein in Deutschland geht die Platte mehr als 1,5 Millionen Mal über die Ladentheke.

Und bis heute wurde Thriller mehr als 110 Millionen Mal verkauft.

Es ist das meistverkaufte Album aller Zeiten und jetzt mal ganz subjektiv gesprochen, das ist auch eines der besten Alben, die je in der Popmusik geschrieben wurden.

Ja, und auch der Nachfolger Bad aus dem Jahr 1987 wird ein riesiger Erfolg.

Songs wie Dirty Diana, Smooth Criminal oder Man in the Mirror werden ebenfalls bis heute auf vielen Partys gespielt.

Ihr habt sie bestimmt gerade alle im Ohr.

Michael Jackson ist am Zenit seines Schaffens angekommen.

Er ist der unbestrittene King of Pop.

Der gigantische Erfolg macht ihn zwar super reich, doch, man muss es leider sagen, die innere Leere, die Schlafprobleme und die depressiven Verstimmungen, die bleiben.

Daher beschließt Michael im Alter von 30 Jahren, einen Rückzugsort zu suchen, wo er sich voll und ganz ausleben kann.

1988 kauft er seine sagenumwobene Neverland Ranch für 17 Millionen Dollar, was heute einem Wert von 46 Millionen Dollar entspricht.

Hier ist er nicht der weltberühmte Popstar, sondern ein Mensch mit einer tiefen Sehnsucht.

Auf Neverland will er endlich die Kindheit leben, die ihm gestohlen wurde.

Neverland ist kein gewöhnlicher Wohnsitz.

Es ist ein Zufluchtsort, eine emotionale Rekonstruktion dessen, was Michael nie erfahren hat.

Das Anwesen im kalifornischen Santa Barbara County ist unvorstellbar groß.

Es umfasst 1100 Hektar.

Das Areal ist damit 200 Hektar größer als der Tegernsee in Bayern.

Hier gibt es alles, was Michaels kindliches Herz begehrt.

Auf Neverland gibt es eine eigene Eisenbahn, ein Kino, einen Vergnügungspark, einen Zoo, eine kleine Feuerwehrstation, Teiche mit Booten, Spielplätze und ausgedehnte Grünflächen.

Alles ist bis ins kleinste Detail liebevoll arrangiert.

Genau wie die fiktive Neverland-Insel des Autors James M.

Barrys, auf der Peter Pan, Tinkerbell, Captain Hook und die Lost Boys leben.

Michael liebt vor allem die Figur des Peter Pan.

Ein Junge, der sich weigert, erwachsen zu werden und für immer ein Kind bleibt.

Dem People Magazine sagt er, Ich baue mir die Kindheit, die ich nie hatte.

Ich will lachen, spielen, träumen.

Alles, was ich als kleiner Junge nie durfte.

Das Anwesen wird also das Spiegelbild seiner Seele.

Es ist farbenfroh, übergroß und verträumt und zugleich zutiefst fragil und verletzlich.

Doch was nutzen die schönen Dinge, wenn man keine erwachsenen Spielkameraden hat, mit denen man die Freude teilen kann?

Michael lädt daher regelmäßig Kinder ein.

Oft kommen sie aus schwierigen familiären Verhältnissen oder leiden unter Erkrankungen.

Er veranstaltet für seine neuen kleinen Freunde Karussellfeste, Filmnächte, Geschenkeaktionen, die er oft ganz persönlich organisiert.

In diesen Momenten blüht er auf, fühlt sich als Mensch, der gemocht und geliebt wird.

Er ist nicht der Superstar, sondern der Junge, der endlich Freunde hat.

Eine Erfahrung, die er sein ganzes Leben lang so schmerzlich vermisst hat.

Seine Beziehung zu den Kindern ist von Identifikation geprägt, nicht von Dominanz oder gar Macht.

Michael sieht sich selbst als Kind und agiert auf Augenhöhe mit seinen jungen Gästen.

In der TV-Doku namens Living with Michael Jackson sagt er folgendes.

Kinder lügen nicht.

Sie sind rein.

Sie sind ehrlich.

Ich will mit denen zusammen sein, die mich nicht bewerten.

Diese Sätze verraten, dass er immer noch unter der strengen Bewertung seines Vaters leidet, der ihm nie ein Lob gegeben hat.

Obwohl er mittlerweile der größte Popstar der Welt ist, nagen immer noch die Selbstzweifel an ihm.

Auf Neverland will er diesen negativen Gefühlen aus seiner Vergangenheit endlich entkommen.

Für Außenstehende ist dieses Verhalten oft, sagen wir mal, schwer zu verstehen, besonders im Licht späterer Vorwürfe.

Doch betrachtet man Michaels Kindheit mit dem Machtmissbrauch des Vaters, ergibt sich ein anderes Bild.

Er flüchtet in die Welt der Kinder, weil er unter Erwachsenen nur Kontrolle, Missbrauch und Schmerz erlebte.

Psychologen, die sich später mit Michael Jacksons Biografie befassen, beschreiben Neverland als eine Art posttraumatische Fantasiewelt.

Sie ist seine Möglichkeit, Kontrolle über die Umgebung zu haben, sich sicher zu fühlen, irgendwie normal zu leben, auf seine eigene, kindlich naive Weise.

Auf Neverland kann Michael bestimmen, wann gespielt wird, welche Filme gezeigt werden und wer eingeladen wird.

Das ist ein völliger Kontrast zu seiner eigenen Kindheit, in der ja alles fremdbestimmt war.

Durch Vater Joe, durch die Musikindustrie und durch den Druck des Ruhms.

Doch diese Welt ist auch irgendwie eine künstliche Bubble.

Je mehr Zeit Michael auf Neverland verbringt, desto mehr verliert er den Bezug zur realen Welt.

Mitarbeiter berichten, dass er oft wochenlang das Gelände nicht verlässt.

Laut Autor J.

Randy Tarabarelli spricht er mit Besuchern häufig in kindlicher Sprache.

Er lässt sich mit den sich selbst ausgedachten Fantasienamen Applehead oder Dudu ansprechen.

Michael driftet immer mehr ab.

Schon kurz nach seinem Einzug auf Neverland beginnen mehrere Medien, Michaels Lebensstil infrage zu stellen.

Sein Umgang mit Kindern, sein Aussehen und sein Verhalten werden zunehmend spekulativ, spöttisch und sensationsgierig kommentiert.

Es ist der schleichende Anfang vom Ende.

Das einstige gefeierte Wunderkind und der spätere King of Pop wird erst zum Exzentriker und dann zum Freak erklärt.

Boulevardzeitungen wie The Sun oder der Daily Mirror prägen den Begriff Wacko-Jacko, also Jackson der Spinner, der Verrückte.

Deshalb hasst Michael bis zu seinem Tod den Spitznamen Jacko.

Und schließlich wird er zum Verdächtigen, der sich vor Gericht wegen Missbrauchsvorwürfen verantworten muss.

Über diese Vorwürfe sprechen wir gleich auch noch.

Viele Menschen können oder wollen nicht verstehen, dass Michael nicht gefährlich, sondern zutiefst verletzt ist.

Seine vielen Fans stehen weiter zu ihm.

Doch die Klatschpresse wie National Enquirer und Star Magazine veröffentlichen immer weitere negative Stories.

Auch etablierte Medien wie der Rolling Stone oder die New York Times ziehen über Michael her.

Neverland, einst Ausdruck eines gebrochenen Herzens, wird als Tatort dargestellt, obwohl es nie Beweise für ein Fehlverhalten Michaels gibt.

Auf das Thema gehen wir gleich auch nochmal ein.

Der King of Pop fühlt sich von den Anschuldigungen tiefgekränkt.

Und dann erhebt auch noch im August 1993 ein Mann namens Evan Chandler den Vorwurf, sein 13-jähriger Sohn Jordan sei von Michael Jackson sexuell missbraucht worden.

Bevor er aber zur Polizei geht, versucht er, Michael um 20 Millionen Dollar zu erpressen.

Daher werfen ihm viele vor, dass er aus Profitgier gelogen hat.

Zunächst hat sein Erpressungsversuch keinen Erfolg.

Michael ist sich keiner Schuld bewusst und zahlt nicht.

Im Januar 1994 einigt sich Michaels Versicherungsfirma dann doch außergerichtlich mit den Chandlers.

Jordan erhält eine Abfindung von 15 Millionen Dollar.

Die Eltern on top nochmal 3 Millionen Dollar.

Danach kooperieren die Chandlers nicht mehr mit der Polizei.

Die Versicherungsfirma sieht die Zahlung eindeutig nicht als Schuldeingeständnis.

Sie will einen möglicherweise jahrelangen Rechtsstreit vermeiden, der am Ende mit den ganzen Anwaltshonoraren deutlich teurer werden könnte.

Zudem drohen Verluste bei Plattenverkäufen und Tourneen in Millionenhöhe.

Viele Jahre später soll der Sohn, also Jordan Chandler, nach dem Selbstmord seines Vaters die Missbrauchsvorwürfe bestritten haben.

Am 23.

November 2009 erklärt Michaels Bruder Jermaine während einer Wohltätigkeitsveranstaltung Folgendes.

Alles, was wir als Familie durchmachen mussten, die falschen Anklagen gegen meinen Bruder, als er 1993 der schlimmsten Sachen beschuldigt wurde.

Der Vater von diesem Jungen hat Selbstmord begangen, weil er einfach nicht mehr damit leben konnte.

Und jetzt hat sich der Junge zu Wort gemeldet und gesagt, dass Michael ihn nie angefasst hat.

Es scheint also so zu sein, dass es keinen Missbrauch an dem damals 13-Jährigen gab.

Dennoch ist Michaels Image mehr als angekratzt.

Und nicht nur das.

Sein geliebter Rückzugsort wurde quasi entweiht.

Michael selbst sagt in einem Interview mit Geraldo Rivera, sie haben mein Herz zerschlagen, sie haben mir Neverland genommen, der einzige Ort, der mir Frieden gab und ihn auch noch beschmutzt.

Zehn Jahre später kommt es noch schlimmer für Michael.

In der im Februar 2003 ausgestrahlten TV-Doku Living with Michael Jackson ist ein Teenager namens Gavin Arvizo zu sehen.

Der erklärt, dass er dank Michaels Hilfe seine Krebserkrankung besiegt hat.

Während des Interviews nimmt er Michaels Hand und lehnt sich an seine Schulter.

Er berichtet außerdem, dass beide im selben Raum, aber nicht im selben Bett übernachtet hätten.

Als der Bezirksstaatsanwalt von Santa Barbara County, Tom Sneddon, die TV-Doku sieht, beschließt er, Michael Jackson anzuklagen.

Obwohl die Eltern des Teenagers eindeutig erklären, dass es keinen Missbrauch ihres Sohnes gegeben habe.

Aber der Bezirksstaatsanwalt ist wie ein Bluthund, der seine Beute so lange jagt, bis sie erlegt ist.

Seltsamerweise nehmen sich die Eltern des Teenagers ein paar Monate später denselben Anwalt und denselben Psychologen wie die Chandlers vor zehn Jahren.

Warum sie das gemacht haben, darüber kann man nur spekulieren.

Der Verdacht auf ein finanzielles Motiv liegt natürlich nahe, auch wenn das nicht bewiesen ist.

Auf alle Fälle findet im November 2003 eine Razzia auf der Neverland Ranch statt.

Wildfremde Menschen durchwühlen und filmen jede Ecke von Michaels intimen Rückzugsort.

Es muss für ihn der blanke Horror gewesen sein.

Neverland hat endgültig seine Unschuld verloren.

Ja, und bei der Razzia wird kein belastendes Material gefunden.

Dennoch beginnt im Januar 2005 der Gerichtsprozess.

Michael Jackson wird in insgesamt zehn Punkten angeklagt.

Der schwerste ist sexuelle Belästigung von Minderjährigen.

Es ist ein nervenaufreibendes Verfahren für Michael, der sichtlich mitgenommen wirkt.

Am 13.

Juni 2005 wird er schließlich von den Geschworenen in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Nach seinem Freispruch kehrt Michael Jackson nie wieder dauerhaft nach Neverland zurück.

Er verkauft das Anwesen teilweise, der Parkbetrieb wird eingestellt und viele Tiere werden abgegeben.

Michael selbst bezeichnet Neverland später als verfluchten Ort, weil dort seine letzten Illusionen zerstört wurden.

All das macht Michael zu einer mehr als tragischen Figur.

Seine Kindheit wird ihm von seinem Vater gestohlen und der Versuch, sie nachzuholen, endet im Schmerz.

Neverland war seine letzte Hoffnung und wird zur großen Wunde in seinem Leben.

Dabei wollte er hier nicht nur seine eigene Kindheit nachholen, sondern auch seinen eigenen Kindern ein außergewöhnliches Zuhause geben.

Nach seiner kurzen Ehe mit der Elvis-Tochter Lisa Marie Presley heiratet er am 13.

November 1996 im australischen Sydney die Krankenschwester Debbie Rowe.

Michael hatte sie zuvor bei seinem Dermatologen Dr.

Arnold Klein in Los Angeles kennengelernt.

Es wurde viel spekuliert, wie diese Ehe denn wirklich abgelaufen ist.

Angeblich sollen die beiden keinen Sex gehabt haben und die beiden gemeinsamen Kinder mithilfe von künstlicher Befruchtung entstanden sein.

Das sagt Debbie Rowe nach Michaels Tod in einem Interview mit News of the World.

Auf alle Fälle gehen aus der Ehe Sohn Michael Joseph Jackson Jr., genannt Prince, der am 13.

Februar 1997 zur Welt kommt und die am 3.

April 1998 geborene Tochter Paris hervor.

Sein drittes Kind, Sohn Prince Michael Jackson II., folgt am 21.

Februar 2002.

Er bekommt den Spitznamen Blanket verpasst.

Blankets Mutter ist bis heute nicht bekannt.

Michael sagt dem britischen Journalisten Martin Beshear in der Doku Living with Michael Jackson lediglich, dass sie eine Schwarze sei.

Michael hat das alleinige Sorgerecht für alle drei Kinder.

Ja und vielleicht ist es euch gerade aufgefallen, denn der Name seines Erstgeborenen, der ist bemerkenswert.

Er heißt ja mit zweitem Vornamen Joseph.

Michael nennt seinen Sohn also wirklich nach seinem Vater, der ihm so viel in seinem Leben angetan hat.

Das ist nach den ganzen Horrorgeschichten, die wir euch heute schon erzählt haben, ja schon ein bisschen überraschend.

Man wird wahrscheinlich nie verstehen, warum, aber vielleicht versucht Michael auch nur möglicherweise, mit der Namensnennung seinem Vater wieder etwas näher zu kommen.

Schließlich ist er aber noch Joes Sohn, der sich trotz der Erniedrigungen und des Machtmissbrauchs wie jedes Kind nach Anerkennung sehnt.

Diese Wendung in ihrer Beziehung muss ungefähr Mitte der 1990er Jahre eingesetzt haben.

Denn wie der Autor Tara Borelli mit Bezug auf enge Vertraute von Michael schreibt, will der King of Pop bis 1993 nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben.

Wobei er ihn nie öffentlich an den Pranger stellt oder verbal auf ihn einprügelt.

In der Living with Michael Jackson Doku sagt der mittlerweile 45-jährige Michael Jackson beispielsweise, er hat getan, was er dachte, dass das Beste sei.

Aber ich hätte mir gewünscht, dass er mehr Liebe gezeigt hätte.

Diese Worte zeigen also keinen Hass oder Feindseligkeit, sondern eine tiefsitzende Enttäuschung, die nach vielen Jahrzehnten immer noch vorhanden ist.

Allerdings gibt es in der Familie Jackson auch ein unausgesprochenes Tabu.

Niemand darf Vater Joe offen kritisieren, obwohl viele der Kinder unter seiner Strenge leiden mussten.

Michaels Distanz zu Joe ist also ein emotionaler Selbstschutz.

Mitte der 1990er übernimmt Mutter Catherine eine Art Vermittlerrolle zwischen Vater und Sohn.

Michael liebt seine Mom aufrichtig, spricht häufig von ihrer Güte, ihren Kochkünsten, ihrer Rolle als moralisches Zentrum.

Wenn es überhaupt noch eine Kommunikation zwischen Michael und Joe gibt, dann läuft diese über Catherine.

Doch so richtig finden die beiden nicht mehr zueinander.

Anlässlich seines 30-jährigen Bühnenjubiläums als Solokünstler tritt Michael Jackson 2001 in New York auf.

Es ist ein spektakulärer Abend mit alten Weggefährten, Stars und auch der Familie.

Als er seine Eltern auf die Bühne bittet, da begrüßt er seine Mutter sehr liebevoll.

Vater Joe erwähnt er lediglich namentlich.

Dabei hat er eine sichtbar angespannte Körperhaltung.

Laut Miko Brando, Sohn von Hollywood-Legende Marlon Brando und 25 Jahre lang ein enger Freund Michaels, soll er anschließend im Backstage-Bereich gesagt haben, ich wollte, er würde mich einmal umarmen und sagen, ich bin stolz auf dich, nur einmal.

Da ist Michael bereits 43 Jahre alt, als er das sagt.

Rund drei Jahre vor Michaels Tod gibt es einen letzten Versuch der Versöhnung.

2006 besucht Michael die Beerdigung seines Idols James Brown.

Dort trifft er auch seinen Vater.

Beobachter berichten von einem kühlen Händedruck, einem kurzen Gespräch, begleitet von Michaels dunklem Blick.

Es ist kein Moment der Versöhnung, aber wohl einer des gegenseitigen Respekts.

Zum mehr reicht es bei den beiden einfach nicht mehr.

Später sagt Joe Jackson in einem Interview und ich zitiere.

Ich liebe alle meine Kinder, auch Michael.

Ich war streng, ja, aber ohne Disziplin hätten wir nichts erreicht.

Es ist das Eingeständnis eines Vaters, der nie seine Handlungen hinterfragt, aber spürt, dass er etwas verloren hat.

Nach Michaels Tod am 25.

Juni 2009 zeigt sich Joe Jackson öffentlich betroffen, aber auch zurückhaltend.

Viele Fans und Beobachter werfen ihm emotionale Kälte vor.

In Interviews betont er vor allem wirtschaftliche Aspekte, spricht von der Marke Michael.

Über die Liebe zu seinem Sohn verliert er kein Wort.

Das nehmen ihm viele übel.

Laut engen Familienmitgliedern soll Joe in einem privaten Moment geweint haben.

Allein, still und verbittert.

Vielleicht aus Scham und Reue?

Vielleicht wegen des Verlusts des Sohnes?

Vielleicht aus Schuldgefühlen?

Wir werden es wahrscheinlich nie wissen.

Wenig überraschend erwähnt Michael seinen Vater in seinem Testament nicht.

Mutter Catherine wird als Vormund seiner Kinder eingesetzt.

Das Testament ist ein letztes deutliches Zeichen der inneren Trennung.

Ein Akt der Klarheit, der Distanz, aber eben auch keiner Rache.

Die Beziehung zwischen Michael und Vater Joe bleibt ein tragisches Kapitel moderner Popgeschichte.

Sie steht exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen elterlicher Macht und künstlerischer Freiheit, zwischen seelischem und körperlichem Missbrauch und äußerem Erfolg.

Sie steht aber auch für die Macht von Plattenlabels.

In diesem und vielen anderen Punkten erinnert Michaels Geschichte übrigens an eine Folge, die wir schon gemacht haben, nämlich mit Britney Spears, wenn ihr da mal reinhören möchtet.

Tja, und Michael Jackson wurde zwar berühmt, weltberühmt, aber der Preis war seine Kindheit, seine Jugend und letztlich ein Teil seines inneren Friedens.

Seine Musik, sein Tanz, seine Kunst waren immer auch ein Schrei nach Liebe, nach Gesehenwerden und nach Anerkennung.

Und wer weiß, hätte es den Machtmissbrauch des Vaters nicht gegeben, dann hätte Michael vielleicht auch nicht die Schlafstörung gehabt, die er mit starken Narkosemitteln zu behandeln versucht hat.

Dann könnte der King of Pop heute vielleicht noch leben.

Michael Joseph Jackson würde am 29.

August 2025 seinen 67.

Geburtstag feiern.

Einmal durchatmen.

Einmal durchatmen, ja.

So als Michael-Jackson-Fan ist das schon sehr berührend, oder?

Voll.

Und ich muss auch sagen, das ist hier wieder ein Paradebeispiel.

Oder vielleicht kann ich da jetzt auch nur für mich sprechen, dass ich so ein paar Informationen wusste.

Und ich meine, klar weiß ich, wer Michael Jackson ist.

Das lief bei uns zu Hause auch früher.

Aber ich war mir gar nicht so sicher, was war denn da mit den Missbrauchsvorwürfen?

Und manchmal reicht einfach eine Info, die sich dann für immer verbreitet und in den Köpfen der Menschen fest verankert ist, obwohl eben die Anklagen fallen gelassen wurden.

Alle.

Und den Punkt bekommen dann halt viele Leute auch nicht mehr mit.

Deswegen hat mir diese Folge auch nochmal ganz viel gezeigt, was ich gar nicht wusste über das Leben von Michael Jackson und was auch immer da abgelaufen ist.

Und ob man das komisch findet mit seiner Neverland Ranch, finde ich, kann man das aber schon jetzt ein bisschen besser nachvollziehen.

Dieses Kind oder dieser Mann, der hatte einfach gar keine Kindheit.

0,0, gar nicht.

Und ich glaube, das kann sich niemand von uns vorstellen.

Nee, und mir fällt auch immer wieder auf, also das kann man sich echt auch nicht wünschen, diesen Fame.

Also das ist so ein hoher Preis, den er da zahlt.

Und natürlich fragst du dich aber auch, okay, wenn der Vater ihn jetzt nicht so diszipliniert hätte, wäre er dann so gut geworden, aber gleichzeitig...

Will man, dass ein Kind, eine Seele diesen Preis zahlt?

Also da ist man schon ein bisschen schizophren, weil der war so talentiert.

Und ich kann das aus meiner eigenen Teenagerzeit sagen, als der kam, waren alle so, wer ist das denn?

Was macht der denn da?

Noch nie gesehen, was der gemacht hat.

Noch nie gesehen.

Und dann dieses Thriller-Video, das war auch dramaturgisch.

Das hatten wir noch nie gesehen, sowas.

Und dann zu sehen, was es ihn aber gekostet hat, bis an diesen Punkt zu kommen, das ist immer so lachend und auch ein bisschen weinend, wenn man das beobachtet.

Ja, der Grad ist wahrscheinlich sehr schmal zwischen ich fördere das Talent meines Kindes und ich trieze, mein Kind weiterzumachen.

Ich meine, Kinder haben ja immer mal Phasen, in denen sie keinen Bock haben.

Und dann ist ja auch so eine Motivation vielleicht ganz gut, aber wann hört man auf zu motivieren?

Wann hat das Kind wirklich keinen Bock?

Aber der Vater hat es ja wirklich zu 100 Prozent darauf abgesehen, dass seine Kinder zu Weltstars werden, nur weil er seinen Traum nicht leben konnte.

Das ist ja immer das Gefährliche.

So, dass du deine Leidenschaft deinen Kindern mitgibst.

Das ist ja auch toll, dass du sie dann an die, in dem Fall Musik heranführst.

Aber ja nicht zu dem Preis, wie du schon sagst.

Und das ganze Geld, was er verdient hat, der weltweite Ruhm.

So viele Menschen haben ihn geliebt.

Und wenn er alleine in einem Raum war, war er eine ganz traurige Seele.

Das finde ich, ist es nicht wert.

Aber da würden uns eure Meinung interessieren, ob ihr glaubt, dass das ein zu hoher Preis war.

Aber mich würde, glaube ich, auch selber interessieren, was habt ihr denn alle gemacht, an dem Tag, als ihr erfahren habt, dass Michael Jackson gestorben ist.

Weil ich glaube, ganz viele von uns wissen das vielleicht sogar oder wissen, was ihre Eltern gemacht haben.

Schreibt es uns auf zum Beispiel Instagram, da sind wir im Schatten der Macht oder auf YouTube.

Und am allerliebsten hätten wir es natürlich, ihr lasst uns eine Bewertung da, markiert das Glöckchen, damit ihr jeden Donnerstag von der neuen Folge erfahrt.

Bis dahin erstmal, eure Ricadia.

Und Anne, bis dann.

Danke an unser Team von Open Minds Media.

Executive Producer Rüdiger Barth, Konzeption Peter Greve, Rüdiger Barth und Manfred Neumann.

Autor Stefan Weber.

Producer Ricardia Bremley.

Den Schnitt machte Lilli Johannsen.

Zusätzliche Unterstützung von Falko Schulte.

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