Episode Transcript
Ein begnadeter Songschreiber und Mitglied in einer der größten und bedeutendsten Rockbands aller Zeiten.
Ein musikalischer Visionär.
Doch für einige ist er ein gefährlicher Aktivist für Frieden und Freiheit.
Ihr habt es wahrscheinlich schon im Titel zur heutigen Folge gesehen, um wen es geht.
Denn es geht um keinen geringeren als um John Lennon.
Mitbegründer, Sänger und Gitarrist der britischen Band The Beatles.
Was viele sicherlich auch schon wissen, John Lennon fiel am 8.
Dezember 1980 im Alter von nur 40 Jahren einem Mordanschlag zum Opfer in New York City.
Um es gleich vorwegzugreifen, John Lennon war eine ambivalente Persönlichkeit mit vielen widersprüchlichen Facetten.
Er stellt eine Bedrohung für das FBI dar und wird sogar staatlich überwacht.
Auf der anderen Seite ist er nicht nur Opfer, sondern missbraucht auch selbst seine eigene Macht, öffentlich und privat.
In unserer heutigen Folge geht es daher weniger um John Lennons musikalisches Werk, sondern um Überwachung und Einschüchterung, um Gewalt und Medienmacht.
Und Selbstinszenierung.
Und wir werden versuchen zu erklären, wie das alles mit dem Mord an ihm zusammenhängt.
Und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Im Schatten der Macht.
Ich bin Ricardia Bramley.
Und ich bin Anne Luckmann.
Wir beginnen unseren Fall mit dem Attentat auf John Lennon.
Es ist der 8.
Dezember 1980, ein Montag.
In New York herrscht klares Wetter, die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt.
Gegen 16.30 Uhr verlässt John Lennon mit seiner Ehefrau, Yoko Ono, die selbst übrigens eine ganz geniale Künstlerin ist, The Dakota, also das sogenannte Dakota Building.
Ein Apartmentkomplex, der an der Upper West Side von Manhattan liegt, direkt am Central Park West zwischen der 72.
und 73.
Straße.
John und Joko leben hier bereits seit 1973, also schon seit sieben Jahren.
Laut der Architektin Natalie Perry gilt das Dakota als das berühmteste Apartmentgebäude New Yorks.
Es wurde zwischen 1880 und 1884 im Stil der deutschen Renaissance erbaut und ist wirklich wunderschön.
Viele Künstler leben hier, wie beispielsweise der Musiker Paul Simon, Der Komponist und Dirigent Leonard Bernstein, die Schauspielerin Rosie O'Donnell und Jodie Garland und viele weitere Stars und Sternchen.
Was wirklich verrückt ist, wer dort eine Wohnung haben möchte, muss erst ein Bewerbungsverfahren durchlaufen, das 1000 Dollar kostet.
Und wie das ausgeht, das weiß man vorher nicht.
So wurden in der Vergangenheit Superstars wie Cher, der Sänger Billy Joel und Pop-Ikone Madonna abgelehnt.
Das Problem hatten John und Yoko offenbar nicht.
1973 kauft das Paar laut der Website New York aktuell im Dakota gleich fünf Wohnungen.
Zwei zum Leben und eine als Gästeapartment.
Die anderen beiden Wohnungen werden als Kunststudio für Yoko Ono und Lagerraum genutzt.
Die beiden bewohnen überwiegend eine 135 Quadratmeter große Wohnung im siebten Stock mit viereinhalb Meter hohen Decken.
Als John und Yoko am besagten 8.
Dezember 1980, zehn Jahre nach der Trennung der Beatles, das Gebäude verlassen, um sich auf den Weg zum Record Plant Studio auf der 44.
Straße am Times Square zu machen, warten vor dem Dakota bereits mehrere Fans.
Es ist kein ungewohnter Anblick.
Manche Anhänger vergöttern John Lennon geradezu.
Und John nimmt sich normalerweise auch Zeit für Autogramme und ein bisschen Smalltalk.
Falls er auf den Ferntrubel keine Lust hat, steigt er einfach im Innenhof des Dakota in eine Limousine und lässt sich durch den hohen Torbogen an den Fans vorbeifahren.
In der kleinen Menge steht auch ein 25-jähriger Fan, der extra aus Hawaii angereist ist, um sich die kürzlich erschienene LP Double Fantasy von John Lennon signieren zu lassen.
John nimmt den Stift in die Hand und unterschreibt auf dem Cover der Vinylplatte.
Es ist das fünfte gemeinsame Album von John Lennon und Yoko Ono.
Dann fragt er den 25-Jährigen noch, ob er sonst noch irgendwas für ihn tun könne.
Der junge Mann ist so perplex, dass er nichts darauf zu antworten weiß.
Auch der Fotograf Paul Gorish ist zufällig vor Ort.
Er hat sich ein freundschaftliches Verhältnis zu John aufgebaut, hängt oft vor dem Dakota ab, um ein bisschen mit dem Musiker zu quatschen oder auch spezielle Momente auf Fotos festzuhalten.
So fotografiert er die Situation, als John auf dem Album unterschreibt.
Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnt, es wird das letzte Foto des lebenden John Lennon sein, denn ein paar Stunden später ist er tot.
Nach rund sechs Stunden kehren John Lennon und Yoko Ono nach ihrem Studiobesuch gegen 22.50 Uhr zum Dakota zurück.
Normalerweise lassen sich die beiden um diese Uhrzeit von ihrem Chauffeur direkt in den Innenhof fahren, um von dort sicher ins Gebäude zu kommen.
Aber heute Abend steigen sie vor dem Apartmentkomplex aus.
Joko und John wollen ihren fünfjährigen Sohn Sean nur noch kurz einen Gute-Nacht-Kuss geben und dann weiter zu einem Treffen fahren.
Daher soll der Fahrer einfach mal kurz auf der Straße warten und sich nicht mühsam erst durch den engen Torbogen in den Innenhof quälen, um kurz darauf dann ja wieder auf die Straße fahren zu müssen.
Am Torbogen des Dakota-Gebäudes steht der Fan, der sich am Nachmittag die Platte unterschreiben ließ.
Als John und Yoko an ihm vorbeigehen, fragt dieser Mr.
John Lennon?
Im nächsten Moment peitschen fünf Schüsse durch die Nacht.
Vier davon treffen John aus sechs Metern Entfernung in den Rücken.
Zwei Kugeln stecken in John Lennons Lunge, eine in seinem linken Schulterblatt und eine zerstört die Halsschlagader.
Der schwer verletzte Musiker taumelt noch vier Stufen zum Hauseingang hinauf und ruft, I'm short, I'm short.
Dann bricht er auf der Treppe zusammen.
Ein Polizeiwagen ist als erster am Tatort.
Weil John offenbar lebensgefällig verwundet ist, bleibt keine Zeit, um auf einen Krankenwagen zu warten.
Die Polizeibeamten laden ihn daher vorsichtig in ihr Fahrzeug und fahren den Musiker in das nahegelegene Roosevelt Hospital, wo er noch bei Bewusstsein ist.
Doch die Verletzungen sind zu massiv.
Der Täter verwendete Hohlspitzgeschosse.
Die deformieren sich, wenn sie auf einen menschlichen Körper treffen und richten daher noch größeren Schaden als normale Projektile an.
John Lennon verliert innerhalb weniger Minuten Unmengen an Blut.
Er wird rund eine Viertelstunde nach den Schüssen im Roosevelt Hospital um 23.07 Uhr für tot erklärt.
Er wurde nur 40 Jahre alt.
Die Aufregung vor dem Dakota ist natürlich riesengroß.
Einen Mord an einem Superstar auf offener Straße ist selbst in New York City nicht alltäglich.
Nur eine Person sitzt seelenruhig da und liest den Roman Der Fänger im Roggen des Schriftstellers J.D.
Salinger.
Eine unwirkliche Szene.
Wer den Roman kennt, weiß auch, das ist womöglich kein Zufall.
Doch mehr dazu später.
Der junge Mann, der da augenscheinlich so teilnahmslos in einem Buch liest, ist der 25-jährige Fan aus Hawaii, der sich noch vor wenigen Stunden die Platte hat signieren lassen.
Er ist also der Todesschützer, der John viermal in den Rücken trifft.
Sein Name ist Mark David Chapman.
Er lässt sich ohne Widerstand zu leisten von der Polizei verhaften.
Der Schock ist weltweit gigantisch.
Millionen Fans trauern um ihr Idol.
Mindestens zwei Beatles-Fans begehen aus Verzweiflung Selbstmord.
Doch warum tötet ausgerechnet ein Fan sein großes Vorbild?
Ein paar Stunden zuvor holt er sich doch noch das Autogramm.
Um das alles zu verstehen, werfen wir einen kurzen Blick in John Lennons Vergangenheit.
Er wird am 9.
Oktober 1940 im englischen Liverpool als John Winston Lennon geboren.
Seinen Vater, Alfred, bekommt er nur selten zu Gesicht.
Der ist als Seemann viel unterwegs.
Fünf Jahre nach der Geburt trennen sich die Eltern, weil die Mutter von einem anderen Mann schwanger geworden ist.
Vater Alfred bricht den Kontakt zu seinem Sohn ab.
John wird ihm das bis an sein Lebensende nie verzeihen, auch wenn die beiden sich später wieder annähern.
Die Mutter verliert das Sorgerecht für ihren Sohn John.
Seine Tante Mimi kümmert sich jetzt um den fünfjährigen John.
Aber nicht nur die Beziehung zum Vater ist problematisch.
Auch das Verhältnis zur Mutter ist etwas, ja, speziell, um es mal vorsichtig zu formulieren.
Laut dem Weiß-Magazin gesteht John 1979, also nur ein Jahr vor seinem Tod, dass er als Teenager sexuelle Gefühle für seine Mutter gehegt hat.
Er bedauert es sogar, keinen Versuch bei ihr gestartet zu haben, um Sex mit ihr zu haben.
Er sagt, ich zitiere, vermutlich hätte sie es erlaubt.
Okay, also ein Oedipus-Komplex ist ja zunächst mal nichts Neues.
Dass jemand das allerdings so ausführlich beschreibt und öffentlich macht, naja, wir lassen es jetzt einfach mal so stehen, glaube ich.
Mit 17 studiert John Lennon an der Kunsthochschule von Liverpool.
Dort lernt er eine junge Frau namens Cynthia Powell kennen und lieben.
Die beiden werden ein Paar.
Drei Jahre später gründet er mit seinem kongenialen Songwriter-Partner Paul McCartney, seinem Kumpel aus der Kunsthochschule Stuart Sutcliffe, George Harrison und Pete Best die Beatles.
Im Jahr 1962 stirbt allerdings Stuart Sutcliffe und Pete Best wird durch Ringo Starr am Schlagzeug ersetzt.
Damit ist die legendäre Beatles-Formation geboren.
Im selben Jahr, also 1962, geht es auch um Privatleben von John hochherr.
Seine Freundin Cynthia Powell wird schwanger von ihm.
Und die beiden ziehen in eine Wohnung nach London und heiraten am 23.
August 1962.
Beatles-Manager Brian Epstein fungiert als Trauzeuge.
Am 8.
April 1963 kommt sein erster Sohn Julian zur Welt und nur wenige Monate später beginnt die sogenannte Beatlemania, bei der vor allem junge weibliche Fans ausflippen, wie es das noch nie zuvor bei einer Rockband gab.
Im Grunde waren die Beatles die erste Boy-Group der Welt, wenn man so will.
Doch John scheint mit dem irrsinnigen Hype nicht so recht klar zu kommen, was damals aber niemand so wirklich mitbekommt.
Die vier Beatles kiffen schon zum Frühstück.
Und das täglich.
In einem Interview mit dem Playboy, das nur zwei Tage vor seiner Ermordung erscheint, beschreibt John, wie schlecht es ihm 1965 ging.
Er leidet zu dieser Zeit an schweren Depressionen.
Mehrmals denkt er darüber nach, auch aus dem Fenster zu springen.
Der im selben Jahr erschienene Song Help soll ein Hilferuf gewesen sein.
Millionen Fans weltweit liegen also den Beatles zu Füßen.
Doch niemand ahnt, wie es bei John und seiner Frau Cynthia zu Hause zugeht.
In ihrem Buch namens John beschreibt sie viele Jahre später, wie sie teilweise durch die Hölle in der Beziehung geht.
John sei extrem besitzergreifend und eifersüchtig.
Als sie noch gemeinsam an der Kunsthochschule studieren, tanzt Cynthia einmal mit Johns Kumpel Stuart Sutcliffe.
Als John das sieht, lässt er sie keine Sekunde mehr aus den Augen.
Er folgt ihr ab sofort sogar auf die Darmtoilette, wenn sie in einem Club sind.
Und das ist noch nicht alles.
Sie schreibt wörtlich, ich zitiere, Ich konnte mit seinen Ausbrüchen fertig werden, der Eifersucht und der Besitzgier, aber nicht mit der Gewalt.
Als ich aus einer Toilette herauskam, wartete er mit einem düsteren Gesicht.
Bevor ich etwas sagen konnte, hob er den Arm und schlug mir ins Gesicht.
Ja, sie wirkt sichtlich geschockt.
und erst drei Monate später kann sich John zu einer Entschuldigung durchringen.
Immerhin schlägt er sie danach nie wieder.
Die Eifersucht, die Besitzansprüche und die Gewalt führt Cynthia auf Johns Kindheit zurück, wie sie schreibt.
Nämlich, John wurde seiner Mutter weggenommen und in dieses kalte, strenge Haus seiner Tante Mimi mit wenig Zuneigung gebracht.
Möglicherweise kann er deshalb seiner jungen Familie nicht das geben, was sie so sehr braucht, die Liebe und Zuneigung des Vaters.
Das bedauert sein Sohn Julian bis heute.
Fünf Jahre nach seiner Geburt lassen sich John und Cynthia schließlich am 8.
November 1968 nach sechs Jahren Ehe scheiben.
Zu diesem Zeitpunkt ist John bereits mit Yoko Ono zusammen.
Laut Cynthia lag die Trennung aber nicht an den zahlreichen Affären von John, sondern an seinem ausgearteten Drogenkonsum.
Zu der Zeit nimmt John viele bewusstseinserweiternde Drogen, vor allem LSD.
dann ist er nicht mehr Herr seiner Sinne.
Vielleicht liegt es ebenfalls an den Drogen, dass sich John Lennon in einem Interview mit der Zeitung Evening Standard im März 1966 zu folgender Aussage hinreißen lässt.
Er sagt, wir sind heute beliebter als Jesus.
Ich weiß nicht, was zuerst verschwinden wird, der Rock'n'Roll oder das Christentum.
Ja, vor allem in den sehr religiösen USA löst dieses Statement einen Sturm der Entrüstung aus.
Mehrere Radiosender spielen keine Beatles-Songs mehr.
Es kommt sogar zu organisierten Verbrennungen ihrer Schallplatten.
John Lennon muss sich während ihrer US-Tour öffentlichkeitswirksam und ausführlich auf einer Pressekonferenz in Chicago entschuldigen.
Trotzdem werden die Shows der Beatles von Aufmärschen des Ku Klux Klans überschattet.
John Lennon fürchtet um sein Leben.
Lassen wir das mal kurz sacken.
Die Sache mit der Eifersucht, den Besitzansprüchen und der körperlichen Gewalt kommt hier ja eher überraschend.
Denn sein Bild in der Öffentlichkeit ist ja das des sanften Sängers, der sich für Frieden und Freiheit einsetzt.
Der Vergleich mit Jesus zeugt aber eher von Größenwahn.
Das Weißmehrgesinn spricht von einem Gottkomplex, unter dem der Sänger gelitten haben soll.
Er ist ein Mensch mit vielen Widersprüchen.
Tja, und zu eben diesen Widersprüchen gehört auch sein Verhältnis zur Homosexualität.
John macht immer wieder verächtliche homophobe Bemerkungen.
Dabei ist einer seiner engsten Vertrauten homosexuell, nämlich sein Manager Brian Epstein.
Das wissen die Leute aus seinem Umfeld auch.
Einmal soll John sogar einen Mann geschlagen haben, der einen Witz über ein mögliches Verhältnis zwischen John und dem Manager gemacht hat.
Daher vermuten einige Leute, dass seine homophoben Äußerungen möglicherweise auf seinen eigenen inneren Kampf mit seiner Sexualität und seiner verinnerlichten Homophobie zurückzuführen sind.
Später schreibt er jedenfalls im Gay Liberation Handbook der Autoren Len Richmond und Gary Nogura, warum sollte es einen traurig machen, schwul zu sein?
Es ist okay, sein Ding zu machen.
Unsere Körper gehören uns.
Man merkt schon diese erneute Ambivalenz, die John Lennon als Menschen ja irgendwie dann doch so spannend macht.
John scheint aber sein Verhalten reflektiert zu haben.
In dem Playboy-Interview kurz vor seinem Tod leugnet er gar nicht erst, seine erste Ehefrau geschlagen zu haben.
Das muss ihn selbst geschockt haben.
Ab diesem Moment kehrt er der Gewalt den Rücken zu.
Er sagt wörtlich, und ich zitiere jetzt, Deshalb spreche ich immer von Frieden.
Es sind die gewalttätigsten Leute, die sich nach Liebe und Frieden sehnen.
Und zu diesen Menschen zählt er sich wohl selbst.
Auch über Homosexuelle macht er später keine blöden Sprüche mehr.
Im selben Jahr, als er diesen Jesus-Vergleich bringt, beginnt sein Werdegang zum Botschafter für den Frieden.
1966 nimmt er eine Nebenrolle in dem Antikriegsfilm Wie ich den Krieg gewann von Richard Lester an.
Ein Jahr später, 1967, folgt die Hymne des Summer of Love und ihr kennt diesen Song alle, der heißt All You Need Is Love.
Und knapp zwei Jahre später, am 20.
März 1969, heiraten John Lennon und Yoko Ono auf Gibraltar.
Statt anschließend in pompöse Flitterwochen zu jetten, engagieren sie sich lieber in öffentlichen Auftritten gegen den Vietnamkrieg.
Im Hilton Hotel in Amsterdam halten sie ein einwöchiges, sogenanntes Bed-In ab.
Das frisch vermielte Ehepaar bleibt dabei die ganze Zeit im Bett, empfängt Journalisten und spricht über Frieden.
Damals, wie aber auch heute, wirkt diese Präsentation irgendwie ein bisschen bizarr.
John liegt mit langen Haaren, Vollbart und seiner markanten Nickelbrille in einem gestreiften Pyjama in einem King-Size-Bett.
Neben ihm ist Yoko Ono in einem hellen Nachthemd.
Die Decke reicht ihnen bis zur Hüfte.
Vor ihnen hat John eine Akustikgitarre hingelegt.
Daneben befindet sich ein Aufnahmegerät.
Neben Yoko Ono steht ein großer Korb mit frischen Blumen.
Auf den Fenstern hinter ihnen, durch die man einen guten Blick auf Amsterdam hat, da hängen zwei selbst gemalte Plakate.
Auf denen steht Hairpiece, auf dem anderen Badpiece.
Es ist ein ikonisches Foto.
John Lennon ist mittlerweile ein absoluter Medienprofi.
Er weiß, dass seine Worte Gewicht haben und er damit eine große Macht ausüben kann.
Im Gegensatz zu seiner ersten Ehe will er diesen Einfluss aber jetzt im Großen und im Positiven nutzen.
Mit seinen Protestaktionen und den politischen Botschaften will er die Massen mobilisieren.
Daher möchte er mit Yoko das nächste Bed-In in den USA abhalten und dort gegen den Vietnamkrieg protestieren.
Es ist der Sommer 1969.
Seit einem Jahr gehen hunderttausende Demonstranten in den USA auf die Straße.
Die Proteste auf der ganzen Welt breiten sich aus.
John hat ein genaues Gespür, was die Menschen bewegt.
Und er ist sozusagen eine Art Katalysator, der die ganze Protestbewegung noch einmal verstärkt.
Allerdings löst er mit seinen Protestaktionen nicht überall Sympathien aus.
Die US-Regierung findet es verständlicherweise überhaupt nicht cool, dass ein internationaler Superstar sie so scharf kritisiert.
Sie verbietet Yoko Ono und ihm die Einreise in die USA, um dort ein weiteres Bed-in zu veranstalten.
Die Regierung befürchtet nämlich unkontrollierte Massenproteste mit ungewissem Ausgang.
John lässt sich von dem Verbot natürlich nicht mundtot machen.
Er zieht mit Yoko einfach weiter nach Kanada und hält im Juni 1969 im Queen Elizabeth Hotel in Montreal die nächste medienwirksame Protestaktion ab.
Dort im Bett nehmen die beiden die Antikriegshymne schlechthin auf.
Give Peace a Chance.
Als am 15.
November 1969 in der US-Hauptstadt Washington eine riesige Demonstration stattfindet, singen 250.000 Menschen gemeinsam diesen Antikriegssong.
Im Dezember 1969 bezahlt John Lennon aus eigener Tasche wohlgemerkt eine Werbekampagne auf riesigen Plakaten in zehn Städten auf der ganzen Welt.
Darauf ist auf überdimensionalen Buchstaben zu lesen, War is over, der Krieg ist vorbei.
Ein bisschen kleiner darunter steht, if you want it, wenn ihr das wollt.
Ganz unten wünschen John und Yoko noch frohe Weihnachten.
Es ist ein einmaliger Vorgang, dass ein Popstar seine politischen Ziele in der Öffentlichkeit großflächig plakatieren lässt.
Erneut spielt John Lennon also seine Medienmacht gekonnt aus.
Zu diesem Zeitpunkt ist John Lennon übrigens kein Mitglied der Beatles mehr.
Er verlässt die Band am 20.
September 1969, knapp zehn Jahre nach der Beatles-Gründung, nachdem es immer mehr interne Streitigkeiten gibt.
Die Fans werden darüber aber nicht informiert.
Das Ende der Beatles wird der Öffentlichkeit mit dem Dokumentarfilm Let It Be am 13.
Mai 1970 präsentiert.
Mittlerweile scheint der Antikriegsprotest die treibende Kraft in John Lennons Leben zu sein.
Im März 1971 veröffentlicht er die erfolgreiche Single Power to the People Und ein paar Monate später, im August 1971, zieht er mit Yoko Ono von England nach New York City.
Er trifft sich umgehend mit radikalen Antikriegsaktivisten.
Das bleibt den Behörden natürlich nicht verborgen.
Seit seiner Ankunft wird John Lennon also intensiv vom FBI überwacht.
Auch sein Telefon wird abgehört.
Die Regierung um US-Präsident Richard Nixon ist die Antikriegs- und Anti-Nixon-Propaganda ein riesiger Dorn im Auge.
Sie versuchen mit aller Macht, den Superstar aus den USA abzuschieben.
Es kommt zu einem jahrelangen Rechtsstreit mit der Einwanderungsbehörde.
Von der verhofften Abschiebung soll die Öffentlichkeit aber nichts mitbekommen.
Laut der Dokumentation The US vs.
John Lennon aus dem Jahr 2006 warnt damals ein Nixon-Berater, dass die Abschiebung eines beliebten Rockstars zu massiver negativer Presse führen würde.
Ganz kurz der Vollständigkeit halber.
Weder das FBI noch der US-Präsident kann jemanden aus den USA abschieben.
Für die Einwanderungs- und Einbürgerungsgesetze ist damals der Immigration and Naturalization Service, kurz INS, zuständig.
Die Behörde wird im Jahr 2003 aber aufgelöst und ihre Aufgaben an drei Behörden übertragen, unter anderem dem US Immigration and Customs Enforcement, kurz ICE, der gerade auch in aller Munde ist, weil die Behörde so rigoros illegale Einwanderer abschiebt.
Und John Lennon tut nichts, um den Konflikt mit den Behörden zu entschärfen.
Im Gegenteil, im Dezember 1971 veröffentlicht er zusammen mit Yoko die Antikrieg-Single Happy Christmas, War is Over.
Die Republikaner und US-Präsident Richard Nixon sehnen John Lennon mittlerweile regelrecht einen Staatsfeind.
Unterstützung bekommen sie dabei vom FBI.
Und die Bundesbehörde befürchtet, dass John Lennon und Yoko Ono am 22.
August 1972 ein großes Rock-Konzert vor der Kongresshalle in Miami Beach geben wollen.
Doch genau da findet der Parteitag der Republikaner statt.
Laut FBI-Akten hat das FBI große Sorge, dass ein solches Konzert die bevorstehende Präsidentschaftswahl beeinträchtigen würde, die ungefähr zwei Monate später, am 7.
November 1972, stattfinden wird.
Daher zieht das FBI die Daumenschrauben deutlich an.
In einem TV-Interview aus dem Jahr 1975 erinnert sich John Lennon, Als es anfing, wurde ich in einem Auto verfolgt und mein Telefon abgehört.
Agenten folgten mir oft, ohne sich zu verstecken.
Ich glaube, sie wollten, dass ich es merke, um mir Angst zu machen.
Und ich hatte Angst.
Ich wurde geradezu paranoid.
Diese Verfolgungsangst übrigens, die kennen wir ja auch bereits aus anderen Fällen hier im Podcast.
zum Beispiel Petra Kelly.
Eigentlich wollte John sich für die US-amerikanische Staatsbürgerschaft bewerben.
Doch das kann der INS problemlos verhindern.
Denn John wird 68 in seiner Heimat England kurzzeitig wegen Drogenbesitzes verhaftet.
Laut FBI-Akten wegen der gefährlichen Droge Cannabis.
John bekennt sich damals schuldig.
Und genau das ist das Problem.
Wer die US-Staatsbürgerschaft haben will, sollte keine Vorstrafen haben.
Der INS erklärt dem FBI gegenüber, dass John Lennon sofort abgeschoben werden würde, sollte er in den USA wegen Drogenbesitzes verhaftet werden.
Auch deshalb überwachen sie ihn auf Schritt und Tritt.
Die Geheim-FBI-Akten über John Lennon, die erst ab 1997 und auch nur häppchenweise an vielen Stellen geschwärzt veröffentlicht werden, weil sie angeblich ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen, sind nicht gerade ein Ruhmesblatt der Bundesbehörde.
Eine Seite ist eine Art Fahndungsplakat, auf dem persönliche Daten wie Name, Geburtsdatum und Ort, Größe, Haarfarbe, Gewicht und so weiter genannt werden.
Auf dem Dokument ist auch seine Verhaftung wegen Drogenbesitzes und seine Privatadresse vermerkt.
Zu dieser Zeit wohnt er mit Yoko in der Bank Street Nummer 105.
In das Dakota-Gebäude, über das wir vorhin ja schon mal gesprochen haben, ziehen die beiden erst ein Jahr später.
Der Knaller ist aber das Foto, das unten auf dem Fahndungsplakat hinzugefügt wurde.
Darauf ist ein leicht verfremdetes Foto eines jungen Mannes mit langen Haaren zu sehen.
Ihm wurde wie in einem Comic eine Sprechblase hinzugefügt, in der The Pope Smokes Dope steht, also übersetzt Der Papst raucht Gras.
Und wir reden hier von einem offiziellen FBI-Dokument.
Das Foto haben wir euch in den Shownotes verlinkt.
Ja, aber noch peinlicher ist allerdings, dass es sich bei dem Foto gar nicht um John Lennon handelt, sondern um den New Yorker Sänger und politischen Aktivisten David Peel.
Aber da macht sich das FBI wohl keine große Mühe, denn John Lennon und David Peel, die haben beide lange Haare, tragen Brille und sind politisch linke Aktivisten.
Da gibt es wohl keinen Unterschied.
Auf alle Fälle hinterlässt die staatliche Machtdemonstration bei John einen tiefen Eindruck.
Er hat Angst vor den FBI-Agenten und befürchtet seine Abschiebung aus den USA.
Beim Parteitag der Republikaner, der vom 21.
bis 23.
August 1972 in der Kongresshalle in Miami Beach stattfindet, taucht der Sänger daher nicht auf, im Gegensatz zu hunderten Demonstranten.
Mehr Demonstranten können die Demokraten damals nicht mobilisieren.
Denn ihr Präsidentschaftskandidat George McGovern steht auf verlorenen Posten.
Bei der Wahl am 7.
November 1972 fährt Richard Nixon einen Erdrutschsieg ein, holt sensationelle 60,7 Prozent der Stimmen.
Damit verteidigt er sein Amt des Präsidenten der USA.
Ja, aber das Amt behält er nicht lange.
Im Jahr 1974 muss er wegen der Watergate-Affäre zurücktreten.
Bei der Watergate-Affäre brachen am 17.
Juni 1972 fünf Männer in das Wahlkampf-Hauptquartier der Demokraten im Watergate-Gebäudekomplex in der US-Hauptstadt Washington ein.
Sie wurden dabei ertappt, wie sie versucht haben, Abhöranlagen anzubringen.
Die Watergate-Affäre ist bis heute eine der größten Polizskandale in den USA.
Sie ist übrigens auch der Grund, warum viele Skandale bis heute häufig auf der Silbe GATE enden.
Ja, das waren wilde Zeiten damals, würde ich sagen.
Und die gehen nicht spurlos an John Lennon vorbei.
Nachdem Richard Nixon am 7.
November 1972 die Wahl gewinnt, wird John depressiv.
Er bedringt sich immer öfter hemmungslos.
Auf einer Veranstaltung, auf der er zusammen mit Yoko Ono ist, da hat er sogar Sex mit einer fremden Frau.
Das bekommt Yoko natürlich mit.
Das schreibt Elliot Mintz, ein enger Freund von John Lennon und Yoko Ono, in dem Buch We all shine on, John, Yoko and me.
Tja, lange geht das nicht gut.
Wenig später trennen sich Yoko und John.
Ab sofort vergnügt er sich sexuell mit seiner Assistentin May Pang und tingelt mit ihr zwischen New York und Los Angeles hin und her.
John stützt immer weiter ab.
Neue Songs hat er schon lange nicht mehr geschrieben.
Seine seelenverwandte Yoko Ono, die ihm stets Halt gab, ist weg.
Die Leere und den Kummer ertränkt er mit noch mehr Alkohol.
Anfang 1974 trinkt John so viel, dass es für ihn ja richtig peinlich wird.
Wie der Autor Bill Harry in seinem Werk The John Lennon Encyclopedia schreibt, klebt er sich im März 1974 im Vollrausch im Nachtclub Troubadour in West Hollywood eine Damenbinde an die Stirn.
Zum Glück ist sie unbenutzt.
Was er in seinem Rausch offenbar lustig findet, kommt bei einer Kellnerin gar nicht so gut an.
Die beiden geraten in einen heftigen Streit.
Nur zwei Wochen später ist John wieder Gast in diesem Nachtclub.
Diesmal begleiten ihn sein alter Beatles-Kumpel Ringo Starr und sein Freund, der Sänger Harry Nielsen.
Erneut ist es ein sehr feuchtfröhlicher Abend und als die drei schwer betrunken sind, da geraten sie in eine Auseinandersetzung mit dem Musik-Comedy-Dos Mothers Brothers.
John, Ringo und Harry werden danach aus dem Club geworfen.
Und so geht es immer weiter mit den Alkoholeskapaden.
John kommt auf die glorreiche Idee, das nächste Album von Harry Nielsen zu produzieren.
Seine geliebte und Assistentin May Pang mietet daher ein Strandhaus in Kalifornien.
Viel wird dort aber nicht aufgenommen.
Stattdessen feiern sie ausschweifende Partys, bei denen der Alkohol in Strömen fließt.
Der ehemalige Superstar und politische Aktivist ist nur noch der Schatten seiner selbst.
Statt Konzerte zu geben oder an Demos für den Frieden teilzunehmen, hängt er nur noch an der Flasche.
Ob ihn die staatlichen Machtdemonstrationen in die Knie gezwungen haben, das ist nicht belegt.
Aber sie dürften sicher ihren Teil dazu beigetragen haben, ihn mundtot zu machen.
Denn er wird noch bis ins Jahr 1976 vom FBI überwacht.
Mitte 1974 scheint auch John zu begreifen, dass ihm sein neues Leben in Los Angeles mit viel Alkohol, Partys und seiner neuen Geliebten nicht gut tut.
Er kehrt nach New York zurück und macht auch wieder etwas Musik.
So nimmt er beispielsweise mit Mick Jagger einen Song auf.
Schließlich entsteht sogar ein komplettes Studioalbum.
Walls and Bridges ist sein viertes Solowerk, das im Oktober 1974 erscheint.
Die Single Whatever Gets You Through The Night, bei dem Elton John als Background-Sänger und am Klavier zu hören ist, ist übrigens Elton Johns einziges Single als Solokünstler, die zu seinen Lebzeiten auf Nummer 1 der US-Charts landet.
Nicht nur musikalisch ist John wieder auf der Höhe.
Auch in seinem Privatleben gibt es einschneidende Veränderungen.
Im Februar 1975 trifft er sich nämlich nach 18 Monaten wieder mit seiner noch-Ehefrau Yoko Ono.
Was bei diesem Treffen genau passiert, das ist nicht bekannt.
Auf alle Fälle taucht John erst drei Tage später wieder bei seiner geliebten Mei Peng auf.
Der erklärt er lapidar, dass seine Trennung von Yoko vorbei und er wieder mit ihr zusammen sei.
Für Yoko wäre es aber in Ordnung, wenn Mei Peng seine Geliebte bliebe.
Mit dieser Ansage zeigt er mal wieder, wer die eigentliche Macht in seinen Beziehungen hat.
Er betrügt seine erste Ehefrau Cynthia mit Yoko, von der trennt er sich ebenfalls, um anderthalb Jahre Party mit seiner Geliebten Mei Peng zu machen.
Als er von ihr die Nase voll hat, kommt er wieder mit Yoko zusammen.
So sehr er unter den staatlichen Machtdemonstrationen leiden mag, im Privaten ist er derjenige, der die Macht ausübt.
Eine andere Interpretation ist, vielleicht auch ohne hier irgendwas zu entschuldigen, dass die empfundene Machtlosigkeit sich oft in einen Machtmissbrauch auf Schwächere ja auswirken kann.
Vielleicht auch hier, aber das wissen wir natürlich nicht.
Aber diesmal scheint sich etwas verändert zu haben.
Das Treffen zwischen John und Joko im Februar 1975 bleibt nämlich nicht ohne Folgen.
Denn Joko ist schwanger.
Knapp neun Monate nach ihrer Reunion erhält John an seinem 35.
Geburtstag, am 9.
Oktober 1975, das schönste Geschenk, das man sich vorstellen kann.
Sein zweiter Sohn Sean Lennon wird geboren.
Und übrigens, fünf Monate bevor Sean das Licht der Welt erblickt, endet am 30.
April 1975 nach 20 Jahren der Vietnamkrieg, gegen den John so leidenschaftlich gekämpft hat.
Die Geburt scheint John in vielerlei Hinsicht zu verändern.
In einem Playboy-Interview kurz vor seinem Tod, da erklärt er über seinen Sohn Folgendes.
Sean ist ein Wunschkind und darin liegt der Unterschied.
Ich liebe Julian nicht weniger als ein Kind.
Er ist immer noch mein Sohn, egal ob er aus einer Whiskyflasche kam oder weil es damals noch keine Pillen gab.
Er ist hier, er gehört zu mir und das wird er immer tun.
John ist hin und weg von dem kleinen John.
Und das ist durchaus nachvollziehbar.
Von seinem ersten Sohn Julian, der bei der Geburt seines Halbbruders bereits zwölf Jahre alt ist, hatte John nie viel.
Entweder er ist unterwegs, auf Drogen oder eben betrunken.
Da ist es schwer, ein normales Verhältnis aufzubauen.
Zudem lebt er seit mehr als vier Jahren in den USA, Julian dagegen weiter in England.
Daher freut sich John sehr auf sein zweites Kind.
Genau während der Schwangerschaft verändert sich das erste Mal in seinem Leben das Machtgefüge in seiner Beziehung.
Kurz zum Hintergrund.
Bereits vor ihrer anderthalbjährigen Trennung von John ist Yoko bereits zweimal schwanger von ihm.
Zweimal kommt es aber zu einer Fehlgeburt.
Als sie nun erneut schwanger ist, will sie das Kind zunächst eigentlich abtreiben lassen.
Und für John muss das ein Schock gewesen sein.
Ob sie es bewusst so gesteuert hat oder nicht, damit liegen die Zügel jetzt in Yokos Hand.
Sie kann mehr oder weniger jede Forderung stellen, die sie will.
Schließlich erklärt sie sich bereit, das Baby zu behalten.
Wenn im Gegenzug John zu Hause bleibt und Hausmann und Vater wird.
John stimmt der Bedingung zu.
Und John hält sein Wort.
Er steht jeden Tag um 6 Uhr morgens auf.
Er kocht, er backt, er wechselt Windeln und spielt mit seinem Sohn.
Er scheint in der Rolle des Hausmanns voll und ganz aufzugehen.
Seine musikalische Karriere ruht, genau wie seine politischen Ambitionen.
Das hat einen positiven Nebeneffekt.
Wenige Monate nach der Geburt von Sean und dem damit verbundenen Rückzug ins Private lässt nach fünf Jahren intensiver Überwachung auch das FBI im Jahr 1976 endlich von ihm ab.
Er bekommt im selben Jahr sogar seine Green Card, die ihm einen dauerhaften Aufenthalt in den USA beschert.
Für die Green Card hatte er zuvor viele Jahre erfolglos gekämpft.
Es scheint fast, als ob John Lennon jeglicher Macht den Rücken zugewandt hätte.
Er bestimmt nicht mehr, wie seine Ehe abzulaufen hat.
Er nutzt nicht mehr seine mediale Power für eigene Ziele.
Und er wird auch nicht mehr staatlich verfolgt.
John Lennon hat den Frieden mit sich und der Welt gemacht.
Und auch die Welt ist nach dem Ende des Vietnamkriegs friedlicher geworden.
Obwohl das alles toll und harmonisch klingt, werden ihn bald die Schatten seiner Vergangenheit einholen.
Nach fünf Jahren mit Hausmann und Vaterpflichten braucht John einen Urlaub.
Im Juni 1980, ein halbes Jahr vor seiner Ermordung, chartert er ein Boot und segelt nach Bermuda.
Unterwegs gerät das Segelboot in einen heftigen Sturm.
Die gesamte Crew ist seekrank und liegt flach.
Nur John macht das heftige Geschaukel gar nichts aus.
Er übernimmt kurzerhand das Ruder und steuert das Boot sicher durch den Sturm.
Bei der Ankunft auf Bermuda fühlt sich John zu Recht wie ein Held.
In ihm explodiert geradezu seine Kreativität.
Für die wunderschönen, rosafarbenen Sandstrände hat er daher gar kein Auge.
Bei seinem dreiwöchigen Aufenthalt tüftelt er an neuen Songs.
Bei seiner Rückkehr, da hat er Ideen und teilt sogar fertige Songs für ein ganzes Album.
Damit ist zur großen Freude seiner Fans auch seine musikalische Auszeit beendet.
Im Oktober 1980 erscheint die Single Just Like Starting Over.
Im November veröffentlicht er das Album Double Fantasy.
Es ist die Platte, die er seinem Attentäter wenige Stunden vor seinem Tod unterschreiben wird.
Und das bringt uns zurück zu dem Mord an John Lennon.
Wieso erschoss Mark Chapman den berühmten Rockstar?
Wo liegt das Motiv für die Tat?
Der Attentäter soll doch ein großer Fan von den Beatles und von John Lennon gewesen sein.
Ja, das ist allerdings schon ein paar Jahre her.
Könnt ihr euch noch an den Ausspruch von John erinnern, dass die Beatles größer als Jesus seien, den er in einem Interview mit der Zeitung Evening Standard im März 1966 tätigt?
Dieser Satz soll ihm mehr als 14 Jahre später zum Verhängnis werden.
Um das Motiv für die Tat zu verstehen, werfen wir einen kurzen Blick auf das Leben des Attentäters Mark Chapman.
Der wird am 10.
Mai 1955 in der texanischen Stadt Fort Worth geboren.
Bei dem Mord ist er also 25 Jahre alt.
Seit seiner Kindheit schon ist er ein riesiger Beatles-Fan.
Mit ihrer Musik versucht er, seiner schwierigen Kindheit zu entfliehen.
Er hat Angst vor dem Vater, ein Stabsfeldwebel bei der US Air Force, der die Mutter misshandelt und sich nicht für ihn interessiert.
So schreibt es das Online-Portal Crime Library.
Auch in der Schule hat Mark Chapman Probleme.
Er ist alles andere als sportlich und wird von Mitschülern gemobbt.
Genau wie seine großen Vorbilder nimmt er daher Drogen, vor allem LSD, als er Teenager ist.
Er schwänzt die Schule, wird mit 14 Jahren drogenabhängig, läuft von zu Hause weg und lebt zwei Wochen auf der Straße.
Er muss für einige Zeit in einer Psychiatrie behandelt werden.
Mit 16 Jahren schließt er sich einer evangelikalen Glaubensgemeinschaft an und geht später auch auf ein christliches College.
Doch da bleibt er nur für ein Semester.
Er kommt mit dem vielen Lernstoff nicht klar und bricht das Studium ab.
Er fühlt sich als Versager und hat Selbstmordgedanken.
Als er auch noch völlig mittellos ist, Da versucht er sich im Jahr 1977 auf Hawaii mit einer Kohlenmonoxidvergiftung das Leben zu nehmen.
Doch der Schlauch, den er über das Auspuffrohr zieht, um die Abgase ins Wageninnere zu leiten, der schmilzt.
Damit scheitert sein Selbstmordversuch.
Erneut wird er also in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert.
Dort sollen seine Depressionen behandelt werden.
So richtig erfolgreich scheint die Behandlung nicht gewesen zu sein.
Auch seine Mutter, die sich von ihrem Mann scheiden lässt und danach zu ihm nach Hawaii zieht, kann ihrem Sohn nicht helfen.
Er trinkt Unmengen von Alkohol, um seine Depressionen zu vergessen.
Die Depressionen, Antidepressiva und der Alkohol sind eine toxische Mischung.
Er wird regelrecht besessen von gewissen Kunstwerken und Personen.
So verschlingt er zum Beispiel unzählige Male das Buch »Der Fänger im Roggen«, das er bei der Ermordung ja auch mit dabei hat.
Und auch zu John Lennon entwickelt er eine obsessive Leidenschaft.
Die geht so weit, dass er rund anderthalb Jahre vor dem Attentat am 2.
Juni 1979 eine japanisch-amerikanische Frau namens Gloria Abe heiratet.
Er nimmt Gloria Abe nur aus einem Grund zur Frau.
Sie erinnert ihn mit ihrem asiatischen Aussehen an John Lennons Ehefrau Yoko Ono.
1980 kippt schließlich die Stimmung bei Mark Chapman.
Er macht John Lennon nämlich für sein kaputtes Leben verantwortlich.
Sein großer Held wird plötzlich zum Sündenbock für alles.
Der überzeugte Christ stört sich auf einmal an dem 14 Jahre alten Interview, in dem John Lennon ja sagt, wir sind jetzt populärer als Jesus.
Für die Autorin Lynn H.
Schultz steht daher fest, dass das Interview vom 4.
März 1966 der Anfang vom Ende für John Lennon war.
Seine mediale Macht, die er über viele Jahre geschickt ausspielt und viele Menschen damit beeinflusst, könnte ihn also am Ende das Leben gekostet haben.
Wenige Wochen vor dem Mord hört er sich immer wieder Johns erstes Studioalbum aus dem Jahr 1970 an.
Später sagt Mark Chapman darüber, ich hörte mir diese Musik an und wurde wütend auf ihn, weil er im Song God sagte.
Er glaube nicht an Gott, sondern nur an ihn und Yoko und nicht an die Beatles.
Auch das macht mich wütend.
Ich wollte am liebsten laut schreien, was bildet er sich ein, dass er solche Dinge über Gott, den Himmel und die Beatles sagt.
In diesem Moment war mein Verstand völlig schwarz vor Wut und Zorn.
Auch das Buch namens John Lennon – One Day at a Time des Autoren Anthony Fawcett, das 1980 erscheint, gießt nochmal zusätzliches Öl in das emotionale Feuer.
In dem Werk wird der verschwenderische Lebensstil von John Lennon in New York geschildert.
Mark Chapmans Ehefrau Gloria Abe, die erinnert sich in einem Interview.
Sie sagt, er war wütend, dass John Lennon Liebe und Frieden predigte, obwohl er Millionen besaß.
Wir sollten im Verzicht leben und er hatte Millionen von Dollar, Yachten, Häuser, Wohnungen und Landgüter.
Er lachte über Leute wie ihn, die die Lügen geglaubt, die Platten gekauft und einen großen Teil ihres Lebens um seine Musik herum aufgebaut hatten.
Nach der Lektüre steht für Mark Chapman fest, John Lennon ist ein Heuchler und Lügner, der es nicht verdient weiterzuleben.
In diesem Moment, rund drei Monate vor der Tat, fasst er den Entschluss, John Lennon zu ermorden.
Kurz danach wacht ihr Frau Gloria einmal mitten in der Nacht auf.
Ihr Mann hört gerade eine alte Beatles-Platte und schreit dazu durch die Wohnung.
Der Schwindler muss sterben, sagt der Fänger im Roggen.
Der Fänger im Roggen kommt, um euch zu holen.
Glaubt nicht an John Lennon.
Stellt euch vor, John Lennon ist tot.
Oh ja, ja, ja, stellt euch vor, es ist vorbei.
Am Montag, dem 8.
Dezember 1980, setzt Eddon schließlich seinen furchtbaren Plan in die Tat um und erschießt John Lennon.
Jahre später stellt sich heraus, dass noch weitere Personen auf seiner Todesliste standen, wie Beatle Paul McCartney, Hollywood-Star Elizabeth Taylor, die ehemalige First Lady Jacqueline Kennedy Onassis und US-Präsident Ronald Reagan.
Auch David Bowie soll auf der Abschussliste gestanden haben.
Wobei diese Namen erst viele Jahre später von Mark Chapman genannt werden.
Ob es diese Todesliste also wirklich gab, ist unklar.
Auf alle Fälle macht er seine Frau Gloria für Johns Tod mitverantwortlich, denn er sagt, sie ist zu niemandem gegangen, auch nicht zur Polizei, und hat gesagt, mein Mann hat sich eine Waffe gekauft und er sagt, er will John Lennon töten.
Bevor der Prozess wegen Mordes gegen Mark Chapman startet, wird dieser von gleich neun Psychiatern intensiv untersucht.
Sechs kommen zu dem Schluss, dass er unter einer schwerem Psychose leidet.
Fünf diagnostizieren paranoide Schizophrenie.
Ein anderer glaubt an eine bipolare Erkrankung, bei der sich depressive und manische Phasen immer wieder abwechseln.
Drei Experten erklären, dass er unter Wahnvorstellungen leidet und er verschiedene Persönlichkeitsstörungen hat.
Bei der ersten Anhörung im Januar 1981, wenige Wochen nach der Tat, bekennt sich Mark Chapman auf Anraten seines Anwalts für nicht schuldig, weil er bei der Tat aufgrund diverser psychischer Erkrankungen unzurechnungsfähig und damit schuldunfähig gewesen sei.
Doch ein knappes halbes Jahr später, am 22.
Juni 1981, da ändert Mark Chapman seine Meinung.
Er sagt dem Richter bei einer weiteren Anhörung, dass Gott ihm aufgetragen habe, sich schuldig zu bekennen.
Und egal, welches Strafmaß er erhalten wird, er werde an seinem Schuldeingeständnis festhalten und auch keine Berufung einlegen.
Seine psychischen Erkrankungen und sein Schuldeingeständnis wirken sich strafmildernd aus.
Mark Chapman wird zwei Monate danach, am 24.
August 1981, wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt.
Er bekommt eine Haftstrafe von 20 Jahren bis lebenslänglich aufgebrummt.
Das bedeutet, dass er frühestens nach 20 Jahren entlassen werden kann.
Wie gesagt, frühestens.
Ab dem Jahr 2000 stellt er immer wieder Anträge, um auf Bewährung entlassen zu werden.
Bislang wurden 13 Anträge abgelehnt.
Der letzte wird im März 2024 zurückgewiesen.
Vor allem John Lennons Witwe Yoko Ono macht sich regelmäßig dafür stark, dass Mark Chapman niemals entlassen wird.
Sie fühle sich durch ihn gefährdet.
Zudem hätte er kein Leben in Freiheit verdient.
Heute ist Mark Chapman 70 Jahre alt und sitzt seit mehr als 43 Jahren im Gefängnis.
Und damit sind wir am Ende unseres heutigen Falls angekommen.
Uns hat diese ambivalente Figur des Superstars voll überrascht.
Also im privaten Bereich missbraucht John Lennon seine Macht, ist von Eifersucht und Dominanz besessen.
Er beleidigt und schlägt, da ist er also Täter.
Und im krassen Kontrast dazu stehen seine Bemühungen um Frieden.
Auch wenn das Ziel ein gutes gewesen sein mag, so nutzt er doch seine Berühmtheit und seine mediale Power aus, um politische Botschaften zu setzen und damit irgendwie auch eigene Ziele zu erreichen.
Ja, und gleichzeitig muss man bedenken, er wird zum Opfer massiver staatlicher Überwachung und Schikane.
Damit missbrauchen staatliche Behörden wie das FBI gnadenlos ihre Macht, um unliebsame Stimmen zu unterdrücken und um einen Künstlermund tot zu machen.
Wir haben ja eingangs gesagt, dass Lennon ein ambivalenter Mensch ist.
Das bleibt er vielleicht auch.
John Lennon war zugleich Täter und Opfer von Machtmissbrauch.
Diesen Tod, ich glaube, da sind wir uns aber alle einig, den hat er nicht verdient.
Nee, auf keinen Fall.
Den hat natürlich niemand verdient.
Und weißt du, was ich mich bei diesem Fall wieder gefragt habe?
Diesen Gedankengang, den habe ich manchmal.
Was wäre, wenn?
Was wäre, wenn John Lennon nicht diesen Segeltrip gemacht hätte?
Wenn er nicht seine Kreativität zurückerlangt hätte?
Er hätte nicht dieses Soloalbum gemacht.
und wäre damit dann ja auch nicht auf Signierstunde sozusagen gegangen.
Wäre er dann trotzdem irgendwann von Mark Chapman ermordet worden bei einer anderen Gelegenheit oder hätte der sich dann jemand anderen vorgeknüpft auf der Todesliste, die es vielleicht gab, vielleicht auch nicht, wir wissen es nicht.
Das habe ich mich dabei gefragt.
Was wäre, wenn?
Ja, ich habe mich das...
Auch gefragt, aber in einem anderen Kontext, weil ich natürlich, ich bin zu jung, um Beatles-Fan gewesen zu sein, aber ich habe eben die Schallplatten meiner Mutter gehabt und ich bin natürlich so ein Fan und denke, oh, was vor Alben hätten da vielleicht noch bei rumkommen können, wenn dieser Mensch nicht komplett fanatisch gewesen wäre.
Aber man muss immer auch gucken, inwieweit zieht er auch diese Provokationen an durch seine Persönlichkeit.
Und dass er natürlich sagt, sie sind beliebter als Jesus, das wäre heute, wäre so, naja, okay, hat er mal was gesagt.
Aber damals konntest du das wirklich nicht bringen anscheinend.
Nee, gar nicht.
Ich musste sofort, als du das gerade gesagt hast, an Kanye West denken, der ja auch ständig irgendwelche Sachen von sich gibt, wo man mittlerweile gar nicht mehr reagiert, weil man denkt, ach ja, hat er wieder das gesagt.
Also das juckt niemanden.
Aber klar, damals muss das so eine heftige Aussage und so eine arrogante Aussage ja auch gewesen sein, gerade in den USA, wo Religion ja nochmal keinen höheren, aber vielleicht einen anderen Stellenwert hat in der Bevölkerung.
Und dann kommt da dieser Superstar und sagt, jo, wir sind hier irgendwie größer als Jesus.
Schwierig, aber man muss dazu ja auch nochmal sagen, dass der Beatles-Ultra-Fan Mark Chapman eben auch psychische Probleme hatte und sich nicht einfach nur an diese Aussage gestört hat.
Das wäre jetzt zu einfach gesagt.
Ja, und jetzt sind wir natürlich auch wie immer auf eure Meinung gespannt.
Also was haltet ihr von unserem heutigen Fall?
Sollte der Täter irgendwann doch auf freien Fuß kommen?
oder ja, lieber bis an sein Lebensende hinter Gitter bleiben müssen.
Das ist ja nicht nur in diesem Fall, sondern generell eben immer eine Frage, die man sich stellt.
Da könnt ihr gerne euer Feedback uns zukommen lassen.
Entweder bei Spotify, in den Kommentaren oder auch gerne bei Instagram.
Da heißen wir im Schatten der Macht.
Und ich finde, der Fall zeigt auch wieder sehr schön, dass man so ein bisschen was von der Geschichte weiß.
Nämlich John Lennon wurde erschossen.
Aber das war es dann ganz oft schon.
Und dafür finde ich unsere Folgen hier auch immer ganz toll und sehr spannend, weil man eben dann erfährt, was wirklich alles passiert ist und dahinter steckt.
Und genau so eine Geschichte haben wir natürlich nächste Woche Donnerstag auch wieder für euch und würden uns sehr freuen, wenn ihr da wieder einschaltet.
Unbedingt.
Danke, dass ihr dabei wart.
Das war Ricardia.
Und eure Anna.
Bis nächsten Donnerstag.
Danke an unser Team von Open Minds Media.
Executive Producer Rüdiger Barth Konzeption Peter Greve, Rüdiger Barth und Manfred Neumann Autor Stefan Weber Producer Ricardia Bremley Den Schnitt machte Lilli Johannsen Zusätzliche Unterstützung von Falco Schulte.