Episode Transcript
Sie kommen im Morgengrauen.
Im nordbritischen Kloster von Lindisfarne auf der gleichnamigen kleinen Insel bereiten sich die Mönche auf das erste gemeinsame Gebet vor.
Plötzlich erscheint am Horizont eine kleine Flotte fremdaussehender Segelschiffe.
In diesem Jahr erschienen furchtbare Zeichen über Northumbria und erschreckten die Einwohner.
Es waren außerordentliche Blitze und schreckliche Drachen sah man durch die Luft fliegen.
Eine große Hungersnot folgte bald diesen Zeichen.
Und ein wenig später im selben Jahr, am 8.
Juni, zerstörten die Heiden das Gotteshaus von Lindisfarne, gefolgt von Raub und Gemetzel.
Sie töteten einige Brüder, schleppten einige in Fesseln mit sich.
Viele vertrieben sie, nackt und mit Beschimpfungen überhäuft.
Manche ertränkten sie im Meer.
So berichtet uns rund 100 Jahre später die angelsächsische Chronik über den Angriff der Wikinger auf das Kloster Lindisforn im Jahr 793.
Der brutale Überfall der Heiden aus dem Norden erschüttert damals die Zeitgenossen in Europa.
Am Hof Karls des Großen in Aachen schreibt kurz nach dem Überfall der berühmte Gelehrte Alcuin an den nordhumbrischen König Ethelred I.
Wenn die Heiden die Heiligtümer Gottes entweihen, welche Sicherheit gibt es dann noch für Britanniens Kirchen?
Alcuin hätte hinzufügen können, welche Sicherheit gibt es dann überhaupt noch vor den schwerterschwingenden Nordmännern an den Küsten der damals bekannten Welt?
Noch nie hat sich in Britannien solcher Terror ereignet, wie wir ihn jetzt von diesem heidnischen Volk erlitten haben.
Ich bin Mirko Drotschmann, ihr hört Terra X History, der Podcast.
In dieser Folge geht es um die Wikinger und die vielen Geschichten, Mythen und auch Klischees, die sich um sie ranken.
Und es geht natürlich auch um die Faszination, die sie bis heute auf viele Menschen ausüben.
Der Angriff der Wikinger im Jahr 793 auf das britische Kloster Lindisfarne, mit dem diese Folge begonnen hat, ist der Ursprung des Wikingermythos.
Demnach tranken die hochgewachsenen, bärtigen Nordmänner aus toten Schädeln, verwüsteten Kirchen und Klöster, raubten Frauen, töteten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte und kamen.
Niemals Gnade.
Denn das Bild der furchterregenden Wikinger ist über die Jahrhunderte in Romanen, in der Musik, in Filmen, in Videospielen wieder und wieder erzählt und ausgeschmückt worden.
Glaubt man diesen Darstellungen, dann war die Wikingerzeit eine der fürchterlichsten Episoden der europäischen Geschichte.
In den überlieferten Quellen werden die Wikinger als Barbaren bezeichnet, als Teufel in Menschengestalt.
Plündernde und raubende Wikinger gab es zu bestimmten Zeiten im Mittelalter Aber das ist nur ein Teil der Geschichte.
Wer waren die Wikinger wirklich und woher kamen sie?
Trugen sie tatsächlich Hörner-Helme?
Wie breiteten sie sich in nahezu ganz Europa aus?
Und was haben Wikinger mit den Normanen in Frankreich und England und den Rus und Warregern in Ost- und Südosteuropa zu tun?
Stimmt es, dass die Wikinger schon lange vor Kolumbus Amerika in Anführungszeichen entdeckt haben?
Die Wikinger waren nachweislich hervorragende Bootsbauer.
Gruppen von ihnen gingen zunächst in Skandinavien auf Beutezüge, ab Ende des 8.
Jahrhunderts auch in anderen Teilen Europas und überfielen dort Klöster, Handelshäfen, Städte und Dörfer.
Aber die Wikinger waren nicht nur Piraten, sondern auch Händler und Entdecker.
Schon lange bevor Christoph Kolumbus im Jahr 1492 vermeintlich Amerika entdeckt hat, sind Wikinger nach Neufundland gesegelt.
In einer kleinen Siedlung namens Lanzo Meadows haben Wikinger an der Nordspitze der kanadischen Insel nachweislich schon um das Jahr 1020 herum gesiedelt.
Man hat dort unter anderem Seilreste und eine bronzene Mantelnadel gefunden.
Holzstücke und Nägel, die man eindeutig den Wikingern zuordnen konnte.
1978 hat die UNESCO Lanzo Meadows zum Weltkulturerbe erklärt.
Warum die Wikinger hierher kamen, ist unklar.
Von Grönland aus dauerte die Seereise über den Atlantik bis nach Neufundland rund acht Tage.
Vermutlich ging es den Wikingern um Holz, das sie von Einheimischen kauften.
In den isländischen Vinland-Sagas, die vermutlich im 13.
Jahrhundert geschrieben wurden, wird genau darüber berichtet.
Der Wikinger Leif Eriksson wäre demnach der erste Europäer gewesen, der amerikanischen Boden betreten hat.
500 Jahre bevor Kolumbus zu seiner ersten Reise nach Amerika aufgebrochen ist.
Aber warum haben sie Skandinavien überhaupt verlassen?
Und wer waren diese Menschen, die wir heute als Wikinger kennen?
Genau darüber spreche ich jetzt mit Dominik Wassenhofen.
Er ist Mittelalterhistoriker an der Universität Köln und ich freue mich, dass wir heute sprechen können hier im Podcast.
Hallo.
Hallo.
Erstmal die Frage, wie können wir uns denn das Leben der Wikinger damals im 7.
oder 8.
Vielleicht auch im 9.
Jahrhundert im Norden Europas vorstellen?
Ja, die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten.
Und zwar aus mehreren Gründen eigentlich direkt.
Also erstens wird der Begriff Wikinger eigentlich unterschiedlich verwendet.
Man kann mit Wikingern eigentlich Seeräuber oder Piraten bezeichnen, aber der Begriff wird auch häufig verwendet für alle Skandinavier, also alle Menschen in Skandinavien in einer bestimmten Zeit.
Und zweitens reden wir natürlich über einen relativ langen Zeitraum von ungefähr 300 Jahren oder vielleicht sogar noch mehr.
Und auch die geografische Spannweite, also um den dritten Punkt zu bringen, ist sehr groß.
Also der Raum, in dem die Wikinger oder Skandinavier aktiv waren.
Das heißt, wir haben es mit einer großen Variation und Komplexität zu tun.
Und wenn wir von Wikingern oder der Wikingerzeit sprechen, dann haben die meisten wahrscheinlich so bestimmte Bilder und Stereotype im Kopf.
Das sind natürlich Vereinfachungen, die dann der komplexen Realität nur selten wirklich gerecht werden.
Und es kommt noch ein vierter Punkt hinzu.
Die Quellenlage ist sehr schmal und sehr einseitig.
Ich kann das vielleicht am Beispiel der Religion mal zeigen.
Eigentlich zur nordischen Religion und Mythologie nur zwei ausführlichere Texte.
Die heißen beide Edda.
Also das eine wird Snorra Edda und das andere Lieder Edda genannt.
Snorra Edda bezieht sich auf Snorri Stürtlüson.
Das war ein Geschichtsschreiber und Dichter und zusätzlich auch sozusagen ein Politiker, wenn man so will.
Also ein isländischer Machthaber.
Also aus Island kam der.
Und er hat um 1220 eine Edda geschrieben.
Also so wurde das Werk genannt.
Und zwar ist das ein Lehrbuch für Skalden, also für altnordische Dichter.
Es ging Snorri also vor allen Dingen erstmal darum, Techniken der Dichtkunst zu beschreiben und andererseits aber auch die nordische Mythologie und die Götterwelt darzustellen, denn die drohten durch die inzwischen christlich geprägte Kultur verloren zu gehen.
Und sowohl diese Edda von Snorri als auch die Lieder-Edda, das ist eine Handschrift, die so etwa nochmal 50 Jahre später entstanden ist, die enthalten Geschichten aus der nordischen Mythologie.
Da tauchen dann eben auch Valhalla, Odin, Thor, Loki auf und Ragnarök, also alles das, was man so kennt, vielleicht vor allen Dingen aus den Marvel-Filmen mittlerweile.
Es gibt also nur zwei Texte, das will ich damit sagen, die ausführlicher über den nordischen Glauben berichten.
und sie wurden auch erst zu einem Zeitpunkt aufgeschrieben, als die Religion der Wikinger gar nicht mehr praktiziert wurde.
Das ist also ein christlicher Blick auf die heidnische Vergangenheit und das macht es eben so schwierig, die tatsächliche Ausübung der Religion nachzuvollziehen.
Und diese späte Überlieferung aus Sicht der Wikinger oder Skandinavier selber trifft auf alle Bereiche zu.
Es gibt eben kaum schriftliche Aufzeichnungen von den Wikingern, nur kurze Texte, wie zum Beispiel runenden Schriften, Aber es gibt eben keine erzählenden Quellen.
Und die isländischen Sagas, die man vielleicht kennt, sind allesamt erst 200 Jahre und mehr nach der sogenannten Wikingerzeit aufgeschrieben worden.
Jetzt sprechen wir die ganze Zeit schon wie selbstverständlich von Wikingern und der Wikingerzeit.
Aber woher kommt denn dieser Begriff eigentlich?
Und was bedeutet er?
Die Herkunft des Wortes ist ein bisschen unklar, da gibt es verschiedene Theorien.
Die gängigste ist eigentlich, dass es sich auf das altnordische Wort Wieg bezieht.
Das heißt nichts anderes als Meeresbucht, also es wären sozusagen dann die Leute aus der Meeresbucht.
Das würde ja auch ganz gut passen.
Es gibt auch noch andere Theorien, aber was relativ klar ist, ist die Bedeutung des Wortes Wikinger oder auch Viking.
Das Viking ist diese Seefahrt oder Seereise, häufig auch verbunden mit Seeraub.
Das heißt, Wikinger sind erst einmal Piraten oder Seeräuber.
Was aber auch ganz interessant ist, ist, dass der Begriff in der Zeit selber nur sehr selten verwendet wird.
Also die Texte, die wir haben, die sind natürlich meistens von denjenigen geschrieben, die betroffen waren sozusagen von den Wikinger-Einfällen.
Die reden meistens von Dänen oder von Nordmännern oder ganz allgemein von Heiden, aber nur ganz selten von Wikingern.
In einem Geo-Epoche-Heft zu den Wikingern heißt es ganz markig Wikinger.
Das waren Bauern, die zur See kämpften, Piraten, die Staaten gründeten, Häuptlinge, die Schutzgeld erpressten.
Mehr als 250 Jahre lang geißelten die Wikinger aus Skandinavien, Europa und prägten es.
Worauf bezieht sich denn diese Definition von Wikingern und stimmt das überhaupt?
Ja, das klingt für mich so ein bisschen danach, dass hier ein paar Dinge vermischt wurden, was vielleicht auch nicht so ganz zusammengehört.
Und ich kann versuchen, das mal ein bisschen deutlich zu machen, vielleicht an den verschiedenen Phasen, in die man die Wikingerzeit einteilt.
Dann wird auch ein bisschen deutlich, was da so alles drinsteckt vielleicht, auch wenn das natürlich ebenfalls eine Vereinfachung ist.
Also zunächst in den ersten Jahrzehnten gab es einzelne Raubzüge kleinerer Gruppen.
Das waren meist junge Männer, die dann nach einem oder einigen Raubzügen auch wieder in ihre Heimat zurückkehrten und dort dann so lebten wie ihre Nachbarn auch.
Das sind dann vielleicht die sozusagen zur See kämpfenden Bauern aus dem Zitat, was du vorgelesen hast.
Wobei sicherlich auch die gehobene Schicht der Gesellschaft an solchen Unternehmungen beteiligt war.
allein schon aus finanziellen Gründen.
Man musste modern gesprochen im Grunde genommen erst mal investieren, um dann eben auch Gewinn zu machen.
Nach einigen Jahrzehnten, so ab den 830er Jahren, schlossen sich dann verschiedene von diesen kleineren Gruppen zu größeren Verbänden zusammen.
Es waren jetzt also nicht mehr nur einzelne oder ein paar Schiffe, sondern ganze Flotten von mehreren Dutzend, teils auch über 100 Schiffen.
Und außerdem gingen die Wikinger jetzt dann so ab ungefähr 840 auch dazu über, in den Regionen, die sie geplündert haben, zu überwintern und Lager zu errichten und dort von den Lagern aus dann jeden Sommer Raubzüge zu machen.
Einige, vielleicht sogar auch die meisten Männer, kehrten jetzt eben auch nicht mehr nach Hause zurück oder wenn, dann erst nach mehreren Jahren.
Also sie wurden sozusagen sowas wie Berufswikinger.
Diese Berufswikinger, ist übrigens eine sehr schöne Bezeichnung, und ihre Verbände, die hatten dann lange Zeit vor allem das Frankenreich im Visier und glaubten hier, erfolgreiche Raubzüge und Plünderungen machen zu können.
Warum denn?
Das hängt auch damit zusammen, dass nach dem Tod des Kaisers, also Ludwigs des Frommen, es Auseinandersetzungen gab unter seinen Söhnen und das Reich instabil war.
Diese Lage beruhigte sich dann erst 862, als Ludwigs Sohn Karl, genannt der Karle, ziemlich für Stabilität sorgen konnte und auch mit Brücken, sozusagen Barrieren, in die Flüsse einzog, sodass die Wikinger dann nicht mehr so einfach durchfahren konnten.
Und daraufhin wandten sich diese Wikingergruppen oder diese Verbände nach England.
Da sprechen die Quellen dann von einem großen Heer oder auch dem großen heidnischen Heer.
Und von 865 bis so in die späten 870er Jahre zog dieses große Heer dann durch die vier englischen Königreiche, die es damals gab und hat zwei von ihnen erobert und ein drittes auch noch zu großen Teilen erobert.
Und was auch interessant ist, in einem Lager dieser Wikingergruppe in Repton in Mittelengland konnte man archäologisch nachweisen, dass auch Frauen und Kinder dabei waren.
Und es gibt auch Hinweise zum Beispiel auf Handwerker, die die Ausrüstung ausgebessert haben.
Es war also kein reines Kriegslager und man muss sich solche Lager vielleicht eher wie kleine Städte vorstellen.
Nach der Auflösung dieses Wikingerverbandes um 880 siedelten sich dann viele in England an, vor allen Dingen im Osten und im Norden.
Das lässt sich unter anderem auch an den Ortsnamen ablesen.
Das ist also sozusagen so diese zweite Phase.
Und noch einen anderen Charakter hatten dann nochmal 100 bis 150 Jahre später Kriegszüge in England.
Also um die Jahrtausendwende sind wir da.
Und hier waren nämlich jetzt regionale Machthaber aus Skandinavien und auch Könige beteiligt.
Und ihnen ging es zwar auch um Beute und diese Lösegeldzahlungen oder Tributzahlungen, aber daneben ging es auch um die Übernahme der politischen Strukturen.
Und das gelang auch Sven Gabelbart, Ende 1013 hat der nämlich den englischen König vertrieben und ist anerkannt worden als Herrscher von ganz England.
Er starb dann zwar drei Monate später, aber sein Sohn Knut konnte England danach noch einmal erobern und war dann ab 1016 fast 20 Jahre lang englischer und dänischer König, bekannt als Knut der Große.
Und diese Kriegs- und Eroberungszüge um die Jahrtausendwende, die haben nur noch sehr wenig mit den ersten Wikinger-Einfällen gemeinsam.
Und auch die Wikingerverbände Mitte des 9.
Jahrhunderts funktionierten ganz anders, weil es da gar keinen einzelnen Anführer gab, sondern mehrere unabhängige Gruppen sich zusammenschlossen, sich dann aber auch wieder trennen konnten.
Was wissen wir denn überhaupt über die Gründe für diese Raubzüge?
Warum haben die Wikinger Skandinavien verlassen?
Ich denke vor allen Dingen, am Anfang stand die Bräute im Vordergrund.
Und also nicht nur Gold und Schätze, sondern dazu gehörten auch Menschen, die verschleppt wurden, die man dann als Arbeitskräfte entweder selber einsetzen konnte oder auf dem Sklavenmarkt auch verkaufen konnte.
Und bei hochstehenden Persönlichkeiten, wenn die gefangen wurden, konnte man auch Lösegeld fordern.
Aber natürlich wurden auch die geraubten Gegenstände einerseits zurückgebracht in die Heimat, aber auch gehandelt.
Das heißt, auch die hat man verkauft.
Es gibt zum Beispiel einen Kodex, also eine illustrierte Prachthandschrift.
Und da gibt es eine Randbemerkung, in der beschrieben wird, dass dieses Buch von den Wikingern geraubt und dann an einen englischen Adeligen verkauft wurde.
Also solche Güter wurden eben auch dann wieder auf diese Art und Weise zu Geld gemacht.
Und neben diesem Aspekt der Beute und des Einkommens, diesem ökonomischen Aspekt sozusagen, spielte sicherlich auch das gesellschaftliche Ansehen eine Rolle.
Also wer als erfolgreicher Seeräuber in die Heimat zurückkehrte, war in der Gesellschaft, die ja so eine ziemliche Kriegermentalität hatte, hoch angesehen und vielleicht haben sie damit sogar auch ihre Heiratschancen erhöht.
Okay, das ist ein interessanter Grund, die Heiratschancen erhöhen und deshalb einen kleinen Raubzug starten sozusagen.
Es gab ja diese berühmte Schlacht 1066, die Schlacht von Hastings, die viele auch als das Ende der Wikingerzeit bezeichnen.
Da gibt es auch einen ganz berühmten Wandteppich in Bayeux.
Kann man das so sagen, das war also das ein Ereignis, das die Zeit beendet hat oder war es eher so ein Ausplätschern durch Anpassung, Assimilation und andere Dinge?
Ja, das ist tatsächlich eine gute Frage.
Also traditionell, wenn man so ganz strikte Daten nimmt, wird die Wikingerzeit ja häufig von 793 bis 1066 gerechnet, aber meistens liest man dann eben um 800 bis um 1100.
Das heißt, so ganz genau datieren kann man das natürlich häufig nicht.
Und wenn man jetzt 1066 das Datum nimmt, das bezieht sich gar nicht so sehr auf Wilhelm den Eroberer, könnte man ja meinen, einen Normanne, der jetzt sozusagen erobert, er war ja der Herzog der Normandie.
Aber das bezieht sich eher auf Harald den Harten, also den norwegischen König, der bei der Schlacht von Stamford Bridge ums Leben kam.
Die war kurz vor der Schlacht von Hastings.
Also der englische König ist von der Stamford Bridge, wo er siegreich war, ganz schnell in Windeseile in den Süden gezogen, um sich den Truppen von Wilhelm dem Eroberer zu stellen.
Das ist dann eben die berühmte Schlacht von Hastings, bei der Harald starb und Wilhelm eben englischer König letztlich wurde.
Harald, also der norwegische König, hatte aber auch Unterstützung aus England, denn der Bruder des englischen Königs, der hieß Tosti, unterstützte den Norweger.
Es war also kein klassischer Wikingerüberfall, sondern eher eine versuchte Übernahme der Macht im englischen Königreich sozusagen, ähnlich wie sie eben ein halbes Jahrhundert vorher Knut dem Großen gelungen war.
Ist das jetzt ein Wikingerzug?
Kann damit die Wikingerzeit enden?
Ist so ein bisschen die Frage.
Aber andererseits gibt es auch nach 1066 noch Unternehmungen, die man als Wikingerzüge bezeichnen könnte.
Es gibt zum Beispiel einen Text, das ist die sogenannte Orkney-Nasaga, also die Saga der Leute von Orkney.
Und die berichtet zum Beispiel von einem gewissen Sven Ausleifersson.
Das ist ein Landbesitzer auf den Orkney-Inseln, der von dort zu einer ganzen Reihe von Raubzügen aufbrach.
Und der starb um 1170, also ein Jahrhundert später.
Während die Könige in Skandinavien und auch in England versuchten, die Ausübung von Gewalt zu monopolisieren und damit eben solche Wikinger-Gruppen keine Möglichkeit mehr hatten, sozusagen tätig zu werden, gab es diese Strukturen eben auf den Orgneys und Hybriden noch nicht in vergleichbarem Maß.
Und das hat es dann eben einzelnen Akteuren erlaubt, Plünderfahrten zu unternehmen, die man durchaus als Wikingerzüge bezeichnen könnte.
Es ist also, wie man sieht, ein bisschen komplexer oder um einiges komplexer, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint.
Und so ganz vorbei ging es mit den Wikingern dann auch nie, kann man sagen.
Es gibt ja bis heute Spuren aus dieser Zeit, Spuren von dieser Kultur.
Was sind die bekanntesten außerhalb Skandinaviens?
Puh, also da fallen mir als erstes die archäologischen Funde ein, also die Schätze, die teilweise vergraben wurden und dann jetzt eben wiedergefunden werden.
Wikinger-Schiffe zum Beispiel, die sind ja ganz berühmt und bekannt.
In Oslo beispielsweise gibt es auch ein Wikinger-Schiff-Museum.
Aber diese hat man eigentlich, abgesehen von dem Fund in Salme eben, nur in Skandinavien selbst gefunden, also nicht außerhalb von Skandinavien.
Aber natürlich sind die Wikinger umso mehr in der Popkultur vertreten, von Richard Wagners Walküren über den kleinen Vicky aus der Zeichentrickserie, die habe ich als Kind schon gesehen, oder auch die aktuelle Serie Vikings.
Und ich finde es schon erstaunlich, wie sehr die Wikinger uns auch heute noch faszinieren, auch wenn natürlich viele der modernen Vorstellungen kaum die tatsächlichen Gegebenheiten im Mittelalter treffen dürften.
Ich denke, diese Faszination kommt auch ein bisschen daher, dass die Wikinger selbst keine Schriften hinterlassen haben.
Sie bleiben dadurch immer so ein bisschen unklar und ungreifbar.
Und das gibt natürlich viel Raum für Fantasie.
Ja, herzlichen Dank.
Sehr, sehr spannende Einblicke.
Wie würden sich Wikinger verabschieden?
Ach, das weiß ich gar nicht ganz genau.
Vielleicht mit Heyda oder so.
Ich weiß es nicht.
Heyda, danke dir.
Ja, Dominik hat gerade schon kurz darüber gesprochen, dass Wikinger eigentlich mehr eine Berufsbezeichnung gewesen ist für die Piraten und Plünderer, vor allem im 8.
und 9.
Jahrhundert.
Heute weiß man auch, dass es sich bei den Wikingern nicht um eine einheitliche ethnische Gruppe, also ausschließlich Skandinavia, gehandelt hat.
Herausgefunden hat, dass eine Gruppe von Wissenschaftlern, die 2020 in der Zeitschrift Nature, Ergebnisse von DNA-Untersuchungen an sterblichen Überresten von Wikingern aus ganz Europa veröffentlicht.
Die Ergebnisse haben damals für ziemliche Schlagzeilen gesorgt.
Die wahre Geschichte der furchterregenden Wikinger.
Weder blond noch skandinavisch.
Blonde Nordmänner, ein Mythos.
Nicht alle Wikinger stammten aus Skandinavien.
Es ist eine Art Lebensstil, der zwar aus Skandinavien kommt, ja klar, aber es scheint so, dass er auch von anderen Leuten übernommen wurde.
Wir können auch sehen, dass es entgegen der landläufigen Meinung eigentlich viel weniger blonde Wikinger gab, als es heute blonde Skandinavier gibt.
Eske Villerslev ist Evolutionsgenetiker an den Universitäten in Kopenhagen und Cambridge und einer der führenden Wissenschaftler, wenn es um die Untersuchung von Wikinger-DNA geht.
Wir haben eine große Genomstudie über die Wikinger gemacht, bei der wir von fast 500 Individuen in ganz Europa die DNA sequenziert haben, um zu verstehen, wie die Entwicklung in der Wikingerzeit aussah.
Und vor allem, wie sie mit der üblichen Sichtweise, wie wir die Wikinger sehen und wie sie in Filmen und so weiter dargestellt werden, überhaupt zusammenpasst.
Und was die Wikinger angeht, zeigen uns die genetischen Daten, dass es kurz bevor die Wikingerzeit beginnt, in Skandinavien eine Migration von Menschen aus Südeuropa Richtung Dänemark gab, die dann weitergezogen sind nach Norwegen und Schweden.
Wir wissen nicht, wer diese Menschen waren.
Wir wissen auch nicht genau, welchen Einfluss sie hatten.
Aber es ist schon sehr auffällig, dass das genau vor dem Beginn der Wikingerzeit passiert ist.
Diese Wikinger oder dieses Wikinger-Phänomen, das ist etwas, was es nur an der skandinavischen Küste gibt.
Wenn man ins Landesinnere von Schweden oder Norwegen geht, dann unterscheiden sich die Menschen dort genetisch ziemlich von den Menschen, die an der Küste leben.
Die Menschen, die im Landesinneren leben, ähneln denen, die schon in der Steinzeit in Skandinavien lebten.
Bei den Wikingern an der Küste sehen wir, dass es sich nicht um eine einheitliche Volksgruppe handelt.
Es gibt zum Beispiel Wikinger, die halb skandinavisch, halb samisch sind oder halb südeuropäisch, halb skandinavisch sind.
Und es gibt sogar Wikinger, die man zum Beispiel in Schottland mit Schildern und Schwertern und allem findet, die eigentlich gar keine Skandinavier sind.
Ja, offenbar konnte man sich also den Wikingern anschließen und mit auf Beutezüge geben.
Vor allem zu Beginn der sogenannten Wikingerzeit, also von Ende des 8.
Jahrhunderts an, ziehen diese Gruppen in fast alle Winkel der Welt.
Anfangs noch als Piraten, später als Siedler, Händler und Entdecker.
Und sie nehmen irgendwann auch Frauen und Kinder mit auf ihre Unternehmungen.
Aber auch in friedlicher Absicht haben sie getötet.
Sie sind die ersten Superspreader, die wir gefunden haben.
Und was sie verbreitet haben, waren die Pocken.
Die ältesten Nachweise haben wir bei Wikingern gefunden.
Die Wikinger waren in den Anfangsjahren vor allem an den Küsten Europas gefürchtet.
Mit ihren wendigen Booten, die wenig Tiefgang hatten, konnten sie aber auch Flüsse befahren.
Das Binnenland war daher vor ihnen aufgelöst.
So sind für das Rheinland von Mitte der 830er Jahre an Raubzüge und Plünderungen entlang des Rheins und später auch der Mosel nachweisbar.
Duristadt, damals ein wichtiger Handelsplatz des Karolinger Reichs an einem Rheinarm in der Nähe von Utrecht gelegen, wurde mindestens sechsmal geplündert und 863 vollständig zerstört.
Interessant ist, dass die Wikinger auf ihren Schiffen auch Pferde geladen hatten, auf deren Rücken sie dann auch Klöster, Städte und Handelsplätze angriffen, die weit ab vom nächsten größeren Fluss lagen, wie zum Beispiel Aachen.
Auch wichtige Handelsplätze wie Trier, Bonn, Andernach und Koblenz blieben nicht verschont.
In Prüm in der Eifel plünderten und brandschatzten die Wikinger die Salvatorabtei, damals eines der bedeutendsten Klöster des Frankenreichs.
Der Mönch und spätere Abt Reginald schrieb in seiner Chronik 882, Sie drangen auf einem Streifzug durch die Adennen am Tag der Erscheinung des Herrn.
also am 6.
Januar, in das Kloster ein, in dem sie sich drei Tage aufhielten und die ganze Gegend ausplünderten.
Sie metzelten die Franken derart nieder, dass unvernünftiges Vieh und nicht Menschen geschlachtet zu werden schien.
Danach kehrten sie mit reicher Beute beladen ins Lager zurück.
Als sie das Kloster verließen, soll kein Mensch mehr gelebt haben, der die gelegten Feuer löschen konnte.
So brannte das Kloster Prömm nieder.
Die Wikinger hinterließen also vor allem in den Anfangsjahren eine Spur der Verwüstung in ganz Europa.
Aber nicht nur die Menschen im Rheinland oder an den Küsten von Nordsee und Ärmelkanal gerieten in Panik, wenn sie die schlanken Segelschiffe der Wikinger sichteten.
In Osteuropa war es anfangs genauso.
Denn manche Wikinger suchten auch im Osten ihr Glück.
Allerdings waren das oft keine Piraten.
Schon in der zweiten Hälfte des 8.
Jahrhunderts sollen skandinavische Händler über die Ostsee bis an die Küsten Russlands gezogen sein.
Diese Wikinger folgten den Flüssen mit ihren Drachenbooten bis ins Binnenland und gründeten dort auch Siedlungen.
Eine der ersten war Altegibok, auf Slavisch heute bekannt als Staraja Ladoga im Norden Russlands.
Dort sollen die Wikinger schon im Jahr 753 gewesen sein, also 40 Jahre bevor im Westen eine andere Gruppe Wikinger das Kloster Lindisfarne überfallen hat.
Über den Fluss Wolschow drangen sie dann weiter in Richtung Süden vor.
Sie handelten mit Fellen und Bernstein, aber auch mit Sklaven.
Von den Einheimischen wurden sie zunächst Rus genannt.
Woher der Begriff kommt, ist nicht ganz klar.
Wahrscheinlich wurde er abgeleitet vom altnordischen Wort Rothr, was so viel bedeutet wie Rudern.
Vom finnischen Wort für Schweden, Ruzi.
Erstmals tauchte dieser Name aber in byzantinischen Quellen auf.
Und zwar schrieb der persische Geograf Ibn Kuradadby um das Jahr 850 über.
Es gibt wenige weitere Quellen von den frühen Handels- und Erkundungsfahrten der Rus.
Fest steht, dass sie im 9.
Jahrhundert über den Dnepr zum Schwarzen Meer gelangten und auch die Hauptstadt des Byzantinischen Reichs ins Visier nahmen.
Das Handelszentrum zwischen Europa und Asien.
Konstantinopel.
Ein verhängnisvoller Blitz ist über uns hergefallen, aus dem fernsten Norden.
Ein Hagelsturm von Barbaren.
Notiert der Patriarch und Gelehrte Fotios I.
Eine Meute von Nordmännern greift im Juni 860 plötzlich die mächtige Hauptstadt des östlichen Römischen Reiches an.
Ein Volk aus dem Norden herabgekrochen, als würde es ein anderes Jerusalem angreifen, mit Bogen und Speer bewaffnet.
Es ist wild und es kennt keine Gnade.
Seit mehr als 150 Jahren hat die Stadt keinen feindlichen Angriff mehr erlebt.
Selbst Fotios rätselt, um wen es sich bei den Angreifern handeln könnte.
Ein unbedeutendes Volk.
Ein Volk, das zu den Sklaven gezählt wurde, aber das sich durch den Feldzug gegen uns einen Namen gemacht hat.
Ein Volk, das irgendwo weit entfernt von unserem Land lebt.
Barbarisch, nomadisch, arrogant, unbeobachtet, unangefochten, führerlos.
Die Wikinger umrunden Konstantinopel mit etwa 200 Schiffen.
Sie greifen die Vororte an, plündern Kirchen und zerstören Dörfer rund um die Stadt.
Dann ziehen sie so plötzlich ab, wie sie gekommen sind und verschwinden spurlos.
Dieser Angriff auf Konstantinopel im Jahr 860 lieferte den Geschichtsschreibern einen weiteren Beweis für die brutalen und scheinbar unbesiegbaren und äxtisch schwingenden Nordmänner aus Skandinavien.
Bis heute ist nicht klar, wer genau diesen Angriff geleitet hat, wie er geplant wurde und was das eigentliche Ziel war.
Historisch belegt ist, die Angreifer kamen aus dem Norden.
Und es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die Wikinger versucht haben, Konstantinopel auszuplündern.
Dazu forscht Sveriger Jakobsson an der Universität von Island.
Wenn ein Wikinger, also jemand, der der skandinavischen Kultur angehörte, nach Osten reiste, wurde er nicht als Wikinger, sondern als Varäger bezeichnet.
Ideologisch betrachtet gibt es aber einen großen Unterschied zwischen beiden.
Denn ein Wikinger war ein Pirat.
Bis in das 11.
Jahrhundert hinein haben die Wikinger christliche Reiche angegriffen und dann begonnen, eigene Herrschaftsgebiete zu gründen, aus denen später die skandinavischen Königreiche hervorgegangen sind.
Die Vareger hingegen waren Menschen, die für die Christen gekämpft haben.
Sie wurden Teil des östlichen Römischen Reiches.
Das ist ein großer Unterschied.
Eine wichtige Rolle hat dabei die Kiewa-Russ gespielt.
In unserer Folge zur Geschichte der Ukraine haben wir auch schon darüber gesprochen.
Und auch darüber, dass es bis heute unklar ist, wie die Kiewa-Russ genau entstand und wer sie gegründet hat.
Wir haben die Folge in den Shownotes verlinkt.
Wenn ihr wollt, hört da gerne mal rein.
Fest steht, die Wikinger spielten eine bedeutende Rolle beim Aufbau eines Fürstentums in der Region.
So bedeuten, dass der byzantinische Kaiser Leo VI.
Wohl am 2.
September 911 einen Vertrag mit den Rus schloss, um friedlichen Handel mit Konstantinopel zu ermöglichen.
Aber der Frieden hielt nicht besonders lange.
In den folgenden Jahrzehnten gab es immer wieder Konflikte um die Kontrolle der Handelsstraßen zwischen den Regionen im Norden und dem Schwarzen Meer.
Das Verhältnis der Rust mit dem byzantinischen Reich besserte sich erst mit der Herrschaft von Basileius II.
Er war 976 mit offenbar gerade einmal 18 Jahren zum byzantinischen Kaiser gekrönt worden.
Als es zu Aufständen gegen ihn in Konstantinopel kam, rief er seine vermeintlichen Handelspartner im Norden um Hilfe.
Und der erste Fürst des neu gegründeten Reichs der Rus, Wladimir I., der übrigens einen skandinavischen Vater und eine slawische Mutter hatte, schickte Basileios 6000 nordische Kämpfer.
Eine Schwester von Basileios II.
wurde dann mit Wladimir verheiratet.
Man schloss also eine Heiratsallianz.
Es war eine politische Partnerschaft, die man hier einging.
Im 11.
Jahrhundert waren dann die meisten Russ- oder Vareger Christen, die für den byzantinischen Kaiser gekämpft haben.
Für Wladimir I.
war diese Christianisierung der Russ ein strategischer Schachzug.
Damit wollte er seine Macht in der Region ausweiten.
Für die in Konstantinopel stationierten Kämpfer aus dem Norden war es ein lukratives Geschäft.
Der Dienst an der Waffe wurde gut bezahlt.
Im 11.
Jahrhundert tauchte in den Quellen dann zum ersten Mal für diese kämpfende Truppe der Begriff Varega auf.
Zu dieser Zeit begannen die Byzantiner zwischen den Skandinaviern zu unterscheiden, die zu Russ gehörten und damit Teil dieser neuen Staatsstruktur waren.
Und als Varega bezeichneten die Byzantiner dann diejenigen, die mit den Russen und ihrem Staat nicht direkt in Verbindung standen.
Der byzantinische Kaiser Basileius II.
rekrutierte die besten skandinavischen Krieger für seine Varega-Garde, also seine persönliche Leibwache.
Mit deren Hilfe baute der Kaiser seine Macht immer weiter aus.
Auch Basileius' Nachfolger haben noch bis ins 13.
Jahrhundert hinein skandinavische Söldner aus dem Norden angeheuert.
Auf dem Gebiet der Rus aber entstand im Laufe der Zeit aus den eingewanderten Wikingern und den dort ansässigen Slaven eine neue, gemischte Bevölkerung.
Damit haben die skandinavischen Wikinger ihre Identität verloren.
Sie schlossen sich dem Schmelztiegel des Ostens an und verschwanden langsam.
Und nicht nur in Osteuropa siedelten sich Wikinger dauerhaft an.
Am bekanntesten ist vermutlich die Normandie, die nicht von ungefähr an den damals auch gebräuchlichen Namen Nordmänner oder Nordmany für Wikinger erinnert.
Die Geschichte beginnt im Jahr 911, also zur selben Zeit, als Leo VI.
Einen Handelsvertrag zwischen Konstantinopel und der Russ im Osten schließt.
Im Norden des Frankenreichs schließen also im Jahr 911 der Wikinger-Anführer Rollo und der westfränkische König Karl III.
Einen Vertrag, der den Lauf der Geschichte verändern wird.
Rollo ist einer der kampferfahrensten Wikinger.
Schon von Mitte des 9.
Jahrhunderts andrangen er und seine Schwerter schwingende Truppen bis weit in das Innere des Frankenlandes.
Um 885 belagerten Rollo und seine Wikinger Paris.
Rollo, der Erzählung nach manchmal Däne oder Sohn eines mächtigen Adligen aus Norwegen und mit nordischem Namen Gengu-Holfr, geht in die Geschichte ein als Kommandierender des letzten Wikingerangriffs auf das Westfrankenreich.
Beim Vormarsch auf Paris griffen seine Truppen auch Bayeux an.
Rollo nutzt die Gelegenheit, um Poppa, die Tochter eines Adligen, zu rauben und zur Frau zu nehmen.
Es war allerdings keine kirchliche Hochzeit.
Rollo war ja nicht getauft.
Es ist der normannische Chronist Dudot de Sœur-Quentin, der uns 100 Jahre später darüber und über den Beginn der Verhandlungen zwischen dem Frankenkönig Karl III.
Und dem Wikingerkommandeur Rollo berichtet.
Rollo sendet ihnen einen Pakt der Liebe und untrennbaren Freundschaft, ja sogar des Dienstes.
Seit 893 regiert Karl III.
aus dem Geschlecht der Karolinger das Westfrankenreich.
Er wird auch der Einfältige genannt, was aber für Geradlinigkeit und nicht für Dummheit steht.
Karl jedenfalls will die Raubzüge der Wikinger ein für allemal beenden.
Dafür muss er ein großes Opfer bringen.
Er bietet dem Wikinger Rollo seine Tochter Gisela als Frau an.
Wenn sie Rollo, ihre Tochter, wie sie gesagt haben, als seine Gemahlin geben und ihm dieses Küstenland als ewigen Besitz von Generation zu Generation überlassen, wird er ihnen seine Hände reichen, sich ihnen aus Treue unterwerfen und ihnen unermüdlich dienen.
Verhandelt wird an den Ufern des Flusses Ebt, einem Nebenarm der Seine zwischen Paris und Rouen.
Wikinger auf der einen und Franken auf der anderen Seite.
Rollo soll von König Karl die Grafschaft Rouen als Lehen bekommen, aber nur, wenn er sich christlich taufen lässt.
Durch Rollo werden sie stark werden und die Unruhen derer, die sich ihnen entgegenstellen und Streit gegen sie verursachen, eindämmen können.
Mit dem Bündnis zwischen Rollo und Karl III.
Konvertieren Rollos Wikinger zum Christentum.
Aus Piraten und Räubern werden Ritter und Edelmänner.
Aus der Grafschaft Rouen wird das Herzogtum Normandie, das Herrschaftsgebiet der Nordmänner.
Der normannische Chronist Gaufredus Malaterra schreibt im 11.
Jahrhundert, Sie leiten den Namen ihres Landes von ihrem eigenen Namen ab.
Und da sie aus dem Norden kommen, werden sie Normannen und ihr Land Normandie genannt.
Zur Hochzeit mit Gisela, der Tochter von Karl III., kam es dann wahrscheinlich nicht.
Einige Historiker vermuten, dass sie noch vor der Hochzeit gestorben sein könnte.
Rollo hatte mit Papa von Bayeux zwei Kinder.
Der einstige Wikinger und erste Herzog der Normandie starb 932 wohl im Alter von 75 Jahren.
Sein Sohn, Wilhelm Langschwert, übernahm danach die Wikingerherrschaft in der Normandie, die mehr als 150 Jahre andauern sollte.
Dann machten sich die Nachfahren der Wikinger wieder auf den Weg.
Dieses Mal weit in den Süden.
Die ersten Normannen kommen tatsächlich nach Süditalien als Pilger und die meisten ziehen zum Heiligtum des Erzengels Michael auf den Monte Gargano und werden dann während dieser Reise eben von langobadischen Fürsten, die gerade zum Beispiel auch mit byzantinischen Rückeroberungsoffensiven in Süditalien kämpfen, angeworben, um eben in ihre Dienste zu treten und diese langobadischen Fürsten militärisch zu unterstützen gegen Geld.
Julia Becker forscht an der Universität Würzburg über die Normannen auf Sizilien.
Und das hat sich rumgesprochen.
Also das verbreitet sich dann auch wieder in die Normandie, dass man dort eben schnell auch zu Geld und Erfolg gelangen konnte.
Denn in Italien hatten die Langobaden versucht, ihre Macht auf Süditalien auszudehnen.
Zunächst ging es um Apulien und Kalabrien.
Süditalien galt seit der Antike als Kornkammer der Region und lag für den Handel günstig gelegen im Mittelmeer.
Regiert wurden die Provinzen allerdings von der Großmacht Byzanz.
Da kamen den Langobaden, die nach Reichtum und Macht strebenden jungen Normanen in ihrem Kampf gegen Byzanz, zunächst zumindest, gerade recht.
Unter ihnen auch der spätere Roger I.
Und sein Robert Giscard aus dem normannischen Adelsgeschlecht der Rudeville.
Als Roger und Robert Giscard geboren wurden, schien ihre Zukunft ungewiss.
Sie hatten mehrere ältere Brüder und daher keine Aussicht, irgendetwas zu erben.
In der Normandie galt das Recht des Erstgeborenen, der den gesamten Besitz der Familie bekam.
Für Roger und seinen Bruder bedeutete das, sie mussten ihr Glück woanders suchen.
Zunächst trat Robert Giscard als Söldner in das Heer eines langobadischen Fürsten in Süditalien ein.
Robert Giscard kommt schon um das Jahr 1046 und zeichnet sich einfach durch militärische Stärke aus, Es kann dann relativ schnell entscheidende Gebiete Apuliens einnehmen, wird auch von seinen Truppen dann zum Herzog ausgerufen.
Also er entwickelt sich zu so einem Führer der normannischen Truppen.
Und Uga I.
ganz ähnlich, erfolgt ihm dann erst circa zehn Jahre später, um 1056, 1057 in den Süden, zeichnet sich aber eben auch schnell durch Willenstärke und militärisches Talent aus und beginnt dann eben gemeinsam mit seinem größeren Bruder Kalabrien dann zu erobern.
Als Graf Roger mit seinem Bruder, dem Herzog, nach der Eroberung von Kalabrien in Reggio weilte, hörte er, dass Sizilien in der Hand von Ungläubigen sei.
Erst Apulien und Kalabrien und jetzt die Insel Sizilien.
Seit dem 9.
Jahrhundert stand die Insel unter muslimischer Herrschaft.
Doch das einst starke Emirat von Sizilien war im 11.
Jahrhundert schon in mehrere kleine Herrschaftsgebiete zerfallen.
Da Roger stets machthungrig war, wuchs in ihm der Wunsch, Sizilien zu erobern.
Davon versprach er sich einen zweifachen Nutzen.
Für seine Seele, denn er würde die dem Götzendienst ausgelieferte Insel zur Verehrung des wahren Gottes zurückführen.
Für seinen Körper, denn er erwirbe so die Früchte und Einkünfte des Landes, die die Ungläubigen usurpiert hatten.
Aber die Eroberung der Insel ging nur schleppend voran.
Außerdem hatten die Normanen anfangs noch einen mächtigen Feind gegen sich, nämlich Papst Leo IX.
In Rom.
Der hatte 1053 in der Schlacht von Civitate in Apulien eine Niederlage gegen die Normanen erlitten und war gefangen genommen worden.
Jetzt gab er den Eroberungszügen der Normanen in Sizilien seinen Segen.
Auch sein Nachfolger, Papst Nikolaus II., machte Zugeständnisse.
1059 auf der Synode von Melfi belehnt Nikolaus II.
Dann den normannischen Führer mit ihren Eroberungen, Also vor allen Dingen Robert Giscard und Richard von Aversa.
Und davon verspricht sich das Papsttum natürlich auch einen zweifachen Zugewinn.
Einerseits militärische Hilfe und eben aber auch finanzielle Unterstützung.
Und die Normannen profitieren eben durch diese Legitimation ihrer Eroberung.
Sie beginnt so ungefähr um das Jahr 1060 mit der Einnahme von Messina, was natürlich dann einen Brückenkopf bildete, auch strategisch ganz wichtige Position natürlich war.
Und erst so die Eroberung Palermos um 1072 als ehemalige arabische Hauptstadt, die bringt dann einen Wendepunkt in dieser lang anhaltenden Eroberungsphase.
Als die Normanen 1072 Palermo eingenommen haben, waren sie längst unabhängig von den langobadischen Fürsten, die sie einst als Söldner angeworben hatten.
Robert Giscar machte seinen Bruder Roger zum Grafen von Sizilien.
Berühmt wurde aber vor allem sein Sohn, Roger II.
Er gründete im Jahr 1130 das Königreich Sizilien.
Ein Königreich, in dem Juden, Moslems und Christen einigermaßen friedlich zusammenlebten.
Wir müssen aber auch immer überlegen, dass die Normannen natürlich eine absolute Minderheit darstellten.
Sie hatten die Insel zwar erobert, aber sie mussten die Insel ja jetzt auch verwalten.
Wir haben Kirchen auf Sizilien, die gleichzeitig auch als Moschee genutzt wurden, wo wir auch den parallelen Ritus einfach nachvollziehen können.
Wir haben griechische Klöster, die auch diese lange griechische Beeinflussung zeigt.
Und das zeigt sich eben ganz stark in der Architektur.
Da kann man auf jeden Fall diese Hybridkultur ganz gut nachvollziehen.
Die Herrschaft der Normanen endete mit der Hochzeit von Konstanze, der Tochter Rogis II.
Mit dem späteren Heinrich VI., dem Sohn von Stauferkaiser Friedrich Barbarossa.
Das sizilianisch-normannische Erbe aber lebte weiter durch den späteren Stauferkaiser Friedrich II., dem Sohn Konstanzus und Heinrichs.
Music.
Wikinger oder zumindest ihre Nachfahren haben also nicht nur geplündert und gemordet, sondern auch Königreiche gegründet, erfolgreich weltweit handelgetrieben und Inseln und Kontinente entdeckt.
Dass Wikinger also nur Piraten gewesen seien, ist ein Mythos.
Ein anderer Mythos, der sich hartnäckig hält, ist die Sache mit den Hörnerhelmen.
In nahezu jedem Comic, jedem Videospiel oder jedem Film werden Wikinger mit Hörnerhelmen dargestellt.
Allerdings stammen die gar nicht aus dem Mittelalter, sondern haben ihren Ursprung im 19.
Jahrhundert.
Der Hörnerhelm geht nämlich auf Richard Wagner und den Ring des Nibelungen zurück.
In dem Opernzyklus geht es um die Nibelungensage, also um die germanische Mythenwelt.
Hier tritt der Hörnerhelm als Symbol der Wikinger seinen Siegeszug an.
Und der beginnt im August 1876 bei der Uraufführung des Rings in Bayreuth.
Maler und Kostümbildner Karl-Emil Döbler hat für Richard Wagners Bühnenbild den Hörnerhelm erfunden.
Und dazu noch das Bärenfell und die Langhaarperücke, mit denen die Wikinger auch gerne dargestellt werden.
Jedenfalls ging nicht nur der Opernzyklus Wagners um die Welt und sorgte für Furore, sondern mit ihm auch Wikinger-Bärenfelle, wilde Langhaarperücken und eben Hörnerhelme.
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass es damals in Deutschland zu einem wahren Wikinger-Kult kam.
Hierzulande wurde das Nordvolk geradezu verehrt und viele Deutsche fühlten sich als blutsverwandte Nachfahren dieser starken und scheinbar unbesiegbaren Wikinger.
Philosophen wie Friedrich Nietzsche bewunderten die vermeintlich nordisch-arischen Übermenschen.
Und wer es sich leisten konnte, reiste nach Skandinavien in die Heimat seiner vermeintlichen Ahnen.
Angeblich soll Kaiser Wilhelm II.
ein besonderes Fable für Norwegen gehabt haben.
Er verfasste Gedichte zu Ehren der Götter der Wikinger und schwärmte von diesem kernigen Volk.
Regelmäßig reiste er in die norwegischen Fjorde und brachte sich von dort auch eine hölzerne Stabkirche mit, die er in Deutschland wieder aufbauen ließ.
Einer, der den 1883 verstorbenen Richard Wagner übrigens auch sehr verehrte, war Adolf Hitler.
Hitler, der sich selbst gerne als Künstler inszenierte, behauptete, mit dem Komponisten Wagner geistesverwandt zu sein.
Hitler soll immer wieder betont haben, dass er mit 16 Jahren die Wagner-Oper Rienzi besucht habe.
Das sei der Moment gewesen, in dem er seine künftige politische Mission erkannt haben will.
Wagner sei für ihn die größte Prophetengestalt, die das deutsche Volk besessen habe.
Der amerikanische Musikwissenschaftler Alex Ross, der kürzlich ein Buch über den Einfluss von Wagner auf Hitler geschrieben hat, sagt, es seien vor allem die Heldenfiguren, wie der Germanengott Wotan aus dem Ring des Nibelungen, mit denen sich Hitler identifiziert habe.
Und für die Germanen hatten die Nationalsozialisten ja sowieso eine besondere Vorliebe.
Am 1.
Juli 1935 gründete Heinrich Himmler, u.a.
Reichsführer SS und einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust, die Studiengesellschaft für Geistesurgeschichte, deutsches Ahnenerbe der SS.
Der Verein finanzierte Forschung, die die geistige Weltherrschaft des arischen Germanentums nachweisen sollte.
Dabei wurde vor allem auch archäologische Forschung gefördert.
Es war Heinrich Himmler höchstpersönlich, der die Idee hatte, Beweise dafür zu suchen, dass die Führungselite der Nationalsozialisten von den Wikingern abstamme.
Besonders wichtig war den Nationalsozialisten die Wikingerstadt Haithabu bei Schleswig.
Mehr als die Hälfte des Ausgrabungsetats investierte der Verein Deutsches Ahnenerbe bis 1939 in Haithabu, mit dem Archäologen Herbert Jankuhn als Grabungsleiter.
Der war gleichzeitig SS-Sturmbandführer und machte mit seinen Ausgrabungen über das angebliche Ahnenerbe-Karriere als Wissenschaftler im Nationalsozialismus.
Es wurden zahlreiche Archäologie-Lehrstühle an deutschen Universitäten gegründet, die alle ein Ziel hatten.
Mit Germanen und Wikinger-Funden zu beweisen, dass die Deutschen von einer überliegenden nordischen Rasse abstammten.
Und Haithabu wurde zu einem Hotspot bei der Suche nach einer angeblichen germanischen Identität.
Jan Kuhn ist übrigens bis zu seiner Emeritierung 1973 Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Göttingen geblieben.
Seine ideologische Nähe zum Nationalsozialismus hat er nach dem Krieg erfolgreich geleugnet.
Heute setzt sich das Freilichtmuseum Haithabu intensiv mit seiner NS-Vergangenheit auseinander.
Ein weiteres Ziel der Museumsarbeit ist es, über die großen Mythen der Wikinger aufzuklären.
Und das nicht nur über die Hörnerhelme, die kein Wikinger im Kampf je getragen hat.
Denn nach wie vor sind viele Menschen von den Wikingern fasziniert und glauben fest daran, dass auch wir Deutschen mit ihnen verwandt seien, es also eine gemeinsame deutsch-nordische Tradition gebe.
Aber das ist genauso Quatsch wie vieles andere, was über die Wikinger in das Reich der Legenden gehört und mit wissenschaftlicher Forschung nur wenig zu tun hat.
Und genau darüber spreche ich jetzt mit Matthias Toplack.
Er leitet das Wikinger-Museum in Haithabu bei Schleswig und ist jetzt hier bei uns im Podcast.
Matthias, schön, dass du da bist.
Hallo.
Wohl.
Irgendwo in Deutschland findet gefühlt an jedem Wochenende ein Wikinger-Fest statt.
Das ist also wirklich eine Sache, die sehr viele Menschen begeistert.
Aber die Frage ist, was macht denn diese Faszination aus?
Warum verkleiden sich Menschen heute als Wikinger?
Warum besuchen sie diese Feste?
Kannst du uns das erklären?
Also ich schätze, dass diese Faszination für eine Epoche ist, die unserer modernen Gesellschaft völlig diametral entgegensteht.
Also wir haben immer so ein bisschen die Vorstellung von der Wikingerzeit als eine Epoche voll von Abenteuer und Freiheit.
Man kann da quasi mit dem Schiff ins Abenteuer fahren.
Eine Gesellschaft, die vielleicht auch noch nicht so, ich sag mal, vorsichtig domestiziert ist mit Regeln und zivilisatorischen Vorschriften, wie wir das heutzutage kennen.
Also da schwingen so ganz viel diese Mythen.
von Freiheit und Abenteuer mit dazukommt, dass die Wikingerzeit, glaube ich, für viele von uns Teil der eigenen Identität ist.
Also das ist ja irgendwie unsere eigene Geschichte.
Und gleichzeitig ist es eben so wahnsinnig fremd.
Und da sind so ganz viele Leerstellen, die wir nutzen können, über die wir vielleicht gar nicht so viel wissen, die wir nutzen können, um da moderne Vorstellungen, moderne Ästhetik, gegenwärtige Diskurse reinzuprojizieren.
Also uns da eine Zeit zu erschaffen, wie wir sie gerne gehabt hätten.
Du sagst auch, es gibt im 21.
Jahrhundert heute eine Art neues Wikingertum, Das 21st Century Viking.
Was genau meinst du denn damit?
Genau diese Flucht aus dem Alltag oder wie würdest du das definieren?
Ja genau, das ist im Endeffekt der Wikinger in Anführungszeichen, den wir uns heutzutage konstruiert haben im 21.
Jahrhundert, so wie wir ihn gerne gehabt hätten.
Also angelegt an moderne Ästhetik, wir denken an Vikings, all diese durchtrainierten Typen mit nacktem Oberkörper, voll tätowiert, auch in Geflechtfrisuren.
Das hat auffällig wenig mit der historischen Wikingerzeit zu tun, entspricht aber genau unseren modernen ästhetischen Vorstellungen und auch das Setting quasi, in dem diese ganzen Serien zum Beispiel stattfinden.
Das entspricht auch alles dem, was uns heutzutage umtreibt.
Du hast gerade schon gesagt, dass nicht alles mit der Realität der damaligen übereinstimmt, aber was davon hat denn tatsächlich Bestand?
Bei was kann man sagen, ja, das ist historisch korrekt von diesen Rückgriffen?
Teilweise sehr wenig.
Also wenn ich mir meine beliebte Serie Vikings anschaue, jeder Mensch, der sich an Vikings erfreut, ist für mich eine Freude.
Das finde ich super.
Aber die Serie hat auffällig wenig mit den Wikingern zu tun, abgesehen vom Namen.
Das fängt schon so ein bisschen bei der optischen Darstellung der Menschen an.
Also da nutzen wir wirklich die Wikingerzeit, um moderne Bedürfnisse zu bedienen.
Du selbst, die Leute, die den Podcast gerade hören, können das nicht sehen, aber du selbst hast optisch jetzt, würde ich mal sagen, eine Frisur, die ich jetzt als weiter so eine Wikinger-Frisur bezeichnen würde, einen geflochtenen Zopf.
Ist das jetzt von mir aber auch einfach so ein Klischee, dass ich bediene oder ist es bei dir eine gewisse Absicht, die dahinter steckt?
Nee, also tatsächlich kommen die lange Haare aus der Metal-Szene und der Zopf ist einfach nur der Praktikabilität geschuldet.
Ich glaube, das ist eben tatsächlich genau diese Vorstellung, die wir haben, die ja auch nicht erst heute entstanden ist, sondern das reicht tatsächlich schon so ein bisschen weiter zurück, dieser edle Wilde, also die wilden Bärte und die lang wehenden Haare.
Das ist auch wieder so ein bisschen diese Vorstellung von Freiheit und Abenteuer und Individualität.
Und das ist tatsächlich dann schon begründet im 19.
Jahrhundert, also in dieser nationalromantischen Darstellung der Wikingerzeit, wo man versucht von diesem, Biedermeier-Muff quasi wegzukommen.
Aber jetzt jenseits der Metal-Kultur bist du hin und wieder schon auch als Wikinger unterwegs, wenn ich das richtig verstanden habe.
Du verkleidest dich als Wikinger, oder?
Ja, verkleiden würde ich es nicht nennen, aber tatsächlich bin ich seit 20 Jahren Teil der Living-History-Szene und mache das hier auch, soweit mir das die Arbeit im Museum ermöglicht auch.
Am Montag sind wir beispielsweise fix Montag mit unserem Segelboot, unserem Wikingerboot in Dänemark unterwegs, um den dänischen König zu kutschieren und dann natürlich auch in sie voller Kleidung.
Und für mich ist, glaube ich, die Faszination genau dieselbe wie für die meisten Menschen.
Es ist was völlig anderes und es ist auch ein ganz gezieltes Loslassen von dem, was unsere Gesellschaft heutzutage bestimmt.
Also ständige Erreichbarkeit über das Handy und solche Sachen.
Jetzt hast du nicht nur in deiner Freizeit mit Wikingern zu tun, sondern auch beruflich.
Du leitest das Wikinger-Museum Heitabu.
Mit was für Vorstellungen über die Zeit der Wikinger kommen denn die Menschen in das Museum?
Ganz unterschiedlich, ja.
Also ich wage zu behaupten, dass fast jeder in der westlichen Welt irgendeine Vorstellung von den Wikingern hat, weil dieser Name ist einfach omnipräsent.
Die Vorstellungen sind in den meisten Fällen falsch und bei uns bei den Besuchern, das reicht von kulturinteressierten Senioren.
Die haben halt irgendwann in der Schule was über die Wikinger gehört.
Bis hin dann eben zu Leuten, die absolute Wikinger-Nerds sind und das hauptsächlich ihr Wissen über Vikings beziehen.
Bis hin natürlich dann auch zu Leuten, die sich ganz intensiv damit auseinandersetzen.
Aber bei den meisten Menschen ist das Vorwissen doch eher gering.
Wenn ich Führungen mache, dann stelle ich am Anfang so ein paar kleine Fragen, um zu schauen, wo ich die Leute abholen kann.
Weil es für mich auch einfach extrem spannend ist, zu schauen, was wissen die Leute denn über diese Zeit und mit was für Vorstellungen kommen sie denn tatsächlich?
Und was erwarten sie denn auch zu sehen?
Was kann man denn eigentlich sagen, wann begann diese Romantisierung der Wikingerzeit, wann begannen diese ganzen Erzählungen?
Also wenn wir den Begriff Romantisierung ersetzen durch eine Mythologisierung, dann setzt das eigentlich mit dem ersten Aufschlag der Wikingerzeit ein Ende des 8.
Jahrhunderts, zum Beispiel mit dem Überfall auf das Kloster von Lindisfarne, 793.
Denn der angelsächsische Gelehrte Alkuin berichtet in einem Brief an den Hof von Karl dem Großen, damals noch König, über diesen Vorfall.
Und er stilisiert die Skandinavier quasi schon zu diesem, ja, übernatürlichen Teufeln hoch, zu dieser Naturgewalt, die dort quasi über die christliche Welt hereinbricht.
Und da setzt eine Darstellung ein, die bis heute noch hält, die wahrscheinlich auch so ein bisschen der Grund ist, warum wir beide jetzt mit einer reden, die also quasi den Ruf der Wikinger in der Weltgeschichte festigt.
Das setzt sich dann im 13.
und 14.
Jahrhundert mit der altnordischen Sagerliteratur fort.
Über das Bild von Wikingern als große Kämpfer haben wir vorhin schon mal kurz gesprochen, als es um Serien oder Filme ging.
Gehen wir nochmal ein bisschen mehr auf das Aussehen der Wikinger, das heute immer wieder transportiert wird.
Da werden Wikinger dargestellt als weiß, groß, lange Haare, Bärte.
Was stimmt denn an diesem Bild oder was stimmt an diesem Bild nicht?
Also die Verallgemeinerung stimmt nicht.
Die meisten Menschen der skandinavischen Wikingerzeit waren eben ein nordischer, heller Phänotyp, also mit hellen Haaren, blond oder roten Haaren, hellen Augen, heller Hautfarbe, was wir über die DNA-Analysen inzwischen auch ganz gut abbilden können.
Und wir können auch sagen, dass sie überdurchschnittlich groß waren für die damalige Zeit.
Das kann man über das Skelett-Material, über große Reihen ganz gut nachvollziehen.
Also der durchschnittliche Wikinger war tatsächlich 1,76, 1,78, was heute eher Mittelmaß ist, damals aber im Vergleich zum restlichen Europa schon ziemlich groß.
Und was die DNA-Analysen, da ist 2020 eine extrem große Studie herausgekommen, aber auch zeigen ist, dass es eben ja kein einheitliches ethnisches Volk war, von dem wir reden, sondern wir reden von einem Kulturraum, in dem man sich auch integrieren konnte.
Und es gab dementsprechend auch Menschen, die wir heutzutage als Wikinger bezeichnen würden, die aber dunkle Haare hatten, dunkle Augen, vielleicht eine etwas dunklere Hautfarbe, die aus den slavischen Gebieten kamen, aus den angelsächsischen Gebieten, vielleicht sogar aus Südeuropa oder Osteuropa, Südosteuropa und sich dann irgendwie in diese Wikingerkultur integriert haben.
Sie haben jemanden geheiratet, haben Handelskontakte aufgebaut, haben sich dort niedergelassen.
Und das nivelliert so ein bisschen das Bild, was oftmals gezeichnet wird.
Jetzt werden Wikinger auch gerne mal tätowiert dargestellt.
Waren die Wikinger überhaupt tätowiert?
Ich glaube, das ist mindestens in den Top 3 der Fragen, die mir gestellt werden.
Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich selber tätowiert bin mit Wikinger-Motiven.
Wir können es archäologisch nicht belegen.
Uns fehlt leider die Moorleiche aus der Wikinger-Zeit, wo wir dann auch vielleicht noch Haar und Bart dran erkennen können mit Tätowierungen.
Es gibt eine ganz merkwürdige Quelle, der Bericht eines arabischen Diplomaten, Amitim Fadlan, der im 10.
Jahrhundert in Osteuropa auf im weitesten Sinne unsere Wikinger stößt.
Und er schreibt, dass diese von den Zehen bis zum Nacken mit dunklen Linien verziert wären.
Aber es ist schon die Frage, ob das Attentiv, das er nutzt, ob das tatsächlich tätowiert oder nur bemalt bedeutet.
Ansonsten haben wir überhaupt nichts, keine Überlieferungen dazu.
Und das macht mich so ein bisschen stutzig, denn im Christentum und im Islam sind Tätowierungen eigentlich nicht erlaubt.
Und man würde erwarten, dass die christlichen Mönche gerade dann Tätowierungen aufgreifen würden als absolutes Stigmata, um diese Menschen als unchristliche Heiden darzustellen.
Und das fehlt.
Und dementsprechend ist in meinen Augen das Schweigen der Quellen eher ein Hinweis gegen Tätowierungen, auch wenn das natürlich perfekt zu unserer Vorstellung von der wikingerzeitlichen Ästhetik, von unserer modernen Ästhetik passen würde.
Und wir auch einfach sagen müssen, dass diese Menschen jeden profanen Gegenstand mit aufwendigen Kunstverzierungen geschmückt haben.
Also passen würde es aber tatsächlich beim gegenwärtigen Forschungsstand, muss ich eher sagen, anscheinend nicht.
Wozu es auch immer wieder Darstellungen gibt, das sind kämpfende Frauen, Schildmeiden auch genannt.
Also blonde, langhaarige Wikingerfrauen, die wildnisbändigen, gegen Wölfe kämpfen, auch als Kriegerinnen unterwegs sind.
Was wissen wir denn überhaupt über Wikingerfrauen?
Ja, das ist dann, glaube ich, Top 1 der häufig gefragten Mythen.
Wir wissen über die Frauen der Wikingerzeit, dass sie verhältnismäßig viele Rechte hatten.
Sie waren nicht gleichberechtigt zu den Männern.
Das ist so ein moderner Mythos, den wir gerne hineinprojizieren.
Aber sie durften sich beispielsweise scheiden lassen unter bestimmten Bedingungen.
Sie waren erbberechtigt unter bestimmten Bedingungen und waren auch geschäftstüchtig, durften also alleine einen Hof führen.
Diese Frage der kämpfenden Frauen basiert zum einen vor allen Dingen auf mythologische Quellen und zum anderen auf einem extremst spannenden, aber total unsicheren Grabbefund, nämlich diesen berühmten Kammergrab aus Birka, DJ581.
Ist die Bestattung einer biologischen Frau in männlicher Kleidung, soweit wir es nachvollziehen können, und mit einer Vielzahl von Waffen, also als der hochrangige Kriegerbeig sitzt.
Was das bedeutet, da reden wir uns heute noch die Köpfe heiß in der Archäologie, das ist völlig unklar, ob dieses Bild erst in der Bestattung konstruiert wurde, diese Frau also zu Lebzeiten auch als Frau gelebt hat, oder ob sie tatsächlich schon zu Lebzeiten Männerkleidung und vielleicht sogar Waffen getragen hat.
Das wissen wir nicht.
Sie kann also theoretisch durchaus als Kommandeurin hinter den Linien die Truppen befehligt haben.
Das auszuschließen, wäre unwissenschaftlich.
Sie hat offensichtlich nicht gekämpft.
Das können wir am Knochenmaterial nachweisen.
Und ich gehe auch davon aus, dass Frauen zwar durchaus in Krisensituationen zur Axt und zum Schwer gegriffen haben, um sich oder ihren Hof zu verteidigen, aber dass sie beim gegenwärtigen Forschungsstand nicht mit den Männern in die Schlacht oder auf Raubzug gegangen sind.
Jetzt haben wir viel über Äußeres gesprochen.
Kommen wir mal zu etwas sehr Ernsthaftem, nämlich dem Missbrauch des Wikingerbilds oder dem Missbrauch der Wikinger allgemein, zum Beispiel in der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch heute in der rechtsextremen Szene.
Warum bieten sich denn die Wikinger offenbar an, sie politisch zu instrumentalisieren?
Naja, die Wikinger bieten eben vordergründig eine ganze Menge Anhaltspunkte für rechtsextreme Narrative.
Die Vorstellung dieses ethnisch einheitlichen Volkes moralisch und vielleicht auch körperlich überlegen mit einer wahnsinnigen Männlichkeit, also diese ständige Wehrbereitschaft der bewaffnete Mann als oberstes Ideal, vielleicht auch die Vorstellung, dass es sich dabei um eine authentische Kultur von uns handeln würde.
Und das sind ganz, ganz viele Ansatzpunkte, die da missbraucht werden, die aber bei genauer Betrachtung durch die Archäologie alle völlig unhaltbar sind.
Denn wir haben eben ja kein einheitliches, ethnisches Volk, sondern das ist eine Kulturgruppe, in die sich auch Personen anderer Kulturgruppen, früher hätten wir gesagt anderer Völker, integrieren konnten.
Und gleichzeitig waren auch unsere Wikinger wahnsinnig neugierig und offen gegenüber anderen Kulturen.
Da werden Handelsnetzwerke bis weit in den Orient, in die arabische Welt, nach Zentralasien aufgebaut.
Man kommt mit diesen Leuten in Kontakt, man übernimmt auch Gegenstände oder auch Ideen, Technologien, Ideologien von diesen Menschen.
Wenn ich mir zum Beispiel anschaue, welche Mengen an arabischem Silber und arabischen Gewichten wir in Skandinavien haben, also da werden ganze Technologien von diesen anderen Kulturen übernommen.
Das heißt, unsere Wikinger waren eben alles andere als diese fremdenfeindlichen und auf ihre eigene Kultur bedachten Menschen.
Aufklärung ist wichtig, auch in anderen Zusammenhängen, nämlich wenn es eben um Mythen geht.
Da hast du uns jetzt ja schon sehr viele Dinge gesagt und uns aufgeklärt in einigen Bereichen.
Vielen Dank dir für die Einblicke und ich bin jetzt deutlich schlauer, als ich vor dem Gespräch war.
Das hat mir sehr geholfen.
Dankeschön.
Gerne.
Ja, am Ende muss man fast sagen, nahezu alles, was wir glauben, über die Wikinger zu wissen, gehört ins Reich der Mythen.
Daran sind natürlich auch Kinderserien schuld, wie Vicky und die starken Männern.
Vielleicht habt ihr die als Kind auch geschaut.
Vicky, der Junge mit dem halblangen roten Haar und dem Hörnerhelm auf dem Kopf, der mit den starken Wikingern zur See fährt und Abenteuer erlebt.
In einer Sache hatte die Serie aber zumindest recht.
Die Wikinger waren begnadete Seefahrer.
Was ich mich aber bis heute frage, wie konnten sie wissen, wohin sie fuhren?
Hatten sie Karten, um zu navigieren?
Bis heute wurde keine historische Karte gefunden, die auf die Wikingerzeit zurückgeht.
Die sogenannte Vinlandkarte, die aus der Wikingerzeit stammen soll, hat sich 2021 als Fälschung herausgestellt.
Sie wurde genauen Untersuchungen zufolge erst im 20.
Jahrhundert gezeichnet.
Darum vermuten Historikerinnen und Historiker, dass sich die Nordmänner bei ihren Bootsfahrten allein am Stand von Sonne und Sternen orientiert haben.
An Landmarken wie Bergen und Küstenlinien.
Und genau dieses Thema werden wir in der nächsten Folge hier im Podcast vertiefen.
Da geht es um die Geschichte der Kartografie und die Frage, wer hat eigentlich die erste Karte der Weltgeschichte bezeichnet?
Wir freuen uns, wenn ihr da wieder dabei seid.
Dieser Podcast hier ist eine Produktion von Objektiv Media im Auftrag des ZDF.
Die Autorinnen waren wie immer Janine Funke und Andrea Kahrt.
Sie sind verantwortlich für Buch und Regie.
Für die technische Umsetzung und Gestaltung verantwortlich ist Sarah Fitzek.
Redaktion im ZDF hatte Katharina Kolbenbach.
Ich bin Mirko Trotschmann und sage danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
