Episode Transcript
Wo muss ich abbiegen?
Nach Schleiden geht's hier lang.
Fahr mal gleich rechts auf die Autobahn.
Und jetzt?
Wir hätten hier schon rausfahren müssen.
Mist!
Diese Zeiten sind inzwischen vorbei.
Heute muss keiner mehr hektisch im Straßenatlas herumblättern, um den richtigen Weg nach Schleiden in der Eifel u finden.
Inzwischen haben fast alle Autos GPS-Navigation.
In den 1980er Jahren aber gehörte ein Straßenatlas praktisch ur Grundausstattung.
Am 21.
Juni 1983 begann eine Autofahrt dann aber um ersten Mal schon so.
Das war die Stimme des ersten autarken Navigationssystems der Geschichte.
Es hieß EFA und entwickelt hat es die Firma Bosch.
Eva, das bedeutet elektronischer Verkehrslotse für Autofahrer.
Echt, links, gerade aus.
Eva hatte schon eine kleine digitale Karte ur Verfügung.
Allerdings nur für Hildesheim.
Die Zielpunkte waren in einen Zahlencode übersetzt worden.
Und wenn man Start- und Zielkoordinaten eingegeben hatte, dann hat Eva die beste Route berechnet und einen mit klaren Anweisungen per Stimme um Ziel gelost.
Allerdings war Eva damals noch ein Prototyp.
Ziel erreicht.
Music.
Ich bin Mirko Rotschmann, ihr hört Terra X History, der Podcast.
Und in dieser Folge geht es um die Geschichte der Kartografie und die Macht der Karten.
Wann haben die Menschen angefangen, die Welt auf Karten darzustellen?
Warum haben sie begonnen, geografisches Wissen über Inseln, Flüsse und Berge für die Nachwelt festzuhalten?
Und welche Probleme mussten Kartografen lösen, um die kugelige Oberfläche der Erde mehr oder weniger verzerrungsfrei auf eine platte Karte u bringen?
Wer schon einmal eine Apfelsine geschält hat und dann versucht hat, die Schalenstücke in einem Rechteck usammenzufügen, der weiß, was ich meine.
Irgendwo klafft immer eine Lücke.
Und was bedeuten Digitalisierung und GPS für die Geschichte der Kartografie?
Das erste digitale und autarke Navigationssystem mit Sprachausgabe, EFA, war Anfang der 1980er Jahre eine kleine Sensation.
Aber es hat noch ohne GPS funktioniert.
Mittlerweile ist nicht nur das GPS im Autonavistandard.
Es gibt alle möglichen Karten, die uns Informationen liefern, ob digital oder analog.
Stadtpläne, Wanderkarten, Schulatlanten, Busnetzkarten, Wetterkarten und so weiter und so fort.
Wir sind im Alltag praktisch von Karten umgeben.
Auch wenn es uns gar nicht bewusst ist, Karten speichern unser Wissen über die Welt.
Ob als großmaßstäbige topografische Karte 1 u 25.000 oder als kleinmaßstäbige Weltkarte 1 u 75 Millionen.
Mit Satellitenbildviewern können wir uns in jeden Winkel der Erde oomen, ohne unsere Wohnung überhaupt verlassen u müssen.
Das Navi weist uns den Weg um nächsten Supermarkt und wenn wir irgendwann dann trotzdem die Orientierung verloren haben, dann gucken wir in unserer Navigations-App auf dem Smartphone nach, wo das GPS-Signal leuchtet und dann wissen wir, wo wir gerade sind.
Was sich wie ein roter Faden durch die Geschichte ieht, ist, wir Menschen suchen offenbar seit Anbeginn nach dem richtigen Weg und sind neugierig auf das, was uns umgibt.
Karten bieten uns Orientierung, sie liefern uns Wissen über die Welt und auch ein Stück weit Sicherheit.
Selbst wenn es manchmal trotz GPS und Navi mit der Orientierung nicht immer hundertprozentig klappt.
Auch ohne GPS und Navi hat das mit den Papierkarten und ihren Vorläufern erstaunlich gut funktioniert.
Einige Jahrtausende lang.
Der britische Journalist Simon Garfield hat mal geschrieben, dass jede Karte eine Geschichte erzähle.
An dieser Stelle müssen wir das noch ein bisschen erweitern.
Auch jede Karten ähnliche Darstellung erzählt eine Geschichte.
Denn bevor es die ersten weidimensionalen Karten gab, also nachdem die Schrift erfunden wurde, haben Menschen Informationen über Berge, Flüsse und Wälder auch schon auf andere Weise dargestellt und an nachfolgende Generationen weitergegeben.
Vor kurzem haben Wissenschaftler in Frankreich etwas Bemerkenswertes entdeckt.
In der berühmten Höhle von Segoniol, 60 Kilometer südlich von Paris, haben sie Gravuren im Sandsteinboden gefunden.
Sie vermuten, dass es sich dabei um eine Art 3D-Modell der Umgebung handelt.
Es wäre damit die älteste prähistorische, kartenähnliche Darstellung, die bisher entdeckt worden ist.
Der Archäologe und Forschungsleiter Medard Thierry vom Zentrum für Geowissenschaften in Paris.
Comparing 8 North from Michigan.
Wenn man die Gestalt und Form der Einkerbungen in der Höhle mit der Landschaft außerhalb der Höhle vergleicht, sieht man, es handelt sich in gewisser Weise um ein Miniaturmodell dieser Landschaft.
Was in der Höhle gefunden wurde, ist keine Karte nach heutigem Verständnis, denn Karten sind verkleinerte, stark vereinfachte und weidimensionale Abbildungen der Wirklichkeit.
Aber die Gravuren in der Höhle von Sigourn Yol können als Vorstufe davon gelten.
Diese Reliefdarstellung könnte damals nützlich gewesen sein, um sich im Jagdkollektiv u organisieren.
Sozusagen als anschauliches Miniaturmodell ur Vorbereitung auf die Jagd.
Etwa, wo die einzelnen Jäger sich hinstellen sollten, um vorherzusehen, wohin das Wild vielleicht flüchten würde.
In dieser Zeit haben die Menschen noch andere Methoden genutzt, um ihr Wissen über die Umwelt, in der sie lebten, weiterzugeben.
Oft war es überlebenswichtig u wissen, wo Wälder lagen, wo Gebirge, wo Flüsse oder lebensfeindliche Städten.
Und nicht immer gab es Höhlen, wo diese Informationen in den Stein eingraviert werden konnten und sich so geschützt und bis heute erhalten haben.
Ob es solche Darstellungen vielleicht auch aus organischen Materialien gegeben hat, das können wir nicht mehr sagen.
Wie fanden diese Jäger und Sammler ihren Weg?
Woher wussten sie, wo sie genau sind?
Ganz einfach.
Sie erstellten vermutlich kognitive Karten oder Mental Maps.
Die Menschen haben sich Wege, Flüsse, Entfernungen, Berge oder Seen einfach eingeprägt und alle wichtigen Informationen im Gedächtnis abgespeichert, um sich u orientieren.
Und sie haben ihr Wissen an nachfolgende Generationen weitergegeben.
Ein Beispiel dafür sind die australischen Aboriginal People, die in sogenannten Songlines, also Gesängen, Landschaften und Wege beschreiben, zum Teil über Hunderte von Kilometern.
Diese Art der Kartografie nutzten vielleicht auch die frühen Menschen.
Und sie änderte sich erst dauerhaft, als die Menschen sesshaft wurden und sich erste Hochkulturen und Imperien entwickelten.
Das war so ab dem 4.
Jahrtausend vor der Zeitenwende.
Denn damals entwickelten die Menschen auch die erste Schrift.
Nach und nach entstanden Dörfer und Städte.
Im Laufe der Zeit mussten Regionen und größere Herrschaftsgebiete verwaltet und, aus Sicht der Herrschenden, auch kontrolliert werden.
Was sie dafür jetzt brauchten, das war erstmal ein Überblick, wie ihr Einflussbereich überhaupt aussah.
Und dazu brauchten sie genau Karten.
Die älteste erhaltene Karte ist mehr als 3000 Jahre alt.
Sie stammt aus dem alten Ägypten, also etwa um 1150 vor der Zeitenwende.
Es handelt sich um eine Karte aus Papyrus, auf der eine Gebirgslandschaft u sehen ist.
Mit verschiedenen Farben sind unterschiedliche Gesteinstypen eingezeichnet und einige Stellen markiert, an denen wahrscheinlich Goldminen lagen.
Die Karte liegt heute im Ägyptischen Museum in Turin.
Regeln, wie solche Karten angefertigt werden sollten, gab es damals vermutlich noch nicht.
Das hat sich erst ein paar Jahrhunderte später geändert, und war im antiken Griechenland.
Ich lache, wenn ich sehe, wie viele vor mir Karten von der Erde angefertigt haben.
Aber niemand wirklich auf intelligente Weise, scherzt Herodot in seinen Historien im 5.
Jahrhundert vor Christus, denn seine Zeitgenossen produzieren vor allem runde Karten.
Sie eichnen den Ozean um die Erde herum.
Sie stellen Asien als genauso groß dar wie Europa.
Niemand weiß genau, ob Europa von einem Meer umgeben ist.
Herodots Kritik?
Auf den Karten fehlten Informationen aus Reiseberichten von Händlern und Entdeckern.
Der griechische Geograf und Historiker war selbst viel gereist.
Nach Ägypten, in den vorderen Orient, nach Nordafrika und kannte den gesamten Mittelmeerraum.
Eine Karte hat er nach seinen Reiseberichten aber wohl nie selbst gezeichnet.
Zumindest gibt es keine Quellen darüber.
Herodot hat damals, wie viele seiner Zeitgenossen, geglaubt, dass die Erde eine Scheibe sei.
Das hatte ein gewisser Pythagoras, der nicht lang vor Herodots Geburt starb und den ihr vermutlich noch aus dem Matheunterricht kennt, ganz anders gesehen.
Die Pythagoreer sagen, die Erde sei eine Kugel in der Mitte des Alls.
So ist es umindest überliefert.
Einige antike Gelehrte haben ihm ugestimmt.
Darunter Aristoteles, der sicher war, dass die Erde eine Kugel ist.
Er hatte Mondfinsternisse beobachtet und dabei festgestellt, dass die Erde einen kreisförmigen Mondschatten geworfen hat.
Den letzten Beweis hat dann Eratosthenes von Kyrene erbracht.
Der junge Gelehrte war im dritten Jahrhundert vor Christus Bibliothekar von Alexandria, eine der berühmtesten Bibliotheken der damaligen Zeit und das Wissenschaftszentrum der Antike.
Daniela Dürk, Professorin für Antike Geschichte und Geografie an der Bar-Ilan-Universität in Israel.
Er hat es geschafft, den Umfang der Erdkugel u berechnen, und war fast genauso exakt, wie wir das heute tun würden.
Das war echt erstaunlich.
In einem historischen Bericht hieß es damals, er stellte die Sonne in seinen Dienst.
Seine Beobachtungen in Suene, dem jetzigen Asuan in Ägypten, hatten ihn gelehrt, dass ur Sommersonnenwende das Spiegelbild der Sonne im Grunde eines Brunnens erschien.
Die Sonne musste am 21.
Juni senkrecht über Suene stehen.
Heratostenes hat herausgefunden, dass die Sonne ur Mittagszeit im heutigen Asuan, im Zenit, in Alexandria, aber am Tag der Sommersonnenwende ur gleichen Zeit in einem anderen Winkel stand.
Also konnte die Erde gar keine Scheibe sein.
Eratosthenes kannte auch die Entfernung wischen den beiden Orten, vermutlich geschätzt anhand der Reisegeschwindigkeit einer Kamelkarawane.
Daraus berechnete er iemlich genau den Erdumfang am Äquator von rund 40.000 Kilometern.
Damit standen die Kartografen jetzt aber vor einem ganz anderen Problem, nämlich wenn die Erde keine Scheibe war.
Wie sollte man die Kugelgestalt dann auf eine weidimensionale Karte projizieren?
Eratosthenes hat dieses Problem noch nicht gelöst, aber er hat eine der ersten Weltkarten gezeichnet, und war mit Hilfe von Reisebeschreibungen und Skizzen, die in der Bibliothek von Alexandria gesammelt worden waren.
Eratosthenes Karte eigte die damals für die europäische Antike bekannte Welt mit Europa, mit Asien und Afrika um 220 vor Christus.
Iberien ist schon bekannt, das Kaspische Meer auch, Indien liegt ganz im Osten und ein Gitternetz, das Längen und Breitengraden ähnelt, hatte er auch schon eingezeichnet.
Diejenigen, die sich mit der antiken Geografie beschäftigt haben, haben dann das Wissen aus dem antiken Griechenland weiter in die Zeit der römischen Antike getragen.
Zu nennen ist da um Beispiel Strabo aus Amaseia, der im ersten Jahrhundert nach Christus all das geografische Wissen in einem großen Sammelband usammengefasst hat.
Und das ist eigentlich eine Art beschreibende Geografie, die auf Erzählungen und Berichten basiert, die wir heute in den Karten dargestellt sehen.
Denn die meisten Gelehrten der Antike sind nicht selbst gereist, sondern sie haben ihre Karten aus Erzählungen und Beschreibungen anderer angefertigt, etwa von Handelsreisenden oder umherziehenden Soldaten.
Die berühmteste dieser so entstandenen Weltkarten stammt von Claudius Ptolemäus.
Der Gelehrte hat fast sein ganzes Leben lang wie Eratosthenes in Alexandria geforscht, das u Ptolemäus Lebzeiten im 2.
Jahrhundert nach Christus allerdings ur römischen Provinz Ägypten gehörte.
Sein größter Beitrag war, dass er einen systematischen Rahmen geschaffen hat, der die Grundlage für die Entwicklung der Kartografie bildete.
Er erstellte Listen von Orten und die dazugehörigen Koordinaten nach Längen und Breitengraden auf der Erde.
Damit konnte er jetzt den genauen Standort bestimmen, weil der Schnittpunkt dieser beiden Linien genau dort lag, wo sich ein bestimmter Ort befand.
In seinen Büchern Geographieke Hyphegesis sind mehr als 8000 damals bekannte Orte verzeichnet, gegliedert nach drei Kontinenten, Europa, Afrika und Asien.
Amerika, Ozeanien und Antarktis waren ihm und seinen Zeitgenossen ja noch unbekannt.
Mit diesem Wissen hätte Ptolemaeus eine Weltkarte und 26 Regionalkarten herstellen können.
Allerdings ist nicht überliefert, ob er selbst solche Karten wirklich angefertigt hat.
Karten, die auf dem basieren, was Ptolemäus usammengetragen hatte, wurden erst etwa 1000 Jahre sp��ter wirklich erstellt.
Aber seine Forschung war die Grundlage für spätere Karten.
Zum ersten Mal gab es damit eine echte wissenschaftliche Grundlage.
Ptolemäus hat übrigens auch den Nullmeridian festgelegt.
Und war an das äußerste Ende der damals bekannten Welt.
Und das war die kleine kanarische Insel El Hierro.
Erst 1884 haben sich Vertreter von verschiedenen Nationen auf einer internationalen Konferenz in Washington DC darauf geeinigt, den Nullmeridian nach Greenwich u verlegen.
Seitdem ist er nicht nur Referenzmeridian für die Karten der Welt, auch die Zeitzonen orientieren sich an der Greenwich Mean Time.
Bis heute.
Das Wissen von Ptolemäus wurde in den folgenden Jahrhunderten weitergetragen.
Der arabische Kartograf Muhammad al-Idrisi hat um Beispiel darauf urückgegriffen.
Er stand im 12.
Jahrhundert im Dienst von König Roga, dem Zweiten in Sizilien, und hat einige Weltkarten gezeichnet.
Leider sind von diesen Karten nur sehr wenige erhalten.
Darunter eine Weltkarte aus dem Jahr 1154, die den Nil ins Zentrum der Welt rückt.
Denn Karten erzählen immer eine Geschichte, nämlich über die Kultur der Zeit, in der sie entstanden sind.
Bei europäischen christlichen Kartografen war lange Jerusalem das Zentrum.
In der römischen Antike war es dann Rom.
Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Tabula Poitingeriana, eine Wandkarte, die wohl um 1200 n.
Chr.
Als Kopie eines spätantiken Originals entstanden.
Im 16.
Jahrhundert hat sie der Augsburger Jurist und Humanist Konrad Poettinger geerbt und so wurde sie schließlich wiederentdeckt.
Die Weltkarte bestand im Original aus wölf Kartenteilen, die insgesamt rund sieben Meter lang und gut 35 Zentimeter breit waren.
Gezeichnet wurde sie auf Pergament aus Ziegenhäuten.
Dargestellt ist ein stark verzerrtes, mehr als 100.000 Kilometer langes Straßennetz, das von den britischen Inseln über den Mittelmeerraum bis nach Zentralasien reicht.
Alle Straßen führen nach Rom.
Es gab sogar Meilenangaben wischen den mehr als 500 eingezeichneten Städten.
Besonders exakt waren diese Entfernungsangaben allerdings noch nicht, denn bis ur prä isen Vermessung der Erde sollte es noch ein paar Jahrhunderte dauern.
Viele Karten aus der Antike und aus dem Mittelalter sind nicht mehr erhalten.
Die wenigen, die überliefert wurden, sind dafür umso bekannter.
Darunter auch die Ebsdorfer Weltkarte, die 1830 im gleichnamigen Kloster der Benediktinerinnen gefunden wurde.
Das Original wurde 1943 im Zweiten Weltkrieg erstört, aber es wurden einige Kopien angefertigt.
Sie ist eine der größten sogenannten Radkarten des Mittelalters und stammt vermutlich aus der weiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts.
Jerusalem bildet das geografische Zentrum.
Eine weitere berühmte Weltkarte aus der Übergangszeit von Spätmittelalter und Renaissance stammt von dem venezianischen Mönch Fra Mauro.
Im Auftrag von König Alfons V.
Von Portugal hat er aus Berichten von Entdeckungsreisenden und anderen Quellen eine Weltkarte erstellt.
Mappamundi.
Gezeichnet wahrscheinlich wischen 1457 und 1459.
Das Original gibt es leider auch nicht mehr, aber eine Kopie davon.
Jerusalem ist in dieser Weltkarte um ersten Mal nicht mehr das geografische Zentrum.
Viele Historiker sind deshalb der Ansicht, die Mappamundi des Framauro markiere den Übergang wischen dem Mittelalter und der frühen Neuzeit.
1935 wurde übrigens ein Mondkrater nach Framauro genannt und genau dort landete im Jahr 1971 die Raumfähre Apollo 14.
In der dänischen königlichen Bibliothek in Kopenhagen geht ein älterer Mann zielstrebig in Richtung Kartenraum.
Er hat einen Spitznamen.
The Ripper.
Es ist der 31.
Januar 2001.
In die Besucherliste trägt der Mann sich unter seinem richtigen Namen ein.
Peter Bellwood.
Was die Aufsicht der dänischen Königlichen Bibliothek nicht weiß.
Peter Bellwood ist ein bereits verurteilter und notorischer Kartendieb.
Bellwood geht nach dem immer gleichen Modus operandi vor.
Ein kleines Federmesser, ein schneller Schnitt.
Am Ende fehlen der Kopenhagener Bibliothek drei Karten aus alten Atlanten von unschätzbarem Wert.
Darunter eine Weltkarte aus einem Atlas von Abraham Ortelius aus dem Jahr 1587.
Solche Karten wie die von Abraham Otelius kosten heute oft einige tausend Euro.
Bei Sotheby's ist 2014 die vierte Auflage von Otelius' Theatrum für fast 60.000 Euro versteigert worden.
Teuer war der Atlas übrigens auch schon u Abraham Otelius' Lebzeiten.
Er hat im 16.
Jahrhundert den ersten modernen Atlas herausgegeben, also eine Sammlung von Karten.
Otelius' Atlas hat die damals bekannte Welt in einem Buch gezeigt.
Damit war Otelius ein Pionier.
Der Antiquar- und Kartenhändler aus Antwerpen hat jahrelang mühsam alles an geografischem Wissen usammengetragen, was damals auf Karten verfügbar gewesen ist.
Am 20.
Mai 1570 erschien die erste Auflage seines Theatrum Orbis Terrarum, was übersetzt Welttheater bedeutet.
Und unter anderem darüber spreche ich jetzt mit Ute Schneider.
Ute Schneider ist Professorin für Sozial- und Wissenschaftsgeschichte an der Universität Duisburg-Essen und ich freue mich sehr, dass sie heute hier bei uns im Podcast ist.
Herzlich willkommen.
Hallo Frau Schneider.
Guten Tag, Herr Droschmann.
Wir haben eben schon gehört, wie wertvoll originale historische Karten heute sind.
Unter anderem natürlich der Atlas von Abraham Otelius aus dem 16.
Jahrhundert und dass daraus auch gerne mal einzelne Karten aus Museen geklaut werden.
Was ist denn das Besondere an diesem Atlas und den darin enthaltenen Karten?
Diese Karten sind eigentlich Einzelstücke.
Sie wurden einzeln hergestellt und dann in diesem Atlas usammengebunden, sodass jede Karte ein Einzelstück ist.
Sie wurde per Hand koloriert.
Deswegen haben wir auch unterschiedliche Kolorierungen in den verschiedenen Atlanten.
Und das macht sie für Sammler ganz besonders wertvoll.
Und dann geht man eben auch mal in die Bibliothek und schneidet eine Karte mit einer Rasierklinge raus.
Passiert als Nutzerin immer wieder mal, dass sie so ein Atlas aufschlagen und dann fehlt ein Stück.
Wenn wir urückblicken in das 16.
Jahrhundert, welchen Stellenwert hatten denn Kartenmacher und auch Verleger wie Ortelius in der Gesellschaft damals?
Sie waren in gewisser Weise Gelehrte, die das Wissen der Zeit kannten, zusammengetragen haben und dann eine Form gefunden haben, eine Verarbeitungsform und eine Darstellungsform, nämlich eine Umsetzung dieses Wissens in Karten und eine Verortung von Wissen, von Orten, was usammengetragen wurde in dieser Zeit in diesen Karten.
Wir dürfen aber eins nicht vergessen, wir werfen immer den Blick nur auf die Karten.
Die Atlanten, aber auch Karten haben immer auch erläuternde Texte.
Das heißt, das Text-Bild-Zusammenspiel ist hier ganz wichtig und war auch für die Zeitgenossen ganz wichtig, weil man ja in der Visualisierung in der Karte nicht immer alles erklären kann.
Und wenn Sie so einen Atlas aufschlagen, auch der von Ortelius hat immer lange Erläuterungen, wie etwa in den alten Zeiten bei antiken Autoren etwas gesehen wurde, was man wusste, was man nicht wusste und was jetzt in dieser Karte u sehen ist und häufig auch, woher diese Informationen kommen.
Jetzt gibt es ja diesen alten Spruch, Wissen ist Macht.
Wenn wir das auf Karten beziehen und auf diejenigen, die diese Karten damals besessen haben, kann man das auch so sagen?
Also jemand, der eine Karte hatte, die entsprechenden Erläuterungen hatte, damit auch Macht und was war damit auch politisch verbunden?
Diese Karten sind nicht nur heute besonders wertvolle Stücke, sondern sie waren von ungeheurem Wert auch in der frühen Neuzeit, also in der Zeit eines Orteleus oder anderer Kartenmacher und Gelehrten.
Und sie wurden nicht gekauft.
Ich sage mal so allgemein vertrieben.
Man musste schon sehr viel Geld anlegen, um so eine Karte u bekommen oder u erwerben.
Deswegen finden wir sie sehr häufig bei Monarchen in Fürstenhäusern oder bei wohlhabenden Bürgern, die sich es leisten konnten, eine Karte u kaufen.
Und sie sind deswegen Machtinstrumente, weil auch gerade Monarchenfürsten sie benutzt haben für ihre Politik.
Sei es nun Expansionspolitik im großen globalen Maßstab oder sei es Expansionspolitik oder das Wissen und Generierung von Wissen über ihre manchmal auch sehr kleinen Territorien.
1570 ist das Theatrum um ersten Mal herausgebracht worden von Orteleus.
Und auch sonst kann man feststellen, dass im 16.
Jahrhundert ein ordentlicher Schub u beobachten ist in der Entwicklung der Kartografie.
Warum denn gerade in dieser Zeit?
Was hat damit reingespielt?
Ja, wir haben das Zeitalter der Expansionen ja im 15.
Jahrhundert und da werden Wissensbestände usammengesammelt, usammengetragen.
Sie werden schriftlich verarbeitet und jetzt geht man in gewisser Weise den weiten Schritt.
Das, was man schriftlich vorliegen hat, wird jetzt visualisiert, damit es denjenigen, die diese Karten oder die Visualisierung benötigen, es anschaulicher macht, immer auch in Kombination mit den entsprechenden Texten dazu.
Deswegen haben wir hier einen Anstieg.
Es kommen weitere Dinge hinzu.
Es kommen die besseren Druckmöglichkeiten hinzu.
Es ist nicht mehr der Holzdruck, wie wir ihn noch im 15.
Jahrhundert haben, sondern wir können jetzt in Kupfer drucken.
Es sind mehr Abzüge damit auch möglich von einzelnen Karten.
Es kommen, ich sage mal, günstigere Möglichkeiten der Papierherstellung dazu.
Sodass Karten einfacher technisch und in Anführungszeichen wirklich billiger u produzieren sind.
Jetzt haben wir über Otelius schon ausführlich gesprochen.
Wir sollten noch einen weiteren Namen nennen.
Es gab ja einige Pioniere in dieser Zeit, aber besonders hervorzuheben wäre noch Martin Waldseemüller, der schon Anfang des 16.
Jahrhunderts eine ganz berühmte Weltkarte veröffentlicht hatte.
Welche Bedeutung hatte denn Waldseemüller und vor allem welche Bedeutung hatte seine Karte für die Geschichte der Kartografie?
Ja, Waldseemüller ist ja etwas früher als Orteleus, über den wir gerade gesprochen haben und andere.
Er fällt in gewisser Weise genau in dieses Zeitalter der Expansionen hinein.
Er ist auch jemand, der das Wissen, das mitgebracht wird, kartografisch visualisiert.
Und es gibt ja eine Vielzahl von Unsicherheiten in dieser Zeit noch.
Also hat man wirklich hier einen neuen Kontinent entdeckt oder ist eben das doch Indien auf dem Globus?
Und Waldseemüller setzt sich mit diesen Unsicherheiten auseinander und seine Karte hat besondere Berühmtheit erlangt, weil er der Erste ist.
Der den Kontinent, den er hier als eigenen Kontinent jetzt in seine Karte einzeichnet, mit Amerika bezeichnet.
Das ist die Benennungsmacht, die Kartografen auch haben, denn diese Orte, die sie jetzt verzeichnen müssen, über manche wissen sie etwas, manche werden mit Herrschaftszeichen ausgezeichnet, also der Portugiesen oder Spanier, später auch der anderen Mächte.
Und bei anderen Orten nimmt man Namen, die man um Teil aus der Antike kennt und hier überträgt.
Oder man nimmt eben, und das hat Waldseemüller gemacht, den Entdecker, den vermeintlichen Entdecker des neuen Kontinentes, Ameriko Vespucci, dem er hier ein Denkmal setzt mit der Benennung.
Wenn man an das 16.
Jahrhundert denkt, fällt einem natürlich die Reformation ein durch Martin Luther.
Und es gibt tatsächlich auch einen kartografischen Reformator, umindest wird er so genannt, nämlich Gerhard Mercator.
Der war aus dem heutigen Belgien vor der Inquisition nach Duisburg geflohen.
Dort ist er dann noch 1594 gestorben.
Auch eine ganz wichtige Person im Zusammenhang mit der Kartografie.
Welche Errungenschaften sind Ihnen denn uzuschreiben?
Ich reagiere erst mal auf den Reformator.
Ich habe damit nämlich immer etwas Probleme mit dieser Bezeichnung.
Weil hier sozusagen der Versuch dahinter steckt, strikt u kategorisieren, in welche religiöse Richtung jemand tendierte.
Und gerade Mercator ist ein gutes Beispiel dafür, dass es viele religiöse Fragen gab, mit denen sich die Zeitgenossen auseinandergesetzt haben und dass es Dinge gibt, die stärker in der einen Konfession überzeugen und andere Fragen in der anderen.
Und Mercator selber hat sich ja auch nie deutlich geäußert.
Er hat sich aber am Ende seines Lebens immer stärker auch mit Fragen der Schöpfungsgeschichte auseinandergesetzt, weil die Wissensbestände vermehrten sich und viele Dinge sind ja nun in der Bibel nicht mehr u finden.
Der neue Kontinent, später die neuen Kontinente und Ähnliches.
Und das hat natürlich Fragen hervorgerufen und damit hat sich Mercator auseinandergesetzt.
Er hat sich aber auch mit den Problemen seiner Zeit auseinandergesetzt im Hinblick auf die Frage der Expansionen.
Denn eines der großen Probleme war die Seefahrt.
Wir haben eine Vielzahl von Schiffbrüchen, Schiffe, die nicht urückkehren, die irgendwo stranden.
Und für die Seefahrt benötigte man nun gute Navigationssysteme und ein Navigationssystem.
Und das hat Mercator entwickelt mit seiner Weltkarte Ad Osum Navigantium, also für die Seefahrt schon entwickelt 1569, die eine Projektionsform entwickelt hat, die der Seefahrt hilfreich war, weil man in gewisser Weise nun gut segeln konnte über die Meere.
Das war ja auch etwas Neues überhaupt in dieser Zeit, dass man diese weiten Reisen angetreten ist und da half die Ausrichtung mit dieser Karte.
Das Interessante ist ja, dass Teile dieser Projektionen noch einigermaßen aktuell sind, könnte man sagen, während andere Karten heute in Museen hängen.
Was genau ist denn da heute noch aktuell von dieser Mercator-Projektion?
Ja, Projektionen sind ja immer ein schwieriges Thema.
Eigentlich ist ja die beste Form der Globus.
Wenn Sie versuchen, den Globus oder die Erde sozusagen auf einen Blatt u bringen, haben Sie immer das Problem, dass es Verzerrungen gibt.
Und die haben wir bei der Mercator-Karte natürlich auch.
Sie ist winkeltreu und nicht flächentreu.
Deswegen haben wir einerseits das Zusammenfließen der Territorien an den Rändern und wir haben andererseits diese Disproportionalität, vor allen Dingen, wenn man etwa an die Größe von Afrika hier denkt.
Das hat immer wieder Debatten ausgelöst, vor allen Dingen im 20.
Jahrhundert.
Aber in der Seefahrt wird die Mercator-Karte bis heute noch benutzt, weil sie eine gute Möglichkeit der Orientierung darstellt.
Und wir haben in weiten Teilen der Erde, finden wir auch die Mercator-Karte heute noch in Atlanten, in Klassenzimmern.
Da findet sie noch Verwendung.
Kann man also sagen, dass Mercator auch unsere heutige Weltsicht geprägt hat und immer noch prägt?
Ja, er hat sie ganz maßgeblich geprägt und das hängt damit usammen, dass wir eine Verbreitung dieser Mercator-Karte eigentlich erst seit dem 18.
Und vor allen Dingen dann im 19.
Jahrhundert haben.
Vorher gab es viel Kritik an ihm.
Auch die Kaufleute, die holländischen Kaufleute waren von dieser Karte gar nicht begeistert, weil sie eben sich an die Seefahrt richtete und viele Informationen, die man jenseits der Seefahrt benötigte, nicht liefern konnte.
Also es gab hier auch große Widerstände gegen die Mercator-Karte.
Sie hat sich dann, man könnte sagen, mit dem Ausbau der Marinen und so weiter durchgesetzt in den nicht nur europäischen Staaten, aber da eben auch und wurde da benutzt.
Und durch die Verbreitung, auch die Verbreitung in den Schulatlanten, in Klassenzimmern hingen Mercator-Karten aus.
Hat sich sozusagen ein bestimmter Blick auf die Welt eingeprägt und wir nennen das auch so eine Mental Map, eine Vorstellung, die die Menschen entwickelt haben.
Und das haben wir sehr schön daran gesehen, als etwa in Deutschland die Tagesschau, die sehr, sehr lange eine Mercator-Karte im Hintergrund hatte, auf eine andere Projektion umgestellt hat und es empörte Zuschriften in Zeitungen und dann in verschiedenen Medien gab, wo Leute sich beschwert haben, dass die Welt ganz anders aussieht und das wäre sozusagen eine deutliche Veränderung hier.
Also auch Karten können emotionale Reaktionen hervorrufen.
Das lernen wir hier an dieser Stelle.
Vielleicht noch die letzte Frage.
Wir haben jetzt schon gesprochen über sehr wertvolle Karten.
Aber ab wann waren denn Karten für die breite Masse auch einigermaßen verfügbar und einigermaßen günstig?
Das können wir eigentlich erst im 19.
Jahrhundert sehen und da sind verschiedene Faktoren verantwortlich.
Einerseits sind es die Schulen und die Schulpflicht, die dann eingeführt wird und da wird in Schulbüchern Atlanten für Schulbücher, denn der Geografieunterricht spielt eine ganz wichtige Rolle.
Nicht nur über das eigene Wissen, über das eigene Territorium, sondern eben auch über die Welt und dafür benötigt man Karten.
Und hier werden jetzt Karten in verschiedenen Projektionen, die Mercator-Karte ist aber immer auch dabei für die Weltkarte und in unterschiedlichen Maßstäben abgebildet.
Das heißt, es ist einerseits die Schule, es sind andererseits aber auch wieder technische Möglichkeiten, indem wir eben Lithographien haben.
Das macht den Druck von Karten noch mal billiger.
Wir können dann Kolorierungen machen, also industrielle Kolorierungen auch bei Karten.
Sie müssen nicht mehr handkoloriert werden und damit setzt eine Verbreitung ein.
Vielleicht könnte man als dritten Punkt noch nennen, dass die Staaten im 19.
Jahrhundert unehmend verstehen, dass diese Machtinstrumente, die sie hier in der Hand haben, auch von öffentlichem Interesse sind und dass sie die Informationen auch an die Öffentlichkeit geben müssen.
Und damit werden eben Karten u einer gewissen Form von Massenware, ein begehrtes Gut auch.
Herzlichen Dank Ihnen für das Gespräch.
Gerne, ich danke Ihnen.
Ja, das 16.
und 17.
Jahrhundert waren goldene Zeiten, was die Kartografie betroffen hat.
Weltkarten wurden u kostbaren Kunstwerken für alle, die es sich leisten konnten.
Die Weltkarte aus dem Jahr 1643 von Willem Janssen Blau, einem der berühmtesten niederländischen Kartenmacher, eigt um Beispiel nicht nur die damals bekannte Welt, sondern sie war mit vielen Zeichnungen verziert.
Segelschiffe schipperten über den Atlantik.
Im Indischen Ozean schwammen furchterregende Fische.
Weltwunder wie der Koloss von Rhodos, Sinnbilder für Jupiter oder die Sonne rahmten die Karte kunstvoll ein.
Es gab viele textliche Erläuterungen am Rand.
Die Niederlande waren damals das wichtigste Kartenzentrum der Welt.
Auch Gerhard Mercator stammte ursprünglich aus Pflandern.
Sein winkeltreuer Kartennetzentwurf, nachdem Schiffe jetzt sicher navigieren konnten, sollte einer der erfolgreichsten der Kartografiegeschichte werden.
Natürlich gab es auch viele Versuche anderer Kartografen, die Kugelform der Erde auf eine flache Karte u bringen.
Es entstanden sehr viele Kartennetzentwürfe, um die Erde oder Ausschnitte davon abzubilden.
Kegelprojektionen oder Zylinderprojektionen.
Netzentwürfe, die mal äquatorständig oder polständig waren.
Es wurden echte oder unechte Kartennetzentwürfe entwickelt.
Es würde hier viel u weit führen, alle Beispiele u nennen.
Wichtig ist, Gerhard Mercators Projektion aus dem 16.
Jahrhundert wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt.
Zum ersten Mal im Jahr 1772.
Johann Heinrich Nambert entwickelt die transversale Mercator-Projektion.
Der Mathematiker Lambert wickelte den Zylinder also nicht von West nach Ost um die Erdkugel wie Mercator, sondern er hat das Ganze gekippt und den Zylinder jetzt von Süd nach Nord gewickelt.
Eine weitere Entwicklung gab es dann 1825.
Karl Friedrich Gauss berechnet die Mercator-Projektion erstmals für das Erdellipsoid.
Denn die Erde ist ja keine Kugel, sondern an den Polen abgeplattet.
Eben ein Ellipsoid, also eher eiförmig als rund.
1912 hat dann ein Mathematiker und Geodät aus Elze seine bahnbrechende Arbeit über die konforme Abbildung des Erdellipsoids in der Ebene vorgestellt.
Johann Heinrich-Louis Krüger verfeinerte damit die Berechnungen von Gauss.
Damit war es jetzt möglich, große Flächen prä ise u vermessen.
1923 wurde dann das Gauss-Krüger-Koordinatensystem eingeführt.
Auf der Basis der transversalen Mercator-Projektion wird dieses Koordinatensystem in Deutschland Grundlage für die amtliche Kartografie.
Dieses Koordinatensystem gilt im Prinzip bis heute, auch wenn seit 1989 das sogenannte Europäische Terrestrische Referenzsystem als Bezugssystem verwendet wird.
Es entspricht dem weltweiten geodätischen System 1984, also dem WGS-84.
Bis heute dient also die universelle transversale Mercator-Projektion, kurz UTM, als Basis topografischer Karten und damit für die Abbildung der Erdoberfläche.
Schaut einfach mal in die Zeichenerklärung einer topografischen Karte im Maßstab 1 u 25.000.
Da findet ihr diese Angaben kleingedruckt am Rand.
Und am Beispiel der Mercator-Weltkarte wird noch etwas anderes deutlich.
Karten prägen unsere Sicht auf die Welt und sind damit immer auch ein Stück weit politisch.
Deshalb gab es an der Mercator-Karte u fast allen Zeiten Kritik.
In den 1970er Jahren wetterte der Historiker und Kartograf Arno Peters gegen sie.
Nun, unsere geografischen Vorstellungen sind genauso verkehrt wie unser gesamtes übriges Weltbild.
Wir sehen noch immer Europa viel u überwertig und das geografische Weltbild ist Ausdruck dieses europazentrischen Denkens.
Und unter anderem darüber spreche ich jetzt mit Georg Glasse.
Er ist Kulturgeograf und Professor für politische Geografie an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg und ich freue mich sehr, dass er heute hier Gast ist in unserem Podcast.
Herzlich willkommen, Herr Glasse.
Ja, ich freue mich auch.
Vielen Dank.
Wenn wir heute eine Karte sehen, nehmen wir mal die Weltkarte, die wir im Hintergrund in den Fernsehnachrichten um Beispiel beim Heute-Journal zu sehen bekommen, dann gehen wir davon aus, dass das, was wir da sehen, auch genau die Realität widerspiegelt.
Warum ist diese Vorstellung denn aber falsch?
Ich glaube, wir müssen uns eigentlich erst mal klar machen, dass eben eine Karte ein Bild ist.
Ein Bild, das auch irgendwie anders gemacht werden könnte und nicht irgendwie ein Abbild und die eine Realität eigt.
Und das kann man sich an der Weltkarte, wie sie in den Nachrichten kommt, schon immer klar machen, dass es ja in der Regel Karten sind, die auf Europa entriert sind, die da gezeigt werden.
Aber die Welt ist nicht auf Europa entriert.
Das ist eine soziale Vereinbarung, eine Setzung.
Das kennen wir so, dass Weltkarten, die wir sehen, in unseren Atlanten auf Europa entriert sind.
Aber das ist nicht die Realität.
Man könnte es auch ganz anders machen.
Nordung ist so ein weites Beispiel.
Unsere Weltkarten sind immer genordet, fast immer genordet.
Auch das ist eine Konvention, die nicht irgendwie naturgegeben ist und nicht die eine Realität ist, sondern es wären auch ganz andere Karten.
Denk mal.
Interessant ist jetzt, dass es natürlich kein Zufall ist, dass Weltkarten, die wir kennen, auf Europa entriert sind, weil die moderne Kartografie eben von Europa aus in die Welt getragen wurde.
Die moderne Welt wurde von den europäischen Kolonialmächten vermessen.
Kartografiert.
Und so hat sich das letztlich als Tradition herausgebildet.
Aber es könnte auch anders sein.
Das muss man sich, glaube ich, immer wieder klar machen.
Wann entstand denn die Idee, dass Karten tatsächlich die Welt abbilden würden?
Und warum sollte man das vielleicht auch kritisch sehen?
Das ist eine gute Frage, wo ich jetzt gar keine so einfache Antwort darauf habe.
Also wenn man sich anschaut, wann so die moderne, vermessende, exakte Kartografie entsteht, dann ist es ein neuzeitliches Projekt, das auch eng verknüpft ist mit der Entstehung der modernen Starken mit ihren, klar definierten Grenzen, mit Vermessung, mit Katasterkarten, die Immobilienbesitz genau festlegen wollen.
Und da hatten diese möglichst exakten Karten natürlich auch eine wichtige Funktion, einmal beispielsweise eben um Steuern u erheben über Immobilienbesitz, für die Kontrolle von Territorien, für militärische Nutzung.
Und in dieser Logik, möglichst exakte, vermessende Karten u machen, schreibt sich dann, glaube ich, auch die Vorstellung ein, dass diese möglichst exakten Karten eben auch ein möglichst exaktes Abbild der Erde sind.
Also natürlich brauchen wir exakte Karten, wenn wir, keine Ahnung, Gebäude bauen.
Nur diese Grundidee, dass wir da ein objektives Bild der Wirklichkeit haben, die müsste man, glaube ich, genauso hinterfragen, wie man das bei jedem Text ja auch immer machen würde.
Da auch sozusagen wischen den Zeilen u lesen und u hinterfragen, was einem da präsentiert wird.
Und ähnlich müsste man eigentlich auch sensibilisieren dafür, dass jede Karte ein bestimmtes Bild ist, eine bestimmte Weltsicht präsentiert und aber auch andere Weltsichten immer möglich wäre.
Manchmal passiert das aber auch, da gibt es Karten, da ist mal Afrika u klein, mal u groß, Grönland u klein und u groß und so weiter.
Woran liegt das denn und wie könnte man solche Probleme lösen in der Darstellung?
Also da gibt es eine längere Debatte, dass es eher ein entrales Problem ist, wenn ich die dreidimensionale, den Erdball auf wei Dimensionen der Karte bringen möchte.
Und dieses Problem, da gibt es eben unterschiedliche mathematische Wege.
Eine Kartenprojektion, die sehr verbreitet ist für Weltkarten, ist die sogenannte winkeltreue Projektion von Markator in der frühen Neuzeit entwickelt.
Also die macht im Prinzip folgendes, die nimmt einfach Breiten- und Längengrade, die den Globus umspannen und behält vom Äquator bis u den Polen immer 90 Grad bei, wenn sich ein Längengrad und ein Breitengrad treffen.
Das hört sich jetzt erstmal ganz abstrakt an, aber man kann sich ja klar machen, dass an beiden Polen die Breitengrade ja noch ein Punkt sind.
Wenn ich aber aus diesem Punkt eine Linie mache und den ganz lang strecke, dann werden alle polennahen Gebiete viel u groß dargestellt.
Und es hat ganz konkret ur Folge, dass Weltkarten, die mit der Mercator, also winkeltreuen Projektion arbeiten, dann so aussehen, als wäre Grönland flächenmäßig größer als China oder teilweise sogar Afrika, was natürlich nicht stimmt.
Und Arno Peters, der hat sozusagen aus einer Kritik an der Verbreitung der Mercator-Projektion darauf hingewiesen, dass es natürlich auch politisch nicht unproblematisch ist.
Also sein Argument war, dass sich implizit in diese Nutzung der Mercator-Projektion auch so eine Überhöhung des globalen Nordens einschreibt, der ja dann auch flächenmäßig größer dargestellt wird und Afrika und andere äquatornahe Gebiete u klein dargestellt werden.
Er hat dann ja eine eigene Projektion vorgestellt, die sogenannte Gall-Peters-Projektion, weil er auf den schon existierenden Kartennetzentwurf von James Gall aus dem 19.
Jahrhundert urückgegriffen hat.
Aber auch das hat für viel Kritik gesorgt, weil jetzt war die Flächen gestimmt haben, die Umrisse der Kontinente aber vollkommen in die Länge gezerrt waren.
Die Menschen haben die Welt nicht wiedererkannt.
Also das ist eine lange Debatte.
Und was Peters da vorschlägt, das verzerrt ja die Formen und schafft sozusagen Bilder von Regionen, die ganz ungewöhnlich sind, die auch für bestimmte Zwecke überhaupt nicht geeignet sind.
Also die Markatorprojektion, Winkeltreu, ist um Beispiel für Navigationsfragen sehr gut geeignet.
War für die Seefahrt eine wichtige Karte.
Die Petersprojektion ist für Navigation denkbar ungeeignet.
Also es gab ein Unverständnis dafür, Kartografie überhaupt in gewissen Weisen politische Tätigkeit u sehen.
Das war eine Kritik.
Und es gab eben eine Kritik, diese Karte, die Peters da vorschlägt, ist ja eigentlich gar nicht richtig nutzbar und die verzerrt die Welt.
Und das ist so ein Konflikt, der ist nicht so ganz aufgehoben.
Also es gibt jetzt viele so vermittelnde Projektionen, die versuchen so nicht ganz wickeltreue u sein, sich dem anzunähern.
Aber dieser Konflikt ist nicht ganz aufgehoben und es gibt immer noch, glaube ich, so Vorbehalte überhaupt über diese politische Dimension von Karten und Kartografie nachzudenken.
Jetzt haben wir viel gesprochen über einen Kartennetzentwurf und mögliche Verzerrung von Darstellungen.
Man hat ja aber noch andere Gestaltungsmöglichkeiten, Farbe, Helligkeit, Formen.
Was kann man denn damit beeinflussen?
Wenn man erstmal den Punkt sich klar macht, dass eine Karte ein Bild ist und kein Abbild, dann stellen sich ja ganz, ganz viele Fragen, wie ich Dinge repräsentiere.
Also mit was für Symbolen wird etwas dargestellt?
Was wird überhaupt hervorgehoben?
Was wird nicht hervorgehoben?
Und wenn Sie jetzt Farben ansprechen, ist natürlich auch das immer eine Entscheidung von irgendjemand, der die Karte gestaltet, mit welchen Farben etwas dargestellt wird.
Es gab um Beispiel auch im Nachgang der Debatte um die Peters-Projektion eine Kritik an Karten, die lange Zeit die USA und die NATO verwendet haben, um den Kalten Krieg u visualisieren.
Die haben nämlich auch eine Mercator-Projektion genutzt.
Was passiert bei der Mercator-Projektion?
Die Sowjetunion mit ihren polnahen Gebieten sah ganz riesig aus.
Der Feind war groß und er wurde in rot flächig eingefärbt, um sozusagen diese große, massive rote Bedrohung dieser Welt u visualisieren.
Also auch Karten, ich bin jetzt kein Psychologe, aber auch Karten haben ja eine bestimmte Symbolik und von daher ist auch das natürlich nicht neutral, was da mit welchen Farben bezeichnet wird und noch viel allgemeiner, was wird hervorgehoben, was wird weggelassen in Karten.
Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt, das Weglassen.
Da gibt es auch den schönen Ausdruck kartografisches Schweigen.
Was ist das denn genau?
Ja, das ist letztlich eine Diskussion, die kommt so ab den 80er, 90er Jahren auf, wo es vermehrt so ein Sozialkulturwissenschaftliches Nachdenken über Karten gibt und eben die Frage, was wird dargestellt und was funktioniert.
Wird wie dargestellt, aber auch was wird nicht dargestellt?
Man muss sich ja auch klar machen, da komme ich wieder auf diese Karte ist ein Bild und kein Abbild.
Wenn die Karte ein Abbild wäre, dann müsste ja sozusagen die verkleinerte Form des Territoriums, müsste ja alles irgendwie präsent sein, was überhaupt nicht geht, was nicht visuell erfassbar ist.
Also muss jede Karte eine Auswahl treffen, dem, was sie darstellt und was sie nicht darstellt.
Und das, was sie nicht darstellt, ist kartografisches Schweigen.
Konkretes, vielleicht banales Beispiel, auf den amtlichen topografischen Karten, die in Deutschland die Bundesländer ja erstellen, werden bestimmte Dinge hervorgehoben, es gibt Signaturen und es sind vielfach eben Gebäude, die irgendwie eine bestimmte Markanz haben und die man vielleicht auch aus irgendwelchen historischen Gründen hervorheben will.
Also irgendwelche Schlösser, Klöster, Kirchen, Bahnhöfe werden hervorgehoben.
Andere Dinge werden nicht dargestellt, werden weggelassen.
Wir haben uns mal angeschaut beispielsweise, es gibt in der amtlichen deutschen Kartografie keine Signatur für Synagogen oder Moscheen.
Das heißt, die kommen überhaupt nicht vor.
Wenn Sie eine Stadt wie Nürnberg in der amtlichen Kartografie anschauen, ist es eine Stadt mit ganz vielen Kirchen, die mindestens Dutzend Moscheen tauchen aber auf dieser amtlichen Kartografie nicht auf.
Das ist kartografisches Schweigen.
Ein sehr interessanter Punkt, über den man sicherlich auch noch lang diskutieren könnte, aber kommen wir erstmal noch u was anderem, nämlich den modernen Karten.
Heute hat man mit dem Computer, mit Satelliten und anderen Hilfsmitteln ganz andere Möglichkeiten, als es die noch vor 100 oder 200 Jahren gab, wenn man Karten erstellt.
Hat die gute alte Karte also nicht schon längst ausgedient?
Machen die Computer heute alles?
Ja, das ist eine interessante Frage, weil irgendwie ja, alle Karten, die wir heute sehen, sind digitale Karten.
Dahinter stecken also digitale Informationen, Geodaten, Daten mit einer Georeferenzierung, die dann visualisiert werden in einer bestimmten Form.
Auf der anderen Seite wäre mein Argument, dass ich in, keine Ahnung, in meinen 40 Jahren, wo ich das jetzt vielleicht bewusst wahrnehme, keine empirischen Untersuchungen habe, mein Eindruck ist, dass ich immer mehr Karten in meinem Alltag sehe.
Medien nutzen immer mehr Karten, für alle möglichen Navigationsdinge werden Karten benutzt.
Also ich wäre ein bisschen skeptisch von so am Ende der Karte als Kommunikationsform zu rechnen, aber sie ist eben unehmend eine digitale Karte und von daher müssen wir uns, wenn wir uns sozusagen kritisch auseinandersetzen mit Fragen, was wird dargestellt und was wird nicht dargestellt, was wird verschwiegen, müssen wir uns eben sozusagen auch hinter der Karte am Bildschirm mit der Frage beschäftigen, welche Daten stecken denn da dahinter, wer erhebt die Daten, wie werden die Daten verarbeitet und welche Daten werden vielleicht nicht erhoben, welche Daten werden nicht verarbeitet.
Also was ist sozusagen das kartografische Schweigen im digitalen Zeitalter?
Und eine Frage, die damit auch verbunden ist, ist, wie werden denn Karten politisch aufgefasst?
China sagt Taiwan gehört u uns, Russland sagt, die Krim gehört u uns, die Ukraine sieht das naturgemäß völlig anders, was die Krim angeht.
Also wie beeinflussen denn auch Karten, die wir im Netz sehen, zum Beispiel Google Maps oder andere, unsere politische Sicht auf die Welt?
Ich würde unächst mal sagen, dass es eigentlich nichts Neues ist.
Und es war für den Staat, würde ich argumentieren, immer auch ein Argument, um seine eigene, man kann fast sagen, Ideologie, nationale Ideologie u festigen.
Also um seinen Bürgerinnen und Bürgern auch nahezubringen, das ist unser Territorium, das ist das Territorium unserer Nation.
Und das mag dann in Frankreich durchaus mal anders ausgesehen haben als in Deutschland im deutsch-französischen Konflikt im 19.
Jahrhundert, wurden dann Bereiche in Elsass-Lothring garantiert anders kapiert von französischen Kartografen als von deutschen Kartografen.
Also von daher ist es erstmal, würde ich sagen, nichts Neues, was jetzt interessant ist im digitalen Zeitalter, dass wir eigentlich das erste Mal wirklich permanent mit Karten konfrontiert sind, die eine globalen, universelle Abdeckung haben.
Also Google Maps, das ist eine Revolution, über die man wenig nachdenkt.
Google Maps ist halt eine global verfügbare Karte und es gibt auch andere digitale Konkurrenzprodukte, die das tun.
Früher waren Karten eigentlich immer beschränkt auf kleine lokale Territorien oder vielleicht mal auf ein nationales Territorium.
Damit stellen sich jetzt die Fragen, da wo es konkurrierende Ansichten gibt, keine Ahnung, die Westsahara, ist die unabhängig, gehört die u Marokko, die Krim, schönes Beispiel.
Wie geht man jetzt damit um Russland betrachtet?
Die Krim inzwischen als russisches Territorium.
Die Ukraine betrachtet die Krim natürlich als besetztes ukrainisches Territorium.
Und international ist jetzt sozusagen die Frage, wie stellen sich andere Länder in diesem Konflikt?
Und für so ein privates Unternehmen wie Google ist jetzt, wird sich fragen, wie geht es in solchen Konflikten um?
Und Google nutzt jetzt seit einigen Jahren eben die Möglichkeiten, die die digitale Welt auch ur Verfügung stellt, indem sie sich eigentlich nicht festlegen und es eben sich wieder ablösen von der universalen Karte.
Das heißt, ein Nutzer, der auf den Rechner mit einer IP-Adresse in Russland darauf ugreift, kriegt es als russisches Territorium angezeigt.
Von Kiew kriegen sie es als ukrainisches Territorium angezeigt.
Und von Deutschland aus kriegen wir so eine gestrichelte Linie als umstrittenes Territorium angezeigt.
Augen auf, definitiv beim Kartenanschauen, egal wo, ob im Fernsehen, im Internet oder an anderer Stelle.
Ganz herzlichen Dank für diese spannenden Einblicke, für die Einordnungen.
Und ich glaube, wir sind jetzt alle ein bisschen sensibilisierter, wenn wir das nächste Mal bei Google Maps oder sonst wo vorbeisurfen und uns auf der Karte was anschauen.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank von mir.
Danke für die Einladung.
Ja, Karten eigen uns also in allen Epochen das jeweilige Wissen über die Welt.
Heute im Zeitalter von Geoinformationssystemen, von Google Maps und GPS und der weltweiten Abdeckung mit Satelliten, die von jedem Winkel der Erde Aufnahmen senden, gibt es keine weißen Flecken auf der Weltkarte mehr.
Das sah im 19.
Jahrhundert, umindest aus europäischer Perspektive, noch ganz anders aus.
Der afrikanische Kontinent war um Beispiel bis auf die Küstenregionen im Inneren mehr oder weniger unkartiert.
Bekannt waren meistens nur die küstennahen Gebiete rund um die Handelsstützpunkte der Kolonialstaaten wie Großbritannien, Portugal oder Frankreich, die sie dort seit dem 15.
Jahrhundert gegründet hatten.
Entdecker wie Mango Pack, Henry Morton Stanley oder der legendäre David Livingston machten sich daran, den afrikanischen Kontinent bis in den letzten Winkel u erkunden.
Das alles mündete Ende des 19.
Jahrhunderts in den sogenannten Scramble for Africa, also dem Kampf um Afrika.
Aber lange bevor auf der sogenannten Berliner Kongo-Konferenz 1884-85 auf einer Karte willkürlich Grenzen gezogen wurden, füllte ein berühmter englischer Kartograf die weißen Flecken auf der afrikanischen Landkarte auf andere Weise.
Er hat 1798 einfach einen Gebirgszug erfunden.
Die sagenhaften Kongberge.
Unüberwindlich.
Über mehrere tausend Kilometer lang.
Im Hinterland der Küste am Golf von Guinea.
Eines der größten Phantome der Kartografiegeschichte.
James Ronell ist renommierter Kartograf und erfolgreicher Vermesser Bengalens, Mitbegründer der Royal Geographical Society und hoch angesehenem britischen Empire.
Zum ersten Mal tauchen die sagenhaften Kong-Berge auf wei Landkarten in Mango Parks Bericht Reisen ins Innere Afrikas auf.
Gezeichnet von James Rennell.
Im Nachwort u Parks Buch schreibt er, Parks Entdeckungen haben dem Kontinent ein neues Gesicht gegeben und bewiesen, dass eine Bergkette, die sich von West nach Ost erstreckt, die Bereiche wischen 10 und 11 Grad westlicher Länge von Greenwich aus bedeckt.
Zwar berichtet Park nur von einigen Berggipfeln, doch Renel macht daraus mit einem Federstrich eine hohe Bergkette.
Der vermeintlich unüberwindbare Gebirgszug wird wieder und wieder von Kartografen aus Renels Karten kopiert.
Erst 1889 kommt der französische Offizier Louis-Gustave Binget dem Geheimnis der Phantomberge auf die Spur.
Er reist von Bamako im heutigen Mali aus am Niger entlang.
Über seine Erlebnisse berichtet er im Dezember vor der Société de Géographie in Paris.
Die sagenhaften Kong-Berge.
Am Horizont nicht einmal eine Hügelkette.
Die Kong-Berge sind danach aus den meisten Karten verschwunden.
Allerdings konnte man noch 1928 im Index des Oxford Advanced Atlas lesen.
Kongberge, französisch Westafrika, 8 Grad, 40 Minuten Nord, 5 Grad, 0 Minuten West.
James Rennell hatte die Geografie Afrikas für fast 100 Jahre verändert, bis die sagenhaften Kongberge aus den Karten endlich wieder verschwanden.
Dabei hatte die Vermessung der Erde schon u Rennells Lebzeiten viele Fortschritte gemacht.
Man hat Karten nicht mehr nur nach Reiseberichten gezeichnet oder nach überlieferten Skizzen.
Schon 1525 führte der französische Arzt Jean-Jacques Fernell nördlich von Paris eine erste prä ise Längengradmessung durch.
Und um 1617 hat der niederländische Astronom und Mathematiker Snellnius Berechnungsgrundlagen für die sogenannte Triangulation geschaffen.
Dabei überzog man ein Gebiet mit genau vermessenen Dreiecken, innerhalb derer die Lage für jeden Punkt der Erdoberfläche genau bestimmt werden konnte.
Dieses Verfahren wurde im 19.
Jahrhundert in vielen Ländern ur Basis der Landesvermessung.
In Deutschland hat Karl Friedrich Gauss in den Jahren 1822 bis 1824 um ersten Mal eine exakte Gradmessung wischen dem Inselberg im Thüringer Wald und Altona durchgeführt.
Friedrich Wilhelm Bessel 1831 dann für Ostpreußen.
Interessant ist, dass Bessel 1840 alle bekannten Messungen usammengefasst hat und Messfehler in Bezug auf das sogenannte Erdellipsoid bereinigt hat.
Dieses Verfahren wurde ur Grundlage der preußischen Landesvermessung und auch der späteren Vermessung im Deutschen Reich nach 1871.
Erste Ansätze für eine exakte Landesvermessung in Preußen gab es aber schon viel früher.
Schon 1818 gab das königlich-preußische Kriegsministerium das erste Musterblatt für die topografischen Arbeiten des königlich-preußischen Generalstabs heraus.
Eine Art Vorläufer für die späteren preußischen Messtischblätter im Maßstab 1 u 25.000.
Denn nach dem Ende der Napoleonischen Kriege und dem Zweiten Pariser Frieden mussten viele Territorien von 1815 an neu geordnet werden.
Dafür hat man auch in Preußen prä ise Karten gebraucht.
Das Ziel war, ein einheitliches Kartenwerk für das gesamte Königreich.
Jetzt schwärmten die Topografen aus und kartierten mit Messtisch, Kompass, Wasserwaage und einem optischen Entfernungsmesser, der Kippregel, das Staatsgebiet.
Die preußische Uraufnahme war lange Zeit eine rein militärische Angelegenheit.
Das Interesse an den geheimen Militärkarten wuchs auch außerhalb des Militärs.
Im Zuge der Industrialisierung brauchte man jetzt größere Maßstäbe im Vergleich zu den viel u kleinen maßstäbigen Weltkarten.
Nur so konnten sie von Verwaltung und Politik genutzt werden, etwa für Steuerfragen, den Straßen oder den Wohnungsbau.
Die Militärkarten wurden von 1868 an deshalb auch für die ivile Nutzung freigegeben.
Nur waren die meisten Karten inzwischen veraltet.
Schon 1870 trat das Organisationsstatut für das Zentraldirektorium der Vermessung im preußischen Staat erstmals usammen.
Unter der Leitung von Generalstabschef Helmut von Moltke sollte Preußen neu vermessen werden.
Zwei Jahre später wurde beschlossen, die Vermessung sollte mit 90 Messtischblättern im Maßstab 1 u 25.000 erfolgen.
Dauer mindestens 30 Jahre.
Diese preußische Neuaufnahme kam dann im Ersten Weltkrieg u ihrem ersten wichtigen Einsatz.
Der Krieg eigt den unendlichen Wert der Karten.
Sie sind viel, viel mehr wert als Geld.
Als ich auf dem Schlachtfeld das Kommando meiner Kompanie übergeben musste, war die Frage des Übernehmers, wo ist die Karte?
Berichtet uns ein gewisser Paul Kaltschmidt, österreichischer Hauptmann.
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges werden nicht nur mehr Waffen produziert, sondern auch mehr Landkarten.
Die Wichtigkeit der Karte begriff jedermann.
Die Karten sind im Krieg streng geheim, denn wer prä ise Karten besitzt, ist strategisch im Vorteil.
Quellen berichten über den Ersten Weltkrieg, dass manchmal mehr als 600 Kartenblätter Teil der Ausrüstung sind.
Und dass vor allem eins nicht passieren darf, dass sie dem Feind in die Hände fallen.
Im Ersten Weltkrieg hat sich die Kartografie grundlegend verändert.
Und das hing mit der Entwicklung der Luftfahrt usammen.
Kampfflugzeuge konnten auch Aufnahmen aus der Luft machen.
Diese Luftbilder wurden fotogrammetrisch ausgewertet.
So konnten um Beispiel Entfernungen erstmals anhand von Luftbildern gemessen werden.
Oder Karten konnten korrigiert werden, weil die Luftbilder wichtige topografische Details gezeigt haben, die auf den Landkarten gar nicht eingetragen worden waren.
Im Zweiten Weltkrieg gab es dann schon speziell ausgerüstete Flugzeuge für die Luftbildfotografie, deren einzige Aufgabe es war, Luftaufnahmen u machen.
Etwa von Munitionsfabriken, erfolgreichen Bombenabwürfen, Truppenbewegungen oder Stellungen.
Zum Beispiel wurden im Vorfeld das D-Day, also der Landung der Alliierten in der Normandie am 6.
Juli 1944, aus Luftbildern Invasionskarten erstellt.
Sie haben die Lage von Bunkern, Strandhindernissen und Panzersperren gezeigt.
Exakte Karten waren nicht nur hier kriegsentscheidend.
Legendär ist um Beispiel Winston Churchill's War Room, dessen wichtigster Teil aus einer Kartensammlung bestand.
Oder auch das topografische Kartenwerk im berühmten Afrika-Feldzug der Deutschen gegen die britischen Truppen.
Nur so konnten sie sich in der kargen Landschaft orientieren.
Bitte in einem Kilometer von der Autobahn abfahren.
Vor allem Digitalisierung und Satellitennavigation, GPS, kurz für Global Positioning System, haben die Kartografien in den vergangenen 30 Jahren grundlegend verändert.
Ursprünglich war das GPS eine militärische Entwicklung ur besseren Steuerung von Interkontinentalraketen.
Das Global Positioning System wurde schon in den 1960er Jahren vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium entwickelt.
1983 hat der damalige US-Präsident Ronald Reagan angekündigt, das System auf lange Sicht für die ivile Nutzung freizugeben.
Für Mobilfunk oder private Navigationssysteme.
Dazu kam es dann in den 2000er Jahren.
Allerdings hat blindes Vertrauen in die Technik nach wie vor so seine Tücken.
April 2010.
Autobahnkreuz Osnabrück-Süd.
45-jähriger Autofahrer aus Bayern gehorcht Navi, wendet auf der Autobahn und wird um Geisterfahrer.
September 2010.
37-jähriger Autofahrer vertraut Navi und landet mit Lieferwagen auf Ziegenpfad.
Lieferwagen muss mit dem Hubschrauber geborgen werden.
Autofahrer vertraut Navi und lenkt Auto in die Elbe.
Feuerwehr muss Auto aus Fluss iehen.
Fahrer kann unverletzt mit nassen Füßen aussteigen.
Das sind nur einige der skurrilsten Beispiele, was passieren kann, wenn man dem Navigationssystem hundertprozentig vertraut.
Aber eine Welt ohne GPS ist heute vermutlich für die meisten undenkbar.
Geodaten sind weltweit verfügbar.
Satelliten und Luftbilder waren anders als heute bis weit in die 1990er Jahre nicht frei verfügbar und die digitale Kartografie steckte damals noch in den Kinderschuhen.
Inzwischen ist die Welt der Kartografie längst digital und dabei sind auch ganz besondere Projekte entstanden.
Eines davon ist OpenStreetMap, vermutlich eines der demokratischsten Kartografieprojekte in der Geschichte der Menschheit, an dem ihr euch alle beteiligen könnt, wenn ihr möchtet.
Denn es geht um eine Weltkarte für alle.
Frederik Ramm war fast von Anfang an mit dabei und lange Zeit im Vorstand der OpenStreetMap Foundation.
2004 ist das Projekt überhaupt erst entstanden.
Das heißt, wei Jahre hat es gebraucht, bis es ja in England gegründet worden, bis das seine Wellen geschlagen hat und die ersten in Deutschland mitgemacht haben.
Und dann bin ich da gleich eingestiegen.
Ja, das war noch eine Zeit, da waren die, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, da war, wenn man in Karlsruhe auf die Karte geguckt hat, da gab es ein paar Hauptstraßen und ein paar Nebenstraßen und das war es.
Und die 80 Prozent vom Straßennetz fehlte einfach.
Und dann hat man sich auf seinen Pfad gesetzt mit einem GPS-Empfänger und ist da so lang gerade.
Dann hat er neue Straßen eingetragen.
Das war damals noch Abenteuerstimmung bei OpenStreetMap.
Am Anfang, das waren einfach Computer-Nerds in England.
Die wollten irgendwelche coolen Sachen machen mit Geodaten.
Die haben sich gedacht, hey, das wäre doch cool.
Ich könnte hier irgendwie für Fußgänger die beste Route durch London ausrechnen oder wie man an den meisten Kneipen vorbeikommt oder irgendwas, aber mir fehlen dazu die Daten.
Und dann geht man halt hin u irgendwie, in England ist das Ordnungsurvey, die staatliche Vermessungsagentur, da geht man da hin und sagt, hey, können wir von euch Daten bekommen, wir sind Studenten der Informatik, wir wollen irgendwas ausprobieren.
Und dann heißt es, oh, da müsst ihr erstmal ganz viel Formulare unterschreiben und ihr dürft dies nicht und ihr dürft das nicht und, und, und, und.
Die Daten sind teuer, die Daten sind lizenziert, die Daten sind um Teil irgendwie auch noch geheim.
Und dann haben halt diese Nerds irgendwie gesagt, hey, wisst ihr was, ihr könnt uns alle mal, wir machen das jetzt selber.
Die am Anfang noch iemlich komplizierte Software wurde ständig weiterentwickelt.
Mehr und mehr Menschen haben sich weltweit mit ihren GPS-Geräten am gemeinschaftlichen Mapping beteiligt.
Inzwischen kartieren allein in Deutschland geschätzt jeden Tag rund 1000 sogenannte Mapper und tragen ihre aufgezeichneten Daten in die OSM-Datenbank ein.
Öffnungszeiten vom Bäcker, den neu entdeckten Wanderweg, das neue Wohnhaus an der Ecke.
Mittlerweile gleichen die Freizeitkartografen ihre Informationen auch mit Luftbildern ab.
Was grundsätzlich passiert ist, die Community selber macht Qualitätsprüfungen, weil es ja hunderte von Leuten gibt, die jeden Tag an OpenStreetMap arbeiten.
Je größer die Dinge, die man einzeichnet, je auffälliger, desto eher werden die bemerkt und korrigiert.
Wenn es kleinere Dinge sind, dann kann das schon mal sein, dass es etwas länger dauert, bis ein Fehler auffällt.
OpenStreetMap steht jedem kostenlos ur Verfügung, auch kommerziellen Anbietern von Navigations-Apps.
Die Bedingung ist, dass man die Quelle angibt und das machen diese Anbieter meistens auch.
Die schreiben dann drunter, diese Daten sind aus OpenStreetMap.
Das ist im Grunde die Währung, in der die Community bezahlen, diese Aufmerksamkeit.
Ein Kritikpunkt ist, vor allem die westliche wohlhabende Welt sei in OpenStreetMap gut kartiert.
In ärmeren Ländern fehlten oft die Ressourcen.
Keine technischen Geräte, kein Internet, nicht genügend Freizeit, um u kartieren.
Aber es gibt auch viele Erfolgsgeschichten, wo vielleicht mit ein bisschen finanzieller Unterstützung aus reicheren Ländern tatsächlich vor Ort in ärmeren Ländern irgendwelche Slums gemappt wurden und die Leute vor Ort in die Lage versetzt wurden, die Dinge, die für ihr tägliches Leben wichtig sind, auch tatsächlich auf der Karte einzutragen.
Und da ist natürlich OpenStreetMap ein super Projekt, das den Leuten, also es besitzt umindest die Möglichkeit, den Leuten Macht über ihre eigene Karte u geben, wenn es richtig eingesetzt wird.
Und es gibt aber auch inzwischen, unter dem Stichwort so Gamification, gibt es also solche Handy-Apps, wo man nicht mehr frei OpenStreetMap editiert, sondern diese Handy-Apps stellen einem Fragen.
Die sagen, ich sehe am GPS-Signal, dass du gerade vor einem Supermarkt stehst, aber von diesem Supermarkt fehlen mir die Öffnungszeiten.
Kannst du mir die kurz eingeben?
Und dann macht man das.
StreetComplete heißt eine von diesen Apps, die sehr populär ist.
Also es gibt da wirklich inzwischen auch diesen spielerischen Ansatz und der funktioniert erstaunlich gut.
Sie haben ihr Ziel erreicht.
Music.
Und das war's mit unserer heutigen Podcast-Folge ur Geschichte der Kartografie.
Wir hören uns, wenn ihr möchtet, an dieser Stelle am 29.
August wieder.
Dann gehen wir in der Geschichte so weit urück wie noch nie.
Wir sprechen über die Paläontologie und die Frage, wer hat den ersten Dinosaurierknochen ausgegraben?
Bis dahin schreibt uns sehr gerne per Mail auf Terra X History bei Instagram oder kommentiert die Folge hier bei YouTube auf dem Kanal Terra X History.
Dort sind wir nämlich jetzt auch unterwegs.
Wir freuen uns sehr über eure Gedanken zu dieser Folge, aber auch wie immer über neue Themenvorschläge.
Dieser Podcast ist eine Produktion von Objektiv Media im Auftrag des ZDF.
Die Autorinnen waren wie immer Janine Funke und Andrea Kahrt.
Sie sind verantwortlich für Buch und Regie.
Für die technische Umsetzung und Gestaltung verantwortlich ist Sascha Schiemann.
Redaktion im ZDF hatte Katharina Kolvenbach und ich bin Mirko Drotschmann.
Und ich sage danke fürs Zuhören und bis um nächsten Mal.
Vertraue und glaube, es hilft, es heilt die göttliche Kraft!