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#87 Hass hinter dem Bildschirm (2/2)

Episode Transcript

Music.

Hallo und herzlich willkommen zur Aktenzeichen XY Unvergessene Verbrechen.

Mein Name ist Rudi Zerne und mit mir im Studio ist wieder meine Kollegin Nicola Hänisch-Koros.

Auch von mir herzlich willkommen zum zweiten Teil unserer Spezialfolge zum Thema Cybermobbing und Hatespeech.

Und wieder bei uns zu Gast, Liana Kagwa.

Nach ihrem öffentlichen Auftritt bei einer großen Model-Casting-Show wurde sie im Netz regelrecht überrollt von Hass, Beschimpfungen, Bedrohungen und gezielten Angriffen auf ihre Person.

Das hatte fatale Folgen.

Liana, in Teil 1 hast du uns schon erzählt, was das jahrelange Mobbing vor allem psychisch mit dir gemacht hat.

In dieser Folge wollen wir darüber sprechen, wie du da wieder rausgekommen bist.

Schön, dass du auch heute uns davon erzählst.

Herzlich willkommen.

Hallo.

Und auch in dieser Folge hören wir wieder von der Cyberpsychologin Dr.

Katharina Katzer und Oberstaatsanwalt Dr.

Benjamin Krause.

Sie berichten heute davon, was von Social-Media-Nutzerinnen und Nutzern, Justiz und Plattformbetreibern getan werden kann, um gegen Cybermobbing anzukämpfen und welche Projekte es aktuell dazu gibt.

»Liana, wir haben schon von dir gehört, dass die Aggression der Mobberinnen und Mobber sogar so weit ging, dass sie deine Adresse ausfindig gemacht und dich auch im echten Leben bedroht haben.

Sie haben versucht, deinen Hund zu vergiften und haben dir sogar mit Mord gedroht.

In dieser Zeit bist du durch die Hölle gegangen und am Ende ging es sogar so weit, dass du nicht mehr leben wolltest.«.

Was hat dabei überwogen?

Der Gedanke, die haben recht, ich bin es tatsächlich nicht mehr wert, wie du uns im Vorgespräch ja schon mal gesagt hast, oder war es der Druck, das alles nicht mehr aushalten zu können?

Das ist eine gute Frage.

Ich glaube, was überwogen hat, war das Gefühl, nichts wert zu sein.

Weil es hat sich für mich nicht angefühlt, als wäre das eine unfaire Situation, die ich nicht mehr aushalten könne, sondern es hat sich für mich so angefühlt, als wäre das die logische Konsequenz dafür, dass ich so ein ekelhafter, wertloser Mensch bin.

Und so hat das auf jeden Fall, würde ich sagen, überwogen.

Liana, dass du als Frau Cybermobbing erlebt hast, ist offenbar keine Seltenheit.

Das meint auch Oberstaatsanwalt Dr.

Benjamin Krause, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.

Eine empirische Studie hat seine Abteilung dazu zwar noch nicht durchgeführt, doch ihm fällt vermehrt auf, dass viele der Angriffe gezielt Social-Media-Nutzerinnen treffen.

Frauen sind mit einer ganz anderen Qualität von hasserfüllten Äußerungen betroffen, die sehr, sehr häufig sexual bezogen sind, die so ausgerichtet sind, dass Frauen abgewertet werden, weil sie Frauen sind.

Also totaler Quatsch und totaler Wahnsinn.

Aber das merken wir schon und dann häufig eben mit dieser Sexualbezogenheit.

Interessant dabei ist, dass das nicht nur Männer machen, sondern auch Frauen untereinander.

Das haben wir festgestellt in einem unserer Schwerpunktprojekte.

In dem wir versucht haben, eben Frauenfeindlichkeit im Internet mal zu verstehen und auch zu verfolgen.

Wir haben Dr.

Krause gefragt, ob er uns ein paar Beispiele für Beleidigungen nennen kann, die Frauen im Netz treffen.

Die waren allerdings teilweise so drastisch und sogar so menschenverachtend, dass wir sie lieber nicht ganz ausgesprochen veröffentlichen wollten.

Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, einige Stellen seiner Antwort zu piepen.

Wir haben dieses Projekt zur Verfolgung von Frauenfeindlichkeit im Internet ja ganz bewusst bei uns auch durchgeführt, weil wir oft aus den Diskussionen mit unseren zivilgesellschaftlichen Kooperationspartnern die Mitteilung bekommen haben, dass 70 Prozent der jungen Frauen Beleidigungen und Bedrohungen im Netz schon erlebt haben.

70 Prozent.

Und das hat sich bei uns in unseren Zahlen eben so nicht widergespiegelt.

Und deswegen haben wir gesagt, wir müssen das jetzt mal klären.

Wo kommt das denn her?

Und da haben wir gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt das gemacht.

Und so typische Beispielsfälle dieser sexualbezogenen Angriffe waren zum Beispiel.

Verlogene Drecksf***e, du bist fett und Fette sind keine Menschen.

Oder Specklo oder Schlampe, Fresse, Schlagen, Nutte erschießen, die Hure gehört verprügelt, Drecksf*** muss gehängt werden.

Und, ach, ehrlich gesagt, noch schlimmere Sachen bis hin zu Vergewaltigungsfantasien.

Das ist also diese Art von Kategorie dieser sexualbezogenen Gewaltaufrufe und der sexualbezogenen Beleidigungen, mit denen Frauen eben besonders im Netz betroffen sind, einfach nur, weil sie Frauen sind.

Warum sich das so deutlich von einer Meinungsäußerung unterscheidet, hat uns Dr.

Krause dargelegt.

Das sind Fälle, bei denen man sagen muss, unabhängig von dem konkreten Kontext sind solche Bezeichnungen immer beleidigend und mit dem Ziel der Verächtlichmachung, weil man sich überhaupt keinen Sachzusammenhang vorstellen kann, in dem eine solche Bezeichnung als Spä***** oder was auch immer als Drecks*****, man kann sich keinen Kontext vorstellen, in dem diese Bezeichnung angemessen wäre.

Und deswegen ist es nie von der Meinungsfreiheit gedeckt und ist natürlich beleidigend.

Also das sind eindeutige Fälle.

Vor allen Dingen in diesem Kontext dann und erst recht, wenn es auch noch um Gewaltfantasien geht.

Ja, erschreckend.

Liana, wenn du das jetzt hörst, kommt dir das auch bekannt vor?

Leider ja.

Also diese Art von Beleidigungen, die immer, immer schlimmer werden, wo man das Gefühl hat, man will wirklich die betroffene Person so schlimm es geht treffen, das musste ich auch erfahren.

Und tatsächlich ist es auch bei mir so, wenn ich in den Schulen unterwegs bin, erzähle ich nicht alle Beleidigungen, die ich bekommen habe, weil sie einfach zu schlimm und zu gravierend sind.

Du hast dich dann irgendwann dazu entschlossen, zur Polizei zu gehen, hast dann unter anderem Polizeischutz erhalten.

An dieser Stelle muss man aber auch klar sagen, sowas ist natürlich nicht die Regel und zeigt deshalb auch nochmal deutlich, wie ernst die Lage bei dir war, auch als Person des öffentlichen Lebens.

War das dann jetzt für dich eine Erleichterung, Polizeischutz zu erhalten oder eher der Moment, in dem dir ganz klar wurde, wie extrem sich der Hass zugespitzt hat?

Der Moment, als ich Polizeischutz bekommen habe, bzw.

Der Moment, wo ich zur Kriminalpolizei zitiert wurde und beim Kriminalpolizisten saß und der hat ganz klar mit mir gesprochen und hat gesagt, Frau Krakwa, Sie wissen schon, normalerweise bearbeite ich Mordfälle, Vergewaltigungsfälle.

Dass Sie jetzt hier bei mir sitzen und wir so um Ihre Sicherheit besorgt sind, das soll Ihnen ein Zeichen sein, wie ernst die Lage ist.

Und das war der erste Moment, wo ich hier realisiert habe, es geht nicht mehr darum, irgendeinen Titel zu gewinnen.

Es geht nicht mehr einfach nur um eine Fernsehshow.

Hier geht es wirklich ganz konkret um mein Leben und um mein Überleben.

Und das war der erste Moment, in dem ich realisiert habe, das Ganze ist größer und gefährlicher als einfach nur ein Titel oder eine Fernsehshow.

Wie können wir uns das vorstellen?

Polizeischutz, wie sah das ganz konkret aus?

Also ich stand täglich im Kontakt mit der Kriminalpolizei.

Sie rief mich täglich an, um sicherzustellen, dass es mir gut geht ob es wieder Vorkommnisse gab.

Es gab eine Streife, die regelmäßig fünf bis zehnmal am Tag bei mir vor der Haustür vorbeigefahren ist, die sichergestellt hat, dass mir niemand bei meiner Adresse auflauert.

Ich kann mich an eine Situation erinnern, da kam nochmal die Fernsehproduktion und wollte bei mir eine Homestory drehen.

Und in dem Moment, wo sie gehalten haben und die Kamera ausgepackt haben, waren schon Polizisten bei den Menschen und haben gleich nach den Ausweisdokumenten gefragt, haben gleich gefragt, ob das mit mir abgesprochen wurde.

Das konnte ich von meinem Fenstersims beobachten.

Und das war zum ersten Mal wieder ein Gefühl von Sicherheit.

Wie haben denn die Menschen, die dir aufgelauert haben, auf die Polizei reagiert?

Man muss ganz klar sagen, seitdem ich Polizeischutz hatte...

Gab es niemanden mehr, der bei mir vor der Haustür gestanden hat.

Also alleine die Präsenz der Polizei, dass sie auch wirklich ganz klar erkenntlich im Streifenwagen regelmäßig bei mir vorgefahren sind, hat Wirkung gezeigt.

Und die Menschen haben sich nicht mehr getraut, mir aufzulauen.

Wie lange hattest du diesen Polizeischutz?

Bis zum Finale.

Und es war sogar im Gespräch, also die Polizei hatte kein gutes Gefühl damit, das Finale war ja in Berlin, mich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Berlin fahren zu lassen.

Es war sogar im Gespräch, ob ich bis nach Berlin eskortiert werde vom Polizeischutz.

Kann man sagen, wie viele Monate waren das?

Zwei Monate, glaube ich.

Der Polizeischutz hat also Wirkung gezeigt.

Was aber geblieben ist, waren die größtenteils anonymen Online-Hasskommentare.

Auch hier hat die Polizei ja ermittelt.

Gab es denn dabei auch Erfolge bzw.

Konsequenzen für die Täterinnen und Täter?

Bevor ich den Polizeischutz bekommen habe, habe ich auch einige der Morddrohungen oder schwersten Beleidigungen zur Anzeige gebracht.

Leider muss ich sagen, es ist aber jetzt auch schon viele Jahre her.

Mittlerweile hat sich auch an der Gesetzeslage einiges geändert.

Damals habe ich einige Monate später das Schreiben von der Staatsanwaltschaft bekommen, dass das Verfahren eingestellt wurde und dass die Täter nicht ermittelt werden konnten.

An dieser Stelle hören wir nochmal Dr.

Benjamin Krause.

Er hat uns am Beispiel vom Cybermobbing im Mordfall Walter Lübcke erzählt, wie schwer es vor wenigen Jahren noch war, die Täterinnen und Täter zu ermitteln und was sich seitdem geändert hat.

Als wir im Jahr 2019 mit dem Komplex Mordaufrufe zum Nachteil von Walter Lübcke angefangen haben, hatten wir eine Identifizierungsquote von 30 Prozent.

Und 30 Prozent ist natürlich ein katastrophaler Wert für die Strafverfolgungsbehörden.

Das hat aber damit zu tun gehabt, dass wir damals ganz neu in diesem Bereich gestartet waren, noch keine Erfahrung hatten, auch noch nicht so richtig wussten, was sind denn jetzt Erfolgversprechen der Ermittlungen und wo verlieren wir uns eher, wo kommen wir schnell zum Ziel, wo dauert es lange.

Und diese Erfahrung haben wir gemacht und insbesondere seit der Regulierung, seit ungefähr einem Jahr durch den Digital Services Act, kurz DSA, sind die Plattformbetreiber verpflichtet, auf Anforderungen von Strafverfolgungsbehörden zu antworten.

Vorher war das nicht so und die großen international tätigen Plattformen haben so kooperiert, wie sie wollten, also ganz freiwillig.

Und das war so, dass manche Plattformen kooperiert haben, manche nicht.

Dabei sollte man ja meinen, wenn ein Oberstaatsanwalt mit einem Beschluss kommt.

Dann bekommt er alles, was er für seine Ermittlungen braucht.

Aber es war tatsächlich so, dass diese Plattformen gesagt haben, wenn ich kam, wir ermitteln hier wegen Volksverhetzung, dann haben die gesagt, das ist keine Volksverhetzung.

Dann habe ich gesagt, doch, ist es nach deutschem Recht?

Und die haben gesagt, nein, ist es nicht.

Und dann habe ich gesagt, Moment mal, ich bin doch hier der deutsche Jurist und ihr kommt aus den USA und erzählt mir.

Aber letztlich konnte ich es nicht umsetzen, sondern musste als Bittsteller eben da stehen und sagen, bitte, bitte gebt mir trotzdem die Daten.

Das ist zum Glück jetzt nicht mehr der Fall.

Seit Oktober 2024 erlaubt ein nationales Gesetz zur Cybersicherheit, basierend auf einer EU-Richtlinie, Dr.

Krauses Team rund 70 bis 80 Prozent der Cybermobber namentlich zu identifizieren.

Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen arbeitet der Oberstaatsanwalt weiter an Lösungen, um noch mehr Tatverdächtige ermitteln zu können.

Liana, das klingt doch erstmal nach einem großen Fortschritt in der Gesetzgebung.

Trotzdem, gefühlt ist das Thema Cybermobbing präsenter denn je, oder?

Ja, absolut.

Wenn ich in den Schulen unterwegs bin, kriege ich eigentlich die Rückmeldung von den Schülerinnen und Schülern, dass sie alle schon mal in irgendeiner Form am Cybermobbing beteiligt waren.

Ob als betroffene Person, als verursachende Person oder die größte Anzahl als zuschauende Person.

Und ich glaube, genau bei den Zuschauerinnen und Zuschauern von Cybermobbing ist das größte Problem, dass sie einfach nicht wissen, was sie dagegen tun können und überhaupt ihnen nicht klar ist, dass auch die Zuschauerinnen und Zuschauer die Chance haben, Cybermobbing zu verhindern oder es zuzulassen.

Was glaubst du, warum fällt es Menschen online überhaupt so leicht, so grausam zu sein?

Ich glaube, der massive oder maßgebliche Unterschied zum Schulhof, zum klassischen Schulhof-Mobbing, ist, dass du die Reaktion nicht mehr sehen kannst.

Das heißt, so war es auch in meinem Fall.

Die Mobberinnen und Mobber haben gar nicht mitbekommen, dass ich eigentlich schon am Boden liege und sie weiter auf mich eintreten.

Beim Schulhof-Mobbing ist spätestens dann, wenn die Person gegenüber anfängt zu weinen, ist dir dann klar, oh, hier habe ich eine Grenze überschritten.

Und dann kommt auch deine eigene Moral, dein eigenes...

Und empathisches Empfinden, was sagt, okay, hier höre ich jetzt auf und hier ist genug.

Diese Grenze wird aber online immer häufiger überschritten, weil man die Reaktion einfach nicht sieht.

Man weiß einfach nicht, dass Sachen, die vielleicht im Spaß gemeint sind, gar nicht so dramatisch gemeint sind, wie die bei der betroffenen Person ankommen.

Und ich glaube, das ist der Grund, warum es so grausam im Netz zugeht.

Über die Motive hinter den digitalen Hassangriffen haben wir auch mit Cyberpsychologin Dr.

Katharina Katzer gesprochen.

Sie sagt, es gibt verschiedene Motive für Mobbing im Netz, zum Beispiel Frustration, Langeweile oder einfach anderen gezielt wehtun, um sich selbst besser zu fühlen.

Das alles geht im Internet natürlich nochmal deutlich einfacher als in der realen Welt.

Also wenn Täter kinderleicht andere fertig machen können, ohne dass sie sich aus dem Haus bewegen müssen, sondern nur vor ihrem digitalen Smartphone sitzen oder vor dem Screen und agieren können, dass sie überhaupt gar keine Schwierigkeit mehr haben.

Also es ist so leicht, dass ich auf ein Knöpfchen drücke, dann macht das schon auch was mit einer Person als Täter.

Dann merkt man auch gar nicht mehr, dass man eigentlich hier etwas getan hat, was andere schädigt, was nicht gut ist, was nicht in Ordnung ist, weil ich ja keiner anstrengend bin.

Ich muss mich nicht mehr anstrengen, das geht ganz einfach.

Und dann sind natürlich die Opfer auch sehr weit weg.

Das heißt, also ich sehe nicht, was mit den Opfern passiert, direkt wie sie beeinflusst werden, wie traurig sie sind, wie sie geschädigt sind.

Und wie wir es alle noch aus der Schule kennen, Gruppendynamiken bilden sich auch im Netz schnell.

Und ein Mobber bzw.

Ein Cybermobber agiert selten allein.

Das heißt, jemand kann anfangen, aber er ist natürlich auch von der Außenwelt abhängig.

Das heißt, von den anderen digitalen Mitmachern oder denen, die zuschauen, die vielleicht entweder gar nichts machen oder die mitmachen.

Oder die zumindest sagen, oh, finde ich ja cool, die ihn bewundern, wenn er so etwas macht.

Das heißt also, diese Dynamik in der Gruppe, je mehr sozusagen nachher auch dem Zustimmen...

Und umso mehr wird natürlich auch dieses Verhalten zur Normalität.

Also umso mehr sagen die Leute auch, ach das ist ja gar nicht so schlimm, das gehört einfach dazu.

Es machen ja alle, es machen ja ganz viele.

Das heißt, es wird auch die Verantwortung des Einzelnen an die Gruppe abgegeben.

Also auch das ist eine Strategie in unserem Kopf, wir sagen in der Psychologie sozusagen eine Dissonanzreduktion, von der ich eigentlich weiß, ich mache etwas, das nicht in Ordnung ist, aber wenn es viele machen, dann ist es ja ein bisschen in Ordnung.

Eine besorgniserregende, aber nicht überraschende Entwicklung kommt noch hinzu.

Täter und Opfer im Netz werden immer jünger.

Ja, also das Spannende ist, dass wir eigentlich bis vor ein paar Jahren sozusagen eigentlich zwei typische Peaks hatten bei der Opferwerdung.

Das waren eigentlich so die 14- bis 16-Jährigen und dann die Gruppe, also die in der Pubertät sind und dann eigentlich die Gruppe der 18- bis 20-Jährigen.

Das heißt, die gerade so vom Übergang Abitur, Lehre oder Abiturstudium waren.

Das hat sich aber in den letzten Jahren deutlich nach unten verschoben.

Das heißt, wir haben immer mehr jüngere Täter und jüngere Opfer und wir haben sozusagen eigentlich einen Peak mittlerweile bei den 10- bis 12-Jährigen.

Und das ist eine deutliche Verschiebung und zeigt auch die Dramatik eigentlich, dass die Täter und die Opfer auch immer jünger werden.

Und man muss auch sagen, dass auch die Grundschule immer mehr Ort oder Ziele für Cybermobbing bietet.

Denn wir sehen mittlerweile, dass in neun Studien aus dem letzten Jahr über 70 Prozent der Grundschullehrer von Cybermobbing-Fällen wissen.

Und vor ein paar Jahren waren es nur 40 Prozent.

Das heißt also, die Zahl steigt deutlich.

Liana, wir haben gehört, wie sehr du unter dem Mobbing gelitten hast.

Was aber viel wichtiger ist, du hast dir irgendwann professionelle Hilfe gesucht.

Wie sah die aus?

In dem Stadium, in dem ich mich befunden habe, brauchte ich auch wirklich professionelle Hilfe.

Die hat mir vor allen Dingen meine Familie gesucht, damals als allererstes beim Bündnis gegen Cybermobbing.

Das heißt erstmal bei Experten, die sich mit dem Phänomen auskennen.

Und das Erste, womit mir geholfen wurde, war mein inneres Schutzschild wieder aufzubauen.

Ich habe mich ja komplett blank gemacht und habe meinen Wert bestimmen lassen von fremden Menschen, die mich überhaupt gar nicht kennen und habe denen die Macht darüber gegeben, zu entscheiden, wer ich bin und was ich wert bin.

Und mir wurde erstmal dabei geholfen, das wieder selbst für mich entscheiden zu dürfen.

Dann war es aber auch noch wichtig auf der anderen Seite, dass ich psychologische Betreuung bekommen habe.

Denn es ging nicht nur um das Phänomen Cybermobbing und die Strukturen und Systematiken dahinter zu verstehen, sondern es ging auch darum, mit meinen Depressionen fertig zu werden.

Ich glaube, was man bei Cybermobbing und Mobbing häufig übersieht, ist, wie viele Jahre danach das noch in einem nachheilt.

Und was ich immer sage ist, Cybermobbing ist seelische Gewalt, die auch ihre Spuren hinterlässt, so wie physische Gewalt.

Nur man sieht sie halt eben nicht in Form eines blauen Auges oder einer blutigen Wunde.

Sie sind sehr, sehr versteckt auf der Seele.

Und auch diese Wunden habe ich lange noch mit mir mitgetragen und da habe ich psychologische Hilfe gebraucht, um diese heilen zu lassen.

Und wie lange hat es insgesamt gedauert, bis es dir wieder besser ging?

Ja.

Ich würde sagen, noch heute habe ich damit zu kämpfen.

Ich sage immer, gerade so die allerersten Schulbesuche, die ich gemacht habe, da habe ich immer viel von Selbstwert und Selbstakzeptanz geredet, ohne das selber für mich zu begreifen und zu leben.

Aber mit jedem einzelnen Mal, in dem ich meine Geschichte in den Schulen erzähle oder auch hier heute meine Geschichte erzähle, mit jedem Mal heile ich ein Stück weit besser.

Mit jeder Seele, der ich helfen kann, mit jedem Menschen, den ich aufklären kann, habe ich das Gefühl, das immer besser zu verarbeiten und immer selbstbewusster zu werden oder zumindest mich akzeptieren zu können mit meinen Stärken, aber auch mit meinen Fehlern, die ich natürlich auch habe.

Heute engagierst du dich selbst gegen Cybermobbing.

Du hast 2022 den Verein Love Always Wins gegründet.

Was ist die Idee dahinter und wie helft ihr Betroffenen?

Ja, wie der Name meines Vereins schon sagt, wir wollen für etwas sein.

Und zwar gleich klar, wir wollen nicht gegen etwas sein, nicht gegen Cybermobbing, nicht gegen Hass, sondern wir wollen den Menschen wieder einen Grund geben, für das sie einstehen können.

Und das ist für mich immer die Liebe gewesen.

In dem Fall meines Cybermobbings vor allen Dingen die Liebe zu mir selber, aber auch natürlich die Liebe zu meiner Familie, die mich gerettet hat im Endeffekt.

Aber auch die Liebe, die wir uns wieder gegenseitig in der Gesellschaft spiegeln müssen.

Ich finde, wir sind sehr, sehr sparsam mit Liebe, aber sehr, sehr großzügig mit Hass.

Und das sollten wir als Gesellschaft wieder ändern.

Und genau das möchte ich in die Gesellschaft bringen.

Und wir helfen Betroffenen vor allen Dingen, damit ihr Selbstwert wieder aufzubauen.

Und ich weiß, wie es sich anfühlt, sich wertlos zu fühlen.

Und ich glaube, wenn sich Menschen wie ich auf eine große Bühne stellen, die eigentlich betroffen waren von Cybermobbing, die diese Schuld und diese Scham kennen und ohne Scham dazu stehen und zu sagen, ich bin nicht das Problem und ihr seid nicht das Problem, das hilft Betroffenen schon mal massiv.

Und was danach passiert, wenn ich die Schulen verlasse, ist, dass die jungen Menschen sich Hilfe suchen, dass sie hingehen zu Vertrauenslehrerinnen und Lehrern, dass sie hingehen zu ihren Eltern, dass sie darüber sprechen, weil sie das Gefühl haben, wenn die Liana das kann, dann kann ich das auch.

Lass uns ruhig darauf nochmal explizit eingehen.

Was rätst du anderen, die im Netz angefeindet werden?

Als allererstes, sich Hilfe zu holen.

Geh zu Menschen, die...

Dich mögen, geh zu deinen Freunden, geh zu Bekannten, geh zu Vertrauenslehrkräften, geh vielleicht auch zu professionellen Hilfestellen, die es im Netz auch wirklich zu Genüge gibt und rede darüber.

Das ist immer das allererste, weil ich habe mich damals auch nicht getraut, darüber zu sprechen, weil es so ein schambehaftetes Thema ist und diese Scham möchte ich gerne Betroffenen nehmen.

Aber natürlich auch die Social Media Plattformen haben auch ganz viele Funktionen, die man nutzen kann.

Mach dein Profil auf privat, melde, blockiere, lösche die Kommentare raus, lass überhaupt gar nicht zu, dass Menschen auf diesen Zug mit aufspringen können.

Ich sage immer, der Mensch schwimmt vor allen Dingen sehr gerne mit dem Strom.

Und weil bei mir so viele hunderte und tausende negativen Kommentare standen, haben sich viele nicht getraut, was Positives hinzuschreiben.

Und andersrum, weil so viele negative Kommentare standen, haben sich viele gut damit gefühlt, auch einen negativen Kommentar zu verfassen.

Und ich sage immer zu den Kindern und Jugendlichen, dein Social-Media-Account ist wie dein Kinderzimmer und da lässt du auch nicht jeden rein und genauso solltest du auch auf Social Media nicht jeden reinlassen und nicht jedem Zugang geben.

Guter Tipp.

Es gibt sicherlich doch auch Angebote oder irgendetwas, was man raten kann für Eltern oder Lehrkräfte oder Freunde, die merken, jemand in dem Umfeld, in der Klasse wird online angegriffen.

Beleidigt oder auch systematisch gemobbt.

Gibt es da Anlaufpunkte?

Absolut.

Auch das, was meine Familie gemacht hat, war, mir Hilfe zu suchen.

Und das dürfen Familien und Freunde auch machen für Betroffenen in ihrem Bekanntenkreis.

Man muss verstehen, ich lag auf dem Boden und ich hatte keine Kraft mehr für gar nichts.

Ich hatte keine Kraft zu duschen und schon mal gar nicht mehr Hilfe zu holen.

Das heißt, es muss da Menschen geben, die einspringen für diese betroffenen Menschen.

Die gucken im Internet, wo kann man sich hinwenden.

Es gibt so viele tolle Anlaufstellen, ob YouPort, ob Klicksafe, ob die Nummer gegen Kummer, wo sich Betroffene melden können und dann auch wirklich die Nummer der betroffenen Person geben und sagen, da kannst du dich jederzeit melden und du bist es wert, dass man dir hilft.

Und auch wenn ich mich nicht sofort bei den professionellen Hilfestellen gemeldet habe, nach zwei, drei Tagen habe ich die Kraft gefunden und den Mut gefunden, dort anzurufen.

Und das hat in meinem Fall alles verändert.

Und deswegen würde ich Eltern und Lehrkräften raten, holt Hilfe für die betroffenen Personen.

Und lieber einmal zu viel Hilfe geholt und am Ende ist es doch gar nicht so dramatisch, als einmal zu häufig weggeguckt und am Ende passiert was Schlimmes.

Du hast gerade gesagt, du gehst auch an Schulen, erzählst Jugendlichen deine Geschichte.

Wie ist da das Feedback?

Die Kids fühlen sich zum ersten Mal gesehen.

Also die Thematiken, die ich anspreche, vor allen Dingen aus meiner Perspektive.

Ich bin selber Influencerin, ich bin aktiv auf Social Media.

Ich bin niemand, der mahnt, den Zeigefinger hebt und sagt, nutzt das nicht, das ist alles ganz schlimm und gefährlich.

Sondern ich versuche auf Augenhöhe mit den jungen Menschen zu reden, zu kommunizieren und ihnen zu erzählen, dass Social Media sehr wohl positive Sachen hat, aber auch negative Seiten.

Und da müssen wir gemeinsam dran arbeiten, dass sie nicht mehr so schlimme Auswirkungen auf die jungen Menschen haben.

Dieses Ernst genommen werden, das tut den jungen Menschen total gut.

Kommst du denn dabei auch mit jungen Menschen in Kontakt, die zugeben, dass sie selbst auch schon andere gemobbt haben?

Absolut.

Nicht nur andere gemobbt haben, sondern ich kam auch schon mit Jugendlichen in Kontakt, die zugegeben haben, mich gemobbt zu haben und selber auch Täterinnen oder Täter damals bei mir gewesen waren.

Und ich glaube, man denkt häufig bei meiner Arbeit, ich mache das nur für die Betroffenen und das ist natürlich für mich ein intrinsischer, ganz, ganz wichtiger Gedanke.

Aber ich mache das auch für diejenigen, die solche Hasskommentare schreiben, weil mir kann niemand erzählen, dass jemand, der so abgrundtief schlimme Sachen postet, selber ein glücklicher Mensch ist.

Ganz häufig, was man übersieht ist, dass die Täterinnen und Täter häufig selber mal unter Mobbing gelitten haben, dass das häufig so eine Reaktion ist von, ich mobbe lieber wen anderes, als selber wieder zur Zielscheibe zu werden und häufig ein Ablenken vom Problem.

Auch bei jungen Menschen.

Das sind häufig junge Menschen, die zu Hause vielleicht Gewalt erleben, die zu Hause vielleicht runtergemacht werden und die endlich mal das Gefühl haben, sich stark zu fühlen.

Das heißt, ich gehe nicht nur in die Schulen für die Betroffenen, sondern vor allen Dingen auch für diejenigen, die sowas schreiben und tun, weil denen geht es auch nicht besser als den Betroffenen.

Und immerhin, wenn sie jemand anderen abwerten, werten sie sich selbst damit auch wieder auf.

Das ist das Gefühl, was entsteht, ja.

Wie viele der Schülerinnen und Schüler haben schon ähnliche Erfahrungen gemacht wie du?

Also man muss natürlich sagen, dass mein Fall sehr, sehr extrem und sehr außergewöhnlich ist.

Ich würde eher sagen, die Gefühlswelt, die ich erlebt habe, das ist etwas, wo die Schülerinnen und Schüler mitfühlen können.

Und da würde ich jetzt mal vom Gefühle ausgeben, mindestens ein Viertel der Schülerinnen und Schüler, die da sitzt, kennen diese Gefühle.

Diese Wertlosigkeit und die Angst davor haben, wie andere Menschen einen negativ beurteilen.

Und ich habe regelmäßig Schülerinnen und Schüler, die in Drehen ausbrechen während meiner Erzählungen.

Ich muss auch die Lehrkräfte dahingehend vorbereiten.

Es sind immer Schulsozialarbeit, Schulpsychologie, die bei meinen Vorträgen dabei sein müssen, weil sie die Kinder und Jugendliche auffangen müssen.

Und ich kriege immer wieder die Rückmeldung, danach ist das Büro der Schulsozialarbeit für wochenlang voll.

Sind denn da auch Eltern mit involviert in diesen Vorträgen?

Ja, wir machen sowohl Lehrkräfte-Veranstaltungen als auch Elternabende und auch die Eltern, das darf man ja nicht vergessen, auch die sind total überfordert.

Das heißt, ich hatte auch häufig bei den Elternabenden danach Gespräche mit Eltern.

Ich werde nie vergessen, das werde ich wirklich nie vergessen.

Ich erinnere mich an einen Schulbesuch, da war ich mittags in der Schule und abends hatte ich den Elternabend und eine Mutter kam nach den Elternabend zu mir.

Brach in Tränen aus und hat gesagt, jetzt hat sie endlich verstanden, was ihr Sohn meinte.

Und zwar kam mittags der Sohn nach Hause und hat zu der Mutter gesagt, Mama, Mama, Mama, wir hatten heute jemanden bei uns in der Schule, ich möchte mit dir darüber sprechen.

Und die Mutter hat abgewunken und dachte, ja, Mensch, das ist doch gerade überhaupt nicht spannend und ich habe gerade so viel anderes zu tun mit der Arbeit, wir reden da schon irgendwann drüber.

Und dann saß sie abends bei mir im Elternabend und ich habe meine Geschichte erzählt, von meinen Suizidgedanken erzählt und dann hat die Mutter verstanden, warum das für ihren Sohn so wichtig war.

Der wird nämlich auch in der Schule gemobbt und der hat auch solche Gedanken, wie ich sie gehabt hatte.

Und der wollte sich so gern seiner Mutter öffnen.

Und sie kam dann zu mir, hat sich bedankt, hat dann gesagt, sie hat es zum ersten Mal verstanden und sie wird jetzt nach Hause gehen und mit ihrem Sohn darüber sprechen.

Ja, also alles in allem ein sehr wertvolles, tolles Projekt, das dein Verein dort durchführt, Liana.

Und damit seid ihr glücklicherweise nicht allein.

Es gibt mittlerweile mehrere Anlaufstellen für Betroffene mit ganz unterschiedlichen und individuellen Ansätzen.

Das hat uns Oberstaatsanwalt Benjamin Krause erzählt.

Also da fällt mir natürlich, wenn es nicht um den Bereich der Strafverfolgung geht, fällt mir zunächst mal unserer Kooperationspartner Ich Bin Hier ein.

Das ist eine Gruppe von Menschen, die Gegenrede organisieren und die eben.

Damit man nicht alleine ist, sondern damit man genauso wie zum Beispiel die Angreifer sozusagen eine Gemeinschaft hat, sich zusammenschließen und dann sagen, lasst uns mal alle der angegriffenen Person helfen, indem wir positiv reden, indem wir gut reden und nicht angreifend und hasserfüllt.

Sozusagen digitale Zivilcourage.

Wir sehen immer wieder, dass es Zivilcourage gibt, wenn z.B.

Personen von Gewalt im öffentlichen Raum betroffen sind.

Dann gibt es Personen, die schreien, dann hör auf oder ich rufe die Polizei oder lasst uns mal den verfolgen.

Das gibt es.

Und digital gibt es das, glaube ich, noch zu wenig.

Viele Personen gucken dann digital eher weg, ziehen sich zurück.

Das interessiert sie nicht.

Und das ist etwas, was mir persönlich sehr, sehr wichtig ist, dass wir das viel, viel weiter ausbauen müssen.

Mindestens genauso wichtig wie Hilfsangebote für Betroffene ist die Prävention von Cybermobbing.

Die Mobber aufzuklären und dafür zu sensibilisieren, was ihre Aktionen überhaupt anrichten.

Diesen Ansatz verfolgt auch Dr.

Krause.

Durch seine Arbeit ist ihm bewusst geworden, Geld oder Freiheitsstrafe allein hält Täter oder Täterinnen oft nicht davon ab, wieder zu mobben.

Und deswegen haben wir uns Gedanken gemacht, was wäre denn sinnvoller und haben das Glück gehabt, diesen Programm, diesen sozialen Trainingskurs mit dem Namen Stop Hate aufbauen zu können.

Das ist ein Programm, das passend eben zu diesem Phänomen nur online abläuft, in dem Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter mit Beschuldigten zunächst mal Einzelgespräche führen und dann in Gruppensitzungen, aber auch online mit anderen Beschuldigten die Gefahren, die Auswirkungen und auch die zukünftige Vorgehensweise und Umgangsweise im Netz thematisieren.

Es sollen also Beschuldigte lernen, wie sie in Zukunft sich straffrei verhalten.

Da haben wir jetzt so ungefähr 100 Personen bislang in diesem Programm schon gehabt und, Keiner derjenigen, die den erfolgreich absolviert haben, ist nochmal strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Es hat also diesen positiven Effekt gehabt.

Also ein voller Erfolg.

Wie Dr.

Krause uns erzählt hat, sind er und seine Abteilung gerade dabei, noch ein weiteres Projekt zu entwickeln, bei dem es darum geht, dass die Täter direkt bei den Opfern um Entschuldigung bitten können.

Das wollen wir eben schaffen, dass es diese Möglichkeit gibt, dass sich sowohl der sogenannte Täter als auch das Opfer, dass die sich in einem geschützten Rahmen, aber trotzdem online treffen können.

Unter Begleitung und unter Vorbereitung auch wieder von Sozialarbeitern, die dann dazu führen, dass wenn diese Menschen sich miteinander unterhalten Und insbesondere im Hinblick auf die Beschuldigten, wenn die mal die Reaktion des Opfers live mitbekommen, von Angesicht zu Angesicht, dann kann auch das diese Verhaltensänderung herbeiführen.

Und gleichzeitig kann es dem Opfer auch ein gewisses Stück an Sicherheit zurückgeben, wenn das Opfer merkt, ah, der Täter hat es verstanden.

Also das ist insgesamt, glaube ich, auch eine sinnvolle Maßnahme, die darauf ausgerichtet ist, dass zukünftig keine Taten mehr passieren.

Und um den Mobberinnen und Mobbern bewusst zu machen, wie sich das anfühlt.

Wird ihnen innerhalb des Programms nochmal vorgelesen, was sie da geschrieben haben.

Ja, die sind sehr häufig so, dass Menschen eben, also Beschuldigte, da total geschockt sind, dass sie das geschrieben haben sollen.

Also wir kommen häufig oder auch bei Vernehmungssituationen die Rückmeldung, was das habe ich geschrieben oder was das soll ich geschrieben haben, ich bin doch gar nicht so ein Typ, mache ich doch eigentlich nicht.

Und dann wird Personen oft eben bewusst, dass sie das aber doch online geschrieben haben, weil sie da diese entsprechenden Hemmschwellen nicht haben.

Das ist sehr häufig der Fall in unseren Verfahren, weil sie von anderen so angestachelt worden sind dazu und sich dann auch haben anstacheln lassen.

Liana, wie findest du Projekte wie Stop Hate oder den Ansatz, dass Täterinnen und Täter direkt bei den jeweiligen Betroffenen um Entschuldigung bitten können?

Ich finde das Projekt wirklich sehr gut.

Ich glaube, wir gehen häufig davon aus, dass Verursachende genau wissen, was sie da tun und was sie mit ihren Kommentaren anrichten.

Aber ich habe es selbst erlebt, dass ganz, ganz viele Hater in der dritten Person über mich in den Kommentaren geschrieben haben.

Das heißt, dass sie gar nicht davon ausgegangen sind, dass ich diesen Kommentar lesen werde oder dass er mich treffen wird.

Und wenn man aber mit den verursachenden Personen in Kontakt tritt und ihnen zeigt, was macht das eigentlich mit einer Person, auch diese Reaktion erlebe ich ja in den Schulen, dass ganz häufig diejenigen, die eigentlich Mobber oder Mobberin sind, total fassungslos darüber sind, was das für die betroffene Person bedeutet.

Für Schülerinnen und Schüler ist das häufig nur ein Spaß, das müssen wir uns bewusst werden.

Die wollen nicht, dass sich im schlimmsten Falle jemand etwas selber antut oder depressiv wird, sondern die wollen auch nur irgendwie über ihre Schulzeit kommen und wollen selbst nicht zur Zielscheibe werden.

Und deswegen finde ich solche Begegnungsprogramme total wichtig.

Um zu sensibilisieren und aufzuklären und zu zeigen, was das überhaupt mit Betroffenen macht.

Liana, nach all dem, was du durchgemacht hast, hat sich dein Bild von der Öffentlichkeit durch das Erlebte verändert?

Ja, absolut.

Ich verstehe jetzt auch die Strukturen, die Systematiken, die ziehen sich ja durch die ganze Medienwelt, auch durch Social Media, durch Influencer, die ja auch immer nur ein verfälschtes Bild ihres Lebens oder ihrer Persönlichkeit zeigen.

Ich habe mehr verstanden, dass es natürlich Menschen wie mich gibt, die unter Hass leiden, aber leider auch ganz viele Menschen gibt, die daran profitieren.

Nicht zuletzt die Social-Media-Betreiber selbst, weil sie im Endeffekt wollen, dass die Nutzerinnen und Nutzer so lange wie möglich in den Apps bleiben und Hass zieht die Leute auch in die Apps.

Das heißt, ich habe mehr verstanden, was die Strukturen und Systematiken dahinter sind und wie wir als Gesellschaft damit umgehen müssen, damit eben nicht mehr Profit an erster Stelle steht, sondern ein Menschenleben.

Was würdest du dir wünschen?

Was wäre dein Appell?

Was ich mir wünschen würde, wäre, dass wir wieder lernen, wie wir Konflikte lösen und wie wir miteinander kommunizieren.

Es geht nicht darum, alles gut zu finden, sondern zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die anders sind und dass ich mich selbst akzeptieren darf mit all meinen Fehlern und Stärken, aber dass ich auch jeden anderen Menschen akzeptieren darf, so wie er ist.

Weil wir als Gesellschaft sind nur so stark, weil wir vielfältig sind, weil wir verschiedene Meinungen, weil wir verschiedene Menschen haben.

Und wenn wir alle gleich wären, würden wir nicht mehr funktionieren.

Das heißt, es muss Unterschiede geben, es muss Vielfalt geben und dafür muss ich ertragen können, dass es Menschen gibt, die ich vielleicht nicht so gern habe und Menschen, die ich lieber mag.

Aber jeden Einzelnen von ihnen muss ich akzeptieren und das würde ich mir wünschen.

Das war ein sehr schönes Schlusswort und ein toller Wunsch am Ende dieser Sendung.

Damit sind wir auch am Ende unserer Spezial-Podcast-Folge zum Thema Cybermobbing und Hate Speech.

Liana, das war sehr beeindruckend, was du uns erzählt hast.

Danke für deinen Auftritt bei uns.

Schön, dass du hier warst.

Ja, vielen Dank.

Es hat mich auch sehr gefreut, dass du unserer Einladung gefolgt bist.

Danke, dass ich da sein durfte.

Ich sage bis zum nächsten Mal bei Aktenzeichen XY unvergessene Verbrechen.

Und wie immer, bleibt sicher.

Danke auch an die Cyberpsychologin Dr.

Katharina Katzer und Oberstaatsanwalt Dr.

Benjamin Krause und an unsere Autorin Corinna Prinz.

In den Shownotes haben wir euch einige Links mit Informationen und Anlaufstellen zum Thema Cybermobbing verlinkt, gerade für Opfer von Hasskommentaren.

Wenn ihr suizidale Gedanken habt, wendet euch unbedingt an eine Vertrauensperson.

Es gibt auch professionelle Anlaufstellen, an die ihr euch rund um die Uhr und anonym wenden könnt.

Auch diese Infos findet ihr in den Shownotes.

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