Episode Transcript
Music.
Es beginnt oft leise, mit einem Kommentar, mit einem Meme, mit einem Emoji.
Und plötzlich kippt alles.
Aus Spott wird Hass, aus Kritik wird Drohung, aus einem Klick eine Lawine.
Hallo und herzlich willkommen zu einer Spezialausgabe von Aktenzeichen XY – Unvergessene Verbrechen.
Ich bin Rudi Zerne und gemeinsam mit meiner Kollegin Nicola Henisch-Koros wollen wir heute über ein Phänomen der Kriminalität sprechen, das im digitalen Raum beginnt und im echten Leben weiter wirkt.
Mobbing, Hate Speech.
Ein Thema, das uns alle angeht, weil es immer näher rückt und weil niemand ganz sicher ist.
Und weil es uns als Gesellschaft herausfordert.
Rechtlich, psychologisch, menschlich.
Hallo und auch von mir willkommen.
Ich freue mich, dass ihr zuhört.
Cybermobbing und Hate Speech haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun.
Es sind Formen der Gewalt.
Im Netz.
Und es trifft.
Härter als viele glauben.
Wer einmal ins Visier gerät, erlebt oft keine Diskussion, sondern Dauerbeschuss.
Beleidigungen, Anfeindungen, Hetze.
Öffentlich, persönlich, rund um die Uhr.
Was online beginnt, kann offline weitergehen.
Es kann Existenzen zerstören, Leben verändern und im schlimmsten Fall beenden.
Und das alles kann jeden treffen.
Jugendliche, Erwachsene, Prominente.
Oder einfach Menschen, die sich trauen, sichtbar zu sein.
Eine von ihnen ist unser heutiger Gast, Liana Kagwa.
Viele kennen sie aus einer bekannten Modelshow im deutschen Fernsehen.
Doch was danach kam, hatte nichts mehr mit Glamour zu tun.
Tausende Hasskommentare, Bedrohungen, ständige Angst.
Wir sprechen heute mit ihr über das, was man von außen kaum sieht, aber was innen alles verändern kann.
Willkommen Liana, danke, dass du bei uns bist und deine Geschichte mit uns teilst.
Ja, hallo.
Hallo Liana.
Ja, Liana, du hast es selbst erlebt.
Plötzlich warst du im Fokus der Öffentlichkeit und dann kam der Hass.
Heute sitzt du hier offen, klar und selbstbewusst und man merkt sofort, dich hat man nicht klein gekriegt.
Wann und warum hast du dich entschieden, mit deiner Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich glaube, das war der Moment, als ich...
Hunderte, Tausende von Nachrichten von jungen Menschen bekommen habe, die mitbekommen haben, wie sehr ich gehasst werde im Internet und denen Ähnliches passiert ist.
Also das waren Nachrichten von jungen Menschen, die mir geschrieben haben, dass sie niemanden haben.
Sie werden in der Schule gemobbt, gehen nach Hause, erzählen es den Eltern und werden dann von den Eltern geschlagen, weil sie in Anführungsstrichen so ein scheiß Mobbing-Opfer sind.
Und die Menschen oder diese jungen Kinder teilweise kommen zu mir und öffnen sich mir, weil sie sonst niemand anderen haben.
Und da ist mir klar geworden, ich bin nur eine unter Millionen.
Das war mir so vorher nie bewusst.
Ich dachte, ich bin ein Einzelschicksal und sowas erlebt kaum jemand anderes.
Aber als mir klar wurde, wie viele Kinder und Jugendliche so alleine mit diesem Problem sind und ich selber gemerkt habe, wie gefährlich das sein kann für die eigene Psyche und fürs eigene Überleben, da ist mir klar geworden, da muss was getan werden und diese Menschen möchte ich sichtbar machen.
Also was Cybermobbing auslöst, das hast du selber erlebt und was das mit Menschen macht, das kannst du als Betroffene am eindrücklichsten beschreiben.
Aber auch Forschung und Justiz schauen mittlerweile genauer hin, denn die Auswirkungen sind real und oft dramatisch.
Wir haben deshalb mit einer Expertin und einem Experten gesprochen, die sich seit Jahren intensiv mit digitaler Gewalt beschäftigen, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven.
Dr.
Katharina Katzer ist Cyberpsychologin und eine der führenden Stimmen in Deutschland, wenn es um Hass im Netz geht.
Sie erforscht, wie digitale Gewalt entsteht und was sie bei Betroffenen auslöst.
Und Dr.
Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main.
Er leitet dort die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.
Seit 2019 gehört auch das Thema Hate Speech zu seinem Aufgabenbereich.
Er kennt die rechtlichen Herausforderungen und die menschlichen Schicksale dahinter.
Music.
Liana, bevor wir über die Hassangriffe sprechen, die du erlebt hast, wollen wir von vorne beginnen.
Wie kam es eigentlich dazu, dass du bei der Castingshow mitgemacht hast?
Ich komme aus Kassel, das ist jetzt keine Modemetropole und dass sich dahin mal ein Modelscout verirrt und mich entdeckt, war unmöglich gewesen.
Und auf einmal hatte ich die Chance, auch auf diesen großen Laufstegen der Welt zu laufen, gesehen zu werden, gefeiert zu werden.
Und so habe ich mich schon damals mit acht in die übergroßen High Heels meiner Mutter geschmissen, habe vor dem Spiegel gepostet und wusste, irgendwann möchte ich auch mal Teil dieser Show werden.
Meine Mutter hat aber dann gesagt, erst machst du Abitur und Führerschein, vorher machst du da nicht mit.
Und so war ich dann schon Anfang 20, als ich mich bei der Show beworben habe und ich konnte es kaum glauben.
Man hat 15 Jahre lang, also fast zwei Jahrzehnte, einen Traum und dann bewirbt man sich und wird wirklich zur Favoritin dieser Show.
Das war für mich wie ein wahrgewordener Traum.
Und wie warst du so?
Warst du ein selbstbewusster junger Mensch?
Ich würde schon sagen, ich bin an sich ein sehr extrovertierter Mensch, auch ein sehr selbstbewusster Mensch.
Das würde ich von mir so behaupten.
Ich bin bei einer alleinerziehenden Mama groß geworden.
Die hat schon immer sehr darauf geguckt, dass ich als Frau sehr stark bin und sehr selbstständig bin und sage, was ich denke und vor allen Dingen fürs Richtige einstehen.
Das ist in meiner Familie immer ganz, ganz wichtig gewesen, dass man sich laut und stark macht, wenn man was Wichtiges zu sagen hat.
Und ja, so habe ich mir eigentlich wenig den Mund verbieten lassen in meinem Leben und habe eigentlich immer das gesagt, was ich so auf dem Herzen trug.
Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass da im Netz sich was gegen dich stellt?
Ja, man muss verstehen, die Show ist komplett vorgedreht und wir dürfen in der Zeit des Drehs kein Handy haben.
Aber zum Ende der Show fing in Deutschland schon die Ausstrahlung an.
Das heißt, ich habe die komplette Zeit der Ausstrahlung überhaupt gar nicht mitbekommen, habe auch meine Reaktion auf mich als Persona überhaupt gar nicht wahrgenommen.
Und ich kann mich noch an einen wirklich krassen Moment erinnern.
Und das war der, als ich am Flughafen stand.
Wir wollten nach Jamaika fliegen, wollten noch so ein letztes Recap machen zu der Staffel.
Und ich machte mein Handy an und auf einmal schoss aus allen Kanälen, egal ob Instagram, Twitter, Facebook, TikTok, schoss nur noch Hass auf mich ein.
Und ich wusste überhaupt nicht, warum.
Es ging um eine Folge, die vor Monaten gedreht worden war.
Und ich konnte es ja selber überhaupt gar nicht sehen.
Ich war in den Wolken unterwegs, im Flugzeug unterwegs und wusste überhaupt gerade gar nicht, was hier passiert.
Und die Menschen schrieben, ich sei so ekelhaft und widerlich und habe es nicht verdient, am Leben zu sein.
Und ich dachte mir so, was soll ich getan haben, um so etwas verdient zu haben?
Und ich war erst mal ganz hilflos.
Was hat das in dir ausgelöst?
Also ich sage mal ein Beispiel, das ich erlebt habe, wenn man so Kritiken nach einer Sportsendung liest, die...
Absolut unter der Gürtellinie sind, bricht mir der Schweiß aus.
Absolut.
Erstmal muss ich sagen, das waren ja auch fremde Menschen und viele von denen anonym.
Also viele von denen haben sich unter anonymen Profilen versteckt und erstmal habe ich natürlich Angst bekommen im ersten Moment.
Aber im zweiten Moment dachte ich wieder, naja gut, die kennen mich ja gar nicht.
Und ich wusste ja auch, ich bin jetzt auch die nächsten drei, vier Monate im Fernsehen zu sehen, die werden mich ja auch besser kennenlernen.
So war mein Gefühl.
Ich dachte mir, komm, in ein, zwei, spätestens in drei Wochen haben die verstanden, dass die mit mir da komplett falsch liegen mit ihrer Einschätzung und dann hört das Ganze auch wieder auf.
So war meine Hoffnung vielleicht, auch meine naive.
Also das war kein schleichender Prozess, sondern von einem auf den anderen Tag ist die Bombe geplatzt.
Absolut.
Das war so, als ob mir einfach so jemand ins Gesicht geschlagen hat und ich erstmal realisieren musste, dass ich gerade geschlagen worden bin.
So hat sich das angefühlt.
Das heißt aber, weil du gesagt hast, die kennen dich ja gar nicht so richtig und die werden dich noch kennenlernen.
Das heißt, du hast es eigentlich gar nicht so richtig ernst genommen am Anfang oder wie war das?
Genau, ich habe es nicht ernst genommen.
Ich habe auch einige Fehler gemacht, von denen ich jetzt jungen Menschen abraten würde, die sowas erleben.
Zum Beispiel habe ich Öl ins Feuer gegossen.
Ich habe angefangen zu diskutieren, habe mich rechtfertigt, habe gesagt, hey Mensch, ihr wart doch gar nicht dabei.
Das war doch ganz anders.
So und so lief es in Wirklichkeit ab und habe damit die Hater noch mehr provoziert, weil die natürlich gesehen haben, ich reagiere darauf, irgendwie treffen sie mich, weil offensichtlich triggert es mich und das hat das Ganze nur erst recht zum Brennen gebracht.
Kannst du deine Zahlen nennen in etwa, wie viele Kommentare angekommen sind?
Also Tausende, nur damit man mal ein Gefühl davon bekommt.
Die Show hat immer über meinen Instagram-Kanal Postings veröffentlicht.
Und so ein Posting hatte dann mal so 2000 Likes.
Und ein Hasskommentar, sowas wie Affe geht zurück in dein Land, hatte schnell über 10.000 Likes.
Also damit man mal ein Gefühl bekommt, wie viele Tausende, Zehntausende von Menschen auf meinem Profil waren, um Hasskommentare entweder mit Daumen hoch zu bewerten oder auf welche zu verfassen.
Ja, das sagt sich so einfach, verdrängen das doch einfach.
Aber so leicht ist es nicht.
Gibt es denn da einen Kommentar, einen Hasskommentar, der dich heute noch beschäftigt?
Ja, was für mich schwer zu ertragen war, waren die ganzen Hasskommentare gegen meine Familie.
Es gingen ganz viele Hasskommentare gegen meine Mutter, weil sie hat ja so einen schlimmen Menschen erzogen.
Das heißt, man hat meiner Mutter dafür den Grund gegeben, warum ich so furchtbar war.
Und wenn ich so schlimm bin, muss meine Mutter ja noch das zehnfach Schlimmere von mir sein.
Und ich kann mich an einen Kommentar erinnern, worum es geht, dass man meiner Mutter wünscht, dass sie am Straßengraben verreckt, weil sie ja so eine abartige Hure ist.
Und das waren solche Kommentare, die waren schwer für mich zu verkraften.
Aber auch ein Kommentar, der mir wirklich sehr Angst gemacht hat, war, dass im Darknet meine Adresse veröffentlicht wurde mit dem Kommentar knüpft diese schwarze Hure an den nächsten Baum auf und vergewaltigt sie.
Und das waren so Kommentare auch noch mit meiner geleakten Adresse, die haben mir wahnsinnig Angst gemacht.
Ja, also das ist ein unglaubliches Beispiel dafür, dass Hasskommentare eben mehr sind als nur Worte.
Sie können einem wirklich große Angst machen.
Dr.
Katharina Katzer leitet das Institut für Cyberpsychologie und Medienethik in Köln und ist international eine führende Expertin im Bereich Cyberpsychologie, Handeln, Fühlen und Denken im digitalen Zeitalter.
In der Vorbereitung zum Podcast hat sie uns erklärt, warum für Betroffene Cybermobbing so schwierig ist.
Ja, also man muss einfach sehen, dass Cybermobbing, das im digitalen Raum stattfindet, bei den Opfern einen Kontrollverlust auslöst.
Weil sie oft nicht wissen, wer hinter den Taten steckt oder wer noch daran beteiligt ist oder wer vielleicht Bescheid weiß und nichts sagt.
Und das ist ein Gefühl, das eine immense psychische Belastung bei den Betroffenen auslöst.
Ja, und dann die Tatsache, dass jeder im Netz beobachten kann, wie viel Häme und Hass sich gerade gegen einen richtet.
Das hat natürlich starke Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl.
Je öffentlicher ich mein sozusagen, mein Viktimisierungsstatus ist.
Umso schlimmer ist es eigentlich für mich zu sehen, wie viele Leute darüber Bescheid wissen.
Das heißt, früher, wenn ich gemobbt wurde, wussten das ein paar und da konnte ich aber in die Welt hinausgehen und war sicher, es wissen nicht alle.
Heute, egal wo ich digital auftauche, mit ein paar Klicks wissen ganz viele Leute, was mit mir passiert ist.
oder finden Videos oder Fotos oder blöde Kommentare, die jemand veröffentlicht hat.
Das heißt, es bleibt im Netz ja immer digital erhalten.
Ich kann gar nichts wegwischen und ich bin sozusagen 24 Stunden Opfer des Cybermobbys und im Endeffekt auch endlos.
Das bedeutet, aus dieser Spirale gibt es kein Entrinnen.
Besonders betroffen sind Mädchen und junge Frauen.
Dazu nochmal Frau Dr.
Katzer.
Da muss man aber auch sagen, dass Frauen und Mädchen eher sich outen oder sagen, dass sie betroffen sind.
Bei den Jungen ist das nicht so.
Also Jungen versuchen das eher zu verschweigen, weil sie nicht gerne als Opfer tituliert werden sollen.
Dann muss man natürlich sagen, dass es beim Opferstatus schon bestimmte Merkmale gibt, die das Opfersein fördern können.
Das heißt also, wenn ich im Netz sehr offen bin, wenn ich über private Probleme spreche, wenn ich mich angreifbar mache, Wenn ich erzähle in einer Gruppe, dass ich verliebt bin, vielleicht in einen Jungen oder an einen bestimmten Job mir erträume und das sozusagen andere dann auffangen können und das nehmen können und das gegen mich zu richten.
Also je offener ich bin, je verletzlicher ich mich mache und je mehr private Details ich von mir verbreite im Netz, umso schneller kann das auch dazu verwendet werden, um mich zu verleumden, um mich lächerlich zu machen und einfach gemein gegenüber mir zu sein.
Music.
Bei Liana war das anders.
Sie hat wenig bis nichts Privates geteilt und trotzdem ging der Hass gegen sie los.
Liana, wurden über dich denn auch Lügen im Netz verbreitet oder Fake-Profile erstellt?
Also es wurden hunderte Hater-Pages erstellt.
Das heißt, das waren Pages auf Instagram beispielsweise oder TikTok, wo man Dinge über mich geleakt hat, wie Adressen und so weiter.
Und wo man sich eigentlich zu Hunderten und Tausenden nur getroffen hat, um über mich herzuziehen, um mich zu hassen und eigentlich so die neuesten Hasskommentare auszutauschen und den neuesten Grund, warum man mich hasst.
Hast du da auch vielleicht noch Beispiele?
Was wurde da verbreitet?
Also ich kann mich zum Beispiel an die Namen erinnern.
Das war sowas wie We Hate Liana oder Alle hassen Liana.
Und in der Biografie stand sowas wie, hier wird vielleicht etwas gehatet, aber hey, sie ist doch auch scheiße.
Und in diesen Profilen wurden dann Bilder von mir veröffentlicht, wo mein Kopf ganz verzerrt dargestellt wurde oder kleine Ausschnitte von der Show, wo man dann meine Stimme verzerrt hat.
Solche Manipulationen haben da stattgefunden.
Es ist wirklich nur schwer vorzustellen.
Wenn man ständig online angegriffen wird, glaubt man da irgendwann selbst, was über einen gesagt wird?
Also was hat das Mobbing mit deinem Selbstbild gemacht?
Das war auf jeden Fall ein Prozess.
Und anfangs habe ich dem nicht geglaubt, was die Menschen da schreiben.
Es waren anonyme, fremde Leute aus dem Internet.
Aber spätestens als ich mitbekommen habe, dass Menschen aus meinem direkten Umfeld auch mitmachen, auch wollen, dass mir schlimme Gewalt angetan wird, spätestens da musste ich das hinterfragen.
Und es hat auch irgendwann keinen Sinn mehr gemacht, dass sich jeden Tag Hunderte, sogar Tausende Menschen in mir irren sollen und nur ich soll wissen, wie es wirklich gewesen ist.
Nur ich soll die echte Meinung, die echte Wahrheit kennen.
Es hat doch viel mehr Sinn gemacht, dass vielleicht ich mich mein Leben lang geirrt habe.
Vielleicht bin ich so ein widerlicher, ekelhafter Mensch, der es nicht verdient hat, am Leben zu sein.
Und alle hunderte und tausende Menschen, die mich hassen, die liegen halt im Recht.
Das hat für mich mehr Sinn gemacht und es ging bei mir sogar so weit, dass ich unter Schlafstörungen gelitten habe, weil ich solche Albträume hatte, dass sogar meine Mutter eines Morgens bei mir auftaucht und sagen würde, ja, ich wusste es schon immer, du bist ein furchtbarer Mensch.
Von solchen Sachen habe ich geträumt, dass ich selbst die wichtigste Person in meinem Leben von mir abwenden würde.
Und dann hatte ich nachts panische Angst, wieder vor diesen Bildern und habe wahnsinnig unter Schlafstörungen gelitten und auch einem wahnsinnig verzerrten Selbstbild.
Kurze Frage, hast du eigentlich Freunde gehabt in der Zeit, die dich irgendwie unterstützt haben?
Für meine Freunde war es auch schwierig.
Es ist total interessant.
Wenn ich so gucke, die Jungs zum Beispiel aus meinem Freundeskreis, die nicht so into dieser Show waren, die jetzt vielleicht nicht so einen Model-Wettbewerb normalerweise geguckt hätten, die sowieso vorher gesagt haben, bewirb dich da lieber nicht, da geht es doch nur um Zickenkrieg.
Die waren überhaupt gar nicht beeindruckt von dem, was im Netz passiert.
Die haben es auch gar nicht verstanden so wirklich.
Natürlich waren sie für mich da, aber sie waren jetzt nicht davon beeindruckt.
Es gab aber schon, muss ich sagen, ich habe es ja auch bei meinen Schwestern mitbekommen, die mussten sich immer rechtfertigen für mich.
Also es war auch schon so von der Öffentlichkeit, von der Außenwelt dieses, wie kannst du mit ihr befreundet sein für meine Freundinnen.
Also die sind an den Arbeitsplatz gegangen und da haben die Kollegen gesagt, wie kannst du mit so einem furchtbaren Mensch befreundet sein?
Das ist ja unfassbar.
Das heißt, selbst die mussten sich rechtfertigen und das ist das beste Beispiel, warum es keinen Sinn macht zu sagen, mach doch einfach dein Handy aus.
Weil okay, ich lese die Hasskommentare nicht, aber die Kollegen meiner Freunde lesen die Hasskommentare.
Meine Freunde werden darauf angesprochen, meine Familie wird darauf angesprochen, mein Arbeitgeber damals noch wird darauf angesprochen und hinterfragt, kann ich sie überhaupt noch hier im Café beschäftigen, wenn die Gäste nicht mehr kommen wollen aufgrund der Einstellung von ihr.
Das heißt, es war auch für meine Freundinnen sehr schwierig und es gab sehr wohl auch Freundinnen, die ich damals verloren habe.
Das heißt, du hast dir aber auch ein bisschen die Schuld dafür gegeben?
Absolut.
Ich habe immer gedacht, hätte ich nicht bei der Show daran teilgenommen oder hätte ich mich dort anders verhalten, dann wäre das jetzt nicht so gekommen.
Das heißt, mir war klar, ich bin daran schuld.
Ich müsste mich schämen für das, was gerade passiert.
Und ja, meine Familie und Menschen, die ich liebe, die sind die Leidtragenden dafür, dass ich so ein furchtbarer Mensch bin.
Und man darf auch nicht vergessen, ich habe mich ja komplett isoliert, isolieren müssen, weil ich Angst hatte, rauszugehen.
Ich hatte Angst, mein Handy anzumachen.
Das heißt, diese Isolation hat noch mehr dazu geführt, dass diese negative Gedankenspirale den Weg nach unten gefunden hat.
Wer einmal ins Visier digitaler Angriffe gerät, spürt oft sehr schnell, wie hilflos man dem gegenübersteht.
Denn kann man nicht sagen, was man denkt?
Immerhin sind wir doch ein freies Land und hier gilt Meinungsfreiheit.
So oder so ähnlich argumentieren oft Personen, die es mit Umgangsregeln und Rücksicht im Netz nicht so genau nehmen.
Oberstaatsanwalt Dr.
Benjamin Krause kennt all diese Argumente.
Er ist Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.
Wir wollten von ihm wissen, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung und damit einer strafbaren Handlung liegt.
Ja, das ist eine rechtlich total schwierige Frage.
Und es gibt da auch keine rote Linie, die man so gerne hätte, dass man sagt, ja, das ist auf der einen Seite, das ist noch erlaubt und auf der anderen Seite ist es das nicht mehr.
Man muss sagen, aus völlig nachvollziehbaren und aus meiner persönlichen Sicht auch richtigen Gründen haben wir bei uns in Deutschland, in unserer Demokratie ein sehr hohes Gut der Meinungsfreiheit.
Und grundsätzlich ist diese Meinungsfreiheit auch sehr, sehr umfassend geschützt.
Aber, und das ist etwas, was viele nicht so richtig wissen, diese Meinungsfreiheit ist auch eingeschränkt, hat auch Grenzen.
Nämlich da, wo die Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit erst einmal geschützt werden, wo sie die Rechte anderer betreffen.
Zum Beispiel die Ehre von einzelnen Personen.
Ganz so einfach ist das also nicht.
Wer feststellen will, wo die Meinungsfreiheit aufhört und wo die strafbare Handlung beginnt, muss laut Dr.
Benjamin Krause immer den Einzelfall betrachten.
Da kommt dann auch noch der Kontext dazu.
Hat das einen Sachbezug oder nicht?
Welche Reichweite hat das beispielsweise?
All das muss abgewogen werden.
Hat zum Beispiel die betroffene Person einen Anlass dazu gegeben oder nicht?
Ganz viele Kategorien.
All das muss abgewogen werden und dann zum Schluss muss man so eine Art Lösung dafür finden.
Es ist nicht mehr so.
Dass im Zweifel die Meinungsfreiheit vorgeht.
Sicher keine leichte Sache, auch für einen Juristen nicht.
Erschwerend kommt hinzu, die Begriffe Hate Speech und Cybermobbing gibt es im Strafgesetzbuch noch gar nicht.
Aber wie geht man jetzt damit um?
Hate Speech ist bei uns in strafrechtlicher Hinsicht, also frei übersetzt mit Hassrede, alles, was so Äußerungen betrifft.
Rechtlich nennt man das auch Äußerungsdelikte, Also zum Beispiel Beleidigungen aus dem Strafgesetzbuch, üble Nachrede, Verleumdung.
Morddrohungen oder ansonsten Gewaltandrohungen bis hin zu Angriffen gegen Gruppen, die man eher so unter dem Bereich der Volksverhetzung strafrechtlich fasst.
Heißt also, Hate Speech und Cybermobbing beziehen sich auf eine ganze Vielzahl unterschiedlicher, man könnte auch sagen analoger Straftatbestände, die es schon jahrzehntelang gibt.
Und unsere Aufgabe ist es jetzt, diese neuen Sachverhalte auf diese alten Gesetze anzuwenden und zu gucken, wo passt das und wo passt das nicht.
Wo brauchen wir zum Beispiel Gesetzesänderungen, um solche Phänomene wie Hate Speech und Cybermobbing auch gut erfassen zu können?
Und zwar die strafwürdigen Fälle dann auch behandeln zu können.
Wo die Unterschiede zwischen Hate Speech und Cybermobbing liegen, hat uns Oberstaatsanwalt Krause auch erklärt.
Also Cybermobbing ist aus meiner persönlichen Sicht immer etwas, was so gegen eine einzelne Person gerichtet ist.
Wenn also Menschen gemobbt werden, dann sollen sie ja fertig gemacht werden, sollen also in ihrem jeweiligen Umfeld so viel wie möglich gestört und belästigt werden.
Das ist so etwas, was wir unter Cybermobbing erfassen.
Cybermobbing bedeutet also mit diesem Begriff Cyber davor, dass das über Internetkommunikation erfolgt.
Beispielsweise auch über ständige Kontaktaufnahmen, durch das Veröffentlichen von Bildern, durch das ständige Kommunizieren.
Also es gibt alle möglichen Formen, die man darunter fassen kann.
Hate Speech ist auch ein Teil des Cybermobbings.
Wenn ich also Hate Speech nutze, um eine Person maximal zu schädigen, dann kann ich mit diesen Hate Speech-Formen, der Beleidigung beispielsweise oder der Aufrufen zu Gewalt, auch einzelne Menschen damit fertig machen.
Hate Speech ist aber nicht nur ein Teil von Cybermobbing, sondern geht auch noch darüber hinaus, weil es nicht unbedingt einzelne Personen betrifft, sondern vielmehr Gruppen von Menschen.
Zum Beispiel Frauen, weil sie eben Frauen sind oder auch Personen mit einer gewissen Hautfarbe oder einem gewissen Hintergrund.
Gruppen, gegen die man vorgehen und die man angreifen will.
Music.
Diana, du kennst das inzwischen alles.
Du hast dich damit lange und intensiv auseinandergesetzt.
Dazu kommen wir auch noch.
Wenn du an die Zeit damals zurückdenkst, als du während der Castingshow nach Deutschland zurückgekehrt bist, was war der schlimmste Moment für dich?
Ich glaube, das Schlimmste war zu realisieren, was hier gerade aus meinem Traum geworden ist.
Also ich habe meine Familie zurückgelassen hier in Deutschland mit absoluter Vorfreude.
Wir haben uns gefreut auf eine tolle Zeit, auf ein Leben, was sich danach vielleicht auch nachhaltig verändert, in eine Richtung geht, die ich mir vorher nicht hätte vorstellen können.
Und es stimmt, es hat sich nachhaltig verändert.
Es ist in eine Richtung gegangen, die ich mir nicht vorstellen konnte, aber ins Negative.
Also meine Familie zu sehen, wie sie eigentlich voller Vorfreude waren und es immer mehr in Angst und Traurigkeit übergeschwappt ist.
Meine Mutter, die zuerst super stolz war und dann nur noch weinen konnte aufgrund der Ausstrahlung, wir konnten uns das selber gar nicht anschauen, was dort im Fernsehen gezeigt worden ist.
Ich glaube, das war wirklich schlimm zu begreifen.
Zu begreifen, dass jeder Mensch, der mir nahe steht und mich mag und mich versucht zu verteidigen, auch zur Zielscheibe wird und in die Schusslinie gerät, das tat mir sehr, sehr weh.
Wann hast du dann die Entscheidung getroffen, bei der Show auszusteigen?
Das war wirklich eine schwierige Entscheidung.
Man muss das auch wirklich verstehen.
Ich habe es schon eingangs erzählt.
Ich hatte 15 Jahre diesen Traum und dann im Finale zu stehen und die Chance zu haben, den Titel zu holen, das aufzugeben, das fiel mir wirklich schwer.
Das fiel auch meiner Familie schwer, sich mit diesem Gedanken anzufreunden, weil man auch nicht wusste, geben wir damit nicht den Hatern das, was sie im Endeffekt wollen, weil sie wollen mich nicht gewinnen sehen und gebe ich damit den Hatern im Endeffekt nicht genau das.
Für mich war aber irgendwann klar, ich kann mich mit dieser Show einfach nicht mehr identifizieren.
Ich habe so viel Rassismus und so viel Hass erlebt wie noch nie in meinem Leben.
Und das ist nichts, was ich jungen Menschen vorleben möchte.
Ich möchte auch nicht jungen Menschen das Gefühl geben, als wäre das ein Leben, was erstrebenswert war, wo man jahrelang darauf hinfiebert, so wie ich das damals gemacht habe.
Und deswegen war eigentlich immer näher zum Finale für mich immer klarer, Dass ich mich von der Show distanzieren möchte und dass ich die letzte große Bühne nutzen möchte, um Menschen sichtbar zu machen, die normalerweise in dieser Show keinen Platz finden.
Und das sind Betroffene von digitaler Gewalt und vor allen Dingen insbesondere Cybermobbing.
Ich glaube, so wirklich die Entscheidung getroffen habe ich in dem Moment.
Der Hass bzw.
Auch der Rassismus, der war jetzt aber nicht Teil dessen sozusagen, was du bei der Show direkt erlebt hast, also auch bei der Produktion, sondern der kam dann schon von außen.
Der kam von außen.
Also ich habe keinen Rassismus und auch keinen Hass von der Produktion erlebt.
Ganz im Gegenteil.
Man darf ja nicht vergessen, ich war vier Monate mit denen unterwegs.
Ich war komplett abgeschieden von der Außenwelt.
Kein Handy, kein Internet, keine Nachrichten, kein Fernsehen.
Es ist eine Pandemie auf der Welt ausgebrochen und wir haben es nicht mitbekommen.
So abgeschieden waren wir von der Außenwelt.
Das heißt, die Produktion war in dem Moment mein einziger Anker, den ich hatte und mit dem habe ich mich sehr gut verstanden.
Das war in dem Moment wie meine Familie am Set, die ich ja nicht hatte.
Das heißt, ganz im Gegenteil von der Produktion hatte ich eigentlich nur positive Rückmeldungen bekommen.
Wie hat dein Umfeld reagiert?
Meine Familie, meine Freunde haben gesagt, hör auf dein Herz, was es dir in dem Moment sagt.
Und mein Herz hat geschrien, aus dieser Show auszusteigen.
Und die wirklich finale Entscheidung, auszusteigen, ist in dem Moment auf der Bühne gefallen.
Also es kam der Ausstieg und nach dem Ausstieg wurde es dann richtig schlimm.
Wie ging es da weiter?
Ja, nach dem Ausstieg waren die Zuschauer und Zuschauerinnen sehr gespaltener Meinung.
Die einen, die verstehen konnten, warum ich diesen Weg gegangen bin.
Die einen, die das auch gut gefunden haben, die sich vielleicht in ähnlichen Situationen wiedergefunden haben, aber auch die anderen, die das Gefühl hatten, ich habe jemand anderen die Chance weggenommen.
Ja, am Finale teilzunehmen oder auch, ja, den Titel zu holen und diejenigen, die das Gefühl hatten, ich habe den Hatern eben genau das gegeben, was sie wollten und ich bin eingeknickt und tatsächlich habe ich, ja, noch nach dem Finale jahrelang weiter Angriffe im Netz, aber auch Angriffe im realen Leben ertragen mussten.
Wie hast du auf all diese Hasskommentare reagiert?
Ja, ich habe anfangs versucht, mich zu rechtfertigen.
Nicht nur ich, auch meine Familie, meine Freunde, die waren sehr aktiv in den Kommentaren und haben immer solche Sachen geschrieben wie, ich kenne sie persönlich, sie ist überhaupt gar nicht so.
Das, was du da schreibst, das stimmt einfach nicht.
Das kann ich am besten beurteilen, weil ich bin ihre Schwester, ich bin ihre Freundin, ich bin ihre Nachbarin, wie auch immer.
Aber tatsächlich hat das nur dazu geführt, dass die Diskussionen noch länger wurden, weil es geht nicht darum, den einen Punkt zu widerlegen, weil selbst wenn du das schaffst, das zu widerlegen, kommt der nächste Punkt.
Und das muss man verstehen bei Cybermobbing.
Es geht nicht darum, dass man sich nur ändern müsste und etwas anders machen müsste, damit der aufhört, sondern die Menschen suchen sich etwas, was sie hassen können.
Die wollen sich abarbeiten.
Ganz genau.
Sie suchen sich eine Ziehscheibe und selbst wenn ich den einen Punkt, das habe ich so und so nicht gesagt, dann gehen sie zum nächsten Punkt einfach über und ignorieren das, was vorher gesagt worden ist.
Das heißt, das hat überhaupt nichts gebracht.
Ganz im Gegenteil.
Die Hater wussten oder reagiert jemand drauf und dann erst recht richtig rein.
Häufig wird Betroffenen geraten, sich aus dem Netz zurückzuziehen, Accounts einfach zu löschen, wenn sie Opfer von Cybermobbing werden.
Aber das ist gerade für junge Social-Media-Nutzerinnen und Nutzer gar nicht so einfach.
Die Psychologin Frau Dr.
Katzer erklärt, warum.
Mittlerweile stehen Kinder und Jugendliche unter einem immensen Druck, Kommunikation über digitale Medien stattfinden zu lassen.
Das heißt, wenn sie in einer WhatsApp-Gruppe nicht antworten, nicht teil sind, nicht schreiben, auf Instagram keine Likes bekommen oder niemanden liken, dann werden sie sehr schnell zum Außenseiter.
Das heißt also, das Mitmachen im digitalen Leben hat auch was damit zu tun, dass man dabei ist, dass man dazugehört.
Und ich glaube, das führt dazu, dass es eben der Rat, zieh dich zurück, nicht wirkt und nicht wirken kann.
Weil Jugendliche dann das Gefühl haben, oh Gott, wenn ich nicht mitmache, dann gehöre ich gar nicht mehr dazu.
Dann werde ich ja vielleicht noch mehr gemobbt und bei mich dann gar keiner mehr mag.
Also es ist eigentlich so eine Spirale, die nach unten geht, also eine Art Vicious Circle, aus dem man eigentlich gar nicht herauskommt.
Liana, jetzt warst du ja nicht mehr ganz so jung und nicht mehr in der Schule, als das alles losging.
Wäre das für dich eine Option gewesen, du hast es ja vorhin schon mal kurz angerissen, einfach alle Social Media Accounts zu löschen, dich aus dem Netz zurückzuziehen?
Also während der Show nicht, weil ich da keine Handhabe über mein Social Media Profil hatte tatsächlich, sondern die Show selbst.
Aber natürlich war das eine Überlegung, die ich mir gestellt habe nach der Show.
Auch weil ich in psychologischer Betreuung war und meine Psychologin ganz klar gesagt hat, die Gefahr besteht immer wieder, solange ich im Netz bin, dass mir das Gleiche nochmal passiert oder so ähnlich.
Und dann war die Frage, bin ich stark genug dafür?
Aber ich sage mal so, selbst wenn ich alle meine Profile lösche, der Hass geht nicht weg und das muss man verstehen.
Auch wenn ich ihn nicht lese, mein Umfeld liest ihn und bekommt ihn mit und irgendwie bekomme ich es rückgekoppelt wieder von der Außenwelt.
Erstens das.
Und zweitens, glaube ich, das Gefährlichste, was wir als Gesellschaft machen können, ist uns zurückzuziehen aufgrund von Hass und Hetze im Netz.
Weil wenn wir uns alle zurückziehen, die Menschen, die etwas Positives beitragen wollen, dann überlassen wir das Feld für Hass und Hetze.
Und damit gefährden wir, wie junge Menschen miteinander umgehen, gefährden wir, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen und schlussendlich gefährden wir damit auch die Demokratie und ganz wichtig unsere eigene Meinungsfreiheit.
Wenn Meinungsfreiheit immer als Argument dafür genutzt wird, Hass und Hetze zu verbreiten, muss ich ganz klar sagen, Hass und Hetze ist einer der größten Gefahren für unsere Meinungsfreiheit, weil man aufgrund dieser Hass und Hetze sich eben nicht mehr traut, seine Meinung zu äußern im Netz oder da zu sein im Netz.
Und deswegen, als ich ein bisschen darüber nachgedacht habe, ist mir klar geworden, was ich auf keinen Fall tun sollte, ist mich zurückzuziehen.
Ganz im Gegenteil, jetzt heißt es, laut zu sein, für mehr Respekt, für ein respektvolleres Miteinander und Sichtbarkeit zu schaffen.
Ja, das ist sehr bemerkenswert, aber nicht jeder schafft es, den ständigen Anfeindungen standzuhalten.
Viele Betroffene resignieren irgendwann.
Was dann meistens passiert, hat uns Oberstaatsanwalt Dr.
Krause unter dem Phänomen Silencing genauer erklärt.
Unter diesem Schlagwort des Silencing, also quasi des Stillmachens, versteht man...
Die Auswirkungen, dass Personen, die sehr, sehr von Cybermobbing oder von Hatespeech betroffen sind, dass die irgendwann aufgeben und sagen, ich ziehe mich zurück aus dieser Öffentlichkeit, ich will nicht mehr an Diskussionen teilnehmen, ich will nicht mehr über dieses schwierige Thema reden, weil ich immer so viel Hassnachrichten bekomme.
Und wenn das quasi das Ziel der Personen ist, die andere Personen so angreifen mit Hatespeech oder Cybermobbing.
Dann kann das eben genauso dieses Silencing, dieses Stillmachen sein, dann haben die ihr Ziel erreicht, dass Personen sich zurückziehen.
Das kann also eine der aus meiner Sicht großen Gefahren sein, wenn irgendwann nur noch die lauten Personen übrig bleiben, die alles niedergebrüllt haben und sich dann alle gegenseitig so sinnbildlich auf die Schulter klopfen, wir haben sie alle verjagt.
Richtig gefährlich wird es, wenn diese Hasskommentare dazu führen, dass Betroffene von Cybermobbing oder Hatespeech auch im realen Leben angegriffen werden.
Wenn also dann tatsächlich Personen körperlich angegangen werden, wenn Personen erst digital angegriffen werden, zum Beispiel Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, so auf lokaler Ebene, die erst im Netz angegriffen werden und irgendwann schwappt das über, dass Personen vor der Tür stehen, dass gegen die Tür gehauen wird, dass sie verfolgt werden beispielsweise.
All das kann dann letztlich aus diesem digitalen Cybermobbing, aus Hatespeech dann folgen.
Die Abteilung von Dr.
Benjamin Krause wurde unter anderem aufgrund eines sehr bekannten Falls gegründet, bei dem die digitale Gewalt ebenfalls ins reale Leben übergeschwappt ist und schließlich in einem schrecklichen Verbrechen gipfelte.
Einem Mord.
Anlass war unter anderem der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Der in der Zeit vorher sehr, sehr viele Hasskommentare bekommen hat und es eine regelrechte Community gab, die alle zum Mord an Walter Lübcke aufgerufen haben.
Das ist erst später so richtig bekannt geworden.
Und selbst nach dem Mord an Walter Lübcke gab es unheimlich viele Kommentare, die diesen Mord abgefeiert haben.
Und das war so der erste große Komplex, mit dem wir zu tun hatten, dass wir diese Hasskommentare dann strafrechtlich aufgearbeitet haben.
Nämlich einerseits die, die vor der Tat quasi zum Mord aufgerufen haben, als auch die, die nach der Tat diesen Mord abgefeiert haben.
Das waren mehrere Tausend solcher Kommentare.
Und das war so der erste große Ermittlungskomplex, mit dem wir 2019 angefangen haben.
Auch bei Liana blieb der Hass irgendwann nicht mehr nur im Netz, sondern ging bald auch in ihr echtes Leben über.
Liana, auch du hast ja tatsächlich irgendwann Morddrohungen erhalten, nicht?
Ja, ich habe selber Morddrohungen erhalten über Direktnachrichten, über Social-Media-Accounts, aber nicht nur ich, sondern damals auch der Sender hat direkte Mordandrohungen und Vergewaltigungsandrohungen erhalten.
Und bei den Drohungen ist es nicht geblieben?
Was ist damals alles passiert?
Ja, bei mir ist der Hass ins reale Leben übergeschwappt.
Das heißt.
Irgendwann standen Jugendliche vor meiner Haustür, haben hochgebrüllt, wenn ich rauskomme, prügeln sie mich windelweich.
Meine Mutter wurde im Supermarkt verfolgt und beleidigt.
Ich wurde auf offener Straße beleidigt und bespuckt.
Es wurde ein Giftköder in meinen Garten gelegt, der darauf abgezielt hat, meinen Hund zu vergiften.
Und irgendwann bekam ich sogar einen Anruf von der Kriminalpolizei in Kassel.
Ich musste unter Polizeischutz gestellt werden, weil so eine ernstzunehmende Vergewaltigungsandrohung damals beim Sender eingegangen ist, wo jemand ganz detailliert beschrieben hat, was man mir wann, wo und wie antun wird.
Und diese Gewaltfantasie so detailliert ist, dass die Polizei davon ausgehen musste, dass die Person das tatsächlich wahrmachen wird, ihre Androhungen.
Und deswegen musste ich unter Polizeischutz gestellt werden.
Und dir ist, soweit ich von dir auch weiß, schon beim Joggen aufgelauert worden.
Ganz genau.
Ich kann mich noch an eine Situation erinnern.
Ich war joggen mit meinem Hund und bin durch so einen Waldabschnitt gelaufen, durch den ich immer laufe.
Und da steht ein Bunker, ein alter leerstehender Bunker.
Und auf diesem Bunker standen Jugendliche.
Und ich lief, machte schon die Kapuze hoch, weil ich schon wusste, Gott, oh Gott, das gibt wahrscheinlich gleich wieder Ärger.
und irgendwann merkte ich mir nur, wie etwas Warmes, Flüssiges mich am Kopf traf und ich habe dann gemerkt, ich wurde bespuckt.
Also oben standen die Jugendlichen und haben alle reiheweise auf mich runtergespuckt und sich herrlich darüber amüsiert.
Das war auch das letzte Mal, dass ich dann in der Zeit joggen gegangen bin.
Ja, man mag sich kaum vorstellen, wie beängstigend und auch belastend das gewesen sein muss.
Hattest du irgendwann wirklich Angst um dein Leben oder um die Menschen, die dir nahestehen, dass denen wirklich lebensbedrohlich etwas zustoßen könnte?
Ja, ich hatte wahnsinnige Angst.
Ich hatte Angst um meinen Hund, um meine Familie, aber auch um mich selber.
Ich habe gemerkt, dass es einen verlängerten Arm gibt von denjenigen, die im Netz nur zu Gewalt aufrufen.
Wenn im Netz hunderte, sogar tausende Menschen Applaus klatschen dafür, dass mir jemand Morddrohungen schickt, muss man davon ausgehen, Dass es im realen Leben jemanden gibt, der diese Morddrohung ausführen wird, weil er diesen Applaus möchte.
Weil diese Person denkt, wenn man mir was Schlimmes antun wird, werden da hunderte, tausende Menschen im Netz Applaus für klatschen.
Und das ist die Gefahr von...
Hass und Drogen im Netz, wenn man sie nicht ernst nimmt.
Dass es immer jemanden geben wird, der ernst macht.
Die Folgen von Cybermobbing sind fatal und können gravierende psychische und schließlich auch psychosomatische Auswirkungen haben, wie Dr.
Katzer berichtet.
Also man muss ganz klar sagen, dass ein Drittel der Betroffenen dauerhaft belastet ist.
Das heißt also, sie sind traumatisiert.
Man muss auch sehen, dass auch diese Belastung auch psychosomatische Auswirkungen hat.
Also viele Kinder können nichts mehr essen oder Jugendliche.
Sie haben Magenschmerzen, sie haben Kopfschmerzen, Migräne.
Gerade wenn es dann daran geht, dort hinzugehen, in die Schule, wo man andere trifft, andere Gleichaltrige, von denen man meint, sie könnten daran beteiligt sein, wird das besonders schlimm.
Das heißt, viele Jugendliche ziehen sich auch extrem zurück, wollen auch gar keine Kontakte mehr nach außen haben, Werden also auch nicht nur psychisch krank, sondern auch körperlich krank.
Und man muss auch sagen, dass, wie gesagt, jeder vierte Betroffene oder jede vierte Betroffene mittlerweile an Suizid denkt.
Und das ist wirklich traurig und bedenklich.
Dr.
Katzer erinnert sich an einen besonders schlimmen Fall aus Österreich, bei dem sich ein 13-jähriger Junge das Leben genommen hat, nachdem er mehrfach online gemobbt wurde.
Die Mutter hatte keine Ahnung, die ist damals aber sehr toll damit umgegangen.
Die ist in die Öffentlichkeit gegangen.
Sie hat gesagt, wie wichtig es ist, dieses Thema anzusprechen, Prävention zu betreiben, Jugendliche und Kinder zu schützen.
Weil ich möchte nicht, dass vielen anderen Kindern das auch passiert.
Und mittlerweile gibt es in Österreich ein Cybermobbing-Gesetz.
Also die haben schon eine gesetzliche Ebene geschaffen, wobei die Verurteilungsrate dort auch noch nicht so hoch ist.
Aber man muss sagen, sie haben wenigstens ein Gesetz geschaffen, das einen Straftatbestand darstellt.
Das ist ja zumindest ein Fortschritt und auch aus Sicht der Betroffenen, auch aus Sicht der betroffenen Eltern, die ihr Kind verloren haben, schon ein ganz wichtiges Signal.
Zu den Todesfällen durch Cybermobbing gibt es aktuell noch keine Statistiken, weil die Suizide nicht unbedingt immer gleich mit Cybermobbing oder Mobbing in Verbindung gebracht werden.
Liana, du hast ja eindrücklich geschildert, wie du am Ende nicht nur online, sondern auch im realen Leben angegriffen wurdest.
Wie hast du letztendlich darauf reagiert?
Also hast du dich dann isoliert, beziehungsweise gab es auch Tage, an denen du gar nicht mehr aus dem Haus gegangen bist?
Ja, ich habe mich gänzlich isoliert.
Einfach aufgrund der Angst, was passieren kann im realen Leben, was passieren kann, wenn ich rausgehe.
Ich hatte einfach wahnsinnige Angst, dass mir schlimme Gewalt angetan wird, aber...
Nicht nur hatte ich Angst, rauszugehen, sondern ich hatte auch irgendwann Angst, mein Handy anzumachen.
Also ich habe mich auch isoliert digital.
Das heißt, ich habe mein Handy gar nicht mehr geladen.
Ich habe es tagelang nicht mehr angemacht, was natürlich auch dazu geführt hat, dass weder Hass mich erreichen konnte, aber natürlich ja auch meine Familie nicht, die sich wahnsinnige Sorgen gemacht hat.
Ich habe nicht mehr essen können, nicht mehr schlafen können.
Ich habe nicht mehr duschen können.
Ich habe sogar irgendwann meinen Hund zeitweise abgegeben, weil ich so eine Angst um ihn hatte, wenn er weiter bei mir ist.
Das heißt, ich war teilweise wochenlang nur noch alleine zu Hause und gefangen in meinen eigenen Gedanken.
Und das war wirklich sehr gefährlich.
Was war da der dunkelste Moment oder Gedanke, den du in dieser Zeit hattest?
Irgendwann kam ich zu dem Punkt, dass ich mir ein Leben nach dem Mobbing nicht mehr vorstellen konnte.
Ich kam an den Punkt, wo ich dachte, ich bin einfach scheiße und wertlos und ich habe nichts anderes verdient als abgrundtiefen Hass.
Und deswegen wollte ich nicht mehr im Leben sein.
Ich wollte den Hass nicht mehr ertragen, aber ich wollte auch meiner Familie nicht weiter zur Last fallen.
Und so absurd das jetzt aus meiner jetzigen Perspektive klingt, hatte ich Suizidgedanken.
Ja, zum Glück hast du das nicht umgesetzt.
Auf jeden Fall kann man sagen, es ist sehr alarmierend, wie weit man einen Menschen treiben kann.
Du hast es geschafft, aus all dem rauszukommen.
Ja, und wie ihr das gelungen ist, das hören wir im zweiten Teil unserer Spezialfolge, den wir zeitgleich mit dieser Folge veröffentlichen.
Ich sage für heute Tschüss und danke an dich, an unseren Gast Liana Kagwa.
Und wie immer, für euch bleibt sicher.
Ja, vielen Dank.
Vielen Dank und bis bald.
Danke auch an die Cyberpsychologin Dr.
Katharina Katzer und Oberstaatsanwalt Dr.
Benjamin Krause und an unsere Autorin Corinna Prinz.
In den Shownotes haben wir euch einige Links mit Informationen und Anlaufstellen zum Thema Cybermobbing verlinkt, gerade für Opfer von Hasskommentaren.
Wenn ihr suizidale Gedanken habt, wendet euch unbedingt an eine Vertrauensperson.
Es gibt auch professionelle Anlaufstellen, an die ihr euch rund um die Uhr und anonym wenden könnt.
Auch diese Infos findet ihr in den Shownotes.
Aktenzeichen XY Unvergessene Verbrechen, eine Produktion der Securitel in Kooperation mit Homefilm im Auftrag des ZDR.
Music.