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Episode Transcript

Music.

Hallo und herzlich willkommen zu Aktenzeichen XY.

Unvergessene Verbrechen.

Ich bin Rudi Zerne.

Und ich bin Nicola Hänisch-Koros.

Schön, dass ihr zuhört.

Kriminalisten belegen immer wieder, die meisten Tötungsdelikte werden von jemandem verübt, der sich im näheren Umfeld des Opfers befindet.

Dass der große Unbekannte der Mörder ist, ist dagegen eher selten.

In dem Fall, den wir jetzt gleich vorstellen und besprechen wollen, geht es um eine junge Frau, die im Jahr 2007 in Köln einem schrecklichen Verbrechen zum Opfer gefallen ist.

Auf den ersten Blick ganz klar ein Tötungsdelikt, bei dem große Emotionen eine Rolle gespielt haben müssen.

Doch der zweite Blick offenbarte ein paar Ungereimtheiten.

Über die wollen wir jetzt gleich auch sprechen.

Und zwar mit unserem heutigen Studiogast Andreas Dick, erster Kriminalhauptkommissar vom KK 58 in Köln.

Herr Dick, schön, dass Sie heute bei uns sind.

Auch von mir herzlich willkommen.

Herzlichen Dank für die Einladung.

Schön, dass ich hier sein darf.

Wir legen am besten auch gleich los und gehen dafür zurück ins Jahr 2007.

Und wie immer haben wir alle Namen aus rechtlichen Gründen geändert.

Es ist ein Montagmorgen, der 23.

Juli 2007.

Holger Lichte ist auf dem Weg durch die Kölner Innenstadt zu seinem kleinen Laden, einer Salatbar, die er gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester Britta betreibt.

Es ist ihr gemeinsamer Traum gewesen, den sie sich nach langer Planung endlich erfüllt haben.

Die Idee dafür hatte Holger auf einer Reise durch Australien.

Dort hatte der 27-Jährige gesehen, wie beliebt frische, gesunde Gerichte sind.

Nachdem die beiden 2006 noch einmal gemeinsam nach Australien gereist sind, war auch Britta von dem Konzept und der Marktlücke in Köln überzeugt.

Vor fünf Monaten haben die Geschwister ihr Restaurant eröffnet.

Seitdem läuft es besser als erwartet.

Die Nachfrage ist groß, so groß, dass sie sich bereits Unterstützung holen mussten.

Während Britta, erst 24 Jahre alt, die Zahlen im Blick behält, Bestellungen aufgibt und Abrechnungen erledigt, kümmert sich Holger um das Tagesgeschäft.

Heute Morgen ist er wie immer früh unterwegs, um alles für die ersten Gäste vorzubereiten.

Nicht ahnend, dass dieser Tag alles verändern wird.

Als Holger lichte an diesem Morgen die Salatpaar erreicht, stutzt er.

Die Tür ist verschlossen, doch der Schlüssel seiner Schwester steckt von außen im Schloss.

Sie war am Abend zuvor noch lange im Laden, um sich um die Bestellungen zu kümmern.

Dass sie jetzt schon wieder hier sein sollte, überrascht ihn.

Er betritt das Ladengeschäft.

Auf dem Tresen liegt eine halb aufgerauchte Zigarette, die ein Brandloch hinterlassen hat.

Daneben stehen Essensreste eines Asia-Imbisses.

Holger ruft nach Britta, doch es bleibt still.

Er geht nach hinten in den Lagerbereich.

Vor dem Kühlraum entdeckt er Blut auf dem Boden.

Daneben liegt ein verschmierter Zettel.

Er öffnet die Tür zum Kühlraum und im selben Moment fällt ihm seine leblose, blutüberströmte Schwester entgegen.

Sie hatte offenbar direkt hinter der Tür gelegen.

Holger Lichte kniet neben seiner Schwester am Boden und tastet nach ihrem Puls, versucht einen Herzschlag zu spüren und glaubt, noch eine Regung wahrzunehmen.

In seiner Panik ruft er erst seinen Vater an, der gerade im Urlaub auf einer Nordseeinsel ist.

Dann informiert er die Polizei.

Schließlich stürzt er aus dem Laden und ruft um Hilfe.

Ein Rettungssanitäter kommt zufällig vorbei.

Ohne zu zögern läuft er mit Holger zurück in den Laden, bereit, sofort erste Hilfe zu leisten.

Herr Dick, wie hat die Polizei die Situation später vorgefunden?

Als der Rettungswagen und die Polizei eingetroffen sind, hat der Passant noch versucht, Britta Lichte zu reanimieren.

Aber er hatte auch bei der Befragung später angegeben, dass er eigentlich erkannt hatte, dass die junge Frau schon länger tot war.

Sie war bereits steif und die Reanimationsmaßnahmen sollten wohl nur den Bruder beruhigen.

Ja, für die Einsatzkräfte war recht schnell klar, dass es sich um ein Gewaltverbrechen handeln muss.

Britta Lichte hatte mehrere Messerstiche, unter anderem im Gesicht und Abwehrverletzungen an Armen und Händen.

Daraufhin wurde die Mordkommission des Kölner KK11 eingeschaltet.

Herr Dick, Sie waren zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht direkt in den Fall involviert, oder?

Nein, zu diesem Zeitpunkt leitete mein Kollege Frank Kollwitz die Mordkommission, die für diesen Fall zuständig war.

Ich selbst habe eine andere Mordkommission bei der Kölner Kripo geleitet und bin erst später in den Fall eingestiegen.

Aber ich habe den Fall natürlich von Anfang an aus erster Hand mitbekommen.

Die Spurensicherung hat den Tatort ja gründlich untersucht und dabei festgestellt, dass der Laden wohl nicht nach Wertsachen durchsucht wurde.

Das Geld in der offenen Kasse, rund 800 Euro, war noch da.

Nach einem Raubüberfall sah es also auf den ersten Blick nicht aus.

Herr Dick, gab es denn konkrete Spuren, die die Ermittlerinnen und Ermittler weitergebracht haben, also zum Beispiel Fingerabdrücke?

Nein, die gab es nicht, aber die Spurensicherung hat mehrere andere Spuren gesichert.

Die halb aufgerauchte Zigarette wurde später von der KTU untersucht.

Ja, wir hatten die Hoffnung, einen schnellen Treffer in der DNA-Datenbank zu bekommen, um den Täter zu identifizieren.

Während die Anfrage auf einen DNA-Abgleich lief, wurde die Leiche von Britta Lichte obduziert.

Dabei haben die Rechtsmediziner festgestellt, dass ein Stich in den Herzbeutel tödlich war.

Es waren aber mehrere Messerstiche, insgesamt elf.

Was haben Ihre Kolleginnen und Kollegen daraus geschlossen?

Sie sind davon ausgegangen, dass hier Emotionen im Spiel waren, als es sich wahrscheinlich um eine Beziehungstat gehandelt hat.

Was hat neben den vielen Stichen zu dieser Vermutung geführt?

Ein unbekannter Täter hätte vermutlich die Leiche nicht in den Kühlraum versteckt, damit man sie nicht gleich findet.

Das sprach eher für einen Täter aus ihrem persönlichen oder näheren Umfeld.

Die Kölner Mordkommission hatte die Ermittlungen aufgenommen.

Und zunächst wurde das nähere Umfeld von Britta Lichte befragt, also ihre Familie, ihr Freundes- und Bekanntenkreis.

Man wollte so viel wie möglich über sie erfahren, um so ein mögliches Tatmotiv zu erhalten.

Das war jetzt aber gar nicht so einfach, nicht?

Britta Lichte und ihr Bruder hatten zwar schon eine Weile in Köln gelebt, waren aber immer noch eng mit ihrem Heimatort verbunden, der circa zwei Stunden von Köln entfernt war.

Dort hatte Britas Partner und ihre Eltern gelebt, mit denen sie ein sehr enges Verhältnis hatte.

Sie war oft an Wochenenden dort.

Sie haben also eng mit der Polizei vor Ort zusammengearbeitet, die dort einige der Befragungen übernommen haben.

Doch auch diese Zusammenarbeit hat zunächst nichts ergeben.

Nein, wir konnten nichts feststellen.

Niemand schien der jungen Frau etwas Böses gewollt zu haben.

Was für ein Bild haben die Umfeldbefragungen zu Britta Lichte ergeben?

Sie war eine sehr lebenslustig und beliebte Frau.

Die Angestellten der Salatbäer haben sie als tolle Chefin bezeichnet.

Für die Eltern ist nach der Tat eine Welt zusammengebrochen.

Sie hatte mit ihrem Bruder als auch mit ihrem Freund ein super enges Verhältnis.

Es gab da überhaupt keine Probleme.

Das heißt, im privaten Umfeld war also kein Motiv zu finden.

Wie sind Sie weiter vorgegangen?

Die Untersuchungen wurden ausgeweitet, nun auch mit dem Gedanken, dass es doch auch jemand von außerhalb gewesen sein könnte, auch wenn der Tatort ja nicht unbedingt danach aussah.

Um weitere Hinweise zu bekommen, hat man unter anderem die gesamte Nachbarschaft rund um den Laden befragt, ob irgendjemand etwas mitbekommen hat.

Leider haben die Befragungen auch nichts gebracht.

An dieser Stelle hat nun die am Tatort gefundene Zigarette eine große Rolle gespielt, denn auf ihr sowie an der Tür zur Kühlkammer konnte DNA sichergestellt werden.

In der Datenbank gab es dazu ja leider keinen Treffer, nicht?

Ja, das ist richtig.

Deshalb haben die Kollegen über 700 Kunden der Salatbar und Männer im Umkreis des Tatorts zu freiwilligen Speichelproben gebeten.

Und registrierte Kriminelle aus der Gegend, die in Frage kommen könnten, unter die Lupe genommen, in der Hoffnung auf eine DNA-Übereinstimmung.

Die Kripo hat auch 200 Personen befragt, die in der Nacht vom 22.

auf den 23.

Juli 2007 in einer nahegelegenen Bank Geld abgehoben haben.

Leider hatte uns das aber auch alles nicht weitergebracht.

Die Salatbar wurde dann zwei Monate nach dem Mord wieder geöffnet, vermutlich um den Lebenstraum der Geschwister Holger und Britta Lichte trotz des Mordes weiter aufrechtzuerhalten.

Am Eingang erinnert ein Plakat mit einem Foto der verstorbenen Ladenbesitzerin an sie.

Darauf heißt es, sie war etwas ganz Besonderes.

Ihr Lachen hat uns mitgerissen.

Jetzt wollen wir lernen, ohne unseren Sonnenschein in unserer Mitte weiterzumachen.

Herr Dick, in den Medien wurde berichtet, dass auch die Kölner Polizei bei der Eröffnung anwesend war.

Was hatte sie sich davon erhofft?

Wir hatten uns erhofft, dass unter günstigsten Umständen der Täter zum Tatort zurückkehrt, an der Eröffnung teilnimmt.

Vielleicht Zeugen an der Eröffnung teilnehmen, die etwas von der Tat mitbekommen haben.

Dass es irgendeine Reaktion von irgendwelchen Zeugen oder sogar von den Beschuldigten gibt, die uns weitere Hinweise liefert, um den Täter letztendlich zu fassen.

Warum musste Britta Lichte sterben?

Um dieses Rätsel lösen zu können, hat die Polizei den letzten Abend im Leben der jungen Frau rekonstruiert.

Dabei waren besonders zwei Dinge hilfreich.

Die Aussagen des Bruders Holger Lichte und die Kameraaufzeichnungen vom Kölner Hauptbahnhof.

Am Abend des 22.

Juli 2007 fährt Britta Lichte demnach mit dem Zug um 19.44 Uhr nach Köln.

Sie war am Wochenende gemeinsam mit ihrem Freund und ihrer Familie auf der Hochzeit ihres Cousins.

Sie ist allein unterwegs.

Ihr Freund Stefan hat sie zum Zug gebracht.

Noch während der zweistündigen Fahrt telefoniert die 24-Jährige mit ihrem Bruder Holger und kündigt dabei an, dass sie noch am selben Abend die Bestellung für den nächsten Tag machen möchte.

Das Gespräch bricht ab.

Der Akku von Brittas Handy ist leer.

Um 22.14 Uhr trifft die junge Frau am Kölner Hauptbahnhof ein.

Aufzeichnungen der Kameras vor Ort zeigen, dass sie eine Sporttasche mit sich trägt.

Britta Lichte holt sich an einem chinesischen Schnellimbiss etwas zu essen, bevor sie sich mit der U-Bahn auf den Weg in die Salatbar macht.

Dort trifft sie vermutlich zwischen 22.30 Uhr und 22.40 Uhr ein.

Das Telefonat mit dem Bruder während der Zugfahrt nach Köln war das letzte Lebenszeichen von Britta Lichte.

Holger Lichte hatte, seiner Aussage nach, zwischen 22 und 23 Uhr noch zwei-, dreimal versucht, seine Schwester zu erreichen.

Sorgen, Herr Dick, hatte er sich aber keine gemacht.

Holger Lichte ist nach einem gemeinsamen Restaurantbesuch mit seiner Freundin um ca.

21 Uhr noch an der Salatbar vorbeigekommen.

Da war aber Britta noch nicht da.

Es war ja spät in der Nacht, fast so viertel vor elf muss das gewesen sein, als Britta Lichte allein auf dem Weg in ihre Salatbar war.

Wie können wir uns die Gegend vorstellen, in der die Bar lag?

Viele Frauen haben ja um diese Uhrzeit Bedenken noch allein unterwegs zu sein.

Die Bar liegt zentral in der Kölner Innenstadt.

Es handelt sich dabei um eine sehr ruhige Seitenstraße von Köln.

Britta Lichte wird keine Angst gehabt haben, nachts noch alleine in dieser Bar gewesen zu sein.

Britta Lichte wurde uns ja von den Eltern und von den Angehörigen so beschrieben, dass sie eigentlich immer an das Gute geglaubt hat.

Von daher muss man einfach sagen, Britta hat sich einfach keine Sorgen gemacht.

Ging man anfangs noch von einer Beziehungstat aus, hatte die Kripo Köln ja mittlerweile eine weitere Theorie in Betracht gezogen, nämlich dass Britta Lichte von einer ihr fremden Person ermordet wurde.

Welche Gedanken hatten sich die Ermittlerinnen und Ermittler dazu gemacht, was sich da in der Salatbar abgespielt haben könnte und warum hatte der Schlüssel außen in der Tür gesteckt?

Wir haben uns natürlich ein Szenario vorgestellt, wie es zu dieser Tat gekommen sein konnte.

Und aus diesem Grunde haben wir eine Theorie entwickelt.

Britta Lichte ist in die Salatbar gegangen, hat aufgeschlossen, die Türe offensichtlich weit aufstehen gelassen, hat den Schlüssel dann von außen in der Tür stecken gelassen.

Sie wäre vermutlich ihre Reisetasche und ihre persönlichen Sachen unmittelbar vorne in der Salatbar abgestellt, ist dann nach hinten gegangen und hat dort die Bestellungen aufgenommen und ihre Sachen durchgezählt, die sie halt bestellen wollte.

Für uns war die Zigarettenkippe auf der Theke entscheidend.

Wir gehen davon aus, dass der Täter also dann durch die offene Türe die Bar betreten hat.

Rauchenderweise vermutlich hat dann die Zigarette direkt am Tresen abgelegt und ist dann vermutlich auf die Britta gestoßen.

Die Ermittler hatten vermutet, dass er vorhatte, sich schnell umzusehen, ob er was hätte mitgehen lassen können, um dann wieder abzuhauen.

Und dann muss es zum Zusammentreffen gekommen sein.

Sie hat ihn wohl vorne im Laden gehört?

Wer da den zuerst bemerkt hat, können wir natürlich nicht sagen.

Wahrscheinlich war Britta noch im hinteren Bereich der Salatbar, als der Täter reingekommen ist.

Man hat sich angesprochen und daraufhin hat der Täter wohl Geld von ihr gefordert.

Es muss zur Tat gekommen sein.

Der Mann hat mehrmals zugestochen, sie dann anschließend in den Kühlraum gezerrt und diesen dann verschlossen.

Danach wird er wahrscheinlich den Tatort verlassen haben.

Also das muss man sich jetzt nochmal vorstellen.

Da kommt jemand zufällig an dieser Salatbar vorbei, geht rein.

Will eigentlich nur was stehlen und dann kommt es zu dieser absoluten Eskalation.

Also das ist ja im Prinzip von 0 auf 100 gegangen.

Ja, es war halt eine Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen mussten.

Aber es ist schon eher selten.

Absolut.

Ja, und dann hat der Täter den Tatort verlassen und hat etwas Entscheidendes vergessen.

Ja, die halb aufgerauchte Zigarette, die auf diesem Tresen lag.

Wir gehen davon aus, dass diese Zigarette vom Täter stammte.

Und wie bereits erwähnt, hatten wir leider noch keine DNA-Übereinstimmung mit dieser DNA-Spur.

Eine schwierige Situation für die Ermittlerinnen und Ermittler mit vielen Ungereimtheiten.

Eine junge Frau wurde mit scheinbar großer Emotionalität mit elf Messerstichen getötet, was sehr für eine Beziehungstat gesprochen hätte.

Doch im Umfeld des Opfers gab es niemanden, der ein Motiv gehabt hätte.

Auch die zweite Ermittlungstheorie wies Fragezeichen auf.

Wenn es ein Überfall war, der eskaliert ist, warum war das Geld in der Kasse noch da, Herr Dick?

Ja, es gab viele Ungereimtheiten in diesem Fall.

Und aus diesem Grunde haben wir uns auch letztendlich dazu entschlossen, uns an Aktenzeichen XY zu wenden, um Mithilfe bei der Aufklärung dieser Tat zu bekommen.

Ja, und in der Sendung vom 13.

Dezember 2007 hast du, Rudi, den Fall vorgestellt.

Dabei ist deutlich geworden, wie schwer die Suche nach dem Täter war.

Wir hören mal kurz rein in das Studiogespräch mit dem damaligen Leiter der Mordkommission, Frank Kollwitz.

Herr Kollwitz, ich kann mir vorstellen, dass so ein Fall nicht nur unter die Haut geht, sondern auch einen erfahrenen Kommissar wie Sie nicht ganz unberührt lässt.

Das ist richtig.

Dieser Fall hat bei uns in der Mordkommission für tiefe Betroffenheit gesorgt.

Und wir haben keinerlei Hinweise aus Ihrem Umfeld für diese Tat.

Auch die Motivlage in diesem Fall ist immer noch unklar.

Ganz auffällig ist, dass der Täter eine Zigarettenkippe zurückgelassen hat.

Dank dieser Zigarette haben Sie nun die DNA des Täters.

Sie haben im Umfeld 700 Männer in den letzten Monaten überprüft.

Kein Treffer war dabei.

Nach was für einer Person suchen Sie überhaupt?

Ja, wir suchen lediglich nach einem Mann.

Weitere Einschränkungen können wir nicht machen.

Der Täter könnte sich bei der Tatausführung auch selbst verletzt haben und er könnte auch Blut vom Opfer an der Kleidung gehabt haben.

Ja, da wird also lediglich nach einem Mann gesucht.

Genauso hätte man auch nach der berühmten Nadel im Heuhaufen suchen können.

Der Aufruf an die Zuschauerinnen und Zuschauer der Sendung, der hat jedenfalls nicht zum erhofften Hinweis geführt.

Und so wurde der Fall trotz der breit aufgestellten Ermittlungen langsam zum Cold Case.

Bis einige Jahre später unverhofft wieder Bewegung in den Fall kommt.

Acht Jahre sind seit dem Mord an Britta Lichte vergangen.

In dieser Zeit hat die Kripo mehr als 3500 Spuren und 6000 Personen überprüft, 1800 DNA-Proben verglichen.

Dann, am 14.

Oktober 2015, erhält die Kölner Mordkommission einen Anruf vom LKA Nordrhein-Westfalen.

Die Nachricht ist bahnbrechend.

In Hamburg wurde im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens die DNA eines 28-jährigen Mannes erfasst und in die bundesweite Datenbank eingespeist.

Und dann der Treffer.

Die Probe stimmt mit der DNA überein, die damals auf der Zigarettenkippe am Tatort gesichert wurde.

Der Mann hinter dem genetischen Abdruck, Farid B.

Zum Zeitpunkt des Abgleichs sitzt er wegen Diebstahls und wiederholten Schwarzfahrens eine sechsmonatige Haftstrafe in Hamburg ab.

Die Kölner Mordkommission, ab diesem Zeitpunkt unter der Leitung von Andreas Dick, informiert die Staatsanwaltschaft.

Zeitgleich beginnen die Beamtinnen und Beamten, so viele Informationen wie möglich über den Tatverdächtigen zusammenzutragen.

Dabei stellen sie fest, dass Farid B.

auch vor seiner Haft in Hamburg kein unbeschriebenes Blatt war.

Zwölfmal ist der Mann bereits wegen vorsätzlichen Körperverletzungen, Bedrohungen und weiterer Delikte und Straftaten aufgefallen und verurteilt worden.

Ja, die Tatsache, dass Farid B.

zu dieser Zeit bereits im Gefängnis war, das kann man ja schon fast als Glücksfall bezeichnen, oder Herr Dick?

Ja, absolut.

In dieser Phase hatten wir wirklich mal richtiges Glück, dass der Täter in der JVA saß.

Er saß dort warm und trocken.

Wir konnten ganz in Ruhe Informationen sammeln, wo er gelebt hat und wo er sich seit 2007 letztendlich aufgehalten hat.

Erzählen Sie doch mal, was haben Sie über die Lebensumstände des Mannes dann in Erfahrung gebracht?

Bei Farid B.

handelt es sich um einen damals 28-jährigen Türken, der kurdischer Abstammung war.

Er hat seit 1997 mit seiner Familie nach Deutschland übergewechselt, hat 2003 geheiratet und lebte mit seiner Frau in Köln.

Nach einem sechsmonatigen Sprachkurs hatte er verschiedene Jobs über Zeitarbeitsfirmen angenommen.

Anfangs schien alles gut zu laufen.

Und ab wann ist es dann nicht mehr so gut gelaufen?

Ja, wir konnten feststellen, dass Farid B.

Immer wieder Geld brauchte, um seine Spielsucht zu finanzieren.

Er hat viel an Geldspielautomaten verspielt, hat an Sportwetten teilgenommen und diese finanziellen Probleme haben letztendlich zu Eheproblemen auch geführt.

Es kam dann auch von seiner Seite aus zu Gewalt in der Ehe.

Anfangs 2007 hat sich seine Frau von Fared getrennt.

Er hat ihr dann im Nachhinein auf die Mailbox gesprochen und sie mit dem Tode bedroht.

Er werde ihr den Kopf abschlagen.

Das muss man mal verdauen.

Man kann vielleicht sagen, dass seine Gewaltbereitschaft mit der zunehmenden Spielsucht im Zusammenhang steht.

Das kann man durchaus festhalten.

Farid B.

hatte Gelegenheitsjobs, hat schwarz gearbeitet und ist immer wieder in diese Spielsucht reingeraten.

Er brauchte schließlich immer wieder Geld, immer mehr Geld, um seine Spielsucht zu finanzieren.

Daran ist letztendlich auch eine Beziehung, die er zu einer anderen Frau im Jahre 2009 aufgenommen hatte und aus der auch ein Sohn stammte, gescheitert.

Das Zocken um Geld hat also das Leben von Farid B.

Maßgeblich beeinflusst und dabei ist er auch immer wieder straffällig geworden, richtig?

Ja, seine Spielsucht war im Prinzip das Hauptthema bei ihm.

Er soll auch unter anderem 20.000 Euro mal von seinem Bruder gestohlen haben, was sein Bruder aber nie zur Anzeige gebracht hatte.

Wir als Kriminalpolizei haben dann auch festgestellt, dass er viele Vorstrafen hatte.

Ja und nun stand ja auch noch unter Verdacht, Britta Lichte getötet zu haben.

Wie sind Sie dann weiter vorgegangen?

Also die Staatsanwaltschaft Köln hat dann einen Haftbefehl wegen eines Tötungsdeliktes beim Amtsgericht beantragt.

Gleichzeitig sind Durchsuchungsbeschlüsse beantragt worden, damit wir alles zusammen haben, wenn wir den Fahrrad in Hamburg aufsuchen.

Wir vom KK11 sind dann unter dem Vorwand nach Hamburg gefahren.

Am 4.

November 2015 war es.

Da haben wir den Fahrrad B.

aus der JVA geholt, unter dem Vorwand ihn erkennungsdienlich behandeln zu lassen.

Der Herr Kollwitz und ich haben dann die Vernehmung im LKA Hamburg durchgeführt.

Zeitgleich ist dann die Zelle von ihm durchsucht worden und die Wohnanschriften an seiner Adresse, wo seine Lebensgefährtin in Hamburg gelebt hat zu der Zeit und an seiner alten Wohnanschrift, wo er 2007 noch gewohnt hat und gemeldet war.

Wir haben immer noch die Tasche gesucht, die Britta damals dabei gehabt hatte und haben uns erhofft, dort Spuren zu finden.

Darf ich mal ganz kurz zwischenfragen?

Eine erkennungsdienstliche Behandlung, was wird denn da alles gemacht?

Bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung wird natürlich Fotos und Fingerabdrücke von dem Beschuldigten genommen, aber auch die DNA-Probe nochmals genommen.

Das war der Staatsanwaltschaft wichtig in diesem Fall, um letztendlich auch hundertprozentig davon auszugehen, dass die DNA-Probe, die uns letztendlich zum Täter geführt hat, auch auf den Täter hinweist.

Herr Dick, ich würde, bevor wir dazu kommen, was er gesagt hat und ob er überhaupt was gesagt hat, nochmal wissen wollen, diese ganze Situation.

Sie haben jetzt diese ganzen Durchsuchungsbeschlüsse, Sie müssen alles Mögliche vorbereiten.

Das klingt alles sehr planvoll, weil da ganz viel parallel passiert.

Wie ist das?

Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Wir haben uns intensiv auf diese ganze Sache vorbereitet.

Wir haben auch die Vernehmung vorbereitet.

Es war auch für uns acht Jahre her, dass uns letztendlich der Täter präsentiert wurde.

Die ganzen Durchsuchungsbeschlüsse, die wir beantragt hatten beim Amtsgericht, sind dann auch an diesem Tage von anderen Kollegen umgesetzt worden.

Es war ein großer Kampftag, sage ich jetzt mal so, wo wir letztendlich alle Maßnahmen, die wir zu diesem Zeitpunkt umsetzen konnten, auch umgesetzt haben.

Und da geht es auch irgendwie um das richtige Timing.

Geht immer ums richtige Timing.

Letztendlich, wir haben natürlich dann versucht, an diesem Tag auch alles das zu bekommen, was bislang fehlte.

Unter anderem auch die Sachen zu finden, die der Täter womöglich mitgenommen hat.

Und jetzt, wie war es?

Er saß jetzt da vor Ihnen und die Frage, hat er ausgepackt?

Ja, er hat was gesagt.

Natürlich hat er was gesagt.

Er hat dann uns die Geschichte erzählt, die er sich zunächst einmal ausgedacht hatte.

Und wir konnten ihn dann in der Vernehmung so weit festlegen, dass wir ihn nachher mit Sachen konfrontieren konnten aus der Vernehmung, wo er nicht mehr rauskam.

Hatte er dann nicht gewusst, dass man nach ihm gesucht hatte?

Doch, das hat er auf jeden Fall.

Die gleiche Frage habe ich ihm in der Vernehmung auch gestellt, dem Täter.

Und darauf hat er geantwortet.

Er hat in den Zeitungen natürlich mitbekommen, dass man ihn sucht.

Er hat auch die Sendung von Aktenzeichen XY sich angeschaut.

Er ist sogar so weit gegangen, dass er danach zusammengebrochen sei, hätte zu Hause geweint, wollte sich auch stellen, aber hat es letztendlich nicht gemacht.

Eine Frage habe ich noch in Bezug auf die Belehrung.

Sie haben uns vorhin gesagt, das ist so ein ganz, wie soll ich sagen, diffiziler Punkt, weil in dem Moment, Sie sind ja verpflichtet, jemanden zu belehren und in dem Moment müssen Sie ihm auch sagen, er hat ein Recht auf einen Anwalt und er muss jetzt erstmal ohne den Anwalt nichts sagen.

Wie war das hier?

Ganz einfach.

Er hat auf seinen Anwalt verzichtet.

Also wir müssen ihn im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung belehren, dass er das Recht hat, einen Anwalt zurate zu ziehen, auch zur Vernehmung mitzubringen bzw.

Zu holen.

Wir hätten ihm auch die Möglichkeit gegeben, einen Anwalt zu kontaktieren.

Wir hätten ihm sogar einen Anwalt besorgt, wenn das nötig gewesen wäre und er hätte uns keinen Anwalt nennen können.

Das wollte er aber alles nicht.

Er war eigentlich froh, mit uns reden zu können.

Heute ist das nicht mehr so.

Also das heißt, derjenige hat eigentlich fast gar nicht die Möglichkeit zu sagen, wenn er da sitzt bei der Vernehmung oder kurz davor zu sagen, er verzichtet auf einen Anwalt.

Genau, das Recht hat sich ein wenig geändert.

Bei Kapitaldelikten haben die Beschuldigten aufgrund des Rechtes der Pflichtverteidigung heute das Recht, vor ihrer ersten Vernehmung einen Pflichtverteidiger beibeordnet zu bekommen und daran müssen wir uns letztendlich halten.

Und deswegen sind Vernehmungen dieser Art heutzutage nicht mehr möglich.

Wie lief denn die Vernehmung mit Farid B.?

Es war ja ein Dolmetscher dabei, Farid B.

war türkische Abstammung.

Ja, wir haben vorab einen Dolmetscher organisiert, da wir wussten, dass Farid B.

offensichtlich nur der türkischen Sprache mächtig war.

Das war aber nicht so.

Er sprach bei uns in der Vernehmung sehr gut Deutsch.

Wir brauchten den Dolmetscher an sich gar nicht.

Nur bei kleinen Verständigungsschwierigkeiten wurde der Dolmetscher eingeschaltet.

Zu Beginn der Vernehmung ist der Fahrrad B.

natürlich als Beschuldigung in einem Strafverfahren belehrt worden.

Wir haben ihm den dringenden Tatverdacht zu dem Tötungsdelikt an Berita vorgehalten.

Können Sie sich noch erinnern, wie lange die Vernehmung gedauert hat?

Ja, das kann ich genau sagen, weil ich mich auf diesen Termin natürlich hier vorbereitet habe.

Die Vernehmung hat um 8.10 Uhr angefangen und ging bis 12.45 Uhr.

Ohne Unterbrechung?

Es gab einige Unterbrechungen, weil Fahrrad B.

Oftmals zur Toilette musste.

War das eine.

Intensive Zeit für Sie, diese Vernehmung?

Ja, natürlich mussten wir uns für die Vernehmung sehr konzentrieren.

Wir haben nicht viele Möglichkeiten, einen Beschuldigten zu vernehmen.

Ja, und bereits zu Beginn dieser Vernehmung hat der Beschuldigte, also Farid B., etwas zu Ihnen gesagt, womit Sie jetzt nicht unbedingt gerechnet hätten.

Er hat uns wörtlich gesagt, auf diesen Tag hätte er gewartet.

Immerhin hat er acht Jahre damit gelebt, jemanden ermordet zu haben und mit der Angst aufzufliegen.

Farid B.

war zu dem Zeitpunkt bereits öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wie wir schon gehört haben.

Warum hat es den DNA-Treffer nicht schon früher gegeben?

Ja, es ist ganz einfach.

Die Speichelprobe wurde erst zu dem Zeitpunkt genommen, als er in der JVA in Hamburg einsaß.

Es gab vorher keine DNA-Probe von ihm und letztendlich hat diese dann zum Ziel geführt.

Farid B.

ist zwar bereit auszusagen, seine erste Version sorgt bei den Beamten allerdings für Ernüchterung.

Er gibt an, am Abend des 22.

Juli 2007 mit drei anderen Männern zusammen in der Innenstadt unterwegs gewesen zu sein.

Sie seien nachts herumgelaufen mit dem Plan, zu viert einen Imbiss oder einen Kiosk zu überfallen, um schnell an Geld zu kommen.

Rein zufällig seien sie dann an der Salatbar vorbeigekommen.

Während zwei der vier Männer in den Laden gegangen seien, hätten der dritte und er, Farid B., Schmiere gestanden.

Eine Zigarette rauchend hätte er vor der Ladentüre gewartet und schließlich eine Frau schreien hören.

Kurz darauf sei einer der beiden Männer fluchend aus dem Laden gekommen und hätte gesagt, alles schief gegangen.

Anschließend sei auch der andere blutverschmiert mit einer Tasche in der Hand hinterhergekommen.

Danach sei man gemeinsam abgehauen und hätte nie wieder darüber gesprochen.

Am nächsten Tag habe Farid B.

dann aus der Zeitung erfahren, dass es in der Salatbar zu einem Tötungsdelikt gekommen sei.

Er selbst habe zwar an besagtem Abend ein Rambo-Messer dabei gehabt, das sei aber nicht mit im Laden gewesen.

Herr Dick, wie haben Sie dann auf diese Aussage reagiert?

Wir haben den Farid B.

In der Vernehmung mehrmals gefragt, ob er im Laden war.

Das hat er aber jedes Mal verneint.

Doch dank der Zigarettenkippe auf dem Tresen konnten Sie ihm ja das Gegenteil beweisen.

Hatte er denn vergessen, dass er sie da hinterlassen hatte?

Beziehungsweise wusste er das noch?

Nein, das wusste er nicht mehr.

Also nicht mehr so, dass er sich daran erinnerte.

Letztendlich haben wir ihn dann ins Gewissen geredet.

Wir haben an seine Vernunft appelliert, doch endlich die Wahrheit zu sagen.

Und das hat dann auch geklappt.

Er ist dann relativ schnell eingeknickt und hat sich dafür entschuldigt, dass er uns angelogen hat.

Farid B.

gibt endlich zu, dass er in der Tatnacht allein unterwegs war.

Nachdem er in mehreren Spielhallen Geld verspielt hatte, sei er ziellos durch die Stadt gelaufen.

Als er an der Salatbar vorbeikam und die offene Tür sah, habe er die Gelegenheit genutzt.

Er betritt den Laden mit der Absicht zu stehlen.

Während er nach Wertgegenständen sucht, raucht er eine Zigarette und legt sie, ohne sie vorher auszudrücken, auf die Theke.

Die Polizei vermutet, dass er so die Hände frei haben wollte.

Dann sei er auf Britta Lichte getroffen, die gerade die Bestellungen für den nächsten Tag vorbereitet hatte.

Er schildert, dass sie erschrocken fragte, wer er sei und was er wolle.

Daraufhin habe er sie gezwungen, ihm Geld zu geben, während sie ihn anflehte, ihr nichts zu tun.

Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, zog er sein Messer.

Daran könne er sich aber nicht mehr genau erinnern, sagte er.

Er habe damit herumgefuchtelt und nicht richtig hingeschaut.

Plötzlich habe Britta Lichte angefangen zu schreien und er habe zugestochen.

Wie oft, wisse er nicht mehr, aber er schätzt zwei bis drei Mal.

Tatsächlich dokumentierten die Gerichtsmediziner später elf Stichverletzungen.

Britta Lichtes Eltern werden später aussagen, dass ihre Tochter als kleines Kind wegen einer Krebserkrankung behandelt wurde und seitdem eine ausgeprägte Angst vor Spritzen und spitzen Gegenständen hatte.

Allerdings ist es auch nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die mit einem Messer bedroht werden, instinktiv zu schreien beginnen.

Farid B.

sagt aus, er habe mit der Reaktion von Britta Lichte nicht gerechnet, er habe sie einfach nur zum Schweigen bringen wollen, bevor ihn noch jemand entdecken würde.

Also entschloss er sich angeblich spontan dazu, das Messer gegen die junge Frau einzusetzen.

Als sie schließlich blutend auf den Boden gefallen sei, sei er, so seine Aussage, zutiefst geschockt gewesen.

Herr Dick, haben Sie ihm geglaubt, dass er sich angeblich nicht mehr erinnern konnte, die Tote in den Kühlraum gebracht zu haben?

Nein, das haben wir absolut nicht geglaubt.

Der Beschuldiger hat zwar so getan, als wüsste er es nicht mehr, hat aber dazu wörtlich auch gesagt, wer soll es denn sonst gewesen sein?

Er hat erzählt, dass er sich nur noch daran erinnert, wie er nach dem Mordpanich aus der Salatbar gelaufen sei und sich spontan noch die Tasche geschnappt hätte, die im vorderen Teil des Ladens lag, bevor er geflüchtet sei.

Auch die Aussage, Farid B.

Habe die Tasche nur aus Reflex mitgenommen, erscheint alles andere als glaubwürdig.

Liegt nicht viel eher der Verdacht nahe, dass er die Hoffnung hatte, darin Geld oder ähnliches zu finden?

Definitiv.

Wenn er so in Panik gewesen wäre, dann wäre er aus dem Geschäft rausgestolpert, ohne die Nerven zu haben, noch etwas mitgehen zu lassen.

Das wirkte auf uns ziemlich abgebrüht.

Warum er allerdings die 800 Euro aus der Kasse nicht mitgenommen hat, das wissen wir bis heute nicht.

Bei den Wohnungs- und Zellendurchsuchungen von Farid B.

Hatte man die Tasche ja nicht gefunden.

Hat er Ihnen dann in der Vernehmung gesagt, wo Brittas verschwundene Sachen sind?

Die Tasche der Getöteten und seine Kleidung hat er in einem Altkleidercontainer entsorgt.

Die Ausweispapiere, Karten aus der Portemonnaie und die Handy-SIM-Karte hatte er wohl verbrannt.

Ihren Schlüsselbund will er in einen Teich geworfen haben und dann war da noch eine Münzgeldrolle in ihrer Tasche.

Die hatte er behalten.

Hat man irgendetwas von Ihren Sachen gefunden?

Den Schlüssel im Teich zum Beispiel?

Nein, leider nicht.

Bleibt die Frage nach der Tatwaffe.

Hat er auch die irgendwo entsorgt?

Seiner Aussage nach in einem Container für Metallreste auf dem Firmengelände, auf dem sein Bruder gearbeitet hat.

Anschließend ist er untergetaucht und mit dem Zug über Frankfurt-Wien nach Graz zu seinen Eltern gefahren.

Am Wiener Hauptbahnhof will er dann das Handy des Opfers auch entsorgt haben.

Gegen Ende der Vernehmung betont Farid B., wie leid es ihm täte, was geschehen sei.

Er wisse nicht, warum er das getan hätte und er würde alles dafür tun, es rückgängig machen zu können.

Alkohol habe er vor der Tat nicht getrunken, da er generell nicht trinken würde, aber er habe eineinhalb Joints geraucht.

Als Motiv gibt Farid B.

seine Spielsucht an, die ihn in ständige Geldnot gebracht hätte.

Am Tatabend, so Farid B., hatte er bereits 200 bis 300 Euro verspielt und wieder dringend Geld gebraucht.

Allerdings hatte er noch 20 Euro in der Tasche.

Genug, um sich nach der Tat ein Taxi nach Hause zu nehmen.

In der Sporttasche von Britta Lichte befanden sich zusätzlich 20 Euro in Ein-Euro-Münzen.

Farid B.

Sagte später dazu gegenüber dem Haftrichter, Zitat, Ich will hier die Wahrheit sagen.

Ich bin sicher, dass ich noch 20 Euro selbst dabei hatte.

Es kann aber durchaus sein, dass ich das Taxi mit dem Geld aus der Tasche der Frau bezahlt hatte.

In der Tasche war gerolltes Münzgeld, da waren keine Scheine.

Zitat Ende.

So unfassbar es uns auch erscheint, Britta Lichte verlor ihr Leben durch die Tat eines stark spielsüchtigen Mannes.

Und das alles für 20 Euro.

Dass Drogenabhängige auf der Suche nach Geld gelegentlich gewalttätig werden, davon hört man öfter.

Doch was macht das krankhafte Zocken um Geld mit einem Menschen?

Auch hier kann es im Suchtstadium zu körperlichen Symptomen wie starken Angstzuständen, Schwitzen und zittrigen Händen kommen, hat uns Dr.

Klaus Wölfling, Leiter der AG Spielsucht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, erklärt.

Mit ihm hat unsere Redaktion im Vorfeld dieser Folge darüber gesprochen, wie Spielsucht unter Umständen auch zu kriminellen Handlungen führen kann.

In unserem Fall heute ging der Täter getrieben von seiner Sucht sogar so weit, einen Menschen zu töten, um an Geld zu kommen.

In solchen Fällen denkt man in der Regel eher an Drogenabhängige, die Verbrechen begehen, um an Stoff zu kommen.

Ob man das in etwa vergleichen kann, das wollten wir von Dr.

Klaus Wölfling wissen.

Die Glücksspielsucht ist ja als Suchterkrankung anerkannt.

Das hat einen Meilenstein 2013 gegeben.

Vorher wurde das eher als Impulskontrollstörung klassifiziert.

Seit dem Zeitpunkt spricht man in der Fachwelt eben von der Glücksspielsucht auch tatsächlich der Suchterkrankung und das ist eben eine vergleichbare Störung zum Suchterkrankung.

Stoffgebundenen Abhängigkeiten, also substanzbezogenen Suchterkrankungen wie Alkoholismus oder eben Opiat- oder Cannabisabhängigkeit.

Also wir haben hier dieselben Phänomene, die sich vor allem im Belohnungssystem niederschlagen.

Und die Menschen sind teilweise eben die betroffenen Personen nicht mehr in der Lage, sich gut zu kontrollieren.

Und damit eben auch nicht ihre Handlungen so zu steuern, dass sie eben auch im Sinne der positiven Widerhalt in der Gesellschaft wären.

Und bei diesem Beispiel geht es ja gerade darum, dass der Mörder eben aufgrund von wahrscheinlich hohem Spieldruck eben diese Tat ausgeführt hat.

Doch was lässt Menschen so tief in diese Sucht abrutschen?

Dr.

Klaus Wölfling hat eine ganz simple Erklärung dafür.

Häufig ist es bei so einer Entwicklung so, dass die Patientinnen oder Patienten eben einen sehr hohen Gewinn zum Beginn ihrer Glücksspielkarriere haben.

Und der brennt sich, sag ich jetzt mal so ein bisschen salopp, brennt sich ins Gehirn ein und wird auch immer wieder noch nach 10 oder 20 Jahren erinnert.

Das ist also ein sehr emotionales Erlebnis, was mit einer Erinnerung zu tun hat.

Und diese ersten hohen Gewinne sind eigentlich das Schädlichste, was einem Glücksspielenden passieren kann.

Experten sprechen von verschiedenen Phasen der Glücksspielsucht.

Vom positiven Anfangsstadium über das kritische Gewöhnungsstadium bis hin zum Suchtstadium.

Und es entwickelt sich oder es kann sich eben auch ein unrealistischer Optimismus entwickeln.

Das heißt, als Betroffener kann ich dann so das Gefühl haben, ich kann damit Geld verdienen oder meinen Lebensunterhalt bestreiten.

Das ist häufig gekoppelt mit so Fantasien über große Gewinne.

Und mal ehrlich gesagt, das kennt auch fast jeder von uns, hat sich schon mal überlegt, was würde ich machen, wenn ich eben 5 Millionen im Lotto gewinne.

Zunächst ist Glücksspiel ja an sich nichts Neues, aber über das Internet dürfte das alles noch viel einfacher geworden sein.

Wir wollten deshalb wissen, sind dadurch heute mehr Menschen süchtig nach dem schnellen Gewinn, als es vielleicht früher der Fall war?

Man kann auf jeden Fall feststellen, dass es einfacher ist, den Zugang zum Glücksspiel zu finden über diverse Plattformen und eben auch Altersbegrenzungen oder Altersschutzbegrenzungen.

Ab dem 18.

Lebensjahr ist das Glücksspiel eigentlich erst gesetzlich legal, häufig eben umgangen werden können durch Internetangebote.

Und damit haben wir eben auch in der Klinik mit einer höheren Verbreitung zu tun in den letzten Jahren.

Hin und wieder ein bisschen aus Spaß zu zocken, ist eine andere Sache als die Sucht.

Und die entwickelt sich offensichtlich schleichend.

Ja, wissen Sie, eine Glücksspielsucht entwickelt sich eben über einen geraumen Zeit hinweg.

Das liegt daran, dass eben so Konditionierungs-, also Lernprozesse sich im Gehirn auch erstmal abbilden müssen.

Und umso früher jemand beginnt, eben Glücksspiele zu tätigen oder ins Risiko mit finanziellen Einsätzen zu gehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier am Ende so eine Entwicklung auch eine problematische, also eine Glücksspielsuchtnutzung zeigen wird.

Das heißt, sicherlich müssten wir eben schon sehr früh anfangen, darauf zu achten, wie die Kinder oder Jugendlichen eben Geldeinsätze auch im Internet tätigen, weil das eine Hinführung zur Glücksspielsucht eben sein kann.

Besonders kritisch sieht Dr.

Wölfling die Regelmäßigkeit, das ständige Wiederholen des Spielens.

Wenn man dann weiterspielt, so sehen wir das aus der Psychologie, dann kommt man in so ein kritisches Gewöhnungsstadium.

Das nennen wir dann auch Verlustphase, weil dann eben sich die Spielintensität ändert.

Also man macht höhere Einsätze, risikoreicher, hat häufiger Verluste und jetzt kommt es, das Glücksspiel beginnt sozusagen langsam das Denken zu beherrschen.

Das ist ein sehr schleichender Prozess, den bekommt man gar nicht so mit.

Aber mehr und mehr dominiert das Glücksspiel eben den Alltag.

Dann kommt zu beruflichen und sozialen Konflikten und am Ende auch zu Lügen oder Verheimlichen.

Im Mordfall Britta Lichte scheint es der Fall zu sein, dass eben dieser große Spieldruck Farid B.

Am Ende dazu gebracht hat, für ein bisschen Geld zu töten.

Seine Spielsucht hat ihn nicht nur mehrmals zum Dieb und zum gewalttätigen Ehemann gemacht, sondern letztlich sogar zum Mörder.

Neun Jahre nach dem Verbrechen, am 12.

September 2016, beginnt am Kölner Landgericht der Prozess gegen Farid B.

Wegen des Mordes an der 24-jährigen Britta Lichte.

Bereits am ersten Verhandlungstag verließ der Verteidiger von Farid B.

Eine Erklärung seines Mandanten, in der dieser die Tat einräumt.

Er entschuldige sich in aller Form für das Geschehene.

Er könne nichts rückgängig machen und er verzichte darauf, sich groß zu verteidigen, da das Leid von Britta Lichtes Familie er nicht weiter verstärken wollen würde.

Ihre Eltern berichten dem Gericht, dass ihre erst 24-jährige Tochter ein positiver und lebensfroher Mensch war und wie groß der Schmerz über ihren Verlust sei.

Farid B.

weint und gibt sich reumütig.

Am dritten Hauptverhandlungstag verließ der Rechtsbeistand von Farid B.

Dann aber eine weitere ausführliche Erklärung zum Tatbestand, in dem es unter anderem heißt, dass der Ablauf in dem Vernehmungsprotokoll vom 4.

November 2015 nur zum Teil zutreffend wiedergegeben worden sei.

Farid B.

hat über diese zweite Erklärung ausgesagt, die Vernehmung sei für ihn unangekündigt und überraschend gekommen und er habe ihr nur schwer folgen können.

Das widersprach aber ganz klar dem wirklichen Geschehen, Herr Dick.

Ja, das stimmt.

Damals hat uns der Beschuldigte ja bereits in der Vernehmung ganz zu Anfang gesagt, dass er auf diesen Tag seit Jahren gewartet hatte.

Außerdem hat er in dem Verhör die Hilfe des türkischen Dolmetschers so gut wie nicht gebraucht, da sein Deutsch ausreichend gut war.

Wörtlich steht in der durch den Anwalt vorgetragenen Erklärung dazu Folgendes.

Zitat.

Der Mandant hat versucht, die Vernehmung durchzuhalten.

Er konnte dem teilweise nur schwer folgen.

Er hat Fragen beantwortet, ist abgeschweift und hatte auch immer mehr Erinnerungslücken.

Er erzählte etwas ohne nachzudenken, weil er auch endlich fertig werden wollte.

Er war unkonzentriert, zeigte dieses nicht, damit es nicht noch länger dauerte.

Letztlich hatte der Mandant auch Hunger, welchen er versuchte mit Rauchen zu unterdrücken.

Bis zum Ende der Vernehmung um 14.10 Uhr, also 21 Stunden, hatte der Mandant nichts gegessen und auch nichts zum Essen angeboten bekommen.

Es gab lediglich zwei kurze Pausen für Toilettengänge.

Der Dolmetscher hatte einen türkischen Akzent, welches das Verständnis nicht unmöglich, aber auch nicht besonders hilfreich machte.

Die Belehrung hat der Mandant nicht mehr erinnerlich.

Er hat sie zumindest nicht wahrgenommen, übersetzt worden ist sie ihm nicht, aber er erinnert sich auch nicht an diese.

Dass er sie nicht wahrgenommen hat, kann daran liegen, dass er aufgrund der Überraschung neben sich stand und durchweg überlegte, wie er seine Darstellung beginnen sollte.

Weder wurde gefragt, ob er die Belehrung verstanden hat, noch wurde dieses kontrolliert.

Zitat Ende.

Herr Dick, was sagen Sie zu dieser Ausführung des Anwalts?

Man kann ja schon eine gewisse Anwaltstaktik erkennen.

Das ist eine Möglichkeit, die Vernehmung und damit die Arbeit der Polizei unglaubwürdig darzustellen.

Wir protokollieren deshalb grundsätzlich immer Toilettengänge, das Rauchen, das Angebot von Essen mit Uhrzeit, um solchen Vorwürfen zu begegnen.

Damit war die Sache für uns erledigt.

In der vom Anwalt verlesenen Erklärung versucht Farid B.

Auch, seine Tat mit seiner schweren Spielsucht zu rechtfertigen.

Wörtlich heißt es da, zum damaligen Tatzeitpunkt war der Mandant hochgradig spielsüchtig.

Seit Jahren ist er nicht mehr spielsüchtig, damals hat dieses jedoch sein Leben geprägt.

Die Spielsucht ging so weit, dass deren Befriedigung über das Wohl der Familie hinausging.

Sein Leben, seine Lebensweise und sein Handeln war geprägt von dieser Sucht.

Er hat der Mandant auf Essen verzichtet, nur um das Geld für das Spielen verbrauchen zu können.

Es gab erhebliche persönliche Probleme.

Der Mandant hatte nahezu keine Freunde.

Eine familiäre Bindung hatte er aufgrund dieser gesamten Umstände nicht, auch wenn er seine Familie liebte.

Aber die Spielsucht ging vor und zerstörte auch das Familienleben.

Zitat Ende.

Für Farid B.

scheint es damals keinen Ausweg aus der Sucht gegeben zu haben.

Und darum musste eine unschuldige junge Frau sterben.

Für letztlich 20 Euro.

Vom Gericht wird er wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Mord in Verdeckungsabsicht und Diebstahls zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der damals 36-Jährige wird als voll schuldfähig eingestuft, auch wenn es so aussieht, als habe er genau das durch sein Eingeständnis, schwer spielsüchtig zu sein, verhindern wollen.

Ja, mildere Umstände hat es für ihn definitiv nicht gegeben.

Aber Glücksspielsucht ist ein sehr komplexes Thema.

Das haben wir heute gelernt.

Wir haben euch deshalb ein paar Links zusammengestellt, auch dazu, wo es Hilfe gibt, wenn man glaubt, von Spielsucht betroffen zu sein.

Die findet ihr in unseren Shownotes.

Und jetzt bedanken wir uns ganz herzlich bei Ihnen, Herr Dick, dass Sie sich die Zeit genommen haben und heute zu uns ins Studio gekommen sind.

Sehr gerne.

Danke für die Einladung.

Ja, vielen Dank auch von mir für die interessanten Einblicke.

Kommen Sie gut nach Hause.

Danke.

Danke auch an Dr.

Klaus Wölfling von der Uniklinik in Mainz und an Julia Heine, Autorin dieser Folge.

Wie immer am Ende vielen Dank auch an euch.

Ich sage bis zum nächsten Mal bei Aktenzeichen XY, unvergessene Verbrechen.

Und ganz wichtig, bleibt sicher.

Wenn es euch gefallen hat, drückt doch gerne auf Abonnieren, damit ihr auch die nächste Folge nicht verpasst.

Bis dahin und tschüss.

Aktenzeichen XY – Unvergessene Verbrechen Eine Produktion der Securitel in Kooperation mit Bumfilm im Auftrag des ZDF.

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