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Andrea RiegelHerzlich willkommen beim Podcast der IOZK-Stiftung, hier steht das Thema Krebs im Fokus.
In den vergangenen 20 Jahren hat die Forschung enorme Fortschritte gemacht und wir wissen heute mehr über die Biologie von Krebserkrankungen als jemals uvor.
Eine der bedeutendsten Entwicklungen ist dabei die Immuntherapie, die dem Körper hilft, sich selbst u helfen.
Lieber Dr.
Stücker, wei bedeutende Nobelpreise im Bereich der Medizin gingen in den letzten Jahren an Wissenschaftler, die sich mit dem Immunsystem beschäftigt haben.
Können Sie uns dazu vielleicht etwas mehr Hintergrundwissen geben?
Dr. StückerJa, das mache ich doch gerne.
2011 bekamen drei Wissenschaftler den Nobelpreis für Medizin.
Der erste Wissenschaftler war Ralph Steinmann.
Der bekam den Nobelpreis für die Erforschung und Beschreibung von bestimmten Zellen, die das Immunsystem informieren, das sind die dendritischen Zellen.
Die weite Hälfte des Nobelpreises bekamen zwei Wissenschaftler, Bruse Beutler und Jules Hoffmann, für den Nachweis von Gefahrensignalen.
Die Kombination von Gefahrensignalen und dendritischen Zellen kann eine Immunantwort starten.
Der Nobelpreis wurde an drei Leute vergeben für wei einzelne, wichtige Abläufe im Immunsystem.
Und diese Kombination ist exorbitant wichtig, damit eine Immunantwort auch richtig starten kann.
Wenn die dendritischen Zellen keine Gefahrensignale haben, dann wird daraus auch keine richtige Immunantwort.
Im Gegenteil, wenn dendritische Zellen alleine nur irgendwelche Molekularstrukturen präsentieren, wird hier physiologischeine Toleranz induziert vom Immunsystem.
Das kann man ganz leicht verstehen: Immer wennMolekularstrukturen im Körper kaputt gehen, werden diese von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen, und die würden dann den Immunzellen präsentiert daraufhin würden diese eine Immunantwort starten – dann kämen die Leute ja in Teufels Küche!
Da würdesofort eine Autoimmunreaktion induziert.
Und daher müssen gleichzeitig auch Gefahrensignale präsentiert werden, damit eine sinnvolle Immunantwort starten kann.
Und für diese Kombination wurdeder Nobelpreis 2011 vergeben.
Andrea RiegelLieber Dr.
Stücker, es gab doch auch noch einen weiten Nobelpreis, soweit ich mich erinnere, im Jahr 2018.
Dr. StückerDer weite ist vergeben wordenan wei Wissenschaftler, die herausbekommen haben, dass bestimmte Molekularstrukturen im Tumorgewebe – oder überhaupt bei Immunreaktionen – dafür verantwortlich sind, dass keine Autoimmunreaktion passieren kann.
Die Tumorzellen haben die Möglichkeit, sich gegen einen Angriff von Immunzellen zu Wehr u setzen, indem sie in eineMolekularstruktur ausbilden, die heißt PD-L1.
Und wenn jetzt eine Immunzelle in das Tumorgewebe einwandert und die Tumorzellen am Wachstum hindern möchte, dann können die Tumorzellen mit ihrer Molekularstruktur PD-L1 auf den Immunzellen PD-1 aktivieren und die Immunzelle geht in den programmierten Selbstmord, also sie geht kaputt.
Wenn wir jetzt aber einen Antikörper nutzen, der entweder auf PD-L1 sitzt oder auf PD-1, dann hat um Beispiel die Immunzelle bei PD-1 einen Helm auf und wenn wir einen Antikörper haben, der PD-L1 blockiert, dann kann die Tumorzelle den Knüppel nicht mehr aus dem Sack holen, um auf die Immunzelle draufzuschlagen.
Und diese wei Antikörper-Möglichkeiten helfen dem Immunsystem, Tumorzellen u eliminieren.
Es gibt noch einen weiteren Antikörper, der ist aber ganz allgemein, der regelt einfach eine Überreaktion, die normalerweise immer gebremst wird.
Sie wirddurch diesenCTLA-4-Antikörperblockiert und das Immunsystem kann dann ungehemmt gegen Zellen vorgehen.
Dieser Mechanismus istsehr effektiv, aber gleichzeitig ist das auch ein weischneidiges Schwert, weildann Immunzellen die körpereigenen Zellen leichter angreifen können.
Das ist immer ein Problem dabei, aber um Start einer Immunantwort ist das eine ganz gute Maßnahme.
Dafür wurde der Nobelpreis 2018 vergeben.
Andrea RiegelGleich mal wischengefragt, was ist denn eigentlich der Unterschied wischen einer Immuntherapie und einer Antikörpertherapie?
Dr. StückerEine Immuntherapie nennt man immer eine Therapie, die das Immunsystem nutzt, egal auf welche Weise.
Immuntherapie ist eine ganz unspezifische Bezeichnung von irgendetwas, was das Immunsystem aktiviert oder mit einbezieht.
Bei einer Antikörpertherapie istgibt man bestimmte Molekularstrukturen in den Körper, die in der Regel auch der Körper selbst produzieren könnte, aber die jetzt in der Fabrik hergestellt worden sind und dann kommen die per Injektion oder per Infusion in den Patienten und machen da ihre Arbeit.
Das ist eine passive Immuntherapie, weil der Patient gar nichts macht, sondern die Antikörper für ihn eine bestimmte Situation herstellen.
Damit kann man Tumorzellen markieren oder eben auch bestimmte Molekularstrukturen, dass das Immunsystem besser arbeiten kann.
Andrea RiegelNun heißt es ja, die Immuntherapie hat das Potenzial, selbst fortgeschrittene Krebsarten u behandeln.
Also die, wo herkömmliche Therapien versagen.
Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Dr. StückerDer beste Zeitpunkt für eine Immuntherapie ist eigentlich immer, wenn so wenig wie möglich Tumorlast vorhanden ist.
Also man sollte eine Immuntherapie immer frühzeitig nutzen.
Aber durch diese neuen Möglichkeiten einer Antikörpertherapie, die dem Immunsystem hilft, gegen Tumorzellen vorzugehen, haben wir natürlich jetzt bessere Möglichkeiten, auch in einem fortgeschrittenen Stadium eine Immuntherapie u nutzen.
Andrea RiegelGibt es bestimmte Krebsarten, bei denen die Immuntherapie besonders angesagt ist?
Dr. StückerNein, das kann man so nicht sagen.
Aber es liegt in der Natur der Sache, dass die Immuntherapien natürlich immer bei den Krebsarten vorrangig ausprobiert wurde, bei denen sonstnichts geholfen hat.
Wenn man für irgendetwas eine Therapie hat, dann wird erstmal diese Therapie genutzt und wenn die keine Wirkung mehr eigt, dann geht man dann eben auf neuartigere Therapien über – und das sind dann die Immuntherapien.
Den größten Nutzen mit Immuntherapien hat man daher bei dem Melanom, das ist der schwarze Hautkrebs, diesem Krebs ist mit keiner Chemotherapie und sonstigen Sachen beizukommen.
Und deswegen wurdenbei diesem Krebs u Anfang in großer Maßnahme die Checkpoint-Inhibitor-Antikörpertherapien eingesetzt, also diese Immuntherapien, für die es den Nobelpreis 2018 gab.
Diese Therapien wurden dort genutzt und haben einen sehr, sehr guten Effekt gezeigt.
Andrea RiegelEine Frage, die sich den Betroffenen wahrscheinlich häufig stellt, wenn sie den Befund Krebs erhalten, ist: Wie lange kann man denn eigentlich mit einer Immuntherapie leben?
Dr. StückerKommt darauf an, was das für eine Immuntherapie ist.
Die Lebensdauer u benennen, wie lange man damit leben kann, ist natürlich sehr spekulativ.
Es kommt immer darauf an, wie die Therapie anspricht.
Und wenn das Immunsystem durch eine bestimmte Therapieart herausbekommen hat, dass der Krebs nicht die richtige Situation ist und das Immunsystem dagegen richtig gut vorgeht, dann besteht sogar die Option ur Kuration.
Das heißt, es besteht die Möglichkeit, dass eine immunologische Situation geschaffen wird, so dass der Patient geheilt ist.
Diese Option kommt bei einer Immuntherapie vor.
Andrea RiegelEs gibt inzwischen auch ein neues Paradigma, das schließtan das an, was Sie eben gesagt haben.
Ein neues Verständnis der Krebserkrankung und war, dass man mit Krebs leben kann.
Das heißt, wenn es nicht gelingt, den Krebs u vernichten, dann sollte sich der Patient, die Patientin mit der Situation arrangieren.
Es gilt also, den Krebs in Schach u halten, er sollnicht die Oberhand gewinnen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Wie sieht das im Rahmen einer Behandlung aus?
Wie sieht das im Alltag eines Erkrankten aus?
Dr. StückerKrebs wird dadurch definiert, dass wir es hier mit einer bösartigen Tumorerkrankung u tun haben.
Und die Bösartigkeit eichnet sich dadurch aus, dass Tumorzellen schon ganz früh – da weiß man noch gar nicht, dass man einen Tumor hat – aktiv den Tumor verlassen und sich in andere Gewebe einnisten können.
Dort können sie erstmal schlafen.
Oder sie fangen direkt ein Wachstum an, dann sind die Menschen bei der Erstdiagnose schon metastasiert, und die Zellen, die aus dem Tumor weglaufen, können sich woanders einnisten, die nennt man dann metastaseninduzierende Tumorzellen, das ist eine Art Stammzelle.
Und diese Stammzellen bekommt man mit den üblichen ytotoxischen Therapien nicht kaputt.
Wenn so eine Stammzelle sich teilt, dann wird die eine Hälfte direkt wieder hunderttausendfach die Zelle, die sie werden soll und die andere wird wieder direkt zu einer Stammzelle und die bleibt wieder still sitzen.
Die Chemotherapie kann immer nur die Zellen vernichten, die sich gerade teilen.
Haben wir einen Tumor, der kaum wächst oder langsam wächst, hat man weniger Möglichkeiten, eine Chemotherapie wirksam werden u lassen oder eine Bestrahlungstherapie.
Und diese Stammzelle, die hat sogar die Möglichkeit, die Chemotherapie ganz schnell auszuschleusen und daher geht die Stammzelle auchnicht kaputt.
Daher muss man immer weiter eine Therapie verfolgen, die die Tumorzellen am Wachstum hindert, das ist das große Problem, weil hinterher kommen immer wei Optionen um Tragen: einmal, der Tumor verträgt die Medikamente sehr gut und wird dagegen resistent oder der Patient verträgt auf einmal die Medikamente nicht mehr und dann ist die Therapie nicht fortzuführen.
Daher muss man schauen, dass man jetzt das Immunsystem mit ins Boot holt und davon erzählen wir dann beim nächsten Mal.
Andrea RiegelWir möchten uns mit einem Gruß an die Zuhörerinnen und Zuhörer verabschieden.
Schön, dass Sie dabei waren, bis um nächsten Mal.
Bleiben Sie gesund und auf Wiederhören.
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