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Episode Description
Falsche Todesnachrichten, angebliche Krankheitsüberträger, geleugnete Niederlagen: Herrscher setzten schon vor vielen hundert Jahren auf Fake News. Von Claudia Steiner (BR 2025)
Credits
Autor dieser Folge: Claudia Steiner
Gesprochen haben: Katja Amberger, Burchard Dabinnus
In der Technik war: Simon Lobenhofer
Regie: Kirsten Böttcher
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview: Daniel Bellingradt, Professor am Institut für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg; Roxane Bicker, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München; Diego De Brasi, Junior-Professor für Gräzistik, Universität Trier
Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025
Besonderer Linktipp der Redaktion:
WDR: nah dran - die Geschichte hinter der Nachricht
Onlinebetrug und moderne Sklaverei – wie funktionieren die Methoden der Cybermafia? Oder: Macht der Massentourismus die Kanaren kaputt? Der nah dran-Podcast vom WDR spricht mit Reporterinnen und Reportern, die wirklich „nah dran“ sind an einem Thema. Dort erfahrt ihr Hintergründe zu aktuellen Themen. ZUM PODCAST
Linktipps:
WDR (2025): Mutter aller Fake-News? Die New York Sun "entdeckt" den Mond
Die New York Sun berichtet ab 25.8.1835 über Fledermausmenschen und Tempel auf dem Mond. Als Satire gedacht, wird es die Geburtsstunde des Boulevardjournalismus. ZUM PODCAST
Deutschlandfunk Nova (2024): Bilder, die lügen - Wie uns Propaganda betrügt
Bilder entscheiden darüber, wie Geschichte aussieht und wie sie erzählt wird. Wer ihre Manipulation versteht, kommt auch der Wahrheit ein bisschen näher – von der Sowjetzeit über den Nationalsozialismus bis zur russischen Propaganda von heute. ZUM PODCAST
ZDF (2022): Meinungsmacher
Die Geschichte wird fortlaufend von einflussreichen Persönlichkeiten geprägt. Um ihre Ansicht zu verbreiten und Macht auszuüben, nutzen Meinungsmacher die Medien ihrer Zeit auf geschickte Weise. ZUR DOKU
Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
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Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Alles Geschichte
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN
Es ist eine der bekanntesten Fake News der Geschichte – ein Großskandal: Juden schänden geweihte Hostien. Sie durchstächen die Hostien mit einem spitzen Werkzeug, so dass sie bluten.
Legenden über den angeblichen Hostienfrevel kamen offenbar erstmals im Jahr 1290 in Paris auf. Nach katholischem Glauben ist Jesus Christus in der geweihten Hostie präsent. Deshalb wurden die Juden bezichtigt, die Tötung Christi zu wiederholen, indem sie die Hostien als Leib Christi verletzten. Auch in Röttingen bei Würzburg gingen solch judenfeindliche Verleumdungen um. Davon zeugt sogar ein Ölgemälde, das lange Zeit in der Röttinger Pfarrkirche hing.
SPRECHER
Erzählt wurde, dass ein Mesner Juden Hostien verkauft habe. In der Osternacht sollen die Juden dann mit Klingen auf die Hostien eingestochen haben, die daraufhin zu bluten begangen. Entsetzt sollen sie die entweihten Hostien in die Tauber geworfen haben. Das Wasser habe sich blutrot gefärbt. Flussabwärts beim Kloster Schäftersheim seien die Hostien aus dem Wasser gefischt worden. Danach seien feurige Lichter über dem Mesnerhaus und der Synagoge erschienen.
SPRECHERIN
Ausgangspunkt für diesen Vorwurf waren vermeintliche Blutflecken auf den Hostien. In Wirklichkeit kamen die roten Flecken von Bakterien, die einen Farbstoff bildeten. Diese Fake News hatte grausame Folgen: Am 20. April 1298 wurden in einem ersten Massaker die 21 Juden der Stadt Röttingen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Weitere Morde folgten. Im Nürnberger Memorbuch, einem jüdischen Totengedenkbuch sind die Namen von 3.441 ermordeten Jüdinnen und Juden aus mehr als 40 Orten aufgeführt. Diese historische Falschmeldung aus dem 13. Jahrhundert ist Teil eines verschwörungsideologischen, antijudäischen, antisemitischen Weltbildes. Immer wieder wurden und werden Lügen über Juden verbreitet – mit katastrophalen Folgen bis heute.
SPRECHERIN
Historische Fake News, damals nicht global, sondern meist lokal oder regional, nicht digital, sondern analog. Verbreitet wurden die Falschmeldungen mündlich, auf Papyrus, per Brief, Flugschrift oder später in Zeitungen.
SPRECHERIN
Der Begriff Fake News kommt aus dem Englischen und bedeutet „gefälschte Nachricht“ oder „Falschnachricht“. Fake News werden heute in den Medien und im Internet, besonders in den Sozialen Medien verbreitet, und zwar in manipulativer Absicht.
